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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
KFG 1967 §66 Abs2 lite;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. Egon Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. Februar 1997, Zl. MA 65 - 8/648/96, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend für die Zeit von zwölf Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 4. August 1996, entzogen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, aufgrund der rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers durch das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 25. September 1996 sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer am 4. August 1996 eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen habe. Dabei habe er einen Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden verschuldet. Er sei deshalb mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. November 1996 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 (erster Fall) StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall verschuldet habe, komme eine Entziehung der Lenkerberechtigung für die Zeit von bloß vier Wochen nach § 73 Abs. 3 KFG 1967 nicht in Betracht. Ein mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges im Zusammenhang stehendes Alkoholdelikt sei als verwerflich und gefährlich zu werten. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers müsse auf eine Sinnesart geschlossen werden, deren Überwindung erst nach einem längeren Zeitraum angenommen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Jänner 1980, VwSlg. Nr. 10.014/A, darzutun versucht, daß die von ihm begangene Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 keine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 darstelle, ist er darauf hinzuweisen, daß dieses Erkenntnis zu einer anderen Rechtslage ergangen ist. Aus der Zitierung der angewendeten Rechtsvorschriften in diesem Erkenntnis ergibt sich, daß damals nur das Lenken oder die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO 1960 beeinträchtigten Zustand und das dabei erfolgte verschuldete Herbeiführen eines Verkehrsunfalles den Tatbestand des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 erfüllt haben, während nunmehr alle im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges begangenen Übertretungen gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 den genannten Tatbestand erfüllen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Rechtslage in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit einer Person alle sogenannten Alkoholdelikte im Sinne des § 99 Abs. 1 StVO 1960 als gleichwertig anzusehen sind (siehe dazu u.a. das Erkenntnis vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/11/0228, mwN).
Der Beschwerdeführer meint, selbst wenn man eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 annehme, hätte die Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 bei Berücksichtigung des Umstandes, daß die Atemalkoholuntersuchung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, ein Dolmetscher erst sehr spät beigezogen worden und seine Lungenkraft infolge einer Verkühlung gemindert gewesen sei, zu seinen Gunsten ausfallen müssen, weil sein Verhalten kaum als verwerflich beurteilt werden könne. Mit diesem Vorbringen, das im wesentlichen darauf hinausläuft, daß die Bestrafung wegen der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu Unrecht erfolgt sei, ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde im Hinblick auf die Rechtskraft der Bestrafung und die dadurch bewirkte Bindung davon auszugehen hatte, daß er die ihm angelastete Übertretung begangen hat.
Mit seiner Behauptung, die Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung könne nicht als verwerflich qualifiziert werden, weil das Gericht festgestellt habe, daß er nicht alkoholisiert gewesen sei, geht der Beschwerdeführer am Inhalt des betreffenden Gerichtsaktes vorbei. Der Beschwerdeführer wurde von der gegen ihn mit Strafantrag erhobenen Anklage, er habe ein Vergehen nach § 89 (§ 81 Z. 2) StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen, weil kein Schuldnachweis erbracht worden sei. Dies lag daran, daß der gerichtsärztliche Sachverständige mangels anderer Grundlagen seinem Gutachten allein die Trinkangaben des Beschwerdeführers zugrunde gelegt hat. Von einem - im Rahmen der Wertung der bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 zu berücksichtigenden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1997, Zl. 96/11/0336, und vom 18. November 1997, Zl. 97/11/0158) - positiven Nachweis, daß der Beschwerdeführer nicht alkoholisiert war, kann demnach keine Rede sein.
"Besonders gefährliche Verhältnisse" hat die belangte Behörde ohnedies nicht angenommen, sodaß das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers ins Leere geht. Das Wohlverhalten des Beschwerdeführers in der Zeit ab der Tat vom 4. August 1996 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ist deshalb von geringem Gewicht, weil in dieser Zeit das gerichtliche Strafverfahren, das Verwaltungsstrafverfahren und das Entziehungsverfahren anhängig waren und zudem der erstinstanzliche Mandatsbescheid, mit dem die Entziehung ausgesprochen wurde, bereits am 20. August 1996 erlassen wurde, sodaß die Entziehung bereits ab diesem Zeitpunkt wirksam war. Daß der (seit August 1994 sich im Besitz der Lenkerberechtigung befindende) Beschwerdeführer vor der Tat vom 4. August 1996 nicht wegen einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 bestraft worden war, ist unbestritten. Von seiner Unbescholtenheit kann aber nach der Aktenlage nicht ausgegangen werden.
Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 23. Oktober 1995 (veröffentlicht in ZVR 1996/1-Fall Gradinger) ist für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu gewinnen, weil dem Verwaltungsstrafverfahren die Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung zugrunde lag, sohin eine andere Tat, als dem Beschwerdeführer im gerichtlichen Strafverfahren angelastet wurde.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Alkotest VerweigerungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997110051.X00Im RIS seit
12.06.2001