TE Vwgh Beschluss 2020/7/13 Ra 2020/18/0071

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2020
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §45 Abs2
AVG §68 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des R A, vertreten durch Dr. Andreas Alzinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 12, dieser vertreten durch Mag.a Alexandra Cervinka, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Kärntner Ring 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Jänner 2020, W105 2197555-2/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 31. Oktober 2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit seinem Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft und seiner Furcht vor Verfolgung durch die Taliban begründete. Dieser Antrag wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 27. März 2019 im Beschwerdeverfahren abgewiesen, kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Feststellung getroffen, dass die Ausweisung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei und eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt.

2        Am 12. September 2019 stellte der Revisionswerber den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, den er mit seiner Konversion zum Christentum begründete.

3        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15. November 2019 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Es wurde dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Das BFA erteilte gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erließ ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5        Begründend führte das BVwG aus, dass dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner behaupteten Konversion zum einen kein „glaubhafter Kern“ zukomme und sich dieses zum anderen auf Ereignisse beziehe, die sich bereits vor Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG vom 27. März 2019 ereignet hätten und dem Revisionswerber zu diesem Zeitpunkt auch bereits bekannt gewesen seien.

6        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, dass die Beweiswürdigung des BVwG unschlüssig sei, weil das BVwG das Vorbringen des Revisionswerbers sowie die vorgelegte Taufurkunde ausschließlich mit dem Argument abgetan habe, dass diesem kein „glaubhafter Kern“ zukomme. Zudem sei die alleinige Behauptung des BVwG, es seien keine „nova producta“ releviert worden, nicht nachvollziehbar, weil ein Glaubenswechsel schrittweise erfolge. Zudem hätte das BVwG den Revisionswerber sowie den als Zeugen beantragten Pastor jedenfalls persönlich einvernehmen müssen.

7        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war lediglich die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages durch das BFA gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Das BVwG hatte dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 15.3.2019, Ra 2019/18/0064, mwN).

12       Dabei entspricht es im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen (vgl. VwGH 24.5.2018, Ra 2018/19/0187 bis 0189, mwN). Mit ihrem Vorbringen, die Beweiswürdigung des BVwG sei unschlüssig, weil das Vorbringen des Revisionswerbers alleine mit dem Argument abgetan worden sei, dass diesem kein „glaubhafter Kern“ zukomme, verkennt die Revision, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz gerade darauf ankommt, ob der behaupteten Sachverhaltsänderung ein „glaubhafter Kern“ zukommt.

13       Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen „glaubhaften Kern“ aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0333, mwN). Die Beweiswürdigung wird in der Revision jedoch nicht substantiiert bestritten. Insbesondere wird mit der bloßen Wiedergabe von Rechtsprechung nicht aufgezeigt, dass die Beweiswürdigung des BVwG unvertretbar wäre.

14       Mit dem Vorbringen, dass ein Glaubenswechsel schrittweise erfolge, setzt die Revision auch der Feststellung des BVwG, wonach der Revisionswerber bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens getauft worden sei und deshalb kein neuer Sachverhalt vorgebracht worden sei, nichts Stichhaltiges entgegen.

15       Wenn die Revision schließlich eine Verletzung der Verhandlungspflicht ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt (vgl. VwGH 12.7.2017, Ra 2017/18/0220 bis 0224, mwN). Dass das BVwG von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, gelingt der Revision nicht aufzuzeigen (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180071.L00

Im RIS seit

01.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten