TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/25 W232 2210414-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.05.2020
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Entscheidungsdatum

25.05.2020

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W232 2210414-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2020, Zl. 732958505-200215077, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, reiste im September 2003 im Alter von 12 Jahren mit seiner Familie ins Bundesgebiet ein und wurde für ihn am 28.09.2003 ein Asylantrag gestellt.

2. Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes vom 07.03.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.06.2006, Zl. 259.374/0-II/06/05, stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2007, rechtskräftig am XXXX 2008, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes gemäß § 142/1, §15, § 143 (1.Fall), § 143 (2.Fall), § 15, § 164/1 und 4 (2.Fall), § 131 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten unter Anordnung der Bewährungshilfe (Jugendstraftat) verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer als Mittäter im Zeitraum von Dezember 2006 bis Jänner 2007 in 9 Fällen Personen durch Gewalt und Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben teilweise um Bargeld und Gegenstände beraubt hat.

5. Anlässlich einer Einvernahme beim damals zuständigen Bundesasylamt am 04.08.2008 wegen der Aberkennung des Asylstatus gab der Vater des Beschwerdeführers als sein gesetzlicher Vertreter an, dass eine Rückkehr der Familie nach Tschetschenien zu gefährlich sei. Der Beschwerdeführer gab an, im Gefängnis den Hauptschulabschluss gemacht zu haben, nun bei seinen Eltern und drei Geschwistern zu leben.

6. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2009, rechtskräftig am XXXX 2009, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß § 15, § 269/1 (1. Fall), § 83/1, § 84 Abs. 2/4 (1. Fall), § 84/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten als junger Erwachsener verurteilt und die Probezeit nach seiner bedingten Entlassung am 21.07.2008 aus seiner Freiheitsstrafe von ursprünglich 3 auf 5 Jahre verlängert.

7. Im Zuge seiner Einvernahme beim damals zuständigen Bundesasylamt am 02.09.2009 wegen der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens gab der nun erwachsene Beschwerdeführer auf Deutsch an, besser Deutsch und Tschetschenisch als Russisch zu sprechen. Er wolle nicht nach Russland zurückkehren. In Tschetschenien werde die Situation immer schlimmer. Er wisse nicht was er dort tun solle, alles was er gelernt habe, habe er hier gelernt.

8. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2009, rechtskräftig am XXXX 2009, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung, der Sachbeschädigung sowie der versuchten Nötigung gemäß § 83/1, § 15, § 105/1, § 125 STGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten (Zusatzstrafe zum Urteil vom XXXX 2009) als junger Erwachsener verurteilt.

9. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2009 wurde die Bewährungshilfe zum Urteil vom XXXX 2007 aufgehoben.

10. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX 2010, rechtskräftig am XXXX 2010, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1/1, § 27/2 SMG wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von 4 Wochen als junger Erwachsener verurteilt.

11. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2010, rechtskräftig am XXXX 2011, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teilweise versuchten Raubes, des Vergehens der Nötigung und der Urkundenunterdrückung gemäß § 15, § 142/1, § 229/1, § 105/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten als junger Erwachsener als Zusatzstrafe zu den Urteilen vom XXXX 2009 und XXXX 2009 verurteilt.

12. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX 2010, rechtskräftig am XXXX 2011, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten als Zusatzstrafe zum Urteil vom XXXX 2010 als junger Erwachsener verurteilt.

13. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2012, rechtskräftig am XXXX 2013, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes unter Verwendung einer Waffe gemäß § 142 Abs. 1 StGB, § 143 1. Satz 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt und wurde die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe zum Urteil vom XXXX 2007 widerrufen.

14. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2014, rechtskräftig am XXXX 2014, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.

15. Mit Schreiben vom 02.10.2017 wurde der Beschwerdeführer zur Stellungnahme zum Länderinformationsblatt betreffend die Russische Föderation und zu seiner persönlichen Situation im Rahmen eines Aberkennungsverfahrens aufgefordert, wozu er am 19.10.2017 vorbrachte, dass er in Österreich die Hauptschule und das Polytechnikum besucht habe. Sein Vater, seine Stiefmutter und seine drei Stiefgeschwister würden in Österreich leben. Aktuell sei er arbeitslos. Er habe 15 Monate im Unternehmerbetrieb gearbeitet, in der Justizanstalt 10 Monate lange eine Maurerlehre absolviert und in der Anstaltsküche gearbeitet. Er habe mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht und habe keinen Bezug zur Russischen Föderation. Er habe dort niemanden und auch keine Unterkunft. Aktuell gehe es ihm gesundheitlich gut. Er sei islamischen Glaubens, bete aber derzeit nicht. Im Herkunftsstaat gebe es genug Gründe, um bedroht zu werden, weil sein Vater im Krieg gewesen sei. Sie seien beide politische Flüchtlinge. Er wolle nicht als Druckmittel dafür dienen, damit ihnen etwas passieren könnte. Er habe Angst vor der Abschiebung.

16. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX 2017, rechtskräftig am XXXX 2017, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt.

17. Am 08.11.2018 wurde der Beschwerdeführers mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2018 auf eine Probezeit von 3 Jahren bedingt aus der Freiheitsstrafe (zu den Urteilen vom XXXX 2017, XXXX 2012 und XXXX 2014) entlassen, wobei eine Probezeit von 3 Jahren bestimmt, für die Probezeit die Bewährungshilfe angeordnet und dem Beschwerdeführer die Weisung erteilt wurde, sich einer Drogenberatung sowie einer Spielsuchttherapie zu unterziehen und bezüglich aller Weisungen dem Gericht binnen einem Monat nach bedingter Entlassung, sodann vierteljährlich unaufgefordert einen Nachweis vorzulegen. Dazu wurde weiter ausgeführt, dass für die bedingte Entlassung, die festgesetzte Dauer der Probezeit sowie die Anordnung der Bewährungshilfe folgende Umstände maßgebend waren "(Schlagworte): belastetes Vorleben; Rückfall nach BE (2008); Straftaten während Haft; keine spezialpräventiven Gründe gegen BE; 6 Ordnungswidrigkeiten, zuletzt am XXXX 2017; Verhalten entsprechend der Hausordnung; noch keine Vollzugslockerungen; Asylaberkennungsverfahren laufend; JA und StA für BE."

18. Mit Bescheid vom 04.11.2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den ihm mit Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.06.2006, Zl. 259.374/0-II/06/05, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG idgF wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

19. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2018, Zl W182 2210414-1/3E, wurde die gegen die Spruchpunkte I. und III. bis VII. dieses Bescheides erhobene Beschwerde gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, 10 Abs. 1 Z 4, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, §§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I. Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5, 46 und 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

20. Am 27.10.2019 brachte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

21. Am XXXX 2019 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

22. Am 19.11.2019 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers zum Folgeantrag statt.

23. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2019 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 27.10.2019 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch jenes des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.).

24. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2020, Zl. 2210414-2/5E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen und der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen.

25. Am 19.02.2020 brachte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein und legte ein selbstverfasstes Schreiben bei. Nach einem Verbesserungsauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl brachte er sein schriftliches Anliegen mit Schreiben vom 16.03.2020 erneut ein.

26. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2020 wurde sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK vom 19.02.2020 gemäß § 55 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.

27. Gegen diesen Bescheid wurde durch den Verein Menschenrechte Österreich mit Schreiben vom 11.05.2020 Beschwerde eingebracht. Darin wird im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer eine eheähnliche Beziehung geführt habe und immer noch liiert sei. Aufgrund der islamischen Eheschließung sehe er auch die drei Kinder seiner Partnerin als seine Stiefkinder an. Der Beschwerdeführer habe einen längeren Zeitraum bei seiner Partnerin gelebt, es sei jedoch keine amtliche Meldung möglich gewesen, da er über keinen Lichtbilsausweise verfüge. Aus diesem Grund habe er auch keine Möglichkeit zur legalen Erwerbstätigkeit und sei nicht krankenversichert. Zudem würden sein Vater, seine Stiefmutter und drei Geschwister in Österrich leben. Er verfüge über sehr gute Deutschkenntnisse und habe einige integrative Schritte gesetzt. Zur Familie im Herkunftsstaat wurde ausgeführt, dass Onkeln und Tanten des Beschwerdeführers in Russland leben würden, diese jedoch ihn nicht unterstützen könnten. Es wurde zudem ein eigens verfasstes Schreiben des Beschwerdeführers sowie seiner Partnerin vorgelegt.

28. Das Bundesverwaltungsgericht stellte in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft zuletzt mit Erkenntnis vom 15.05.2020, G307 2226325-5/2E, fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und Stellungnahmen, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist im September 2003 im Alter von 12 Jahren illegal mit seiner Familie nach Österreich eingereist und hat mit Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenats vom 20.06.2006 wegen der Fluchtgründe seines Vaters den Status eines Asylberechtigten erhalten.

Der Beschwerdeführer ist seit 2007 neun Mal rechtskräftig wegen gerichtlich strafbarer Handlungen - im Wesentlichen wegen gegen Leib und Leben gerichteten Vergehen und Verbrechen - teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die im Verfahrensgang aufgezählten Verurteilungen werden dem Verfahren auch als Feststellungen zu Grunde gelegt. Die letzte Tatbegehung erfolgte im Februar 2017. Der Beschwerdeführer hat während seines Aufenthaltes in Österreich fast 12 Jahre in Strafhaft verbracht. Der Beschwerdeführer wurde (zuletzt) Anfang November 2018 aus der Strafhaft entlassen. Seit XXXX 2019 befindet er sich in Schubhaft.

Mit Bescheid vom 04.11.2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den ihm zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG idgF wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Die Aberkennung wurde im Wesentlichen mit den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers begründet und dazu weiter festgestellt, dass somit ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 vorliegen würde, da es sich bei den vom Beschwerdeführer verübten Delikten im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zweifellos um als besonders schwer einzustufende Delikte handle, wobei die Zukunftsprognose jedenfalls negativ ausfalle. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2018 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, 10 Abs. 1 Z 4, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, §§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I. Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5, 46 und 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Am 27.10.2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2019 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch jenes des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2020 wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen und der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen.

Am 19.02.2020 brachte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein.

Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsland bis zu seiner Ausreise und in Österreich die Schule besucht, wobei er in Österreich die Hauptschule und ein Polytechnikum besucht und abgeschlossen hat. Er spricht Deutsch, Tschetschenisch und Russisch. Sein Vater, seine Stiefmutter sowie drei Stiefgeschwister halten sich als Asylberechtigte im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer ist im Jänner 2019 eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen. Ob es sich dabei um eine eheähnliche Beziehung handelt, kann dahingestellt bleiben und wird dazu auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen. Im Herkunftsland des Beschwerdeführers leben zwei Onkel und eine Tante von ihm.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen Familienangehörigen ergeben sich zur Gänze aus den glaubhaften und auch von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem Auszug aus dem Strafregister. Die Feststellungen zu seinen Asylverfahren und Schubhaftverfahren in Österreich erbegen sich aus den Verwaltungsakten sowie den zitierten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

3.1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründet die Abweisung des gegenständlichen Antrages im angefochtenen Bescheid zunächst damit, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel bereits aufgrund § 60 Abs. 1 AsylG 2005 nicht erteilt werden dürfe, weil gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot vorliege. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16.12.2016, Ro 2015/21/0037, ausgesprochen hat, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 einschränkend so auszulegen ist, dass er sich nur auf § 56 und § 57 AsylG 2005 beziehen kann.

3.2. § 55 AsylG 2005 lautet:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0034, Rn 9, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, Solomon v. Niederlande, Appl. 44328/98; EGMR 09.10.2003, Slivenko v. Lettland, Appl. 48321/99; EGMR 22.04.2004, Radovanovic v. Österreich, Appl. 42703/98; EGMR 31.01.2006, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande, Appl. 50435/99; EGMR 31.07.2008, Darren Omoregie ua v. Norwegen, Appl. 265/07).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (vgl. EGMR Marckx, EGMR vom 23.04.1997, X u.a.).

Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verwaltungsgerichtshof stellen in ihrer Rechtsprechung darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (VwGH 30.04.2009, 2009/21/086, VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall - selbst unter Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin seit Ende Jänner 2019 eine Beziehung führe, mit ihr seit August 2019 nach muslimischen Ritus verheiratet sei und mit ihr und ihren drei minderjährigen Kindern ein familienähnliches Leben (in gemeinsamen Haushalt) führe - nach Maßgabe einer Interessenabwägung die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten:

Der Beschwerdeführer befindet seit etwa 16 Jahren und acht Monaten in Österreich. In diesem Zeitraum hat der Beschwerdeführer fast 12 Jahre in Strafhaft verbracht, seit Ende Oktober 2019 befindet er sich in Schubhaft.

Den Angaben des Beschwerdeführers zu Folge, ging er Ende Jänner 2019 eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin ein - sohin zu einem Zeitpunkt, als dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten bereits aberkannt wurde, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetetes Einreiseverbot erlassen wurde. Das vorgebrachte Familienleben ist daher zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, dass der Fortbestand des Familienlebens in Österreich von vornherein unsicher ist. Es hat nie eine Situation vorgelegen, in welcher der Beschwerdeführer und seine Partnerin auf die Möglichkeit eines künftigen gemeinsamen Lebens in Österreich vertrauen konnten. Die Schutzwürdigkeit dieser Beziehung ist vor diesem Hintergrund als maßgeblich gemindert zu erachten. Es erschiene nicht sachgerecht, die durch den beharrlich illegalen Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet verlängerte Aufenthaltsdauer nunmehr zu seinen Gunsten zu werten. Zur Intensität der vorgebrachten Beziehung ist zudem hervorzuheben, dass der Zeitraum vom Beginn der Beziehung bis zur Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers lediglich etwa neun Monate beträgt, wobei diesem Zeitraum auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers nach bedingt durch die Drogentherapie des Beschwerdeführers jedenfalls kein dauernder gemeinsamer Wohnsitz zugrunde lag (unabhängig davon, dass sich ein gemeinsamer Wohnsitz nicht aus dem zentralen Melderegister ergibt). Durch die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit Ende Oktober 2019 musste die Beziehung aufgrund der naturgemäß damit verbundenen Unmöglichkeit der Aufrechterhaltung intensiver familiärer Beziehungen (beispielsweise durch das Leben in einem gemeinsamen Haushalt) auch eine Abschwächung erfahren. Sinngemäß gilt das Gleiche für die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich.

In Österreich halten sich zudem der Vater, die Siefmutter und drei Siefgeschwister des Beschwerdeführers auf. Ein besonderes Naheverhältnis respektive ein persönliches oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis liegt jedoch jeweils nicht vor, zumal ein solches nicht vorgebracht wurde. Dass die Familie des Beschwerdeführers auf dessen Unterstützung (als älterster Sohn) angewiesen sei, wie in dem selbst verfassten Schreiben des Beschwerdeführers angedeutet (zumal der Vater des Beschwerdeführers bereits zwei Herzinfarkte erlitten habe), kann aus seinen eigenen Angaben, wonach er die letzten Monate vor seiner Inschubhaftnahme bei seiner Partnerin gelebt haben will und auch in Anbetracht seiner mehrfachen Straffälligkeit (und der daraus resultierenden mehrjährigen Haftstrafen) nicht schlussgefolgert werden und wird daher als reine (verfahrenstaktische) Schutzbehauptung gewertet.

Zu Gunsten des Beschwerdeführers ist zu werten, dass er die deutsche Sprache beherrscht, in Österreich den Hauptschulabschluss gemacht, einen polytechnischen Lehrgang absolviert und eine Maurerlehre begonnen hat. Es ist auch zu berücksichtigten, dass der Beschwerdefüher zu seinem Heimatstaat eine abgeschwächte Bindung hat.

Dies und den dargestellten Bindungen im Bundesgebiet steht das kontinuierliche strafrechtliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers entgegen. Seine Anknüpfungspunkte als auch die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers relativieren sich aufgrund der Begehung von Straftaten. Bei der Abwägung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an seiner Ausreise fällt vor allem ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer durch sein langjähriges und schwerwiegendes Fehlverhalten seine mangelnde Rechtstreue und seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Der Umstand, dass er sich auch durch seine strafgerichtlichen Verurteilungen und durch das Übel der Strafhaft nicht von der Begehung weiterer Straftaten hat abhalten lassen, untermauert die Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer ist wie bereits ausgeführt in Österreich seit 2007 mehrmals (neun Mal) wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, im Wesentlichen gegen Leib und Leben gerichteter Vergehen und Verbrechen, verurteilt worden. So wurde er mit Urteil eines Landesgerichts vom November 2012 u.a. wegen des Verbrechens des bewaffneten schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren (unbedingt) rechtskräftig verurteilt. Die letzte Tatbegehung erfolgte im Februar 2017. Hierzu wird auch auf die Begründung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2018, Zl. W182 2210414-1/3E, zur Angemessenheit des 10-jährigen Einreiseverbotes verwiesen: "Bereits bei isolierter Betrachtung der konkreten Straftaten bzw. Verurteilungen des BF und der massiven Rückfälligkeit erscheint eine 10-jährige Dauer des Einreisverbotes jedenfalls angemessen, umso mehr als die Dauer im Hinblick auf den nach § 53 Abs. 3 Z 5 FPG zulässigen Rahmen, der sogar bis zu einem unbefristeten Ausspruch reicht, vom Bundesamt auch nicht voll ausgeschöpft wurde. Dies gilt umso mehr, als der BF nicht einmal in Strafhaft von der wiederholten Begehung von Straftaten abgehalten werden konnte."

In diesem Zusammenhang wird beispielshaft auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.03.1995, 95/18/0061, verwiesen, in welchen der VwGH ausdrücklich ausgeführt hat, dass das wiederholte Fehlverhalten des Fremden (im damals vom VwGH beurteilten Verfahren waren dies die Delikte des Einbruchsdiebstahles und der Hehlerei) eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit bewirkt und derart schwerwiegend ist, dass auch die stark ausgeprägten privaten und familiären Interessen des Fremden, der mit seiner Familie, Gattin und Kindern, seit fünfzehn Jahren in Österreich lebte, zurücktreten müssen (vgl. auch VwGH 08.02.1996, 95/18/0009).

Die Interessen der Republik Österreich an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes durch Vermeidung unkontrollierter Zuwanderung wiegen im gegenständlichen Fall insgesamt höher als die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12. 6. 2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11. 12. 2003, 2003/07/0007).

Von einer entsprechenden guten Integration, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung im Sinne oben zitierter Judikatur überwiegen würde, kann daher im Falle des Beschwerdeführers insbesondere angesichts der wiederholten und sehr schwerwiegenden strafrechtlichen Verurteilungen selbst unter Berücksichtigung seiner Beziehung noch nicht gesprochen werden.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen, gesunden Mann ohne Obsorgeverpflichtungen, der zudem über die notwendigen Sprachkenntnisse in der Russischen Föderation verfügt. Dadurch, dass er die ersten 12 Lebensjahre in seinem Herkunftsland aufgewachsen ist und auch aufgrund seiner nach wie vor bestehenden familiären Anknüpfungspunkte kann nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde. Der Beschwerdeführer muss zudem gegen sich gelten lassen, dass er in der Vergangenheit erkennbar keine Schritte - insbesondere im Hinblick auf die wiederkehrende Straffälligkeit - gesetzt hat, um seine soziale Integration sowie wirtschaftliches Fortkommen im Bundesgebiet zu regeln. Bisher ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, sich dauerhaft am Arbeitsmarkt zu etablieren. Nach der (letzten) Entlassung aus der Strafhaft war der Beschwerdeführer arbeitslos und nicht selbsterhaltungsfähig. Er war in keinen Vereinen oder ehrenamtlich tätig. In Anbetracht der zahlreichen strafgerichtlichen Verurteilungen kann von einer besonderen sozialen Verfestigung im Bundesgebiet nicht gesprochen und auch keine positive Zukunftsprognose getroffen werden.

Die öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie an einem geordneten Zuwanderungswesen wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ist somit als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Eine mündliche Verhandlung konnte im Fall des Beschwerdeführers deshalb unterbleiben, weil aus dem Inhalt der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Zudem wurden die in der Beschwerde sachverhaltsbezogenen Ausführungen zum Familienleben des Beschwerdeführers der Entscheidung (hypothetisch) zugrundegelegt. Der maßgebliche Sachverhalt ist daher aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG als geklärt anzusehen, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der Beschwerdeabweisung auf eine ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt Schubhaft Strafhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W232.2210414.3.00

Im RIS seit

12.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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