TE Vwgh Beschluss 2020/6/24 Ra 2019/11/0148

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Veröffentlicht am 24.06.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §46 Abs1
VwGG §46 Abs3
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über den Antrag des Mag. M G in W, vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Aubergstraße 63, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist betreffend das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Juli 2019, Zl. LVwG-M-31/001-2018, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

1        Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Juli 2019 (dem Revisionswerber zugestellt am 19. Juli 2019) wurde eine Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers vom 31. Oktober 2018 als unbegründet abgewiesen, die durchgeführte Amtshandlung als rechtskonform bezeichnet und dem Revisionswerber Verfahrenskosten auferlegt. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2        In seinem Schreiben vom 29. August 2019 (der am Titelblatt als „Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe“ bezeichnet ist) führte der zu diesem Zeitpunkt anwaltlich nicht vertretene Revisionswerber nach seinen Überlegungen zur Rechtswidrigkeit des genannten Erkenntnisses Folgendes aus:

„Da ich leider bereits durch das Maßnahmenbeschwerdeverfahren mit erheblichen Kosten belastet bin, bin ich nicht in der Lage, auch die weiteren Kosten für eine a.o. Revision an den Verwaltungsgerichtshof aufzubringen, weshalb ich höflich den

Antrag

stelle, mir zur Erhebung einer außerordentlichen Revision an den VwGH die Verfahrenshilfe in vollem Umfang zu bewilligen.“

3        Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 2019, Ra 2019/11/0148-4, wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Gewährung von Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis vom 16. Juli 2019 zurückgewiesen, weil der Revisionswerber der hg. verfahrensleitenden Anordnung vom 5. September 2019 betreffend Vorlage eines Vermögensbekenntnisses innerhalb gesetzter zweiwöchiger Frist nicht Folge geleistet hatte.

4        Mit Anwaltsschriftsatz vom 29. November 2019 erhob der Revisionswerber außerordentliche Revision, die mit hg. Beschluss vom 21. April 2020, Ra 2019/11/0148-7, als verspätet zurückgewiesen wurde.

5        Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2020 stellte der Revisionswerber den vorliegenden „Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 46 VwGG“ gegen die Versäumung der Revisionsfrist betreffend das eingangs genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts. Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit dieses Antrages wurde auf die Zustellung des hg. Zurückweisungsbeschlusses am 13. Mai 2020 hingewiesen und zur versäumten, mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholenden Handlung auf den bereits eingebrachten Revisionsschriftsatz vom 29. November 2019 verwiesen.

6        Nach Ansicht des Revisionswerbers stelle dieser Revisionsschriftsatz allerdings nur die Verbesserung der bereits im Schriftsatz vom 29. August 2019 erhobenen Revision dar. Im letztgenannten Schriftsatz sei nämlich bereits die Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts unter verschiedenen Gesichtspunkten dargelegt worden, sodass bereits dieser Schriftsatz, unbeschadet seiner Bezeichnung als „Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe“, als eine der Verbesserung zugängliche Revision anzusehen sei (Hinweis u.a. auf VwGH 30.3.2017, Ra 2015/07/0121, wonach für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ihr wesentlicher Inhalt maßgebend sei). Dieser als Revision zu wertende „Schriftsatz“ vom 29. August 2019 sei innerhalb offener sechswöchiger Revisionsfrist eingebracht worden und daher nicht verspätet, sodass die mit hg. Beschluss vom 21. April 2020, Ra 2019/11/0148-7, ausgesprochene Zurückweisung der Revision „nicht nachvollziehbar“ sei.

7        Das unabwendbare bzw. unvorhergesehene Ereignis iSd § 46 Abs. 1 VwGG liege daher in der vorliegenden Abweichung des Verwaltungsgerichtshofes von der gängigen Rechtsprechung, einen Schriftsatz ungeachtet seiner Bezeichnung bzw. Überschrift nach inhaltlichen Gesichtspunkten als Revision zu werten. Da der Revisionswerber nicht damit habe rechnen müssen, dass sein selbst verfasster Schriftsatz vom 29. August 2019 nicht als verbesserungsfähige Revision gewertet werde und dass ein Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes zur Verbesserung dieser Revision unterbleiben werde, treffe ihn auch kein wie immer geartetes Verschulden iSd § 46 VwGG.

8        Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist der Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

9        Im gegenständlichen Fall geht der Revisionswerber vom Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses aus, weil der Verwaltungsgerichtshof entgegen eigener Rechtsprechung den Schriftsatz des Revisionswerbers vom 29. August 2019 nicht als Revision qualifiziert habe. Dieser Ansicht ist nicht beizupflichten.

10       Nach der ständigen hg. Rechtsprechung zum Schutz rechtsunkundiger Parteien im Verwaltungsverfahren schadet die falsche Bezeichnung eines Schriftsatzes nicht und ist für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl. den - vom Revisionswerber im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag zitierten - hg. Beschluss vom 30. März 2017, Ra 2015/07/0121, Rn 23, mit Verweis auf die hg. Vorjudikatur).

11       Nach der zitierten Judikatur kommt es somit für die Qualifikation einer Eingabe auf ihren wesentlichen Inhalt, insbesondere auf den gestellten Antrag und die Art des in diesem gestellten Begehrens an.

12       Abgesehen davon, dass der Revisionswerber seinen Schriftsatz vom 29. August 2019 am Titelblatt als „Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe“ bezeichnet hat, war dieser Schriftsatz deshalb nicht als Revision einzustufen, weil das darin enthaltene (oben wiedergegebene) Begehren ausdrücklich auf Bewilligung der Verfahrenshilfe „zur Erhebung einer außerordentlichen Revision“ lautete und im Schriftsatz überdies unterstrichen wurde, dass dem Revisionswerber die Erhebung einer Revision angesichts der damit verbundenen Kosten erst durch die Bewilligung der Verfahrenshilfe (also erst nach positiver Erledigung des im Schriftsatz vom 29. August 2019 gestellten Begehrens) möglich sein werde. Bestärkt wird dies durch die Ausführungen zur (vermeintlichen) Rechtzeitigkeit in der Revision vom 29. November 2019, wonach die Frist „zur Einbringung“ der Revision offen sei.

13       Die behauptete Abweichung von der Rechtsprechung, die nach Ansicht des Revisionswerbers ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 46 Abs. 1 VwGG darstelle, liegt daher nicht vor.

14       Mangels Erfüllung der Voraussetzungen der letztgenannten Bestimmung war der Antrag (ohne den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses iSd § 46 Abs. 3 VwGG zu klären) daher abzuweisen.

Wien, am 24. Juni 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110148.L02

Im RIS seit

12.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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