TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/19 W215 1311963-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.05.2020
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Entscheidungsdatum

19.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §55

Spruch

W215 1311963-2/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2017, Zahl 752280700-14000248, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), und Abs. 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015,

§ 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, und § 53 Abs. 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl.

Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen, reiste gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder illegal nach Österreich ein und stellte am 23.12.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner niederschriftlichen Befragung im Bundesasylamt am 09.01.2006 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass seine ältere Schwester, die Krankenschwester gewesen sei und sich nunmehr in Norwegen aufhalte, tschetschenischen Widerstandskämpfern geholfen habe. In der Folge sei die Familie des Beschwerdeführers fast jeden Tag von maskierten Personen aufgesucht worden. Er selbst sei im Jahr 2003 von maskierten Personen festgenommen und einen Tag lang angehalten worden. Dabei sei er auch geschlagen worden.

In seiner niederschriftlichen Befragung im Bundesasylamt am 03.10.2006 gab der Beschwerdeführer unter anderem an, er habe die Russische Föderation verlassen, da dort Krieg herrsche und es lebensbedrohlich sei. Die "russischen Besatzer" seien "alle paar Monate" zu ihnen nach Hause gekommen und hätten nach dem Beschwerdeführer gesucht, da er von 2002 bis Juni 2004 tschetschenische Kämpfer mit Lebensmitteln und Verbandsutensilien versorgt habe. Er habe von weitem beobachtet, dass uniformierte Personen in das Haus seiner Familie eingedrungen seien und sei ab diesem Zeitpunkt nicht mehr nach Hause zurückgekehrt.

Mit Bescheid vom 26.04.2007, Zahl 05 22.807-BAE, wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.), stellte die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.). In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur Situation in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien und stellte die Identität sowie die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers fest. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen nur allgemein in den Raum gestellt habe, ohne dieses belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können. Es habe demnach nicht festgestellt werden können, dass er in der Russischen Föderation einer begründeten Furcht vor Verfolgung ausgesetzt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.04.2007, Zahl 05 22.807-BAE, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat.

Mit Urteil des XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach

§ 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

In Folge der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.04.2007, Zahl 05 22.807-BAE, erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde), fand am 11.10.2011 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof (als Rechtsnachfolger des Unabhängigen Bundesasylsenates) statt, an welcher der Beschwerdeführer, sein Bruder und seine Mutter teilnahmen.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 12.01.2012, C15 311963-1/2008/12E, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers glaubhaft seien und in den Länderberichten Deckung finden würden. Der Bruder des Beschwerdeführers gehöre jenem Personenkreis an, dem ein Naheverhältnis zum separatistischen Widerstand attestiert werde und könne angesichts der "Kollektivbestrafung" enger Familienangehöriger nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer von entsprechenden Verfolgungshandlungen, die sich in erster Linie gegen seinen Bruder richten würden, verschont bliebe. Die (befürchtete) Verfolgung knüpfe an die (seinem älteren Bruder und damit mittelbar auch dem Beschwerdeführer unterstellte) politische Gesinnung vor dem Hintergrund separatistischer Bestrebungen in seiner Heimatregion an.

1.2. zweites Strafverfahren:

Mit Beschluss vom XXXX wurde über den Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, § 75 StGB die bedingt obligatorische Untersuchungshaft verhängt. Demnach sei er dringend verdächtig, am XXXX versucht zu haben, einen männlichen tschetschenischen Staatsangehörigen vorsätzlich zu töten, indem er ihm einen Schuss mit einer Pistole in den Bauch versetzt habe. Weiters wurde ausgeführt, dass gegenständlich auch Fluchtgefahr vorliege, da der Beschwerdeführer ohne soziale und berufliche Integration in Österreich sei und die zu erwartende empfindliche Freiheitstrafe einen Fluchtanreiz darstelle. Es liege auch Tatbegehungsgefahr vor, da der Beschwerdeführer bereits wegen eines Körperverletzungsdelikts vorbestraft sei und aufgrund seiner aggressiven Vorgehensweise bei der Tat - er habe die Familienehre wieder herstellen wollen - über ein hohes Aggressionspotenzial verfüge. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass er weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehe.

Mit Urteil des XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, § 75 StGB von einem Geschworenengericht zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, einen männlichen tschetschenischen Staatsangehörigen am XXXX vorsätzlich zu töten versucht zu haben, indem er mit einer Faustfeuerwaffe einen Schuss auf dessen rechten Bauchbereich abgefeuert habe. Als erschwerend wurde gewertet, dass der Beschwerdeführer schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tag, nämlich des Vergehens der Körperverletzung, verurteilt worden sei. Als mildernd wurden der Versuch sowie die erfolgte Konfiskation der Tatwaffe gewertet. Unter Bezugnahme auf generalpräventive Aspekte wurde ausgeführt, dass vor allem im Hinblick auf die Tatbegehung mit einer eigens hierfür mitgeführten Schusswaffe mit der Verhängung einer niedrigeren Strafe nicht das Auslangen habe gefunden werden können, um der Missbilligung jeglicher Form der Selbstjustiz durch die Gesellschaft den gebührenden Ausdruck zu verleihen und anderen potenziellen Tätern aufzuzeigen, dass für derartige Handlungen in dieser Republik kein Raum bestehen würde.

Gegen dieses Urteil erhob der Beschwerdeführer Berufung an das XXXX und Nichtigkeitsbeschwerde an den XXXX . Mit Beschluss vom XXXX , wies der XXXX die Nichtigkeitsbeschwerde zurück. Mit Urteil vom XXXX , wurde auch die Berufung durch das XXXX abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das vorliegende Verbrechen nach den Aussagen des Angeklagten im Namen der Ehre verübt worden sei und zwischenmenschliche Probleme in einem zivilisierten Rechtsstaat unter gar keinen Umständen im Wege der Selbstjustiz, nämlich indem der betroffenen Person zu Wiederherstellung der Ehre Gewalt angetan werde, zu lösen seien. Die verhängte Freiheitsstrafe werde dem hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat, durch die "ob eines völlig inadäquaten Tatmotivs ein Menschenleben ausgelöscht werden sollte", durchaus gerecht und trage auch spezial- und generalpräventiven Erwägungen Rechnung. So gelte es, "nicht nur dem Angeklagten, sondern auch insbesondere mit dessen Wertesystem behafteten potentiellen Tätern das Unrecht und die Verwerflichkeit derartiger Akte der Selbstjustiz unter Umgehung der legalen Möglichkeiten nachdrücklich vor Augen zur führen".

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Mit Verfahrensanordnung vom 04.05.2016 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der Beschwerdeführer mehrere rechtskräftige Verurteilungen von einem inländischen Gericht aufweise und zuletzt mit Urteil des XXXX , wegen des Verbrechens des versuchten Mordes verurteilt worden sei. Es liege daher ein Aberkennungstatbestand vor. Dem Beschwerdeführer wurde ein Fragenkatalog in Bezug auf seine persönlichen Verhältnisse in Österreich übermittelt und ihm Gelegenheit eingeräumt, hierzu binnen zweiwöchiger Frist eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom 12.05.2016 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, im Rahmen derer er zusammenfassend ausführte, dass seine Mutter und sein Bruder mit seiner Familie in XXXX leben würden und er regelmäßig von ihnen besucht werde. Nach seiner Entlassung könne er bei seiner Mutter in XXXX wohnen und wolle auch so schnell wie möglich eine Arbeit finden. Leider habe er vor seiner Haft in Österreich nicht arbeiten können, da er anfangs keine Papiere gehabt habe. Ein Jahr vor der Inhaftierung habe er Papiere erhalten und sei mit seiner Familie nach XXXX gezogen. In dieser Zeit habe er auch einen Deutschkurs begonnen, den er wegen gesundheitlicher Probleme leider habe abbrechen müssen. Zu einer geplanten Fortsetzung sei es aufgrund seiner Inhaftierung leider nicht gekommen. In Haft habe er einen Deutschkurs besucht und einen XXXX gemacht.

Mit Verfahrensanordnung vom 12.04.2017 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen übermittelt sowie neuerlich Fragen zu seiner Situation in Österreich gestellt. In seiner Stellungnahme vom 20.04.2017 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2017, Zahl 752280700-14000248, wurde dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt I. der ihm mit Erkenntnis vom 12.01.2012, C15 311963-1/2008/12E, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. In Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht zuerkannt werde. In Spruchpunkt III. wurde diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde in Spruchpunkt V. gemäß

§ 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt VI. wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich die Lage in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien, nachhaltig geändert habe und kein Asylgrund mehr vorliege. Weiters sei der Beschwerdeführer durch ein inländisches Gericht wegen des Verbrechens des versuchten Mordes verurteilt worden. Dies sei unter den Tatbestand eines besonders schweren Verbrechens zu subsumieren und stelle der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Gemeinschaft dar. Es könnten auch keine stichhaltigen Gründe festgestellt werden, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprechen würden. Die Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK ergebe, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegenständlich trotz familiärer und privater Anknüpfungspunkte gerechtfertigt sei. Aufgrund der Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit werde die aufschiebende Wirkung aberkannt und bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise. Da der Beschwerdeführer von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei, erweise sich die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbots als gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, zugestellt am 09.06.2017, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 22.06.2017 eingebrachte Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass für den Beschwerdeführer weiterhin eine Gefährdungslage in Tschetschenien bestehe und die Verfolgung von Verwandten und Freunden von Terrorverdächtigen nach wie vor weit verbreitet sei. Ferner sei dadurch, dass ihm "vorgeworfen werde", dass er einen Landsmann habe umbringen wollen, ernsthaft davon auszugehen, dass von Angehörigen seines Opfers versucht werde, an ihm Blutrache zu üben. Eine Aberkennung seines Asylstatus sei daher nicht rechtmäßig, zumindest sei ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Zur unbefristeten Erlassung des Einreiseverbots führte der Beschwerdeführer zum versuchten Mord aus, dass er niemals hätte zulassen dürfen, dass "der Streit derart eskaliert". Er denke aber nicht, dass man davon sprechen könne, dass er mehrfach wegen massiven Straftaten verurteilt worden sei und andauernd Straftaten begangen hätte, wenn er "in 12 Jahren seines Aufenthaltes genau zwei Straftaten" begangen habe. Da er während seines jahrelangen Aufenthaltes "doch bewiesen habe, dass er sich grundsätzlich an die österreichischen Gesetze und Wertvorstellungen halte", sei die von der Erstbehörde getroffenen Zukunftsprognose, in der ihm eine permanente schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unterstellt werden, "völlig unberechtigt und haltlos".

2.3. Die Beschwerdevorlage vom 26.06.2017 langte am 28.06.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 25.08.2017 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt, die aufgrund der Inhaftierung des Beschwerdeführers am XXXX stattfand. Anwesend waren der Beschwerdeführer und seine zur Vertretung bevollmächtigte Rechtsberaterin. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit Schreiben vom 07.07.2017 für die Verhandlung entschuldigt. Es wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer und seine Rechtsberaterin verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Mit Parteiengehör vom 19.02.2020 wurden dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu seiner Situation in Österreich gestellt und ihm aktualisierte Quellen der bereits in der Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderberichte übermittelt. Der Beschwerdeführer wurde ersucht, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

Mit Stellungnahme vom 04.03.2020 machte der Beschwerdeführer Ausführungen zu den übermittelten Länderberichten und beantwortete die an ihn gestellten Fragen. Dabei führte er im Wesentlichen aus, dass seine Mutter, sein Bruder und die Frau seines Bruders mit deren drei Kindern in Österreich leben würden. Seine Familie kommen alle zwei Monate zu einem Familienbesuch in die Haftanstalt, außerdem telefoniere er zwei- bis dreimal wöchentlich mit seiner Mutter und seinem Bruder. Letzte Woche sei auch seine in Norwegen lebende Schwester mit ihrer Tochter auf Besuch gewesen. Er habe in Österreich neben seiner Familie auch ein paar Freunde. Seit sechs Jahren arbeite er in der Erzeugung von XXXX und habe in der Justizanstalt ferner einen Computerkurs besucht, zwei Deutschkurse absolviert und den XXXX gemacht. In seiner Heimat habe er die Pflichtschule absolviert und sei danach mit seiner Familie nach Österreich gekommen. Nach seiner Entlassung wolle er bei der Firma weiterarbeiten, wo er derzeit beschäftigt sei, ansonsten werde er sich eine andere Arbeit suchen. Er wolle zu seiner Familie nach XXXX ziehen und habe vor, dort eine Familie zu gründen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und ist moslemischen Glaubens. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Tschetschenisch, er spricht darüber hinaus auch sehr gut Russisch. Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt XXXX in Tschetschenien und besuchte dort die Pflichtschule.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2005, im Alter von XXXX , gemeinsam mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 23.12.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 12.01.2012, C15 311963-1/2008/12E, wurde dem Beschwerdeführer gemäß

§ 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2.1. Mit Urteil des XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach

§ 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, § 75 StGB von einem Geschworenengericht zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, einen männlichen tschetschenischen Staatsangehörigen am XXXX vorsätzlich zu töten versucht zu haben, indem er mit einer Faustfeuerwaffe einen Schuss auf dessen rechten Bauchbereich abgefeuert habe. Als erschwerend wurde gewertet, dass der Beschwerdeführer schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tag, nämlich des Vergehens der Körperverletzung, verurteilt worden sei. Als mildernd wurden der Versuch sowie die erfolgte Konfiskation der Tatwaffe gewertet.

Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit in Strafhaft; das errechnete Strafende ist am XXXX .

2.2. Die Umstände, auf Grund derer der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden ist, bestehen nicht mehr. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr ins Herkunftsland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanten Übergriffen ausgesetzt ist. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass er aktuell konkret Gefahr liefe, im Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.

3. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist arbeitsfähig. Er verfügt im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte (Schwestern, Onkel und Tanten mit deren Familien).

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Er absolvierte in seinem Herkunftsstaat die Pflichtschule und konnte im Bundesgebiet während seiner Inhaftierung den XXXX machen, einen Computerkurs besuchen und in Haft Berufserfahrung in der Erzeugung von XXXX sammeln (siehe dazu Punkt 4.). Es ist davon auszugehen, dass ihm seine nunmehr erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch beim Aufbau einer Existenz in der Russischen Föderation behilflich sein werden, zumal er sowohl Tschetschenisch als auch sehr gut Russisch beherrscht und sich in seinem Herkunftsstaat ohne sprachliche Probleme zurechtfinden kann. Weiters können ihn auch seine in Österreich asylberechtigten Verwandten beim Wiederaufbau einer Existenz finanziell unterstützen und verfügt der Beschwerdeführer zudem über Familienangehörige in der Russischen Föderation (Schwestern, Onkel und Tanten mit deren Familien), womit es ihm freisteht, bei Bedarf auch diese zu kontaktieren.

Es ist dem Beschwerdeführer ferner möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation auch außerhalb von Tschetschenien niederzulassen und sich dort anzumelden. Die wirtschaftlich stärkeren Metropolen und Regionen in Russland bieten trotz der derzeitigen Wirtschaftskrise bei vorhandener Arbeitswilligkeit entsprechende Chancen auch für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken (siehe dazu Länderfeststellungen 5. Bewegungsfreiheit; Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens). Der Beschwerdeführer hat Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung (siehe dazu auch Länderfeststellungen 5. Wirtschaft und Grundversorgung; Sozialbeihilfen; Medizinische Versorgung).

4. Der Beschwerdeführer ist seit 2005 in Österreich aufhältig und besuchte zwar Deutschkurse, legte aber keine Bestätigungen über absolvierte Prüfungen vor. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zeigte sich, dass der Beschwerdeführer halbwegs verständlich Deutsch spricht, aber trotz seines jahrelangen Aufenthaltes im Bundesgebiet einiges noch nicht versteht.

Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet während der acht Jahre bis zu seiner Inhaftierung nie berufstätig und nicht selbsterhaltungsfähig. Er absolvierte nunmehr in Haft den XXXX , besuchte einen Computerkurs und ist derzeit für ein Unternehmen in der Erzeugung von XXXX tätig.

Im Bundesgebiet leben die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers mit seiner Familie, die hier asylberechtigt sind. Der Beschwerdeführer telefoniert regelmäßig mit seiner Mutter und seinem Bruder und wird von seinen Familienangehörigen etwa alle zwei Monate in Haft besucht. Finanzielle oder sonstige persönliche Abhängigkeiten zwischen dem bald XXXX Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen können nicht festgestellt werden und wurden auch nicht geltend gemacht. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen besteht bereits seit XXXX Jahren, genauer seit XXXX , kein gemeinsamer Haushalt mehr. Der Beschwerdeführer war von XXXX obdachlos und befindet sich seit XXXX durchgehend in Haft.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat mehr als 141,7 Millionen Einwohner und ist schätzungsweis ca. 1,8 Mal so groß wie die die U.S.A. (CIA Factbook 30.03.2020, abgefragt am 07.05.2020).

Wladimir Putin ist das Staatsoberhaupt, Michail Mischustin Regierungschef. Die dritte Präsidentschaft Putins zeichnete sich durch politische Kontinuität aus. Die Modernisierungsagenda von Medwedew wurde weiterverfolgt. Gleichzeitig hat Putin den Sozialstaat weiter ausgebaut und den Verteidigungssektor gestärkt. Am 15.01.2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Der Ministerpräsident und die Kabinettsmitglieder bekommen per Verfassungsänderung künftig mehr Macht. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischustin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden. Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren. Die für das 12.04.2020 geplante Abstimmung wurde wegen Ausbreitung der Atemwegserkrankung COVID-19 verschoben. Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie. Das Zweikammerparlament besteht aus Staatsduma und Föderationsrat. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt. Es gibt eine Fünfprozentklausel (LIP Geschichte und Staat April 2020, abgefragt am 07.05.2020).

Die Russische Föderation ist der Staat mit der weltweit größten Fläche. Sie ist Atommacht und Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Russland besteht aus 83 Föderationssubjekten. Die 2014 erfolgte Annexion der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland ist international nicht anerkannt. Föderationssubjekte verfügen über eine eigene Legislative und Exekutive, sind aber weitgehend vom föderalen Zentrum abhängig. Die Föderationsversammlung besteht aus zwei Kammern. Im Föderationsrat sitzen je zwei Vertreter jedes Föderationssubjekts. Dazu kommen vom Staatspräsidenten ernannte Vertreter der Russischen Föderation, deren Anteil nicht mehr als zehn Prozent betragen darf. Die Staatsduma besteht aus 450 Abgeordneten, die in Wahlen bestimmt werden. OSZE-Wahlbeobachter bestätigten mehrfach Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung von Wahlen. Der in der Verfassung vorgesehenen Gewaltenteilung steht die de-facto alle Bereiche dominierende zentrale Rolle des Staatspräsidenten gegenüber. Er kann die Regierung entlassen und hat weitreichende Vollmachten in der Außen- und Sicherheitspolitik (AA Politisches Porträt Stand 02.03.2020, abgefragt am 07.05.2020).

Durch Präsidialdekret vom Juli 2000 wurden die zunächst sieben, ab Februar 2010 acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.03.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt (LIP Geschichte und Staat April 2020, abgefragt am 07.05.2020).

(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Russland, last update 30.03.2020, abgefragt am 07.05.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Politisches Porträt, Stand 02.03.2020, abgefragt am 07.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/politisches-portrait/201710

LIP, Liportal, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Russland, Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung April 2020, abgefragt am 07.05.2020, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat)

Tschetschenien

Die Einwohnerzahl Tschetscheniens liegt bei ca. 1,5 Millionen. Laut Aussagen des Republikoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben - eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte von ihnen Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handelt es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens. Diese entstanden bereits vor über einem Jahrhundert, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum. Was die Anzahl von Tschetschenen in anderen russischen Landesteilen anbelangt, so ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen (ÖB Moskau 12.2019). In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2019; AA 13.02.2019; FH 04.03.2020). Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den russlandweiten Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen. Auch im Vorfeld der Wahlen hatte Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml. Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen (ÖB Moskau 12.2019; AA 13.02.2019). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet Kadyrow unterschiedliche Formen der Gewalt an, wie z.B. Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen (FH 04.03.2020; AA 13.02.2019). Dies kann manchmal auch außerhalb Russlands stattfinden. Kadyrow wird verdächtigt, die Ermordung von unliebsamen Personen, die ins Ausland geflohen sind, angeordnet zu haben (FH 04.03.2020).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute "föderale Machtvertikale" dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 03.2018). Ein Abkommen von September 2018 über die Abtretung von umstrittenem Territorium von Inguschetien an Tschetschenien hatte politische Unruhen in Inguschetien zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Der Konflikt um die Grenzziehung flammt immer wieder auf. Im März 2019 wurden Proteste in Inguschetien gewaltsam aufgelöst, wobei manche Teilnehmer körperlich gegen die Polizei Widerstand leisteten. 33 Personen wurden festgenommen (HRW 14.01.2020). Die Proteste hatten außerdem den Rücktritt des inguschetischen Präsidenten Junusbek Jewkurow im Juni 2019 zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Jewkurows Nachfolger ist Machmud-Ali Kalimatow (NZZ 29.06.2019).

(FH, Freedom House, Freedom in the World 2020, Russland, 04.03.2020, https://freedomhouse.org/country/russia/freedom-world/2020

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Dezember 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_ÖB_Bericht_2019_12.pdf

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, März 2018, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf

NZZ, Neue Zürcher Zeitung, Die Nordkaukasus-Republik Inguschetien ist innerlich zerrissen, 29.06.2019, https://www.nzz.ch/international/nordkaukasus-inguschetien-nach-protesten-innerlich-zerrissen-ld.1492435

HRW, Human Rights Watch, World Report 2020, Russia, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/russia)

Sicherheitslage

Präsident Putin verkündete am 25.03.2020 die Verschiebung des für den 22.04.2020 geplanten Referendums über weitreichende Verfassungsänderungen. Um eine Gefährdung von Wählern durch das Coronavirus zu vermeiden, werde ein neuer Termin gemäß der Expertise von Gesundheitsexperten bestimmt werden. Stimmen bei dem Referendum mehr als die Hälfte der Wähler den Verfassungsänderungen zu, sollen diese in Kraft treten. Putin könnte dann 2024 erneut als Kandidat antreten und bei einer Wiederwahl bis 2036 im Präsidentenamt bleiben (BAMF 30.03.2020).

Bei der Einreise in die Russische Föderation besteht bis zur Stabilisierung der COVID-19 Situation ein Einreiseverbot für Ausländer mit wenigen Ausnahmen (ausländische Staatsangehörige, welche Maschinen und technisches Equipment in Russland warten; Ehepartner/Ehepartnerinnen von russischen Bürgerinnen/ Bürgern; Diplomatinnen/ Diplomaten [BMEIA Stand 07.05.2020]). In Wladikawkas versammelten sich am 20.04.2020 ca. 2.000 Menschen bei einer Demonstration gegen Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus und forderten den Rücktritt des Gouverneurs der Teilrepublik Nordossetien-Alanien. Die Polizei trieb die Teilnehmer gewaltsam auseinander und nahm Dutzende von ihnen fest. Am 21.04.2020 befand ein Gericht der Stadt 13 Personen der Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration, des Widerstands gegen Polizisten sowie der Organisierung eines öffentlichen Ereignisses, das zur Störung der öffentlichen Ordnung geführt habe, für schuldig und verurteilte sie zu Gefängnisstrafen zwischen drei und 15 Tagen. Der Opernsänger Vadim Cheldiyev hatte im Internet zu der Kundgebung aufgerufen. Cheldiyev, der den Behördenleitern der Region eine Übertreibung der Virusgefahren zum Zweck der Selbstbereicherung vorgeworfen hatte, wurde am 21.04.2020 zu einer Geldstrafe von umgerechnet 928 Euro wegen der Verbreitung falscher Informationen über das Virus verurteilt (BAMF 27.04.2020).

Die Ausbreitung der Atemwegserkrankung COVID-19 führt auch in der Russischen Föderation zu verstärkten Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen mit Temperaturmessungen und Einreisesperren. Die Einreise von Ausländern ist derzeit stark eingeschränkt. Es dürfen nur akkreditierte Mitarbeiter diplomatischer Vertretungen und konsularischer Einrichtungen ausländischer Staaten und deren Familienangehörige, Kraftfahrer im internationalen Kraftverkehr, die Besatzungen von Luftfahrzeugen, See- und Binnenschiffen, Zugpersonal im internationalen Eisenbahnverkehr, Mitarbeiter des Kurierdienstes zwischen den Regierungen und Mitglieder offizieller Delegationen, sowie Personen mit diplomatischen, dienstlichen oder regulären privaten Visa, die im Zusammenhang mit dem Tod eines nahen Verwandten ausgestellt wurden, einreisen. Weiter ausgenommen sind Personen, die als Familienangehörige (Eheleute, Eltern, Kinder, Adoptiveltern oder -kinder), Vormünder oder Pfleger von russischen Staatsangehörigen mit in dieser Eigenschaft anerkannten Identitätsdokumenten mit Visa einreisen, und Personen, die einen ständigen Wohnsitz in der Russischen Föderation haben. In vielen Landesteilen gelten umfassende Ausgangsbeschränkungen, kombiniert mit elektronischen Monitoringsystemen. In Moskau darf bis zum 11.05.2020 die gemeldete Wohnung nicht verlassen werden, außer im medizinischen Notfall. Weitere Ausnahmen gelten für den Einkauf von Gütern des täglichen Bedarfs am nächstgelegenen Ort. In der Öffentlichkeit ist ein Abstand von 1,5 m zu anderen Personen einzuhalten, dies gilt nicht in Taxis. Für die Benutzung aller Verkehrsmittel werden digitale Passierscheine benötigt. Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf. Seien Sie weiterhin insbesondere an belebten Orten, bei Menschenansammlungen und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel besonders aufmerksam. Insbesondere in Moskau und St. Petersburg, aber auch in anderen großen Städten kann es zu angemeldeten und genehmigten Kundgebungen und Demonstrationen kommen, die meist friedlich verlaufen. Im Zusammenhang mit unerlaubten Protestaktionen kann es zu einem massiven Vorgehen der Sicherheitskräfte kommen. In den touristischen Zentren russischer Städte sowie in größeren Menschenansammlungen und in öffentlichen Verkehrsmitteln wie der Metro kommt es zu Kleinkriminalität wie Taschendiebstahl. Wie auch in anderen Großstädten kann es in Bars und Clubs russischer Großstädte zu Straftaten und vereinzelt dem Einsatz von K.o.-Tropfen kommen. Bewusstlose Personen können Opfer sexueller Gewalt werden oder sich im Freien wiederfinden, was in den Wintermonaten lebensgefährlich sein kann. In nur offiziell aussehenden, aber nicht lizensierten Taxis sind Touristen Opfer von Straftaten geworden (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 07.05.2020).

(BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 30.03.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027826/briefingnotes-kw14-2020.pdf

BMEIA, Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten, Reiseinformation Russische Föderation, unverändert gültig seit 08.04.2020, Stand 07.05.2020, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 27.04.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029418/briefingnotes-kw18-2020.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 04.05.2020, Stand 07.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536)

Nordkaukasus

Weiterhin angespannt bleibt die Menschenrechtslage im Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien unter dem Regime von Ramsan Kadyrow. Dagegen hat sich die Sicherheitslage insgesamt betrachtet wesentlich verbessert und stabilisiert. Seit 2013 ist die Zahl der Toten durch Anschläge und Kämpfe im Nordkaukasus stark rückläufig. So starben im Jahr 2017 bei Anschlägen und Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen bzw. islamistischen Aufständischen nach offiziellen Angaben 134 Personen (2016: 202; 2015: 208; 2014: 341; 2013: 529; 2012: 700). Im Jahr 2018 fiel die Zahl der Todesopfer zum ersten Mal unter 100. 2018 starben nach Angaben der russischen Internetzeitung Caucasian Knot insgesamt 82 Personen im Nordkaukasus. Nach ersten vorliegenden Informationen derselben Quelle von Anfang Februar 2020 sank die Zahl der Todesopfer im Jahr 2019 auf insgesamt 31. Die Hauptursache für den im Vergleich zu dem Jahr 2012 erheblichen Rückgang der Zahl der getöteten Personen in den vergangenen Jahren dürfte sein, dass sich seit Ende 2014 vermehrt Kämpfer aus dem Nordkaukasus der Terrormiliz IS in Syrien und im Irak angeschlossen hatten und dort viele den Tod fanden (BAMF 10.02.2020).

Menschenrechtsorganisationen sehen übereinstimmend bestimmte Teile des Nordkaukasus als den regionalen Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten in der Republik Dagestan, daneben auch in Tschetschenien, Inguschetien und Kabardino-Balkarien. Der westliche Nordkaukasus ist hiervon praktisch nicht mehr betroffen. Die Opfer der Gewalt sind ganz überwiegend "Aufständische" und Sicherheitskräfte (AA 13.02.2019). Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sogenannten IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaya Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23.06.2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein "Wilajat Kavkaz", eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem "Kalifen" Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich etwa ab 2014 die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sogenannten IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem IS zuzurechnen waren. Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak, haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB Moskau 12.2019). 2018 erzielten die Strafverfolgungsbehörden maßgebliche Erfolge, die Anzahl terroristisch motivierter Verbrechen wurde mehr als halbiert. Sechs Terroranschläge wurden verhindert und insgesamt 50 Terroristen getötet. In der ersten Hälfte des Jahres 2019 nahm die Anzahl bewaffneter Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr weiter ab. Der größte Anteil an Gewalt im Nordkaukasus entfällt weiterhin auf Dagestan und Tschetschenien (ÖB Moskau 12.2019).

Die Nachrichten-Website Caucasian Knot berichtete, dass gewalttätige Konfrontationen mit Sicherheitskräften, in der ersten Hälfte des Jahres 2019, zu mindestens 31 Toten führten. die am stärksten betroffene Region war Kabardino-Balkarien mit 10 Todesfällen in der ersten Hälfte des Jahres 2019, gefolgt von Dagestan, wo neun Menschen getötet wurden. Das gewaltsame Verschwinden von Personen aus politischen oder finanziellen Gründen setzte sich im Nordkaukasus fort. Es gab immer wieder Berichte über Entführungen in Zusammenhang mit mutmaßlichen Antiterrormaßnahmen im Nordkaukasus (USDOS 11.03.2020).

Im vierten Quartal 2019 gab es sechs Konfliktopfer im Nordkaukasus, alle sechs waren in Inguschetien, vier davon wurden verwundet und sechs getötet (Caucasian Knot 11.03.2020; 20.03.2020). Von 06.01. bis 01.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 13.01.2020; 20.01.2020; 27.01.2020; 03.02.2020; 10.02.2020; 17.02.2020; 03.03.2020). Zwischen 02. und 08.03.2020 wurde mindestens eine Person als Konfliktopfer im Nordkaukasus gemeldet, nachdem ein mutmaßlicher Kämpfer während einer Spezialoperation in Inguschetien getötet wurde (Caucasian Knot 09.03.2020). Von 09.03. bis 22.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 16.03.2020; 23.03.2020). Am 23.03.2020 wurde in der Republik Kabardino-Balkarien, nach Informationen bezüglich eines geplanten Terroraktes, zwei gebrauchsfertige Sprengsätze gefunden und beim Versuch der Festnahme drei Verdächtige während einer Schießerei von Sicherheitskräften getötet (Caucasian Knot 31.03.2020). Am 16.04.2020 wurde beim Versuch von Polizisten ein Auto in Dagestan anzuhalten, nachdem der Fahrer der Aufforderung nicht nachkam und das Feuer eröffneten, dieser erschossen; im Auto wurden Waffen und Sprengstoff gefunden (Caucasian Knot 21.04.2020). Von 27.04. bis 03.05.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 04.05.2020).

(BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 10.02.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025555/briefingnotes-kw07-2020.pdf

Caucasian Knot, für das vierte Quartal 2019 wurde sechs Konfliktopfer im Nordkaukasus gemeldet, 20.03.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50759/

Caucasian Knot, Statistik für das vierte Quartal 2019 im Nordkaukasus, 11.03.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50267/

Caucasian Knot, von 06. bis 12.01.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 13.01.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49675/

Caucasian Knot, von 13. bis 19.01.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 20.01.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49743/

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019

Caucasian Knot, von 20. bis 26.01.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 27.01.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49819/

Caucasian Knot, von 27.01. bis 02.02.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 03.02.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49889/

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Reaktionen auf den Islamischen Staat (ISIS) in Russland und Nachbarländern, 10.2015, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Dezember 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_ÖB_Bericht_2019_12.pdf

Caucasian Knot, von 03.02 bis 09.02.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 10.02.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49959/

Caucasian Knot, von 10. bis 16.02.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 17.02.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50028/

Caucasian Knot, von 24.02. bis 01.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 03.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50174/

Caucasian Knot, von 02.03.2020 bis 08.03.2020 gab es mindestens ein Konfliktopfer im Nordkaukasus, 09.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50241/

USDOS, United States Department of State, Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, 11.03.2020, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/russia/

Caucasian Knot, von 09.03. bis 15.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 16.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50305/

Caucasian Knot, von 16.03. bis 22.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 23.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50381/

Caucasian Knot, zwischen 23.03.2020 und 29.03.2020 gab es mindestens drei Konfliktopfer im Nordkaukasus, 31.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50446/

Caucasian Knot, zwischen 13.04.2020 und 19.04.2020 gab es mindestens ein Konfliktopfer im Nordkaukasus, 21.04.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50658/

Caucasian Knot, von 27.04. bis 03.05.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 04.05.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50795/)

Tschetschenien

Weiterhin angespannt bleibt die Menschenrechtslage im Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien unter dem Regime von Ramsan Kadyrow. Dagegen hat sich die Sicherheitslage insgesamt betrachtet wesentlich verbessert und stabilisiert (BAMF 10.02.2020).

Von nicht erforderlichen Reisen nach Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan und in die unmittelbare Grenzregion zur Ukraine im Rostovskaya Oblast wird abgeraten. Es besteht bei Reisen in den Föderalbezirk Nordkaukasus sowie angrenzende Regionen eine erhöhte Sicherheitsgefährdung durch mögliche Anschläge mit terroristischem Hintergrund, bewaffnete Auseinandersetzungen und Entführungen (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 07.05.2020).

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl aufseiten pro-russischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, sowie in Syrien und im Irak (SWP 04.2015). In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP 04.2017). Im ersten Quartal 2019 gab es nach Angaben von Caucasian Knot in Tschetschenien drei Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon wurden zwei verwundet und eine Person getötet (Caucasian Knot 20.06.2019). Im zweiten Quartal 2019 gab es nach Angaben von Caucasian Knot in Tschetschenien drei Konfliktopfer, wobei zwei verwundet und eine Person getötet wurden (Caucasian Knot 14.09.2019). Im dritten Quartal 2019 gab es nach Angaben von Caucasian Knot in Tschetschenien mindestens vier getötete Personen (Caucasian Knot 18.12.2019). Im vierten Quartal 2019 wurde keine Konfliktopfer in Tschetschenien gemeldet (Caucasian Knot 21.02.2020; 11.03.2020). Von 06.01. bis 29.03.2020 gab es keine Konfliktopfer Tschetschenien (Caucasian Knot 13.01.2020; 20.01.2020; 27.01.2020; 03.02.2020; 10.02.2020; 17.02.2020; 03.03.2020; 09.03.2020, 16.03.2020; 23.03.2020; 31.03.2020). Zwischen 13.04.2020 und 19.04.2020 gab es keine Konfliktopfer in Tschetschenien (Caucasian Knot 21.04.2020). Von 27.04. bis 03.05.2020 gab es ebenfalls keine Konfliktopfer in Tschetschenien (Caucasian Knot 04.05.2020).

(BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 10.02.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025555/briefingnotes-kw07-2020.pdf

Caucasian Knot, Statistik für das vierte Quartal 2019 im Nordkaukasus, 11.03.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50267/

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, erstes Quartal 2019, 20.06.2019, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/47554/

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, 04.2017, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Dagestan, Russlands schwierigste Teilrepublik, April 2015, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf

Caucasian Knot, für das dritte Quartal 2019 wurde sieben im Nordkaukasus gemeldet, 18.12.2019, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49431/

Caucasian Knot, für das vierte Quartal 2019 wurde keine Konfliktopfer in Tschetschenien gemeldet, 21.02.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50077/

Caucasian Knot, von 06. bis 12.01.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 13.01.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49675/

Caucasian Knot, von 13. bis 19.01.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 20.01.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49743/

Caucasian Knot, von 20. bis 26.01.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 27.01.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49819/

Caucasian Knot, von 27.01. bis 02.02.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 03.02.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49889/

Caucasian Knot, von 03.02 bis 09.02.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 10.02.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/49959/

Caucasian Knot, von 10. bis 16.02.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 17.02.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50028/

Caucasian Knot, von 24.02. bis 01.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 03.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50174/

Caucasian Knot, von 02.03.2020 bis 08.03.2020 gab es mindestens ein Konfliktopfer im Nordkaukasus, 09.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50241/

Caucasian Knot, von 09.03. bis 15.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 16.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50305/

Caucasian Knot, von 16.03. bis 22.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 23.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50381/

Caucasian Knot, zwischen 23.03.2020 und 29.03.2020 gab es mindestens drei Konfliktopfer im Nordkaukasus, 31.03.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50446/

Caucasian Knot, zwischen 13.04.2020 und 19.04.2020 gab es mindestens ein Konfliktopfer im Nordkaukasus, 21.04.2020, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50658/

Caucasian Knot, von 27.04. bis 03.05.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus, 04.05.2020, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/50795/

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 04.05.2020, Stand 07.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536)

Justiz

Höchste Rechtsinstanz in Russland ist der Oberste Gerichtshof, daneben gibt es einen Obersten Schiedsgerichtshof. Die Richter dieser Gerichte werden durch den Föderationsrat auf Empfehlung des Präsidenten ernannt. 2003 haben Schwurgerichte ihre Arbeit aufgenommen (LIP Geschichte und Staat April 2020, abgefragt am 07.05.2020).

Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR - Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, EuR - Europäischer Rat) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen (ÖB Moskau 12.2019). Der Judikative mangelt es auch an Unabhängigkeit von der Exekutive, und berufliches Weiterkommen in diesem Bereich ist an die Einhaltung der Präferenzen des Kremls gebunden (FH 04.03.2020).

Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Art. 19 Abs. 2). Für Strafverfahren gegen Militärangehörige sind Militärgerichte zuständig, die seit 1999 formal in die zivile Gerichtsbarkeit eingegliedert sind (AA 13.02.2019). Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber Richter stehen unter dem Einfluss von Exekutive, Militär und anderen bewaffneten Einheiten, insbesondere in hochkarätigen oder politisch sensiblen Fällen und von Korruption. Die Ergebnisse mancher Prozesse scheinen vorbestimmt (USDOS 11.03.2020).

In Strafprozessen kommt es nur sehr selten zu Freisprüchen der Angeklagten. Am 1. Oktober 2019 trat eine Reform des russischen Gerichtswesens in Kraft, mit der eigene Gerichte für Berufungs-und Kassationsverfahren geschaffen wurden, sowie die Möglichkeit von Sammelklagen eingeführt wurde. Wenngleich diese Reformen ein Schritt in die richtige Richtung sind, bleiben grundlegende Mängel des russischen Gerichtswesens bestehen (z.B. de facto "Schuldvermutung" im Strafverfahren, informelle Einflussnahme auf die Richter, etc.). Laut einer Umfrage des Lewada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen Ende 2018 rangieren die Gerichte, die Staatsanwaltschaft und die Polizei eher im unteren Bereich. 33% der Befragten zweifeln daran, dass man den Gerichten vertrauen kann, 25% sind überzeugt, dass die Gerichte das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdienen und nur 28% geben an, ihnen zu vertrauen (ÖB Moskau 12.2019).

Das Gesetz verlangt die gerichtliche Genehmigung von Haftbefehlen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Inhaftierungen. Die Beamten erfüllen diese Anforderungen in der Regel, obwohl Bestechung oder politischer Druck manchmal die Verfahren zur Erlangung gerichtlicher Haftbefehle unterwanderten (USDOS 11.03.2020). Ein Gericht in Jaroslawl verurteilte am 17.01.2020 einen russischen Gefängniswächter zu dreieinhalb Jahren Haft, weil er Gefängnisinsassen geschlagen habe. Der Mann gehört zu einer Gruppe von 17 ehemaligen Gefängniswächtern einer Strafkoloni

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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