TE Vfgh Beschluss 2020/7/14 G180/2020 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.07.2020
beobachten
merken

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
B-VG Art 140 Abs1 Z1 litc
COVID-19-MaßnahmenG BGBl I 12/2020 idF BGBl I 16/2020 §1, §2, §4
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 98/2020 idF BGBl II 108/2020
COVID-19-MaßnahmenV d Landeshauptmanns v Tirol v 20.03.2020 LGBl 35/2020
COVID-19-MaßnahmenV d Landeshauptmanns v Tirol v 25.03.2020 LGBl 38/2020
COVID-19-MaßnahmenV d Bezirkshauptmannschaft Imst v 27.03.2020
COVID-19-MaßnahmenV d Bezirkshauptmannschaft Landeck v 27.03.2020
VfGG §7 Abs1, §57 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung von Individualanträgen von Gastgewerbetreibenden aus Tirol betreffend Verordnungsermächtigungen nach dem COVID-19-MaßnahmenG sowie betreffend diverse verordnungsrechtliche Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 mangels unmittelbarer Betroffenheit bzw Darlegung der Betroffenheit und Zuordnung der Bedenken gegen die zur Gänze angefochtenen Verordnungen; im Übrigen Ablehnung der Behandlung der Anträge im Hinblick auf das Fehlen einer Regelung betreffend Entschädigung für den Verdienstentgang

Spruch

I. Die Anträge auf Aufhebung der §§1, 2 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 16/2020 wegen Verfassungswidrigkeit sowie der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020, der Verordnung des Landeshauptmannes [Tirol] vom 20. März 2020 nach §2 Z2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, LGBl 35/2020, der Verordnung des Landeshauptmannes [Tirol] vom 25. März 2020 nach §2 Z2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, LGBl 38/2020, sowie (im Verfahren zu G180/2020, V345-349/2020) der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 27. März 2020 nach §2 Z3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, Bote für Tirol Nr 187, und (im Verfahren zu G181/2020, V350-354/2020) der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 27. März 2020 nach §2 Z3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, Bote für Tirol Nr 186, wegen Gesetzwidrigkeit werden zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Behandlung der Anträge abgelehnt.

Begründung

Begründung

I. Anträge und Vorverfahren

1. Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG bzw Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten, vor dem Verfassungsgerichtshof zu G180/2020, V345-349/2020 und G181/2020, V350-354/2020 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien die Aufhebung der §§1, 2 und 4 Abs2 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (in der Folge: COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 16/2020 wegen Verfassungswidrigkeit sowie die Aufhebung der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, zur Gänze, der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020 zur Gänze, der Verordnung des Landeshauptmannes [Tirol] vom 20. März 2020 nach §2 Z2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, LGBl 35/2020, zur Gänze, der Verordnung des Landeshauptmannes [Tirol] vom 25. März 2020 nach §2 Z2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, LGBl 38/2020, zur Gänze sowie (im Verfahren zu G180/2020, V345-349/2020) der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 27. März 2020 nach §2 Z3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, Bote für Tirol Nr 187, zur Gänze und (im Verfahren zu G181/2020, V350-354/2020) der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 27. März 2020 nach §2 Z3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, Bote für Tirol Nr 186, zur Gänze jeweils wegen "Gesetzwidrigkeit und Verfassungswidrigkeit".

2. Das antragstellende Unternehmen des zu den Zahlen G180/2020, V345-349/2020 protokollierten Antrages betreibt das Gastgewerbe in Sölden; das antragstellende Unternehmen des zu den Zahlen G181/2020, V350-354/2020 protokollierten Antrages betreibt das Gastgewerbe in St. Anton am Arlberg. Im Hinblick auf ihre Antragslegitimation bringen die antragstellenden Parteien im Wesentlichen vor, dass sie zur Antragstellung legitimiert seien, weil sie von den verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen und Verordnungen (im Antragszeitpunkt) immer noch insoweit betroffen seien, als sie ihren Betrieb nicht fortführen könnten bzw ihnen als Folge der Verfassungswidrigkeit kein Anspruch gemäß §32 Epidemiegesetz 1950, BGBl 186/1950, idF BGBl I 16/2020 (in der Folge: Epidemiegesetz 1950) mehr zustehe. Die antragstellenden Parteien würden in den relevanten Gebieten der angefochtenen Verordnungen jeweils Gastgewerbebetriebe führen und seien folglich auf Grund des eingetretenen Verlustes des Entschädigungsanspruches nach dem Epidemiegesetz 1950 erheblich beschwert. Darin liege ein wesentlicher Eingriff in die Rechtssphäre und rechtlich geschützte Interessen der antragstellenden Parteien. Spätestens für den Zeitraum ab der Aufhebung der ehemaligen, auf dem Epidemiegesetz 1950 basierenden Verordnungen durch die Bezirkshauptmannschaften Imst bzw Landeck vom 27. März 2020 hätten die antragstellenden Parteien auf Basis der nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz gesetzten und noch in Geltung stehenden Rechtsakte keine Antragsmöglichkeit gemäß §33 Epidemiegesetz 1950 bei der Bezirksverwaltungsbehörde mehr. Aus diesem Grund gäbe es hinsichtlich der diesbezüglichen Entschädigungsansprüche auch keinen zumutbaren rechtlichen Umweg zur Anspruchserlangung. Der Umfang der durch die angefochtenen Bestimmungen verursachten Eingriffe in die Rechtssphäre der antragstellenden Unternehmen gehe über die reine Entschädigungsfrage hinaus. Jede angefochtene Bestimmung berühre die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien negativ. Als Folge dessen sei den antragstellenden Parteien eine erhebliche Störung der Geschäftstätigkeit entstanden. Die bekämpften Rechtsvorschriften seien somit unmittelbar, rechtlich und wirtschaftlich für die antragstellenden Parteien wirksam. Selbst wenn die antragstellenden Parteien einen Bescheid erwirken könnten, müsste zunächst der lange Rechtsweg über das Landesverwaltungsgericht zum Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof gegangen werden, was wenigstens ein Jahr in Anspruch nehme. Ein derartiger Zeitraum bis zur vollständigen Klärung der rechtlichen Situation in Bezug auf die erfolgten massiven Eingriffe in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien sei definitiv als Existenzvernichtung zu betrachten, weswegen kein zumutbarer anderer Weg vorliege, um die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Rechtsvorschriften vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen.

