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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des S T A L in B, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2020, W218 2176860-1/23E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 22. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 9. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das BFA mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Begründend erwog das BVwG, dass der Revisionswerber keine asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können. Hinsichtlich subsidiären Schutzes führte es aus, dass der Revisionswerber aus Herat stamme und grundsätzlich in seinen Herkunftsort zurückkehren könne. Die Stadt Herat sei eine vergleichsweise sichere und über den Flughafen gut erreichbare Stadt. Nach den vorliegenden Länderberichten sei die allgemeine Lage als stabil zu bezeichnen. Zudem verfüge der Revisionswerber über ein soziales Netzwerk in Form seiner in Kabul lebenden Familie, von der er jedenfalls zumindest vorläufig finanziell unterstützt werden könne. Darüber hinaus stehe ihm eine zumutbare und erreichbare innerstaatliche Fluchtalternative in einer der größeren Städte, etwa Kabul oder Mazar-e Sharif, zur Verfügung. Im Rahmen der Rückkehrentscheidung führte das BVwG eine näher begründete Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG durch und kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers überwögen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich gegen die Nichtgewährung subsidiären Schutzes wendet und zur Zulässigkeit der Revision - soweit erkennbar - zusammengefasst vorbringt, das BVwG hätte hinsichtlich der bereits im Zeitpunkt der Entscheidung herrschenden Covid-19-Pandemie weitere Ermittlungen durchführen und Feststellungen dazu treffen müssen. In den als innerstaatliche Fluchtalternative herangezogenen Großstädten sei das Infektionsrisiko besonders hoch.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Werden, wie in der vorliegenden Revision, Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung auch deren Relevanz dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. VwGH 18.2.2020, Ra 2020/18/0032, mwN). Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 26.2.2020, Ra 2020/20/0049, mwN). Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0550, mwN). Eine diesen Anforderungen entsprechende Relevanzdarstellung ist der Revision nicht zu entnehmen.
10 Soweit in der Revision auf Ereignisse und Berichte nach dem Entscheidungszeitpunkt der angefochtenen Entscheidung verwiesen wird, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des BVwG gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen hat (vgl. etwa VwGH 27.6.2017, Ra 2017/18/0005, mwN).
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. VwGH 24.1.2020, Ra 2020/18/0008, mwN).
12 Beim Revisionswerber handelt es sich nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen um einen jungen, gesunden, arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung und mehrjähriger Berufserfahrung als Lastwagenfahrer, der über ein familiäres Netzwerk in Afghanistan verfügt. Diesen Feststellungen tritt die Revision nicht entgegen. Das BVwG erachtete sowohl die Rückkehr in seine Herkunftsprovinz für sicher als auch eine innerstaatliche Fluchtalternative unter Einbeziehung der individuellen Lage des Revisionswerbers für zumutbar. Die Revision vermag mit ihrem pauschalen Vorbringen, die Bekämpfung der Pandemie führe in armen Ländern zum Zusammenbruch des Wirtschaftslebens, nicht darzutun, dass das BVwG von den oben genannten Leitlinien abgegangen wäre und dass im Falle einer Rückkehr des Revisionswerbers in seine Herkunftsprovinz Herat solch exzeptionelle Umstände vorlägen, die die Gewährung subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.
13 Auch übersieht die Revision, dass es sich bei dem Verweis auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im vorliegenden Fall lediglich um eine Alternativbegründung des BVwG handelt, sodass schon aus diesem Grunde keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan wird (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0053).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 16. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180231.L00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020