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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien II, Taborstraße 23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 15. Oktober 1997, Zl. 10.301/140-1.6/97, betreffend Ausnahmebewilligung gemäß § 18 Abs. 2 Waffengesetz 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem (im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres ergangenen) angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Dezember 1996 auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum Erwerb und Besitz eines halbautomatischen Sturmgewehres StG 77 gemäß den §§ 10 und 18 Abs. 2 und 5 Waffengesetz 1996 im Zusammenhalt mit der Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 624/1977, abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe das 21. Lebensjahr vollendet und sei als verläßlich anzusehen. Gegen die Erteilung der beantragten Bewilligung sprächen keine gewichtigen Interessen, insbesondere militärischer oder sicherheitspolizeilicher Art. Es sei daher die Ermessensentscheidung im Sinne des § 10 Waffengesetz 1996, der zufolge § 18 Abs. 5 leg. cit. auch für Kriegsmaterial gelte, zu treffen. Nach § 10 leg. cit. seien private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr bestehe, möglich sei. Dem Interesse des Beschwerdeführers am Erwerb und Besitz des in Rede stehenden Kriegsmaterials sei daher das öffentliche Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Kriegsmaterial verbundenen Gefahren gegenüberzustellen. Der Erwerb und Besitz von so gefährlichen Schußwaffen wie des halbautomatischen Sturmgewehres StG 77 durch Privatpersonen stelle generell eine Sicherheitsgefährdung dar, weil sie unter Umständen gegen Sicherheitsorgane eingesetzt würden, die ihrerseits im Normalfall nicht mit solchen leistungsstarken Waffen ausgerüstet seien. Eine waffenmäßige Überlegenheit von Privatpersonen gegenüber den für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit verantwortlichen Sicherheitsorganen müsse aber abgelehnt werden. Eine stark verbreitete Überlassung von solchem Kriegsmaterial an Privatpersonen könne zu höchst unerwünschten Verhältnissen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit führen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß anderen Personen solche Ausnahmebewilligungen erteilt worden seien, sei nicht zielführend, weil sich daraus kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung ableiten lasse. Daß der Beschwerdeführer die Absicht habe, die Waffe sicher zu verwahren, werde nicht bezweifelt. Seine Verläßlichkeit sei auch nicht in Zweifel gezogen worden. Im Hinblick auf die Kontinuität der Verwahrung hätten aber Private nicht die gleichen Möglichkeiten wie der militärische Bereich. Das öffentliche Interesse an der Abwehr der dargestellten Gefahren überwiege das Interesse des Beschwerdeführers, zumal es auf dem Gebiet des Schießsportes keine offizielle Disziplin gebe, bei der Kriegsmaterial Verwendung finde. Dem Beschwerdeführer bleibe es unbenommen, auf behördlich genehmigten Schießplätzen Kriegsmaterial (halbautomatische Gewehre) zu benutzen, auch wenn es nicht seine Waffe sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 62 Waffengesetz 1996, BGBl. I Nr. 12/1997, ist dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 1997 in Kraft getreten. Gleichzeitig trat das Waffengesetz 1986, BGBl. Nr. 443, außer Kraft. Die belangte Behörde hatte daher bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits das Waffengesetz 1996 anzuwenden.
Gemäß § 18 Abs. 1 Waffengesetz 1996 sind der Erwerb, der Besitz und das Führen von Kriegsmaterial verboten.
Gemäß § 18 Abs. 2 leg. cit. kann der Bundesminister für Landesverteidigung verläßlichen Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und ein berechtigtes Interesse für den Erwerb, Besitz oder das Führen von Kriegsmaterial glaubhaft machen, Ausnahmen von den Verboten des Abs. 1 bewilligen. Solche Ausnahmebewilligungen bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Inneres. Sie sind zu versagen, wenn gegen ihre Erteilung gewichtige Interessen, insbesondere militärischer oder sicherheitspolizeilicher Art sprechen.
Gemäß § 18 Abs. 5 leg. cit. gelten für Kriegsmaterial u.a. die Bestimmungen des § 10. Nach dieser Gesetzesstelle sind bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als diese ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.
Die zitierten Gesetzesstellen entsprechen ihrem Inhalt nach (zum Teil sogar wörtlich) § 28a Abs. 1 und 2, § 28b und § 7 Waffengesetz 1986. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Waffengesetz 1996 (457 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR XX. GP) ergibt sich kein Hinweis dafür, daß in diesem Bereich inhaltliche Änderungen beabsichtigt waren. Die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den genannten Bestimmungen des Waffengesetzes 1986 entwickelten Grundsätze sind demnach auch nach der durch das Waffengesetz 1996 geschaffenen Rechtslage zu beachten.
Im Beschwerdefall steht nicht in Streit, daß es sich bei dem halbautomatischen Sturmgewehr StG 77 um Kriegsmaterial (gemäß § 1 Abschnitt I Pkt. 1 lit. a der Verordnung BGBl. Nr. 624/1977) handelt. Weiters steht nicht in Streit, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Erteilung der Ausnahmebewilligung gemäß § 18 Abs. 2 Waffengesetz 1996 erfüllt und daß keiner der in dieser Gesetzsstelle genannten (zwingenden) Versagungsgründe vorliegt. Die Voraussetzungen für die Ermessensübung durch die belangte Behörde sind daher gegeben. Bei Ermessensentscheidungen hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hat oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmißbrauches - nicht der Fall gewesen ist (siehe dazu u.a. die
hg. Erkenntnisse vom 8. November 1988, Zl. 88/11/0227, und vom 27. März 1990, Zlen. 89/11/0098, 0099, m.w.N.).
Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu der Auffassung gelangt ist, daß bei der Abwägung des vom Beschwerdeführer geltend gemachten privaten Interesses, nämlich seinem Interesse an der Verwendung einer eigenen militärischen Waffe bei einem näher bezeichneten Bewerb im Rahmen eines Vereines, mit dem öffentlichen Interesse, derartige Waffen aus allgemeinen Sicherheitsgründen privater Hand nicht anzuvertrauen, dem Beschwerdeführer die beantragte Ausnahmebewilligung nicht zu erteilen ist, stellen sich diese Erwägungen als durchaus mit dem Gesetz im Einklang stehend dar und lassen nicht erkennen, daß die belangte Behörde ihr Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes gehandhabt hat (siehe auch dazu die oben zitierten Erkenntnisse, jeweils m.w.N.).
Daran vermögen die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente nichts zu ändern. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, daß er seine Waffen in einem mit zwei Nummernschlössern gesicherten Baustahlschrank verwahre, ist er darauf hinzuweisen, daß dieser Umstand im Rahmen der Verläßlichkeitsprüfung zu seinen Gunsten berücksichtigt wurde. Soweit er daraus ableitet, daß die von ihm beabsichtigte Verwahrung jener im militärischen Bereich überlegen sei, weil Kasernen im Regelfall seit Einführung der 5-Tage-Woche beim Bundesheer "leerstehend" seien, kann ihm nicht gefolgt werden, weil es der Lebenserfahrung widerspricht, daß Kasernen, insbesondere Waffen- und Munitionsdepots, an Wochenenden frei zugänglich und unbewacht sind.
Die Richtigkeit der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptung, daß von der in seinem Antrag genannten militärischen Waffe "kein höheres Gefahrenpotential ausgeht" als von Selbstladegewehren nach Kategorie B des Waffengesetzes 1996, war für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung, weil die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Überlegung, daß Sicherheitskräfte im Normalfall nicht mit derart leistungsstarken Waffen ausgerüstet seien, jedenfalls zutrifft. Desgleichen ist es ohne Bedeutung, ob anderen Personen Ausnahmebewilligungen für derartige Waffen erteilt wurden und ob dies rechtens erfolgt ist, weil der Beschwerdeführer daraus für seine Rechtsposition nichts ableiten kann. Im vorliegenden Fall geht es ausschließlich darum, ob dem Beschwerdeführer die beantragte Ausnahmebewilligung zu erteilen war.
Der Beschwerdeführer führt ins Treffen, die im Rahmen der Ermessensübung von der belangten Behörde berücksichtigten öffentlichen Interessen seien nicht gegeben, weil er als zuverlässig anzusehen sei. Damit verkennt er, daß das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 18 Abs. 2 Waffengesetz 1996 die Voraussetzung für die Ermessensübung darstellt, in deren Rahmen sehr wohl öffentliche Interessen berücksichtigt werden können, auch wenn sie nicht das Gewicht von Versagungsgründen gemäß § 18 Abs. 2 leg. cit. erreichen. Die Möglichkeit, daß militärische Waffen in die Hände von unbefugten Personen gelangen können, und die damit verbundenen Gefahren haben im Rahmen des öffentlichen Interesses an der Abwehr solcher Gefahren in der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Berücksichtigung gefunden (siehe dazu u. a. das oben zitierte Erkenntnis vom 8. November 1988 und das Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl. 93/11/0266, jeweils m.w.N.).
Der Beschwerdeführer hält dem von der belangten Behörde gebrauchten Argument, daß Sicherheitskräfte im Normalfall nicht mit derart leistungsstarken Waffen ausgestattet seien, entgegen, ein Organ der öffentlichen Sicherheit werde niemals allein einem bewaffneten Rechtsbrecher gegenübertreten, sondern per Sprechfunk Verstärkung in Form von waffentechnisch besser ausgerüsteten Zugriffsgruppen anfordern. Der Beschwerdeführer übersieht bei dieser Darstellung, daß in manchen Fällen ein unverzügliches Eingreifen erforderlich ist und eine angeforderte Verstärkung zu spät käme. Im übrigen ist die Überwältigung von Rechtsbrechern, die mit militärischen Waffen ausgerüstet sind, auch bei Einsatz waffentechnisch überlegener Zugriffsgruppen ungleich schwieriger und gefährlicher als in anderen Fällen.
Der von der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, auf dem Gebiet des Schießsportes gebe es keine offizielle Disziplin, bei der Kriegsmaterial zum Einsatz komme, führt zwar nicht dazu, daß der Beschwerdeführer überhaupt kein privates Interesse am Erwerb und Besitz des StG 77 haben kann, er zeigt aber, daß das Gewicht des vom Beschwerdeführer geltend gemachten privaten Interesses gering ist, sodaß auch unter diesem Gesichtspunkt keine fehlerhafte Ermessensübung durch die belangte Behörde erkannt werden kann.
Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997110367.X00Im RIS seit
25.04.2001