TE OGH 2020/6/25 6Ob92/20b

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Veröffentlicht am 25.06.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der Betroffenen Dr. J*****, geboren am ***** 1928, *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen, vertreten durch die (bisherige) gerichtliche Erwachsenenvertreterin C*****, diese vertreten durch Mag. Hermann Fröschl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. April 2020, GZ 42 R 487/19g-120, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 128 Abs 2 Satz 2 AußStrG kommen in einem Verfahren über die Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung dem (bisherigen) gerichtlichen Erwachsenenvertreter die Aufgaben des Rechtsbeistands im Verfahren (§ 119 AußStrG) zu; diese Rechtsfolge tritt ex lege ein (Fritz in Schneider/Verweijen, AußStrG [2018] § 128 Rz 17; Schauer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG Bd I² [2019] § 128 Rz 30). Zwar kann das Gericht erforderlichenfalls einen vom bisherigen gerichtlichen Erwachsenenvertreter verschiedenen Vertreter für das Verfahren bestellen, was etwa im Fall eines Interessenwiderstreits zwischen Betroffenem und gerichtlichem Erwachsenenvertreter in Betracht käme (Fritz aaO; Schauer aaO), hier jedoch nicht erfolgte.

2. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass dem Betroffenen gegen eine nicht auf seinen Antrag hin ergangene Umbestellung seines Sachwalters ein Rekursrecht zusteht (RS0124204); dies gilt auch für das Übertragungsverfahren nach § 128 AußStrG idF des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes. Darüber hinaus entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass dem enthobenen Sachwalter ein Rekursrecht im eigenen Namen gegen seine Enthebung vom Amt des Sachwalters nicht zusteht (RS0006229 [T17, T18, T23]). Ein Sachwalter, dessen Bestellung nicht in seinem Interesse, sondern in dem des Betroffenen erfolgt, erwirbt aus seiner Bestellung keine eigenen Rechte, in die eingegriffen werden könnte (7 Ob 77/09p; vgl RS0007280). Besteht aber kein gesetzlich verankertes Recht, in der Funktion des Sachwalters zu verbleiben (1 Ob 3/09m; RS0006229 [T10]), ist ein nicht im Namen und im Interesse des Betroffenen eingebrachtes Rechtsmittel eines Sachwalters mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen (10 Ob 25/16y; vgl 1 Ob 3/09m; 7 Ob 77/09p). Auch daran hat das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz nichts geändert (vgl Fritz aaO Rz 24). Soweit sich der außerordentliche Revisionsrekurs somit beispielsweise darauf beruft, die (bisherige) gerichtliche Erwachsenenvertreterin sei berechtigt, die auf die von der Betroffenen bewohnte und ihr von der gerichtliche Erwachsenenvertreterin untervermietete Wohnung entfallende Umsatzsteuer auf die Betroffene zu überwälzen, braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden.

3. Die Vorinstanzen haben die (bisherige) gerichtliche Erwachsenenvertreterin ihres Amtes enthoben und einen Rechtsanwalt zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter mit der Begründung bestellt, zwischen ersterer und der Betroffenen bestehe zwar ein Vertrauensverhältnis, erstere sei jedoch in einen Interessenkonflikt zu letzterer geraten.

3.1. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Umbestellung eines Erwachsenenvertreters kommt es nur auf das Wohl der betroffenen Person an; diese ist nur auf den Einzelfall bezogen und betrifft grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0117813 [insb T1, T2]), woran sich auch durch das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz nichts geändert hat (RS0117813 [T12]; 7 Ob 6/19m).

3.2. Nach § 246 Abs 3 Z 2 ABGB ist die gerichtliche Erwachsenenvertretung einer anderen Person zu übertragen, wenn der Vertreter verstorben ist, nicht die erforderliche Eignung aufweist oder durch die Vertretung unzumutbar belastet wird, oder wenn es sonst das Wohl der vertretenen Person erfordert. Unter den letztgenannten Grund fällt etwa auch der Fall einer objektiven massiven (8 Ob 164/18b) bzw erheblichen (Fritz aaO Rz 7) Interessenkollision (Schauer aaO Rz 12). Eine solche haben die Vorinstanzen – jedenfalls vertretbar – hier angenommen:

Die Betroffene ist Untermieterin einer Offenen Gesellschaft, deren Gesellschafterin unter anderem die (bisherige) gerichtliche Erwachsenenvertreterin ist. Die Gesellschaft überwälzt praktisch den gesamten Hauptmietzins auf die Betroffene, obwohl dieser, weil als Büro gewidmet, 20 % Umsatzsteuer enthält. Darüber hinaus kann die Betroffene auch nicht über die gesamte Wohnung verfügen, weil die Gesellschaft bzw die (bisherige) gerichtliche Erwachsenenvertreterin in einem Raum eigene Gegenstände aufbewahrt. Der nunmehr zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellte Rechtsanwalt, der als Kollisionskurator damit beauftragt worden war, die Vereinbarung betreffend die Wohnung, die von der (bisherigen) gerichtlichen Erwachsenenvertreterin sowohl für die Vermieterseite als auch für die Betroffene unterfertigt ist, zu überprüfen, ihr allenfalls zuzustimmen oder durch Abschluss eines Untermietvertrags zu verbessern, errechnete allein für den Zeitraum Dezember 2015 bis Juli 2019 einen „Korrekturbedarf“, also eine Überzahlung an Mietentgelt, in Höhe von rund 15.000 EUR. Obwohl der (bisherigen) gerichtlichen Erwachsenenvertreterin vom Erstgericht die Möglichkeit eingeräumt worden war, eine dem Wohl der Betroffenen entsprechende Lösung anzubieten bzw in Erwägung zu ziehen, beharrte sie auf dem Standpunkt, die Vereinbarung sei pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden; auch im außerordentlichen Revisionsrekurs werden mehrfach die Verbindlichkeit der Vereinbarung und die Berechtigung der Vermieterseite, Teile der Wohnung trotz Überwälzung des gesamten Hauptmietzinses zu nutzen sowie 20 % Umsatzsteuer einzuheben, betont. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen beharrt die (bisherige) gerichtliche Erwachsenenvertreterin damit auf ihren eigenen Interessen und berücksichtigt nicht ausreichend jene der Betroffenen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs setzt sich auch mit der Frage einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der Betroffenen und der Vermieterseite auseinander und unterstellt ganz offensichtlich die Einleitung einer solchen für den Fall der Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung. Eine solche wurde vom nunmehr bestellten Rechtsanwalt auch in den Raum gestellt. Gerade dies stellt aber eine objektive massive Interessenkollision dar (vgl 8 Ob 164/18b).

3.3. Soweit sich der außerordentliche Revisionsrekurs mit der Frage der Zulässigkeit einer Wohnortverlegung der Betroffenen befasst, ist dies nicht Gegenstand des Übertragungsverfahrens.

4. Der außerordentliche Revisionsrekurs rügt das Unterbleiben einer Einvernahme der Betroffenen, also deren persönlicher Anhörung. Allerdings ist eine solche im Übertragungsverfahren nicht zwingend vorgesehen (§ 128 Abs 3 AußStrG e contrario; vgl Schauer aaO Rz 21; Bauer/Hengl in Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts³ [2018] 869), womit eine Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens von vorneherein ausscheidet; ein Verstoß gegen § 58 Abs 1 Z 1, § 66 Z 1 AußStrG (Verletzung des rechtlichen Gehörs) kommt nicht in Betracht, ist doch die (bisherige) gerichtliche Erwachsenenvertreterin im Verfahren für die Betroffene eingeschritten (vgl 10 Ob 8/19b, wonach die Nichtvernehmung einer Partei [zu Beweiszwecken] schon begrifflich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt; vgl auch 7 Ob 68/19d). Eine Mangelhaftigkeit dieses Verfahrens wiederum wurde im Rekurs nicht geltend gemacht, sodass deren Rüge im Revisionsrekursverfahren nicht nachgeholt werden kann (siehe bloß 8 Ob 116/09f).

Textnummer

E128698

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00092.20B.0625.000

Im RIS seit

12.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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