TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 W240 1417983-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2020
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Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W240 1417983-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2020,

Zl. 801117703-200079327, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 21.01.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF behauptete, sie habe vor ihrer gegenständlichen Antragstellung in Österreich am XXXX den afghanischen Staatsangehörigen XXXX nach islamischen Recht geheiratet.

Der Abgleich der Identität der Beschwerdeführerin mit der CVIS-Datenbank ergab, dass ihr am XXXX 2019 vom estnischen Generalkonsulat in Russland ein Touristen-Visum für den Schengen-Raum ausgestellt wurde. Dieses hatte eine maximale Gültigkeit bis zum 15.01.2020 für einen insgesamt 90tägigen Aufenthalt. Ein vorangegangener Antrag bei der dänischen Botschaft in Moskau wurde am XXXX 2019 abgelehnt.

Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuge des gegenständlichen Verfahrens gab die Beschwerdeführerin insbesondere an, sie führe den Namen XXXX . Sie sei seit XXXX traditionell mit XXXX verheiratet. Sie habe in Österreich als familiäre Bindungen zwei Schwestern und einen Bruder. Ein weiterer Bruder würde in Grosny, Russland, leben. Sie habe keine Krankheiten und benötige keine Medikamente. Im Juni 2019 habe sie ihren Herkunftsstaat mit dem Bus verlassen und sei über die Ukraine und Ungarn nach Österreich gelangt. Gefragt nach dem Grund der Einreise nach Österreich gab die Beschwerdeführerin an, dass in Österreich ihre Geschwister leben würden.

Sie legte ihren originalen russischen Reisepass und eine Heiratsurkunde vor. Aus der vorgelegten Heiratsurkunde ergibt sich, dass die Trauung durch den Verein der XXXX in Österreich durchgeführt wurde. Auf der Heiratsurkunde ist kein Ort der Eheschließung angeführt. Die beiden Kästchen mit den Bezeichnungen "alle Gebühren entrichtet" und "Eheseminar erfolgreich absolviert" sind in der Heiratsurkunde nicht angehakt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 23.01.2020 ein auf

Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Estland.

Mit Schreiben vom 19.02.2020 stimmte die estnischen Dublin-Behörde dem Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Zusammen mit ihrem (damaligen) Ehemann hatte die Beschwerdeführerin bereits am 28.11.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt.

Eine EURODAC-Abfrage ergab damals, dass die Beschwerdeführerin wiederum zuvor am 20.08.2010 in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 10.02.2011 wurden I. die Anträge der Beschwerdeführerin und ihres (damaligen) Ehemannes auf internationalen Schutz gemäß

§ 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung zur Prüfung der Anträge zuständig ist, sowie II. die Beschwerdeführerin samt Ehemann gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin samt Ehemann nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig ist.

Mit Entscheidung des Asylgerichtshofs vom 11.03.2011 zu S3 417.983-1/2011/5E und S3 417.984-1/2011/2E wurde die Beschwerde der Beschwerdeführerin und ihres (damaligen) Ehemannes gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 10.02.2011 gemäß § 5 und § 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin war im Jahr 2011 nach Polen überstellt worden.

Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 04.03.2020 im Beisein einer Rechtsberaterin die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren vor dem BFA statt. Dabei erklärte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen wie folgt:

"(...)

LA: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die gestellten Fragen zu beantworten?

VP: Ja, ich mache mir nur ein wenig Sorgen um den Sohn von meinem Mann.

LA: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten oder benötigen Sie besondere Medikamente?

VP: Nein.

LA. Haben Sie hier in Österreich familiäre oder besondere, private Bindungen?

VP: Ja, zwei Schwestern, einen Bruder und meinen Ehemann (Identitäten stimmen mit jenen in der Erstbefragung überein, Anm.).

LA: Bei wem haben Sie gewohnt bevor Sie nach XXXX gezogen sind?

VP: Bei meiner Schwester XXXX .

LA: Bestehen besondere Abhängigkeitsverhältnisse zu Ihren Geschwistern? Wenn ja, beschreiben Sie diese.

VP: Nein.

LA: Wo haben Sie vor Ihrer Ausreise aus Russland im Jahr 2019 gewohnt? Geben Sie alle Wohnorte des Jahres 2019 in Russland an.

VP: 2019 wohnte ich nur in Grosny.

LA: Geben Sie genau Ihre Reiseroute an, wie Sie 2019 von Russland nach Österreich gekommen sind.

VP: Ich bin mit einem Reisebus zuerst von Grosny nach Moskau gereist. Von Moskau mit einem Minivan, ich glaube nach Ungarn. Es war im Juni oder Juli 2019.

LA: Sind Sie alleine gereist?

VP: Mit mir war noch eine junge Frau mit.

LA: Haben Sie die schon vor der Reise gekannt?

VP: Dieses Mädchen kannte ich schon vor der Reise.

LA: Wie lange davor?

VP: Einige Monate - ca. ein halbes Jahr. Aber eigentlich bin ich eigenständig gereist. Ich habe noch meine Katze mitgenommen. Sie ist jetzt hier in XXXX , ich konnte sie nicht zurücklassen.

LA: Mit welchen Personen waren Sie unterwegs?

VP: Da waren noch andere Mitreisende.

Zu den VISA:

LA: Haben Sie ein oder mehrere Visa für den Schengen-Raum (Begriff wird erklärt, Anm.) beantragt - wenn ja, bei welchen Botschaften?

VP: Ich habe mich zweimal an die Botschaft gewandt. Beim ersten Mal habe ich nichts bekommen, beim zweiten Mal hat es geklappt.

LA: Bei welchen Staaten haben Sie Visa beantragt?

VP: Die zweite war die estnische Botschaft, da habe ich eines bekommen. An die erste Botschaft kann ich mich nicht erinnern.

LA: Haben Sie wahrheitsgetreue Angaben bei den Visa-Anträgen gemacht?

VP: Wissen Sie ich bin nicht so gebildet. Beim Ausfüllen des Antrags hat mir jemand geholfen.

LA: Welche Berufe haben Sie in Russland ausgeübt?

VP: Ich war Kindermädchen und habe auch in der Kantine gearbeitet und auch in einem Schönheitssalon. Einen erlernten Beruf habe ich nicht.

LA: Wissen Sie noch welchen Beruf Sie bei der dänischen Botschaft angegeben haben?

VP: Ich kann mich nicht erinnern.

LA: Sie haben angegeben, dass Sie Manager bei XXXX wären - das entspricht wohl nicht der Wahrheit oder?

VP: Ich habe schon gesagt, dass mir dabei geholfen wurde.

LA: Warum wurde Ihr Visum von den dänischen Behörden abgelehnt?

VP: Nein, weiß ich nicht.

LA: Wissen Sie noch welchen Beruf Sie bei der estnischen Botschaft angegeben haben?

VP: Nein, da wurde mir auch beim Ausfüllen geholfen.

LA: Sie haben dort angegeben, dass Sie als Technikerin bei der russischen Industriefirma XXXX beschäftig wären. Das entspricht wohl ebenso nicht der Wahrheit, oder?

VP: Nein.

LA: Die dänischen Behörden haben sinngemäß abgelehnt, weil Ihnen nicht geglaubt wurde, dass Sie vor Ablauf der 90 Tage wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt sein werden.

Gründe für die Einreise in Österreich:

LA: Warum haben Sie diese VISA beantragt?

VP: Ich wollte zu meinen Geschwistern. Eigentlich wollte ich von zuhause weg, weg von meinem EX-Mann.

LA: Sie haben bei der estnischen Botschaft angegeben, dass Sie Sie geplant hätten am XXXX2019 mit dem Visum nach Estland zu reisen. Das hatten Sie wohl nie vor, oder?

VP: Ich wollte zunächst einfach aus Tschetschenien weg. Ich wollte zunächst nach Estland, bin aber dann vorher nach Österreich gekommen. Ich wollte danach nach Estland, aber dazu ist es nicht gekommen. Es hat sich so ergeben.

LA: Bei der Polizei haben Sie angegeben, dass Sie reisen wollten und so auch nach Österreich gereist sind. Haben Sie sich in Österreich oder anderen europäischen Staaten irgendwelche Sehenswürdigkeiten angesehen?

VP: Ich wollte schon etwas herumreisen, aber meine Verwandten sind hier, es hat nicht geklappt.

LA: Sie sind gemeinsam mit XXXX von Russland nach Österreich gereist?

VP: Ja.

LA: Warum ist XXXX nach Österreich gekommen?

VP: Sie hatte zuhause Probleme. Sie wohnte bei ihrem Vater, der sie geschlagen hat. Ihre Eltern sind geschieden. Sie hat hier einen jungen Mann. Sie ist zu ihm gekommen.

LA: Haben Sie XXXX in Österreich kennengelernt?

VP: Ja.

LA: Haben Sie schon in Russland gewusst oder ausgemacht, dass Sie XXXX heiraten werden?