Im Hinblick auf die §§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz behaupten die antragstellenden Parteien eine Verletzung in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG, auf persönliche Freiheit und Freizügigkeit der Person gemäß Art4 StGG, Art6 StGG sowie 4. ZPEMRK, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG und auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK sowie eine Verletzung des Legalitätsprinzipes gemäß Art18 B-VG. Im Hinblick auf §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz rügen die antragstellenden Parteien eine Verletzung des Prinzips der Gewaltenteilung und des Legalitätsprinzips gemäß Art18 B-VG sowie – pauschal – eine Verletzung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG. Bezüglich des Verhältnisses von §4 Abs2 zu §4 Abs3 COVID-19-Maßnahmengesetz liege Gleichheitswidrigkeit vor. In Bezug auf die angefochtenen Verordnungen verweisen die antragstellenden Parteien auf die Begründung der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen. Die angefochtenen Verordnungen seien ferner gesetzwidrig, weil sie weit über den Inhalt der Verordnungsermächtigung hinausgehende Beschränkungen enthielten.

3. Die Bundesregierung hat im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu den zu den Zahlen G180/2020, V345-349/2020 eine Äußerung erstattet, in der sie dem Antragsvorbringen entgegentritt und die Zurückweisung des Antrages, in eventu den Ausspruch, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden, beantragt. Auch im Verfahren zu den zu den Zahlen G181/2020, V350-354/2020 hat die Bundesregierung eine Äußerung erstattet, in der sie vollinhaltlich auf die Äußerung zum Antrag zu den Zahlen G180/2020, V345-349/2020 verweist.

3.1. Zur Zulässigkeit der Anträge führt die Bundesregierung im Wesentlichen das Folgende aus:

3.1.1. Den antragstellenden Parteien stehe nach Auffassung der Bundesregierung ein zumutbarer anderer Weg offen, die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Die antragstellenden Parteien hätten die Möglichkeit, einen Antrag auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß §32 Abs1 Z5 Epidemiegesetz 1950 bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (vgl dazu §36 Abs2 Epidemiegesetz 1950) zu stellen, und könnten im Falle eines abweisenden Bescheides Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht erheben. Bereits in diesem Verfahren könnten die antragstellenden Parteien einen Antrag des Landesverwaltungsgerichtes gemäß Art140 Abs1 Z1 lita B-VG anregen. Darüber hinaus stünde ihnen gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts die Beschwerde gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof offen. Ins Gewicht fallende Nachteile, insbesondere eine besondere Härte für die antragstellenden Parteien auf Grund der behauptetermaßen zu erwartenden langen Verfahrensdauer, seien der Bundesregierung im vorliegenden Fall – insbesondere auch im Vergleich zu sonstigen Entschädigungsverfahren nach dem Epidemiegesetz 1950 – nicht ersichtlich. Die Anträge seien nach Auffassung der Bundesregierung bereits aus diesem Grund zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

3.1.2. Ferner sei der Anfechtungsumfang zu eng gewählt. Die antragstellenden Parteien brächten – der Sache nach – vor, dass auf Grund des §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Vergütung für den Verdienstentgang, insbesondere §32 Epidemiegesetz 1950, nicht zur Anwendung gelangten. Die antragstellenden Parteien übersähen allerdings, dass die Aufhebung des §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht zur Folge hätte, dass sie auf Grund der bereinigten Rechtslage einen Anspruch auf Vergütung jenes Verdienstentganges hätten, der ihnen auf Grund der ebenfalls angefochtenen COVID-19-Maßnahmenverordnungen BGBl II 96/2018 und BGBl II 98/2020 entstanden sei; denn diese Verordnungen seien nicht in Vollziehung des Epidemiegesetzes 1950, sondern in Vollziehung des COVID-19-Maßnahmengesetzes ergangen. Eine Vergütung des Verdienstentganges gemäß §32 Abs1 Z5 Epidemiegesetz 1950 setze voraus, dass das Unternehmen "gemäß §20 [Epidemiegesetz 1950] in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist". Die Aufhebung des §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz könne daher die von den antragstellenden Parteien behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen, weshalb sich die Anträge insoweit als unzulässig erwiesen. Da die antragstellenden Parteien behaupteten, §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz widerspreche §4 Abs3 COVID-19-Maßnahmengesetz und sei daher gleichheitswidrig, hätten sie auch §4 Abs2 und 3 COVID-19-Maßnahmengesetz anfechten müssen, um so den Verfassungsgerichtshof in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden könnte (siehe VfGH 10.3.2015, G201/2014). Die Anträge erwiesen sich nach Auffassung der Bundesregierung auch aus diesen Gründen als unzulässig.

3.1.3. Die antragstellenden Parteien hätten darüber hinaus das Erfordernis, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen – in überprüfbarer Art– präzise darzulegen, nicht bzw nur zum Teil erfüllt. Die von den antragstellenden Parteien gegen §1 und §2 COVID-19-Maßnahmengesetz im Hinblick auf das allgemeine Sachlichkeitsgebot und den Vertrauensschutz vorgebrachten Bedenken beträfen ihrem Grunde nach lediglich §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz. Die antragstellenden Parteien hätten jedoch nicht im Einzelnen dargelegt, warum auch das Verbot des Betretens von Betriebs- und Arbeitsstätten gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz gegen die genannten Verfassungsbestimmungen verstieße. Auch gegen das Betretungsverbot des §2 COVID-19-Maßnahmengesetz würden keinerlei spezifische Bedenken im Hinblick auf das allgemeine Sachlichkeitsgebot und den Vertrauensschutz vorgebracht. Die Anträge seien insoweit auch aus diesem Grund unzulässig.

3.1.4. Nach Auffassung der Bundesregierung sei auch die Voraussetzung der Darlegung eines unmittelbaren und aktuellen Eingriffes in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien hinsichtlich der §§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht erfüllt. Die §§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz seien Verordnungsermächtigungen, von denen zwar Gebrauch gemacht worden sei, die entsprechenden (ebenfalls angefochtenen) Verordnungen seien jedoch bereits außer Kraft getreten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müsse die aktuelle Betroffenheit der antragstellenden Parteien nicht nur zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages, sondern auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gegeben und die angefochtene Bestimmung daher noch im Entscheidungszeitpunkt für die antragstellenden Parteien wirksam sein. Eine gesetzliche Verordnungsermächtigung alleine könne die Rechtsstellung eines Normunterworfenen nicht unmittelbar beeinträchtigen, weil sie nur über die Verordnungserlassung für den Antragsteller wirksam werde. Mit dem Außerkrafttreten der COVID-19-Maßnahmenverordnungen BGBl II 96/2020 und BGBl II 98/2020 zum 30. April 2020 könnten die antragstellenden Parteien daher durch die Verordnungsermächtigungen in §1 und §2 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht mehr unmittelbar und aktuell betroffen sein. Den antragstellenden Parteien mangle es aus diesem Grund an der Antragslegitimation, sodass die Anträge, soweit sie sich auf die §§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz bezögen, unzulässig seien.

3.2. In der Sache führt die Bundesregierung im Wesentlichen das Folgende aus:

3.2.1. Die antragstellenden Parteien behaupteten einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und brächten dazu im Wesentlichen vor, dass durch §1 und §2 des COVID-19-Maßnahmengesetz eine unsachliche Ungleichbehandlung von gleichen Tatbeständen bewirkt werde, weil nach dem Epidemiegesetz 1950 für Verkehrsbeschränkungen eine Vergütung für den Verdienstentgang gebühre, nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz eine entsprechende Vergütung wegen der Betretungsverbote jedoch nicht vorgesehen sei. Mit ihren Behauptungen, dass nach dem Epidemiegesetz 1950 und nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz gleiche Tatbestände unsachlich ungleich behandelt würden, würden die antragstellenden Parteien die Rechtslage verkennen:

Bei den §§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz handle es sich gegenüber den Anordnungen des Epidemiegesetzes 1950 um inhaltlich neue Regelungen, die auf die besondere Natur des Coronavirus und auf die sich daraus ergebenden besonderen Herausforderungen abgestimmt seien. Zu diesem Zweck seien §1 und §2 COVID-19-Maßnahmengesetz – im Gegensatz zu den Regelungen des Epidemiegesetzes 1950 – nur befristet bis zum Ende des Jahres 2020 in Kraft und nur insoweit anwendbar, als dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich sei. Insoweit gingen die Regelungsinhalte des COVID-19-Maßnahmengesetzes über jene des Epidemiegesetzes 1950 wesentlich hinaus.

Im Besonderen ermögliche §1 COVID-19-Maßnahmengesetz bundesweite Verbote für das Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorten, die unabhängig von der Gefährlichkeit des einzelnen Betriebes angeordnet werden könnten. Demgegenüber könnten auf Grund des §20 Epidemiegesetz 1950 (bloß) für bestimmte Gebiete Betriebsbeschränkungen oder Schließungen von Betriebsstätten angeordnet werden. Darüber hinaus setze §20 Epidemiegesetz voraus, dass in der betreffenden Betriebsstätte ein Gewerbe ausgeübt werde, das eine besondere Gefahr für die Ausbreitung von COVID-19 mit sich bringe, und dass die Aufrechterhaltung des Betriebes eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde.

§20 Abs2 Epidemiegesetz 1950 ermögliche zwar auch, das Betreten von Betriebsstätten zu untersagen, doch sei ein solches Betretungsverbot auf einzelne Personen zu beschränken, die mit Kranken in Berührung kämen.

Ähnlich verhalte es sich mit den Betretungsverboten bestimmter Orte nach §2 COVID-19-Maßnahmengesetz im Vergleich mit den Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften nach §24 Epidemiegesetz 1950. Betretungsverbote nach §2 COVID-19-Maßnahmengesetz könnten sich auf das gesamte Bundesgebiet, auf einzelne oder mehrere Länder oder auch nur auf einen politischen Bezirk oder Teile desselben erstrecken. Im Gegensatz dazu könnten gemäß §24 Epidemiegesetz 1950 Verkehrsbeschränkungen nur für Bewohner von Epidemiegebieten vorgesehen werden; diese Bestimmung könne jedoch keine Rechtsgrundlage für allgemeine, bundesweite Verbote des Betretens bestimmter Orte bilden.

Die §§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz stellten demnach nicht auf Gefahren ab, die mit einer konkreten Betriebsstätte oder einem bestimmten Ort verbunden seien; vielmehr seien die Regelungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes vor dem Hintergrund zu verstehen, dass sich das Virus durch das bloße Zusammenkommen von Menschen in einer Betriebsstätte oder an einem Ort verbreiten könne (und nicht von diesem ausgehe). Durch die auf Grund des COVID-19-Maßnahmengesetzes zu ergreifenden Maßnahmen solle demnach (anders als bei einer Schließung von Betrieben, von denen eine Gefahr ausgehe) durch eine Minimierung der Mobilität und der damit verbundenen Einschränkung von sozialen Kontakten die Verbreitung des Virus verhindert werden. Schon aus diesen Gründen liege die behauptete Ungleichbehandlung gleicher Tatbestände nach dem Epidemiegesetz 1950 einerseits und nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz andererseits nicht vor.

3.2.2. Die antragstellenden Parteien behaupteten weiters, dass die §§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz ein willkürliches Abgehen von den Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 über die Vergütung für den Verdienstentgang darstellten.

3.2.2.1. Die Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 über die Vergütung für den Verdienstentgang ergebe sich laut Bundesregierung jedoch nicht aus den §§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz, sondern aus §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz. Die gegen §1 und §2 COVID-19-Maßnahmengesetz vorgebrachten Bedenken seien daher ihrem Grunde nach gegen §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz gerichtet. Soweit der Antrag insoweit überhaupt als zulässig erachtet werde, führt die Bundesregierung dazu das Folgende aus:

Bei COVID-19 handle es sich um eine Erkrankung, die leicht und vor allem unbemerkt vor Beginn der Symptome von Mensch zu Mensch übertragen werden könne und für die es noch keine ausreichende Immunität in der Bevölkerung gebe. Zu den häufigsten Symptomen zählten Fieber, trockener Husten, Halsschmerzen und Abgeschlagenheit. Die Krankheitsverläufe variierten sehr stark, von symptomlosen Verläufen bis hin zu schweren Lungenentzündungen mit Lungenversagen und Todesfolge.

Nach dem erstmaligen Auftreten von COVID-19 in Österreich am 25. Februar 2020 sei es zu einem rasanten Anstieg der Krankheitsfälle gekommen: Während in der 10. Kalenderwoche (2. bis 8. März 2020) die Zahl der nachgewiesenen Neuerkrankungen mit durchschnittlich 17 pro Tag (in Summe 119 in dieser Woche) angestiegen sei, seien es in der 11. Kalenderwoche (9. bis 15. März 2020) durchschnittlich 140 pro Tag (in Summe 982) gewesen, wobei alle Bundesländer betroffen und COVID-19 nicht mehr lokal eingrenzbar gewesen sei. Somit hätte die Gesamtzahl der Erkrankten in dieser Woche täglich im Durchschnitt um 25 % zugenommen. Eine derartige Zunahme bedeute ein exponentielles Wachstum, bei dem sich die Fallzahlen in etwas mehr als drei Tagen verdoppeln. Auch weltweit gesehen seien die Wachstumsraten zu diesem Zeitpunkt in der EU am höchsten gewesen. Am 11. März 2020 sei der Ausbruch von COVID-19 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestuft worden.

In die Risikobewertung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) vom 12. März 2020 seien insbesondere Daten und Erfahrungen aus anderen betroffenen Ländern eingeflossen. In China seien damals in 80 % der Fälle milde bis moderate Verläufe registriert worden. In fast 14 % der Fälle sei es zu schweren Verläufen gekommen und 6 % aller Fälle seien in einem kritischen Zustand gemündet. Die Fallsterblichkeit sei für China bei 2,3 % und für Italien bei 2,8 % gelegen. Die höchste Fallsterblichkeit sei bei älteren Personen insbesondere in der Altersgruppe von über 80 Jahren aufgetreten. Besonders bei Personen mit Vorerkrankungen (Bluthochduck, Diabetes, Krebs etc.) seien schwere Verläufe beobachtet worden. Kinder seien genauso gefährdet wie Erwachsene gewesen, sich anzustecken. Bei Kindern seien überwiegend milde Verläufe beobachtet worden. Das Risiko einer schweren Erkrankung im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion für Menschen in der EU/im EWR und im Vereinigten Königreich sei vom ECDC für die allgemeine Bevölkerung als moderat und für ältere Erwachsene und Personen mit chronischen Grunderkrankungen als hoch angesehen worden. Darüber hinaus sei das Risiko einer Überlastung der nationalen Gesundheitssysteme und das mit der Übertragung von COVID-19 verbundene Risiko in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen mit großen gefährdeten Bevölkerungsgruppen als hoch eingestuft worden.

Das Robert Koch-Institut (Berlin) nehme – ausgehend von mehreren verschiedenen Studien – bei einer ungehinderten Verbreitung von COVID-19 eine Basisreproduktionszahl von zwischen 2,4 und 3,3 an. Das bedeute, dass von einem Fall durchschnittlich 2,4 bis 3,3 Zweitinfektionen ausgingen. Das bedeute aber auch, dass bei einer Basisreproduktionszahl von ca. 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssten, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen.

Angesichts dieser Datenlage und der Risikoabschätzung der damaligen epidemiologischen Situation und Risikobewertung sowie der erwarteten Entwicklungen seien durch das ECDC sowie die Experten im Beraterstab der "Taskforce Corona" beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz insbesondere Maßnahmen im Bereich des "social distancing" (Minimierung körperlicher Kontakte, zeitlich später auch als "physical distancing" bezeichnet; zB durch Absagen von Veranstaltungen, Schließen von Schulen, Einstellen nicht notwendiger zwischenmenschlicher Kontakte und von Reisetätigkeiten) als erforderlich angesehen worden, um das exponentielle Fortschreiten der Pandemie einzubremsen und die reale Gefahr einer Überlastung des österreichischen Gesundheitssystems auf Grund der großen Anzahl der Erkrankten einerseits und der Infizierung des medizinischen und die krankenpflegerischen Personales andererseits zu verhindern.

Um der schnellen Ausbreitung der Erkrankung effektiv entgegenzuwirken, sei daher die Verbreitung des Virus durch eine deutliche Reduzierung der Anzahl der zwischenmenschlichen Kontakte und die Einhaltung eines Abstandes von mindestens einem Meter bei nicht vermeidbaren Kontakten notwendig gewesen, wobei dies auf Grund der bestehenden Ausbreitung von COVID-19 rasch, gleichzeitig und in ganz Österreich geschehen hätte müssen. Die Wirksamkeit von "social distancing" sei nämlich am größten, wenn gleich zu Beginn der Pandemie eine deutliche Verminderung der Kontakte erfolge.

Für eine rasche und bundesweite Umsetzung von "social distancing" seien die Maßnahmen des Epidemiegesetzes 1950, wie in den Erläuterungen zum entsprechenden Initiativantrag eines COVID-19-Maßnahmengesetzes (IA 396/A 27. GP, 11) dargelegt, "nicht ausreichend bzw zu kleinteilig". Die rechtlichen Vorkehrungen, die im Epidemiegesetz 1950 vorgesehen seien, seien auch gar nicht darauf ausgelegt, österreichweit zwischenmenschliche Kontakte schlagartig zu reduzieren. Insbesondere gehe von den meisten Betriebsstätten gar keine besondere Gefahr für die Ausbreitung von COVID-19 aus, die eine Betriebsbeschränkung oder -schließung gemäß §20 Epidemiegesetz 1950 rechtfertige. Auch Verkehrsbeschränkungen gemäß §24 Epidemiegesetz 1950 könnten nur verfügt werden, wenn sich in einem bestimmten Gebiet eine Häufung von Infizierungen ergebe. Diese Bestimmungen könnten jedoch nicht als ausreichende gesetzliche Grundlage für die erforderliche bundesweite, generelle Reduzierung der Anzahl der Kontakte zwischen Menschen angesehen werden.

Vor diesem Hintergrund sei es daher nach Auffassung der Bundesregierung geboten gewesen, die in Rede stehenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 zu ergreifen, um den soeben dargestellten spezifischen Herausforderungen bei der Bekämpfung von COVID-19 bestmöglich begegnen zu können. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass diese Maßnahmen sowohl in ihrem sachlichen als auch zeitlichen Anwendungsbereich auf das unbedingt Notwendige begrenzt seien, indem sie nur insoweit anwendbar seien, als dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich sei, und lediglich befristete Geltung bis Ende des Jahres 2020 hätten.

Die Erforderlichkeit der zur Eindämmung der Pandemie ergriffenen Maßnahmen spiegle sich auch in ihrem Erfolg wider, wie sich aus der Datenlage ergebe: Nachdem am Tag des Inkrafttretens des COVID-19-Maßnahmengesetzes (16. März 2020) über 200 Neuerkrankungen pro Tag bei einer geschätzten effektiven Reproduktionszahl von über 2,5 zu verzeichnen gewesen seien, liege die Anzahl der Neuerkrankungen pro Tag, die am 26. März 2020 mit über 1.000 Neuerkrankungen ihren Höhepunkt erreicht hätte, seit dem 17. April 2020 bei unter 100 Personen; die Reproduktionszahl liege seit 5. April 2020 zwischen 1 und 0,5. Auch ein internationaler Vergleich der Fallzahlen zeige, dass durch die auf Grund des COVID-19-Maßnahmengesetzes getroffenen Maßnahmen eine ungebremste Verbreitung des Virus habe verhindert werden können, sodass das Gesundheitssystem zu keinem Zeitpunkt an seine Belastungsgrenzen gestoßen sei.

Daneben seien mit dem "Corona-Hilfspaket" zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen getroffen worden, um die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bei den betroffenen Unternehmen auszugleichen, wie etwa die Ausweitung der Kurzarbeit, finanzielle Maßnahmen zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen, Zuschüsse aus dem Härtefallfonds sowie Entlastungen und Erleichterungen für Unternehmen aus abgabenrechtlicher Sicht. Nach Auffassung der Bundesregierung erwiesen sich daher die angefochtenen Bestimmungen insgesamt als sachlich gerechtfertigt.

3.2.3. Die antragstellenden Parteien behaupteten schließlich, die Regelung des §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz würde dem Abs3 dieser Bestimmung widersprechen und sei daher gleichheitswidrig, weil eine gesetzliche Regelung nicht unberührt bleiben und gleichzeitig nicht anwendbar sein könne. Auch mit diesem Vorbringen verkannten die antragstellenden Parteien nach Auffassung der Bundesregierung die Rechtslage: §4 Abs3 COVID-19-Maßnahmengesetz bestimme, dass durch das COVID-19-Maßnahmengesetz dem Epidemiegesetz 1950 nicht derogiert werde. §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz regle, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung nicht zur Anwendung gelangten, wenn der zuständige Bundesminister eine Verordnung gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz erlassen habe. Dies bedeute, dass das Epidemiegesetz 1950 auch im Geltungszeitraum des COVID-19-Maßnahmengesetzes grundsätzlich weiterhin in Geltung stehe, jedoch (bloß) jene Bestimmungen, welche die Schließung von Betriebsstätten betreffen, im Rahmen des Anwendungsbereiches der Verordnung gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz vorübergehend nicht anzuwenden seien. Außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Verordnung seien diese Bestimmungen regulär anzuwenden, was im Übrigen auch durch die Erläuterungen zum entsprechenden Initiativantrag (IA 397/A 27. GP, 41) klargestellt werde. Auch nach Außerkrafttreten der Verordnung gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz bzw des COVID-19-Maßnahmengesetzes mit Ablauf des 31. Dezember 2020 seien die genannten Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 – wieder – anwendbar. Es bestehe somit kein Widerspruch zwischen §4 Abs2 und §4 Abs3 COVID-19-Maßnahmengesetz. Bereits aus diesem Grund liege die behauptete Gleichheitswidrigkeit nicht vor.

3.2.4. Zum behaupteten Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß Art18 B-VG einerseits und gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter andererseits im Hinblick auf die Frage der behördlichen Zuständigkeiten bringt die Bundesregierung in ihrer Äußerung Folgendes vor:

§4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz ordne an, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches der Verordnung gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht zur Anwendung gelangten. §20 Epidemiegesetz 1950 bleibe daher auch im Zusammenhang mit COVID-19 weiterhin auf Betriebe anwendbar, für die kein Betretungsverbot auf Grund der Verordnung gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz gelte. Beim Auftreten konkreter Krankheitsfälle könne somit auch für Betriebe, die von einem solchen Betretungsverbot ausgenommen seien, eine Schließung gemäß §20 Epidemiegesetz 1950 (unter den dort genannten Voraussetzungen) angeordnet werden (vgl dazu wiederum die Erläuterungen zum entsprechenden Initiativantrag IA 397/A 27. GP, 41).

Daraus ergebe sich eine klare und eindeutige Abgrenzung der behördlichen Zuständigkeiten: Für die Verordnung von Betretungsverboten gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz sei der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zuständig. Außerhalb des Anwendungsbereiches der Verordnung gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz seien weiterhin die Bezirksverwaltungsbehörden für die Anordnung von Betriebsschließungen nach §20 Epidemiegesetz 1950 zuständig. Die behördliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden für Betriebsbeschränkungen nach §20 Epidemiegesetz 1950 sowie Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften gemäß §24 Epidemiegesetz 1950 blieben von den Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes im Übrigen grundsätzlich unberührt.

Die Zuständigkeitsverteilung für Betretungsverbote nach §2 COVID-19-Maßnahmengesetz bestimme sich bereits auf Grund seines eindeutigen Wortlauts nach dem Anwendungsbereich des angestrebten Betretungsverbotes: Zuständig sei der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wenn sich die Anwendung der Verordnung auf das gesamte Bundesgebiet erstrecke (Z1); der Landeshauptmann, wenn sich die Anwendung der Verordnung auf das gesamte Landesgebiet erstrecke (Z2); oder die Bezirksverwaltungsbehörde, wenn sich die Anwendung der Verordnung auf einen bestimmten politischen Bezirk oder Teile davon erstrecke (Z3).

Der Regelungsgehalt des §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz sei bereits aus seinem unmissverständlichen Wortlaut klar und eindeutig erkennbar: Diese Bestimmung ordne an, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung gelangten, wenn der zuständige Bundesminister eine Verordnung gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz erlassen habe. Damit regle die Bundesgesetzgebung den Anwendungsbereich eines Bundesgesetzes, nämlich des Epidemiegesetzes 1950, in Bezug auf bestimmte Fallkonstellationen. Der Gesetzgeber knüpfe dabei an konkrete, anhand des Inhaltes des Bundesgesetzblattes ermittelbare Tatbestandsmerkmale an, nämlich, ob der zuständige Bundesminister eine Verordnung gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz erlassen habe.

Welche Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 konkret durch die Regelung des §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz unanwendbar würden, sei ebenfalls klar erkennbar, sei doch die Schließung von Betriebsstätten im Epidemiegesetz 1950 nur an einer einzigen Stelle, nämlich in §20 Epidemiegesetz 1950, geregelt.

3.2.5. Die antragstellenden Parteien behaupteten auch eine Verletzung des Legalitätsprinzips, weil durch §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die pauschale Möglichkeit eingeräumt werde, durch die Erlassung einer Verordnung ein Gesetz zu "ändern", nämlich Teile des Epidemiegesetzes 1950 (insbesondere dessen §20) außer Kraft zu setzen bzw aufzuheben.

3.2.5.1. Die behauptete Verfassungswidrigkeit liege nach Ansicht der Bundesregierung nicht vor: Durch §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz werde der Anwendungsbereich des Epidemiegesetzes 1950 für den Fall geregelt, dass der zuständige Bundesminister eine Verordnung gemäß §1 COVID-19-Maßnahmengesetz erlassen habe. Dies geschehe unmittelbar durch das Gesetz selbst und nicht durch die genannte Verordnung, deren Geltung lediglich ein Tatbestandsmerkmal darstelle, an das §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz anknüpfe. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werde durch diese Regelung nicht dazu ermächtigt, Gesetze zu "ändern". Aus diesem Grund liege nach Auffassung der Bundesregierung die behauptete Verletzung des Art18 B-VG auch insoweit nicht vor.

3.2.6. Die antragstellenden Parteien sähen auch das Prinzip der Gewaltenteilung dadurch verletzt, dass es durch §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz einem Vollzugsorgan ermöglicht werde, nach eigenem Ermessen durch Erlassung einer Verordnung ein bestehendes Gesetz zu ändern, indem Teile davon außer Kraft gesetzt werden. Die Bundesregierung weise darauf hin, dass die Frage der Anwendbarkeit des Epidemiegesetzes 1950 gesetzlich geregelt sei, nämlich in §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz. Im Übrigen werde auf die Ausführungen zum Legalitätsprinzip verwiesen. Die Bundesregierung sei daher der Auffassung, dass §4 Abs2 COVID-19-Maßnahmengesetz dem Prinzip der Gewaltenteilung nicht widerspreche.

4. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erstattete in den zu V345-349/2020 und V350-354/2020 protokollierten Verfahren eine Äußerung, in der er – neben den Bedenken in der Sache – die Zulässigkeit der Anträge bestreitet. Die angefochtenen Verordnungen seien bereits außer Kraft getreten, weshalb eine aktuelle Betroffenheit der antragstellenden Parteien durch die Verordnungen nicht mehr gegeben sein könne. Im Übrigen hätten die antragstellenden Parteien die Verordnungen zur Gänze angefochten, ohne ihre Bedenken den Bestimmungen zuzuordnen.