VP: Nein, nein. Ihn kannte ich vorher gar nicht.

LA: Es ist sehr verdächtig, dass nicht nur Sie, sondern auch Ihre Begleiterin beide hier kurz nach der Einreise in Österreich jeweils eine aufenthaltsberechtigte Person geheiratet haben.

VP: Was soll ich dazu sagen. Es hat sich so ergeben. Ich bin mit meiner Schwester in ein Geschäft gegangen, wo mein jetziger Mann gearbeitet hat, in XXXX , so lernten wir uns kennen.

LA: Ich stelle Ihnen jetzt einige Fragen zu XXXX , beantworten Sie diese kurz!

Alter? 17 oder 18 vielleicht, ich weiß es nicht.

Wie lange kennen Sie beide sich schon? Etwa ein halbes Jahr vor der Ausreise aus Russland.

Wie haben Sie sich kennengelernt? Ich persönlich kannte sie nicht so, ich habe ihre Mutter kennengelernt. Wir wohnten in der Nachbarschaft in Grosny.

Wie heißt Fr. XXXX Mutter? XXXX

Was macht die Mutter beruflich? Sie hat als eine Köchin in einer Kantine gearbeitet.

Was macht XXXX , also die Tochter, beruflich? Ich weiß es nicht, ich weiß, dass Sie irgendwo gearbeitet hat, aber als was weiß ich nicht.

Seit wann kennt XXXX ? Sie kennen sich schon seit langem. Genau weiß ich es nicht.

Wie haben sich die beiden kennengelernt? Über das Telefon.

Haben Sie derzeit Kontakt zu Ihr: Jetzt nicht.

LA: Wie wurde Ihr Asylverfahren in Polen damals entschieden?

VP: Das war vor 10 Jahren, wir sind dann wieder nachhause gefahren. Wir sind gar nicht wieder nach Polen gekommen, sondern gleich nach Russland zurück

Zur Asylantragstellung:

LA: Warum haben Sie einen Asylantrag gestellt?

VP: Ich habe hier geheiratet und möchte jetzt bei meiner Familie bleiben.

Zur Eheschließung:

LA: Beantworten Sie folgende Fragen zu XXXX kurz!

Geburtstag/Alter? Am XXXX ;

Wann ist er nach Österreich gekommen ist? Vor acht Jahren.

Wo haben Sie traditionell geheiratet? In XXXX .

Bei welcher Glaubensgemeinschaft oder Kirche? In einer Moschee.

Genauer? Islam.

Welche Sprachen spricht XXXX ? Er spricht Russisch, Afghanisch und Deutsch.

Warum kann er Russisch sprechen? Das weiß ich nicht.

Zur Zurückweisung des Antrags:

LA: Waren Sie jemals in Estland?

VP: Nein.

LA: Laut den amtlichen Ermittlungen sind Sie mit einem Schengen-Visum in das europäische Hoheitsgebiet eingereist, welches Ihnen am XXXX 2019 von dem estnischen Generalkonsulat in St. Petersburg ausgestellt wurde. Es wurde Kontakt mit den estnischen Dublin-Behörden aufgenommen und diese haben am 19.02.2020 deren Zuständigkeit für Ihren in Österreich gestellten Asylantrag bestätigt und zugestimmt Sie aufzunehmen und Ihr Verfahren in Estland zu führen. Der Staat Estland ist daher gem. 12 (4) der Dublin-Verordnung für Ihren Antrag auf internationalen Schutz seit 19.02.2020 zuständig. Seitens des BFA ist nunmehr geplant, gegenständlichen Antrag gem. § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen und gegen Sie die Anordnung zur Außerlandesbringung gem. § 61 Abs. 1 Z 1 FPG auszusprechen.

LA: Gibt es konkrete Gründe, die einer Überstellung nach Estland entgegenstehen würden?

VP: Konkrete Gründe habe ich nicht, aber hier sind mein Ehemann und meine Familie. Ich möchte hierbleiben. Ich möchte keine Staatshilfe in Anspruch nehmen. Ich kann selbst arbeiten und mich versorgen. Außerdem gehe ich mit meinem Ehemann zu einem Caritas-Geschäft in XXXX und helfe ohne Entgelt dort aus.

LA: Sind Sie bereit freiwillig nach Russland zurückzukehren?

VP: Ich möchte nicht nach Russland zurück. Ich hatte nie eine Familie, ich hatte nie eine. Jetzt habe ich eine und möchte bei der bleiben. Eigene Kinder habe ich nicht. Die Kinder haben mich aufgenommen und wir akzeptieren uns. Sie sagen zu mir Mutter.

LA: Wie alt sind die Kinder?

VP: 14 und 16 Jahre alt. Für mich sind es noch Kinder, ich hatte selbst nie welche.

LA: Wer hätte Sie letzte Woche mit dem Auto zu der Einvernahme gebracht?

VP: Der Fahrer war ein Bekannter von uns, aber wir waren mit unserem Auto unterwegs.

LA: Ihnen wurden mit der Ladung zu dem heutigen Parteiengehör auch die aktuellen Länderinformationen zur Lage in Estland ausgefolgt. Möchten Sie nunmehr eine Stellungnahme dazu abgeben?

VP: Nein, ich habe nichts über Estland gelesen. Das habe ich nicht bekommen.

Frage an die Rechtsberatung: Hat die Rechtsberatung noch Fragen an die Verfahrenspartei?

RB: Nein.

LA: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

VP: Ich möchte gerne hier bei meiner Familie bleiben und nicht auf Staatskosten leben. Ich kann selber arbeiten. Ich möchte etwas zu einer Rückkehr nach Russland sagen. Wenn die Ältesten erfahren, dass ich einen Afghanen geheiratet habe, dann kann ich kein normales Leben mehr führen. Nach muslimischen Recht, kann ich ihn schon heiraten, aber die Ältesten, sehen das anders. Es ist nicht üblich, dass eine Tschetschenin einen Afghanen heiratet, das mach man einfach nicht.

Die bisherige Niederschrift wird nun rückübersetzt.

Nach erfolgter Rückübersetzung:

Anmerkung: Im Rahmen der Befragung wurde der VP eine neue grüne Verfahrenskarte mit dem Namen XXXX ausgefolgt (Name laut Reisepass). Die Karte lautend auf XXXX wurde eingezogen (Name im Vorverfahren, vor einer Heirat).

LA: Wenn Ihnen nun nach der Rückübersetzung Fehler bei der Protokollierung aufgefallen sind, die Sie geändert haben möchten, dann geben Sie diese bitte jetzt an.

VP: Nein, alles richtig.

(...)"

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.03.2020 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß

§ 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Estland gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Estland zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Estland traf das BFA folgende Feststellungen:

- Zur Lage im Mitgliedsstaat:

1. Allgemeines zum Asylverfahren

In Estland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (Politsei 10.3.2017a; vgl. PBGB 20.1.2016 und 26.1.2016; für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

- PBGB - Estonian Police and Border Guard Board (20.1.2016): Auskunft, per E-Mail

- PBGB - Estonian Police and Border Guard Board (26.1.2016): Auskunft, per E-Mail

- Politsei - Politsei- ja Piirivalveamet (10.3.2017a): Applying for asylum, https://www.politsei.ee/en/teenused/international-protection/applying-for-asylum/index.dot, Zugriff 10.3.2017

2. Dublin-Rückkehrer

Die Umstellung auf Dublin-III brachte keine Änderungen. Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylsystem, sowie zu medizinischer Versorgung und verschriebener Medikation, sowie zu Rückkehrhilfe durch IOM (PBGB 8.2.2016).

Wenn das Verfahren eines Dublin-Rückkehrers vor einer endgültigen Entscheidung unterbrochen wurde, etwa, weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Estland im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, muss ein neuer Antrag gestellt werden. Bei Rückkehrern, die unter Art. 18(1)(d) und 18(2) fallen und welche Estland verlassen haben, bevor sie über eine negative erstinstanzliche Entscheidung informiert werden konnten und die Rechtsmittelfrist verstrichen ist, erhält der Rückkehrer die Möglichkeit, die Beschwerdefrist wieder einsetzen zu lassen (EASO 12.2015).

Quellen:

- EASO - European Asylum Support Office (12.2015): Quality Matrix Report: Dublin procedure, per E-Mail

- PBGB - Estonian Police and Border Guard Board (8.2.2016): Auskunft, per E-Mail

3. Non-Refoulement

Estland verfolgt eine Politik der Ablehnung von Asylantragstellern, welche aus sicheren Herkunfts- oder Drittstaaten kommen. UNHCR hat Bedenken geäußert, dass solchen Antragstellern die Einreise verweigert und die sofort zurückgeschickt werden, und insbesondere, dass gegen eine solche Entscheidung von außerhalb des Landes kein Rechtsmittel möglich ist. Die Behörden rechtfertigen sich, dass mit jedem Antragsteller ein Interview geführt wird. Für Antragsteller, die sich nicht für internationalen Schutz qualifizieren, besteht gegebenenfalls die Möglichkeit eines temporären Schutzes (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Estonia, http://www.ecoi.net/local_link/337136/479900_de.html, Zugriff 10.3.2017

4. Versorgung

Während des laufenden Asylverfahrens sollen Asylwerber in einem Unterbringungszentrum für Asylwerber untergebracht werden. Dort haben sie Zugang zu folgenden Leistungen: Unterbringung, Verpflegung, Ausstattung mit Hygieneartikeln, Kleidung etc. und einem Handgeld, weiters zu medizinischer Untersuchungen und notwendigen medizinischen Behandlungen, Übersetzerleistungen und Sprachtraining, Information, Kostenübernahme für öffentlichen Transport für Amtswege und anderen notwendigen Leistungen. Die Zentren werden vom Sozialministerium betrieben (Act, §32; vgl. GOV 21.6.2016). Wenn sie genügende Mittel besitzen, können Antragsteller auch die Genehmigung erhalten außerhalb des Zentrums privat zu wohnen (Act, §34). Statt Essen und Hygieneartikeln in den Aufnahmezentren kann auch ein Geldbetrag ausbezahlt werden, der dem monatlichen Existenzminimum entsprechen soll (Act, §36). 2017 sind das 130 Euro (sowie 104 Euro für jedes weitere Familienmitglied bzw. 130 Euro für minderjährige Familienmitglieder) (GOV 15.2.2017). Wenn für das Verfahren nötig, können Antragsteller auch kurzzeitig in Räumlichkeiten der Polizei- und Grenzschutzdirektion (PBGB) untergebracht werden (Act, §33).

Estland betreibt für Asylwerber zum einen das Unterbringungszentrum im Dorf Vao, Bezirk Lääne-Viru. Das Zentrum wird von der staatlichen Organisation AS Hoolekandeteenused betrieben, welche für die Unterbringung Bedürftiger zuständig ist. Ausgelegt wurde das Zentrum für 35 Plätze, wobei zeitweise auch 70 und mehr Personen dort untergebracht wurden. Notfalls ist es möglich bis zu 100 Personen in weiteren Wohnobjekten unterzubringen. Das Heim beschäftigt untertags zwei Personen, die für die Leitung, den Sprachunterricht und die Sozialarbeit zuständig sind. Nachts ist Sicherheitspersonal anwesend (Aastaraamat 2014). Am 20.6.2016 waren 73 Personen dort untergebracht, darunter 15 Frauen und 24 Kinder (GOV 21.6.2016). Im Juni 2016 begann man damit Antragsteller auch in das frisch renovierte Unterbringungszentrum Vägeva im Bezirk Jõgeva umzusiedeln. Schulpflichtige Kinder aus dem Zentrum besuchen die Schule im 10 km entfernten Dorf Vaimastvere (ERR 21.6.2016).

In Zusammenarbeit mit UNHCR wird das Estnische Menschenrechtszentrum (EHRC) im Jahr 2017 quartalsweise Monitoringbesuche in den Unterbringungszentren für Asylwerber in Vao und Vägeva sowie im Haftzentrum Harku durchführen (EHRC o.D.)

Die NGO Estonian Human Rights Center (EHRC) unterstützt in Kooperation mit den Behörden Asylwerber mit rechtlicher und sozialer Hilfe. Seit Mai 2016 sind Antragsteller gesetzlich verpflichtet ein Anpassungsprogramm zu absolvieren und die Landessprache zu lernen und es wurden Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen in die estnische Gesellschaft getroffen. Asylwerbern und Flüchtlingen werden generell kulturelle Orientierungs- und Anpassungsprogramme angeboten, die von verschiedenen EU-Agenturen ko-finanziert werden. Ein Mangel an Übersetzern und Sprachlehrern ist jedoch weiterhin ein Problem (USDOS 3.3.2017).

Es gibt auf der Netzseite der Polizei- und Grenzschutzdirektion eine Liste von Organisationen, welche Asylwerber unterstützen (Politsei 10.3.2017b).

Quellen:

- Act - Act on Granting International Protection to Aliens (1.7.2006, as amended 18.1.2017), http://legislationline.org/download/action/download/id/1125/file/e827f09eecc80a9dc470bfc0abc45056.pdf, Zugriff 13.3.2017

- Aastaraamat - Asylum Yearbook (2014): Varjupaigataotlejate vastuvõtt, http://aastaraamat.pagulasabi.ee/varjupaigataotlejate-vastuvott, Zugriff 23.12.2015

- EHRC - Estonian Human Rights Center (o.D.): Improving the access of asylum seekers to legal remedies and monitoring the reception conditions in the Republic of Estonia, https://humanrights.ee/en/activities/varjupaiga-otsute-kvaliteedi-ning-tasuta-riigi-oigusabile-ligipaasu-monitoorimine-eestis/, Zugriff 13.3.2017

- ERR - Estonian Public Broadcasting (21.6.2016): Asylum-seekers to be moved from Vao to Vägeva, http://news.err.ee/118380/asylum-seekers-to-be-moved-from-vao-to-vageva, Zugriff 13.3.2017

- GOV - Republic of Estonia (21.6.2016): Refugee Crisis, https://valitsus.ee/en/refugees, Zugriff 13.3.2017

- GOV - Republic of Estonia (15.2.2017): Subsistence Benefit, https://www.sm.ee/en/subsistence-benefit, Zugriff 13.3.2017

- Politsei - Politsei- ja Piirivalveamet (10.3.2017b): Useful contacts, https://www.politsei.ee/en/teenused/international-protection/useful-materials/useful-contacts/index.dot, Zugriff 10.3.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Estonia, http://www.ecoi.net/local_link/337136/479900_de.html, Zugriff 10.3.2017

4.1. Medizinische Versorgung

Medizinische Betreuung ist für Asylwerber in Estland kostenfrei. Das gilt auch für Zahnbehandlung, welche für estnische Staatsbürger nicht kostenlos ist. Alle Medikamente, die ein Arzt verschreibt sind für einen Asylwerber ebenfalls kostenfrei (PBGB 20.1.2016).

In den Unterbringungszentren für Asylwerber haben diese Zugang zu medizinischen Untersuchungen und notwendigen medizinischen Behandlungen (Act, §32; vgl. GOV 21.6.2016).

Es gibt auf der Netzseite der Polizei- und Grenzschutzdirektion eine Liste von Organisationen, welche Asylwerber unterstützen (Politsei 10.3.2017b).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

- Act - Act on Granting International Protection to Aliens (1.7.2006, as amended 18.1.2017), http://legislationline.org/download/action/download/id/1125/file/e827f09eecc80a9dc470bfc0abc45056.pdf, Zugriff 13.3.2017

- GOV - Republic of Estonia (21.6.2016): Refugee Crisis, https://valitsus.ee/en/refugees, Zugriff 13.3.2017

- MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

- PBGB - Estonian Police and Border Guard Board (20.1.2016): Auskunft, per E-Mail

- Politsei - Politsei- ja Piirivalveamet (10.3.2017b): Useful contacts, https://www.politsei.ee/en/teenused/international-protection/useful-materials/useful-contacts/index.dot, Zugriff 10.3.2017

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO Estland für die inhaltliche Prüfung des gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführerin ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.

3. Gegen den Bescheid des BFA erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig das Rechtmittel der Beschwerde wurde darin zusammengefasst ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihren Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch ihren Exmann verlassen habe. Sie sei mit einem estnischen Visum in die EU gelangt, um ihre Familienmitglieder in Österreich zu besuchen. In Österreich habe sie ihren jetzigen "Ehemann" kennengelernt. Sie hätten sich ineinander verliebt und am XXXX 2019 nach islamischem Recht geheiratet. Am 21.01.2020 habe die BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Im gegenständlichen Fall sei keine Einzelfallprüfung erfolgt. Moniert wurde, dass die herangezogenen Länderinformationen veraltet seien. Dem BFA seien wesentliche Verfahrensfehler sowie eine unrichtige Rechtsanwendung vorzuwerfen, weshalb der angefochtene Bescheid als rechtswidrig zu qualifizieren sei. Beantragt wurde ein Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 17 Dublin III-VO.

Mit Beschluss vom 25.03.2020 wurde der Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht gem.

§ 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit. Sie hat die Russische Föderation im Juni 2019 verlassen und ist in Besitz eines von XXXX.2019 bis 15.01.2020 gültigen estnischen Schengen-Visums über die Ukraine und Ungarn im Juni 2019 nach Österreich gefahren. Hier stellte sie am 21.01.2020 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Festgestellt wird sohin, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz eines estnischen Visums war, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist.

Zuvor verweigerte ihr die dänische Visabehörde am XXXX 2019 in Moskau ein Visum, da die Ausreisewilligkeit der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden konnte.

Die Beschwerdeführerin stellte bereits am 20.08.2010 in Polen und am 28.11.2010 in Österreich je einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 23.01.2020 ein Aufnahmegesuch an Estland, welches von der estnischen Dublinbehörde am 19.02.2020 beantwortet und die ausdrückliche Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO erteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Estlands wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführerin gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Estland sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall einer Überstellung nach Estland Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leidet, die einer Überstellung nach Estland aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um keine besonders vulnerable Person und liegen keine Anzeichen dafür vor, dass sie aktuell im besonderen Maße auf eine medizinische Versorgung angewiesen wäre.

Die Beschwerdeführerin gehört hinsichtlich der COVID-19- Pandemie keiner Risikogruppe an.

Die Beschwerdeführerin hat am XXXX 2019 in Österreich einen afghanischen Staatsbürger, der in Österreich subsidiär Schutzberechtigt ist,nach islamischen Recht "geheiratet". Der Familienstand des Lebensgefährten in Österreich ist "ledig". Zum Zeitpunkt der "Heirat" war die Beschwerdeführerin noch im Besitz eines gültigen Visums. Eine zivilrechtliche Ehe liegt nicht vor. Die Beschwerdeführerin wohnt mit ihrem Lebensgefährten nicht im gemeinsamen Haushalt.

Das Vorliegen eines finanziellen oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnisses kann nicht festgestellt werden. Darüber hinaus bestehen keine besonders ausgeprägten privaten, familiären oder beruflichen Bindungen der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet.

1.2. Zum estnischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Estland:

Zum estnischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Estland wurden die oben wiedergegebenen Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Estland auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen - darunter konkret auch in Bezug auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO - samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das estnische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Estland den Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zu folgen und wurde den Feststellungen auch nicht in substantiierter Weise widersprochen. Insbesondere wurde nicht dargelegt, warum die aktuelle Situation in Estland zu einer entscheidungswesentlichen Änderung der Einschätzung im nunmehr angefochtenen Bescheid führen könnte.

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 26.05.2020, 16.539 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 641 Todesfälle, wobei aktuell 760 Personen erkrankt sind; in Estland wurden mit Stand 26.05.2020, 1.824 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 65 Todesfälle bestätigt, wobei aktuell 221 Personen erkrankt sind (vgl. https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6, 26.05.2020).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, zu ihrer Staatsangehörigkeit sowie Volksgruppenzugehörigkeit, zu ihrer Ausreise aus der Russischen Föderation, zu ihrem weiteren Reiseweg bzw. zu ihrer illegalen Einreise nach Österreich sowie zur Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus dem Akteninhalt. Darüber hinaus ergibt sich die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin bereits zuvor einen Asylantrag in Polen und in Österreich gestellt hat, aus den diesbezüglichen Eurodac-Treffern.

Dass die Beschwerdeführerin in Besitz eines von XXXX2019 bis 15.01.2020 gültigen - und sohin zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz eines weniger als sechs Monate abgelaufenen - estnischen Schengen-Visums war, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus dem Abgleich im VIS-System des Bundesministeriums für Inneres. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin auch selbst angegeben, dass sie sich selbst ein estnisches Visum organisiert habe und mit diesem legal ihren Herkunftsstaat verlassen habe (vgl. AS 11).

Die Feststellungen zum Aufnahmegesuch der österreichischen Dublinbehörde, zur ausdrücklichen Zustimmung zur Aufnahme durch Estland ergeben sich aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der diesbezüglichen Korrespondenz der Dublinbehörden. Darauf, dass die Zuständigkeit Estlands beendet worden wäre, finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise.

Eine die Beschwerdeführerin konkret treffende Bedrohungssituation in Estland wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht. Zudem hielt sich die Beschwerdeführerin noch nie in Estland auf.

Die Feststellung zum Nichtvorliegen schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Estland entgegenstehen könnten, ergibt sich aus den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin. Sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt gab die Beschwerdeführerin dezidiert an, an keinen Krankheiten zu leiden, keine Medikamente zu nehmen und nicht in medizinischer Behandlung zu sein (vgl. AS 7 bzw. AS 185).

Die Feststellung zur islamischen "Eheschließung" der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der vorgelegten islamischen "Heiratsurkunde" (vgl. AS 43) und aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin. Der Heiratsurkunde ist weder ein Ort der Eheschließung zu entnehmen, noch ein Ausstellungsdatum, auch wurde "Eheseminar erfolgreich absolviert" nicht angekreuzt. Die Beschwerdeführerin kam im Juni 2019 nach Österreich und "heiratete" bereits ein halbes Jahr später ( XXXX 2019 ) einen ihr laut eigenen Angaben zuvor unbekannten Mann nach islamischen Recht.

Dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin seit August 2012 in Österreich ist und seit 30.01.2015 subsidiär schutzberechtigt ist sowie dass der Familienstand des Lebensgefährten in Österreich als "ledig" geführt wird, ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten aktuellen Auskunft aus dem Betreuungsinformationssystem.

Dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Lebensgefährten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten aktuellen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister.

Die Beschwerdeführerin wohnt nicht mit ihrem Lebensgefährten im gemeinsamen Haushalt, und machte zudem keine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit in substantiierter Weise geltend. Zudem ist auszuführen, dass sich die (Negativ)feststellung, dass das Vorliegen eines finanziellen oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnisses nicht festgestellt werden kann, daraus ergibt, dass die Beschwerdeführerin auf finanzielle Zuwendungen nicht angewiesen ist, da sie als Asylwerberin jederzeit Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen kann bzw. hätte können. Dass sie das nicht getan hat, beruht auf ihrer eigenen Entscheidung und nicht etwa auf einer Weigerung der österreichischen Behörden, ihr diese Zuwendungen zu gewähren, sodass vom Vorliegen einer finanziellen Abhängigkeit nicht gesprochen werden kann.

Auch konnte keine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit zu ihren in Österreich aufhältigen Geschwistern festgestellt werden und wurde dies auch nicht behauptet. So gab sie in ihrer Einvernahme selbst an, dass keine besonderen Abhängigkeitsverhältnisse zu ihren Geschwistern bestehen (vgl. AS 187).

2.2. Die Feststellungen zum estnischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Estland beruhen auf den im angefochtenen Bescheid angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Estland ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid hinreichend aktuell sind und dem BVwG insbesondere keine entscheidungsrelevanten aktuelleren Berichte zur Kenntnis gebracht wurden oder notorisch bekannt sind. Sollte in den Feststellungen auf Quellen älteren Datums verwiesen werden, ist auszuführen, dass diese mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind. In der Beschwerde wurde nicht dargelegt, welche aktuelleren Länderberichte zu Estland eine entscheidungswesentliche Änderung der Einschätzung im gegenständlichen Fall bewirken könnten und konnte dies auch amtswegig nicht festgestellt werden.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Estland ergibt sich sohin aus den durch hinreichende Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, hat die Beschwerdeführerin nicht dargelegt. In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab sie zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen lediglich an, dass sie diese nicht habe lesen können. Ein Ersuchen an die in der Einvernahme anwesende Dolmetscherin, ihr die Länderberichte zu übersetzen, lässt sich der Niederschrift allerdings nicht entnehmen. Auch die in der Einvernahme anwesende Rechtsberaterin - die im Übrigen derselben Rechtsberaterorganisation angehört, die die Beschwerde eingebracht hat - hat sich zu den Länderberichten nicht geäußert, sondern - im Gegenteil - auf Nachfrage angegeben, keine Fragen und kein Vorbringen zu haben. Zu den Beschwerdeausführungen, die vom Bundesamt herangezogenen Länderfeststellungen seien unvollständig und würden keine Rücksicht auf die aktuelle Situation nehmen, ist auszuführen, dass dieses Vorbringen lediglich unsubstanziiert in den Raum gestellt wurde. Zum einen wurde nicht ausgeführt, welche Teile der Länderberichte eine entscheidungswesentliche Änderung erfahren habe. Zum anderen ist darauf zu verweisen, dass der in der Beschwerde zitierte Internetbericht nicht geeignet ist, die unbedenklichen Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu entkräften, da dieser Bericht weder ein Datum aufweist (lediglich das Zugriffsdatum wurde angeführt) noch einen konkreten Bezug zu den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid herstellt. Mangels konkretem Vorbringen sind die Beschwerdeausführungen daher nicht geeignet, die durch tatsächlich aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu entkräften.

2.3. Die getroffenen notorischen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Demnach ist nicht zu erkennen, dass sich die Situation in Estland schlechter darstelle als in Österreich. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), welche die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin-III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben respektive keine sogenannten Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sogenannten Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.

Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus heutiger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt; es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte grundsätzlich sechsmonatige Überstellungsfrist) wieder aufgenommen werden können.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß

§§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß

§ 68 Abs. 1 AVG.

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß

§ 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) [...]

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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