5. Der Landeshauptmann von Tirol erstattete in den zu V347-349/2020 und V352-354/2020 protokollierten Verfahren eine Äußerung, in der er die Zulässigkeit der Anträge bestreitet sowie der behaupteten Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungen des Landeshauptmannes von Tirol gemäß §2 Z2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes vom 20. März 2020, LGBl 35/2020, und vom 25. März 2020, LGBl 38/2020, sowie der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 27. März 2020 nach §2 Z3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, Bote für Tirol Nr 187, und der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck gemäß §2 Z3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes vom 27. März 2020, Bote für Tirol Nr 186, mit näherer Begründung entgegentritt.

II. Rechtslage

1. Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 16/2020 lautete:

"Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister

für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des §2 Abs3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind.

Betreten von bestimmten Orten

§2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder

3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken.

Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes

§2a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer beschriebenen Aufgaben bzw zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen.

(2) Sofern nach der fachlichen Beurteilung der nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden im Rahmen der nach Abs1 vorgesehenen Unterstützung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der Art der übertragbaren Krankheit und deren Übertragungsmöglichkeiten eine Gefährdung verbunden ist, der nur durch besondere Schutzmaßnahmen begegnet werden kann, so sind die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden verpflichtet, adäquate Schutzmaßnahmen zu treffen.

Strafbestimmungen

§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß §2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

Inkrafttreten

§4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.

(1a) Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 16/2020 tritt rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft.

(2) Hat der Bundesminister gemäß §1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.

(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.

Vollziehung

§5. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut."

2. Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des §2 Abs3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.

Betreten von bestimmten Orten

§2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder

3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.

Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes

§2a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer beschriebenen Aufgaben bzw zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen.

(1a) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen mitzuwirken durch

1. Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen,

2. Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens und

3. die Ahndung von Verwaltungsübertretungen durch Organstrafverfügungen (§50 VStG).

(2) Sofern nach der fachlichen Beurteilung der jeweiligen Gesundheitsbehörde im Rahmen der nach Abs1 vorgesehenen Mitwirkung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der Art der übertragbaren Krankheit und deren Übertragungsmöglichkeiten eine Gefährdung verbunden ist, der nur durch besondere Schutzmaßnahmen begegnet werden kann, so sind die Gesundheitsbehörden verpflichtet, adäquate Schutzmaßnahmen zu treffen.

Strafbestimmungen

§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß §2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

Inkrafttreten

§4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.

(1a) Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 16/2020 tritt rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft.

(2) Hat der Bundesminister gemäß §1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.

(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.

(5) §§1, 2 und §2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

Vollziehung

§5. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut."

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 (Epidemiegesetz 1950), BGBl 186/1950 (WV), idF BGBl I 63/2016 lauten:

"II. HAUPTSTÜCK.

Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten.

Einleitung von Vorkehrungen bei Auftreten anzeigepflichtiger Krankheiten.

[…]

Absonderung Kranker.

§7. (1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.

(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen. Jede Anhaltung ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.

(2) Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinne der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann.

(3) Zum Zwecke der Absonderung sind, wo es mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse geboten erscheint, geeignete Räume und zulässig erkannte Transportmittel rechtzeitig bereitzustellen, beziehungsweise transportable, mit den nötigen Einrichtungen und Personal ausgestattete Barackenspitäler einzurichten.

(4) Abgesehen von den Fällen der Absonderung eines Kranken im Sinne des Abs2 kann die Überführung aus der Wohnung, in der er sich befindet, nur mit behördlicher Genehmigung und unter genauer Beobachtung der hiebei von der Behörde anzuordnenden Vorsichtsmaßregeln erfolgen.

(5) Diese Genehmigung ist nur dann zu erteilen, wenn eine Gefährdung öffentlicher Rücksichten hiedurch nicht zu besorgen steht und der Kranke entweder in eine zur Aufnahme solcher Kranker bestimmte Anstalt gebracht werden soll oder die Überführung nach der Sachlage unbedingt geboten erscheint.

[…]

Beschränkung des Lebensmittelverkehrs.

§11. Die Abgabe von Lebensmitteln aus Verkaufsstätten, Häusern oder erforderlichenfalls aus einzelnen Ortsgebieten, in denen Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, Ruhr, Flecktyphus, Blattern, Asiatische Cholera, Pest oder Ägyptische Augenentzündung aufgetreten ist, kann untersagt oder von bestimmten Vorsichten abhängig gemacht werden.

[…]

Überwachung bestimmter Personen.

§17. (1) Personen, die als Träger von Krankheitskeimen einer anzeigepflichtigen Krankheit anzusehen sind, können einer besonderen sanitätspolizeilichen Beobachtung oder Überwachung unterworfen werden. Sie dürfen nach näherer Anordnung der Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sein, welche die Gefahr mit sich bringt, daß Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Für diese Personen kann eine besondere Meldepflicht, die periodische ärztliche Untersuchung sowie erforderlichenfalls die Desinfektion und Absonderung in ihrer Wohnung angeordnet werden; ist die Absonderung in der Wohnung in zweckmäßiger Weise nicht durchführbar, so kann die Absonderung und Verpflegung in eigenen Räumen verfügt werden. (BGBl Nr 151/1947, Artikel II Z5 litf.)

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten