TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/6 L524 2149342-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.06.2019
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Entscheidungsdatum

06.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2149342-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2017, Zl. 1068428909-150505393/BMI-BFA_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei verheiratet, sunnitischer Moslem und Araber. Er habe in Bagdad die Schule und die Universität besucht. Im Irak würden noch seine Mutter, sechs Brüder und fünf Schwestern leben. Sein Vater sei bereits verstorben. Am 05.04.2015 sei er legal mit seiner Familie aus dem Irak ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass sich die Lage im Irak verschlechtert habe, da derzeit wieder Bürgerkrieg sei. Er sei Sunnit und bekomme immer Schwierigkeiten wegen der Namen seiner Kinder. Es gebe keine Sicherheit für ihn und seine Familie im Irak, weshalb sie geflohen seien.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 05.07.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er im bisherigen Verfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe, diese rückübersetzt und richtig protokolliert worden seien. Er habe seine Ehefrau und die Kinder in der Türkei zurückgelassen, weil ihm seine Brüder versprochen hätten, diese finanziell zu unterstützen. Da sie dieses Versprechen nicht eingehalten hätten und das Leben in der Türkei sehr teuer gewesen sei, seien seine Frau und die Kinder in den Irak zurückgekehrt und würden dort nun von seiner Schwägerin, der Schwester seiner Frau, unterstützt werden. Seit sieben Monaten seien sie wieder im Irak.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er ab dem Jahr 2013 Drohanrufe und Drohbriefe von der Asaib Ahl al-Haqq-Miliz an seinem Arbeitsplatz im Ministerium erhalten habe. Der Minister habe ihm daraufhin für seine Arbeit einen Leibwächter zur Verfügung gestellt. Er habe weiterhin Drohanrufe und Drohbriefe von der Miliz bekommen, die ihm mit dem Tode gedroht habe, wenn er seine Arbeit nicht aufgeben werde. Alle Drohbriefe habe er dem Minister gegeben und gehofft, dass ihn dieser auch im privaten Bereich schützen lassen werde. Der letzte Drohbrief vom März 2015 habe sich gegen ihn und seinen Schwager gerichtet. Sie hätten zusammengewohnt, weil er gewollt habe, dass sein Schwager die Familie beschütze, wenn er selbst dienstlich unterwegs sei. Ende März 2015 habe es einen Angriff der Miliz auf ihre Unterkunft gegeben. Sie hätten über den Hintereingang unter Hilfe der Nachbarn entkommen können. Da er gewusst habe, dass ihn die Miliz umbringen würde, habe er sich entschlossen, den Irak zu verlassen.

3. Mit Bescheid des BFA vom 10.02.2017, Zl. 1068428909-150505393/BMI-BFA_SZB_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der im Wesentlichen das Fluchtvorbringen geschildert und auf die Länderberichte Bezug genommen wird.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 29.05.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern und zur Lage im Irak Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Frau und die Kinder des Beschwerdeführers leben in Bagdad bei der Schwester seiner Frau. Der Beschwerdeführer lebte bis zur Ausreise aus dem Irak mit seiner Familie in Bagdad. Der Beschwerdeführer hat sechs Brüder und fünf Schwestern. Im Irak lebt zumindest eine Schwester des Beschwerdeführers, die sich um die kranke Mutter des Beschwerdeführers kümmert. Zumindest zwei Brüder des Beschwerdeführers leben in Kirkuk. Ein Bruder ist behindert und erhält eine Pension und der andere Bruder arbeitet als Lehrer. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt von der Pension des verstorbenen Ehegatten. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie.

Der Beschwerdeführer hat im Irak zwölf Jahre die Grundschule und das Gymnasium besucht. Danach hat er vier Jahre die Universität besucht und mit einem Bachelor in Buchhaltung abgeschlossen.

Der Beschwerdeführer arbeitete beim Ministerium für XXXX . Er war dort als Buchhalter tätig. Daneben betrieb er ein Bekleidungsgeschäft für Kinder. Seine Freizeit verbrachte er mit seiner Familie und hat unter anderem seine Kinder in die Schule begleitet.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im April 2015 legal den Irak und reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 14.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe, wonach er von der Miliz Asaib Ahl al-Haqq Drohbriefe und Drohanrufe erhalten habe, es von dieser Miliz einen Angriff auf sein Haus gegeben habe und ein Haftbefehl gegen ihn bestehe, werden der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

Ein Schwager des Beschwerdeführers lebt in Österreich als Asylwerber.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er hat mehrere Deutschkurse besucht. Die ÖSD-Zertifikate A1 und A2 hat er bestanden und besuchte zuletzt im Jahr 2017 einen Deutschkurs für Asylwerbende, Niveau B1. Er besuchte auch einen Werte- und Orientierungskurs. Er besucht Veranstaltungen der XXXX . Der Beschwerdeführer ist Obmann des " XXXX ". Dabei handelt es sich laut Statuten um einen nichtkonfessionellen und nichtpolitischen Verein mit dem Zweck, Menschen aus dem Irak bei ihrer Integration zu unterstützen. Der Beschwerdeführer engagiert sich in einem nicht näher feststellbaren Ausmaß in einem katholischen Jugendzentrum. Der Beschwerdeführer besucht einen Kurs zum Erwerb des Führerscheins. Der Beschwerdeführer hat auch österreichische Freunde und verfügt über Empfehlungsschreiben. Der Beschwerdeführer ist seit Ende September 2018 selbständig erwerbstätig (Reinigungsservice). Seine Einkünfte betragen voraussichtlich weniger als ? 5.256,60 und er ist daher von der GSVG-Pflichtversicherung ausgenommen. Der Beschwerdeführer bezieht auch weiterhin Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Dora, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig, und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsversorgung, es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Gemeinschaften bauen Schulen wieder auf. Das US-Außenministerium berichtet, dass Tausende von Schulen in ehemals von IS betroffenen Gebieten wiedereröffnet wurden, aber Kindern von Binnenvertriebenen, insbesondere außerhalb von Lagern, weiterhin die Schulbildung verweigert wird. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber, und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status. Die Verfassung sieht eine Hohe Kommission für Menschenrechte vor.

Mehrere Faktoren beeinflussen die Sicherheitslage im Irak, einschließlich der Aktionen verbliebener IS-Kämpfer (oder anderer extremistischer Kämpfer, die seit der Niederlage von IS aufgetaucht sind), anderer bewaffneter Gruppen (einschließlich der staatlich sanktionierten Popular Mobilization Forces) und historische Spannungen innerhalb der Schiiten und innerhalb der Sunniten. In der Region Kurdistan wird die Sicherheitslage durch Spannungen zwischen der Bundesregierung und der KRG, Spannungen zwischen verschiedenen kurdischen politischen Blöcken und Maßnahmen der Türkei und des Irans beeinflusst.

Am 15. Januar 2018 griff der IS einen Markt im Zentrum von Bagdad an, wobei mindestens 38 Menschen getötet und 105 verletzt wurden. In der irakischen Region Kirkuk wurden 25 Menschen im Vorfeld der nationalen Wahlen vom IS getötet. Der IS behauptet, seit Dezember 2017 58 Angriffe in der Region durchgeführt zu haben. In der Region Kurdistan tötete der IS im Juni 2018 12 Mitglieder einer Familie. Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

Ethnische Minderheiten haben im Irak eine politische Vertretung und nehmen am öffentlichen Leben teil. Die Verfassung erkennt sowohl Arabisch als auch Kurdisch als Amtssprachen an und verankert das Recht des Einzelnen, seine Kinder in Minderheitensprachen wie turkmenisch, syrisch und armenisch zu erziehen. Personen sind aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit einem geringen Risiko einer offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Es besteht möglicherweise ein mäßiges Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt zu sein, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ihre ethnische Zugehörigkeit in der Minderheit ist.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Sie garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabean-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Als Mehrheitsbevölkerung im Irak mit einer dominierenden Rolle in der Regierung werden Schiiten kaum oder gar nicht diskriminiert.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die von IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem moderaten Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt sind. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer-Dokument in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez-passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober schwankten die Zahlen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres 2018 gab es - seit dem Rückzug des sog. IS - die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner 2018 gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni 2018. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 2018 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

Im März 2019 erlebte der Irak die wenigsten Angriffe seit 2003. Im März wurden insgesamt 63 Vorfälle verzeichnet. Zwei Vorfälle fanden zwischen der PKK und der Türkei statt und bei zwei Vorfällen handelte es sich um den Fund von Massengräbern, womit 59 Vorfälle verbleiben. In Diyala gab es 17 Vorfälle, in Kirkuk 15 und in Ninewa elf. Dies war die niedrigste monatliche Gesamtsumme, die jemals verzeichnet wurde und die niedrigste seit der Invasion von 2003. Im Jänner 2018 gab es im Irak insgesamt 224 sicherheitsrelevante Vorfälle. Abgesehen von einem Anstieg im März 2018 sank diese Zahl seither kontinuierlich und liegt im März 2019 bei 59 Vorfällen.

Bagdad war früher das Zentrum von Terroranschlägen mit Dutzenden von Angriffen pro Tag. Jetzt gibt es kaum noch welche. Im März waren es nur vier. Es scheint, dass die Aufständischen die Provinz weitgehend verlassen haben. Im Vergleich dazu waren es im Februar 2018 noch 57. (Joel Wing, Musings on Iraq, 03.04.2019)

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

In Bagdad herrscht Aufbruchsstimmung. Nach Jahren des Kriegs gegen den IS atmet die Stadt sichtlich durch. Die Jugend genießt es, dass das Nachtleben wieder an Fahrt gewinnt. Die Wasserpfeifencafés sind jeden Abend gefüllt. In einigen Stadtteilen gibt es sogar wieder Bars, die Alkohol ausschenken und in denen man Rockkonzerten lauschen und tanzen kann. "Wir hatten jahrelang keine Möglichkeit auszugehen, jetzt wollen wir unser Leben genießen!", erzählt mir ein junger Mann in einem der Cafés in der Omar-Bin-Yasir-Straße. Er und seine Freunde haben jüngst eine Jugendorganisation gegründet, die "Vereinigung der freien Jugend des Irak". Mit dieser wollen sie sich auch aktiv dafür einsetzen, dass man jene Freiheit leben kann, die man leben will. "Bagdad muss wieder ein Ort werden, in dem wir uns wohl fühlen, in dem auch junge Frauen frei leben können und in dem die Religiösen nicht mehr das ganze Leben bestimmen."

Die Stadt hat vieles zu bieten und mittlerweile sieht man auch wieder Frauen in der Nacht auf der Straße, viele davon ohne Kopftuch. Einige zeigen sich sogar in den Cafés. Wer Bescheid weiß findet sogar versteckte Schwulenclubs. Ständig bedroht von gewaltsamen Übergriffen durch bigotte Milizen, versuchen diese nicht aufzufallen. Es gibt sie aber wieder. Auch für Kulturinteressierte hat Bagdad durchaus etwas zu bieten. Im Gegensatz zu den irakischen Kleinstädten ist Bagdad eine wirkliche Weltstadt mit einem kulturellen Angebot, mit Kinos, Theatern und einer ganzen Straße, die für ihre Buchläden bekannt ist. Die nach dem klassischen arabischen Dichter Abu at-Tayyib al-Mutanabbi benannte Mutanabbi-Staße, die 2007 noch Tatort eines blutigen Anschlags wurde, ist wieder in vollem Betrieb. An Freitagen finden hier Gedichtrezitationen unter freiem Himmel statt, ansonsten werden Bücher aller Art verkauft. Von klassischer arabischer Lyrik über moderne Romane bis zu religiöser Literatur ist hier alles zu finden. (derstandard.at, Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018)

Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Im Dezember 2018 ordnete der neue Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi an, die mit Betonmauern geschützte Hochsicherheitszone im Zentrum der Stadt für einige Stunden am Tag zu öffnen. Seit 2003 war das Gebiet, in dem Ministerien und die US-Botschaft liegen, für normale Iraker praktisch unzugänglich. Die Mauern, die dort über viele Jahre hochgezogen wurden, werden langsam abgebaut. Deutschland hatte den Kampf gegen den IS im Irak vor allem mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Im Camp Tadschi nahe Bagdad bildet die deutsche Bundeswehr irakische Soldaten aus. Die deutsche Bundesregierung setzt jetzt verstärkt auf zivile Hilfe. Deutschland ist nach den USA das Land, das den Irak in den vergangenen vier Jahren am stärksten mit Hilfsgeldern für Entwicklung, Stabilisierung und Wiederaufbau unterstützt hat. Mehr als 1,5 Milliarden Euro wurden dafür bereitgestellt. Die Bundesregierung hofft darauf, dass ein stabiler Irak die Nahost-Region insgesamt beruhigen kann. (Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 28.02.2019 wurden 1,7 Millionen IDPs (290.830 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 104 Distrikte identifiziert. Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an. Die Zahl der Rückkehrer betrug zum 28.02.2019 4,2 Millionen (701.997 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Zeitraum Januar und Februar 2019 gab es 46.662 Rückkehrer. Die meisten kehrten nach Ninewa (27.150 Personen), Salah al-Din (11.214) und Kirkuk (3.744) zurück. Die Zahl der IDPs geht in allen Gouvernements, ausgenommen Erbil und Najaf, zurück. Im Januar und Februar 2019 wurde ein Rückgang von 57,852 IDPs verzeichnet, davon die meisten in Ninewa (-29.358, -5%), Salah al-Din (-9.168, -7%) und Anbar (-6.822, -13%). Nahezu alle Familien (95%, 4.008.840 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (72.378) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (130.64) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben 85 Prozent in drei Gouvernements: 41% sind in Ninewa (53.784), 24 % in Salah al-Din (30.864) und 20 % in Diyala (25.878). (Displacement Tracking Matrix, Round 108, Februar 2019)

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellungen betreffend die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs, an Deutschkursen, die Absolvierung von Deutschprüfungen, die ehrenamtliche Tätigkeit, die Tätigkeit in einem Verein und die selbständige Erwerbstätigkeit ergibt sich aus den vorgelegten Bestätigungen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Leistungen der Grundversorgung bezieht ergibt sich aus dem eingeholten GVS-Auszug vom 29.05.2019. Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem Strafregisterauszug vom 03.06.2019.

Schon zu seiner Ausreise aus dem Irak machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben, so dass erhebliche Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit entstanden sind. In der Erstbefragung gab er dazu an, dass er am 05.04.2015 mit seiner Familie mit einem Flugzeug legal von Bagdad nach Istanbul geflogen sei und seine Familie in Istanbul gelassen habe. Auch im Rahmen der Schilderungen zu seinem Fluchtgrund erklärte er, dass er mit seiner Familie geflohen sei (Seiten 4 und 5 des Protokolls der Erstbefragung). In der Einvernahme vor dem BFA machte der Beschwerdeführer zu seiner Familie folgende Angaben (Seiten 4 und 5 des Protokolls der Einvernahme):

"LA: Sie gaben an, verheiratet zu sein. Entspricht das der Wahrheit?

AW: Ja, Ehefrau: XXXX , geb. XXXX , wh. im Irak Bagdad, bei ihrer Schwester im Stadtviertel XXXX .

...

LA: Wieso haben Sie Ihre Familie in der Türkei zurückgelassen, wenn Ihren Angaben nach dort die soziale Lage so schlimm ist?

AW: Ich hatte genug Geld für die Flucht, meine Brüder versprachen mir meine Familie finanziell zu unterstütze. Da sie ihr Versprechen nicht eingehalten haben und das Leben in der Türkei sehr teuer war, musste meine Familie in den Irak zurück. Jetzt wird meine Familie durch die Schwägerin unterstützt.

LA: Geht es ihrer Familie gut, nachdem Sie ihre Familie alleine zurückgelassen haben?

AW: Nein, sie halten sich versteckt.

LA: Für ein ganzes Jahr?

AW: Sie sind erst seit sieben Monate im Irak."

Wie sich anhand dieses Auszugs aus dem Einvernahmeprotokoll zeigt, brachte der Beschwerdeführer nicht nur vor, dass seine Familie wieder im Irak lebe, er begründete auch, weshalb seine Familie zurückgekehrt sei. Anders als noch in der Erstbefragung und er Einvernahme vor dem BFA behauptete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht plötzlich, dass seine Familie erst sieben oder acht Monate nach seiner Ausreise [im April 2015] den Irak verlassen habe und seither in der Türkei leben würde. Nach seiner Ausreise habe seine Familie bei der Schwester seiner Frau in XXXX in Bagdad gelebt. Es habe ca. Ende Dezember 2015 einen Entführungsversuch seinen Sohn betreffend gegeben und daraufhin sei seine Familie in die Türkei gereist (Seiten 4 und 7 des Verhandlungsprotokolls). Damit machte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht gänzlich andere Angaben als noch in der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte der Beschwerdeführer auf die Frage, wann seine Familie wieder in den Irak zurückgekehrt sei, dass sie nicht zurückgekehrt seien und es einen Fehler im Protokoll gebe. Er hätte nämlich Türkei gesagt, es sei aber Irak geschrieben worden. Diese Behauptung konnte der Beschwerdeführer aber nicht glaubhaft machen. Wie sich nämlich aus dem oben zitierten Ausschnitt aus dem Protokoll der Einvernahme vor dem BFA ergibt, hat der Beschwerdeführer nämlich einerseits mehrfach davon gesprochen, dass die Ehefrau und die Kinder wieder im Irak wohnhaft seien und er nannte andererseits sogar die Gründe, weshalb sie in den Irak zurückgekehrt seien. Diese vom Beschwerdeführer gemachten Angaben hinsichtlich der Gründe für die Rückkehr in den Irak lassen sich mit der bloßen Behauptung, er habe Türkei gesagt, aber Irak sei geschrieben worden, nicht beseitigen. Schon aus diesem Grund ist damit die Behauptung des Beschwerdeführers, vom Irak gesprochen zu haben, während Türkei niedergeschrieben worden sei, nicht plausibel.

Zudem konnte der Beschwerdeführer auch nicht überzeugend darlegen, weshalb er die angeblichen Fehler nicht schon in seiner Beschwerde vorgebracht hat. Sein Erklärungsversuch hierfür, er hätte keinen privaten Anwalt und hätte verstanden, dass man in der Berufung die Fehler aufschreiben könne, allerdings habe er es mehr verstanden, dass man diese dann bei der Verhandlung aufklären solle, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, da der Beschwerdeführer bei der Beschwerde von einer mit Flüchtlingsfragen betrauten Organisation vertreten wurde, der er auch eine Vollmacht erteilte, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass der mit dem Asylrecht vertraute Vertreter bei tatsächlichen Problemen mit dem Dolmetscher in der Einvernahme, dies zumindest in der Beschwerde vorgebracht hätte, zumal in der Beschwerde auch die Ermittlungstätigkeit des BFA kritisiert wird.

Zu den von ihm behaupteten Fehlern im Protokoll wurde der Beschwerdeführer weiter befragt, woraufhin er nun erklärte, er hätte diese Fehler "vor ein paar Monaten" bemerkt. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer nicht plausibel darlegen konnte, weshalb er das Protokoll bzw. den Bescheid (er legte in der mündlichen Verhandlung jene Seiten des Bescheides vor, die das Protokoll der Einvernahme vor dem BFA betreffen), vor ein paar angesehen hätte, widerspricht dies aber nun seinen zuvor gemachten Ausführungen, weshalb er die Fehler im Protokoll nicht schon in der Beschwerde angeführt hat. Hätte der Beschwerdeführer die Fehler tatsächlich erst "vor ein paar Monaten" bemerkt, hätte er nämlich auf die Frage, weshalb er sie nicht schon in der Beschwerde anführte, antworten müssen, dass er die Fehler zur Zeit der Erhebung der Beschwerde (im Februar 2017), noch nicht kannte. So aber widerspricht sich der Beschwerdeführer, weshalb auch aus diesem Grund nicht glaubhaft ist, dass es tatsächlich zu Problemen mit dem Dolmetscher gekommen ist.

Der Beschwerdeführer behauptete schließlich auch, andere irakische Flüchtlinge hätten ihm gesagt, er könne alles bei der Verhandlung erklären, deshalb hätte er erst in dieser von den (angeblichen) Problemen mit dem Dolmetscher gesprochen. Auch diese Erklärung des Beschwerdeführers überzeugt nicht. Der Beschwerdeführer legte nämlich nach Erhebung seiner Beschwerde Integrationsunterlagen sowie einen Haftbefehl vor. Weshalb er anlässlich seiner zahlreichen Eingaben kein einziges Mal die angeblichen Probleme mit dem Dolmetscher erwähnt hat, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Auf diese Frage meinte der Beschwerdeführer lapidar, er hätte nicht damit gerechnet, dass diese Fehler so gravierend seien. Die weitere Behauptung, seine Integrationsunterlagen hätte er erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung seinem Rechtsvertreter gegeben, ist insofern nicht richtig, als er etwa mit Schreiben vom 10.01.2018 und vom 22.08.2018 Integrationsunterlagen vorlegte.

Weiters ist noch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer schon in der Erstbefragung mehrfach davon sprach, dass er mit seiner Familie ausgereist sei. In der Einvernahme vor dem BFA erklärte er auch, dass er bei der Erstbefragung die Wahrheit gesagt habe, alles richtig rückübersetzt und protokolliert worden sei (Seite 3 des Protokolls der Einvernahme). Bezüglich der Erstbefragung machte er keine Probleme mit dem Dolmetscher geltend. Hätte er also vor dem BFA tatsächlich von der Türkei gesprochen, während Irak aufgeschrieben worden sei, würden aber nun die in der Erstbefragung gemachten Angaben den Angaben in der Einvernahme vor dem BFA widersprechen. Auch aus diesem Grund ist es nicht glaubhaft, dass es tatsächlich zu Problemen mit dem Dolmetscher in der Einvernahme vor dem BFA gekommen sei. Außerdem ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass gemäß § 15 AVG - soweit nicht Einwendungen erhoben wurden - eine gemäß § 14 leg.cit. aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Ungeachtet des Umstandes, dass Protokollrügen bei Rückübersetzung der Niederschrift grundsätzlich im Rahmen derselben Amtshandlung vorzubringen sind (§ 14 Abs. 3 und 4 AVG), vermochte der Beschwerdeführer mit seinen unzutreffenden Erklärungen der Beweiskraft der Niederschrift nichts Entscheidendes entgegen zu setzen bzw. keinen erfolgreichen Gegenbeweis anzutreten. Letztlich ist noch darauf zu verweisen, dass dem Beschwerdeführer das Protokoll der Einvernahme vor dem BFA (wie auch jenes der Erstbefragung) rückübersetzt wurde. Der Beschwerdeführer hat die Richtigkeit der Niederschrift mit seiner Unterschrift auf jeder Seite des Protokolls bestätigt und angegeben, dass es keine Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher gegeben habe und auch nach Rückübersetzung der Niederschrift keine Ergänzungen gemacht. Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der Niederschrift bestehen daher nicht.

Der Beschwerdeführer war zudem nicht in der Lage, sein Fluchtvorbringen in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern, wie sich aus nachfolgenden Ausführungen ergibt.

Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung als Fluchtgrund an, dass sich die Lage im Irak verschlechtert habe, da wieder Bürgerkrieg sei. Er sei Sunnit und habe deswegen Schwierigkeiten wegen der Namen seiner Kinder bekommen. Es gebe für ihn und seine Familie keine Sicherheit mehr, weshalb sie den Irak verlassen hätten (Seite 5 des Protokolls der Erstbefragung). Dagegen stellte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA in den Mittelpunkt seines Vorbringens, dass seine Ausreise aus dem Irak mit seiner beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stünde. Er sei von der Asaib Ahl al-Haqq-Miliz mit dem Tode bedroht worden, wenn er seine Arbeit nicht aufgebe. Es habe auch von dieser Miliz einen Angriff auf seine Unterkunft gegeben, weshalb er ausgereist sei (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme). Schon auf Grund dieser Auswechslung des Fluchtgrundes ist es nicht glaubhaft, dass es die fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings ist eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan - vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind - zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hat in der folgenden Einvernahme vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund darlegt als in der folgenden Einvernahme vor dem BFA. Vielmehr entsteht dadurch der Eindruck, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, seinen vor dem BFA geschilderten Fluchtgrund in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern und führt letztlich dazu, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, seinen vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer gab sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er ab dem Jahr 2013 wegen seiner Arbeit [er habe Verbrechen der Milizen dokumentiert und es sei um Geld gegangen, das die Milizen für sich beanspruchen wollten] bedroht worden sei. Zu diesen Drohungen machte der Beschwerdeführer jedoch vage sowie widersprüchliche Angaben, so dass es nicht glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer tatsächlich bedroht wurde.

Der Beschwerdeführer brachte vor dem BFA vor, dass er von der Miliz Asaib Ahl al-Haqq "Drohanrufe sowie Briefe" an seinem Arbeitsplatz bekommen habe. Dem Minister, der sein Vorgesetzter gewesen sei, habe er alle Drohbriefe gegeben, der dem Beschwerdeführer daraufhin für die Arbeit im Ministerium und auswärts einen Leibwächter zur Verfügung gestellt habe. Der Beschwerdeführer habe weiterhin Drohbriefe bekommen, in denen er mit dem Tode bedroht worden sei, wenn er seine Arbeit nicht aufgebe (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sprach der Beschwerdeführer nur von Drohbriefen, die er erhalten habe, nicht jedoch von Drohanrufen. Die ausdrückliche Frage, ob er auch telefonisch bedroht worden sei, verneinte der Beschwerdeführer. Auf den Vorhalt seiner dazu völlig widersprüchlichen Angaben vor dem BFA meinte der Beschwerdeführer, gab er bloß an, er hätte nur Drohbriefe bekommen (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Wie bereits weiter oben ausgeführt, liefert gemäß § 15 AVG - soweit nicht Einwendungen erhoben wurden - eine gemäß § 14 leg.cit. aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Ungeachtet des Umstandes, dass Protokollrügen bei Rückübersetzung der Niederschrift grundsätzlich im Rahmen derselben Amtshandlung vorzubringen sind (§ 14 Abs. 3 und 4 AVG), vermochte der Beschwerdeführer mit seiner Erklärung, er hätte gesagt, dass er Drohbriefe bekommen habe, der Beweiskraft der Niederschrift nichts Entscheidendes entgegen zu setzen bzw. keinen erfolgreichen Gegenbeweis anzutreten. Der Beschwerdeführer hat die Richtigkeit der Niederschrift mit seiner Unterschrift auf jeder Seite des Protokolls bestätigt und angegeben, dass es keine Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher gegeben habe und auch nach Rückübersetzung der Niederschrift keine Ergänzungen gemacht. Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der Niederschrift bestehen daher nicht.

Auch hinsichtlich des Orts, wo er die Drohbriefe bekommen habe, machte der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben im gesamten Verfahren. Vor dem BFA behauptete er, dass er die Drohbriefe an seinem Arbeitsplatz bekommen habe (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme). Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er an, dass er die Drohbriefe meistens nach Hause geschickt bekommen habe und diese Briefe manchmal auf seinem Tisch in der Arbeit bekommen habe (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Damit machte er vor dem Bundesverwaltungsgericht andere Angaben als vor dem BFA. Als der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aber weiter dazu befragt wurde, machte er nun Angaben, die mit der zuvor aufgestellten Behauptung, dass er die Drohbriefe meistens nach Hause geschickt und manchmal in der Arbeit bekommen habe, nicht vereinbar sind. Er behauptete nämlich nun - nach Vorhalt eines Widerspruchs -, dass er den letzten Brief zu Hause bekommen habe und die anderen zuvor in seiner Arbeit (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Damit wären die Drohbriefe aber meistens in die Arbeit gekommen und nur manchmal (genauer: ein Mal) zu Hause. Weiters machte der Beschwerdeführer hinsichtlich des Erhalts des letzten Drohbriefs alleine in der mündlichen Verhandlung widersprüchliche Angaben. Hierzu gab er zunächst an, dass er den Drohbrief Anfang 2015 auf seinem Arbeitsplatz erhalten habe (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Kurz darauf erklärte er, den Drohbrief zu Hause bekommen zu haben. Dieser Widerspruch wurde ihm auch vorgehalten, woraufhin er dann die oben angeführte Aussage tätigte, dass er den letzten Brief zu Hause und alle anderen zuvor in der Arbeit bekommen habe. Dass der Beschwerdeführer nicht widerspruchsfrei angeben kann, wo er die Drohbriefe erhalten hat, lässt es nicht glaubhaft erscheinen, dass er tatsächlich Drohbriefe erhalten hat. Auch vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer erklärte, nur drei bis vier Mal bedroht worden zu sein, ist es nicht nachvollziehbar, dass er dann nicht ohne Widersprüche angeben kann, welche Briefe er in der Arbeit bekommen habe und welche ihm nach Hause geschickt worden seien. Es handelt sich um eine überschaubare Anzahl von Briefen, weshalb der Beschwerdeführer problemlos und widerspruchsfrei angeben können muss, wo er diese bekommen hat.

Der Beschwerdeführer erklärte vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht, dass ihm der Minister wegen der Drohbriefe Schutz gewährt habe. Der Beschwerdeführer machte jedoch hinsichtlich des Zeitpunkts, wann ihm dies gewährt worden sei und in welcher Form er Schutz erhalten habe, unterschiedliche Angabe, so dass auch aus diesem Grund eine Glaubhaftmachung nicht gelungen ist. Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer nämlich an, dass ihm der Minister einen Leibwächter zur Verfügung gestellt habe (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme), während er vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, neben diesem Leibwächter auch einen Fahrer bekommen zu haben (Seiten 8 und 10 des Verhandlungsprotokolls). Zum Zeitpunkt erklärte er vor dem BFA, dass ihm der Leibwächter zur Verfügung gestellt worden sei und er weiterhin Drohanrufe und Briefe erhalten habe (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung erklärte er zunächst, erst nach Erhalt des letzten Drohbriefs Anfang 2015 einen Fahrer und ein Schutzpersonal bekommen zu haben. Kurz darauf behauptete er jedoch, bereits vor Erhalt des Drohbriefs ein Schutzpersonal und einen Fahrer bekommen zu haben (Seiten 9 und 10 des Verhandlungsprotokolls).

Insgesamt fällt im Vorbringen des Beschwerdeführers - sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht - auf, dass er keinerlei konkrete Daten hinsichtlich der Ereignisse, die ihn letztendlich zur Flucht veranlasst hätten, nennen konnte. Zunächst konnte er schon nicht einmal konkret angeben, wie oft er bedroht worden sei und meinte nur vage, es sei "drei bis vier Mal" gewesen. Auch war es ihm nicht möglich anzugeben, wann die erste Drohung gewesen sei. Dazu meinte er nur es sei "im Jahr 2013" gewesen, als er aus London in den Irak zurückgekehrt sei. Hinsichtlich der Drohungen im Jahr 2014 meinte er, dass er "mehr als einmal" bedroht worden sei und "Anfang März 2015" sei er auch bedroht worden (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Diese vagen und unkonkreten Angaben zu derart gravierenden Ereignissen, wie es Drohungen sind, können nicht nachvollzogen werden. Es entsteht dadurch der Eindruck, dass sich der Beschwerdeführer eine Rahmengeschichte zurechtgelegt hat, weshalb es ihm auch unmöglich ist, konkrete Zeitangaben zu machen.

Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer auch an, dass er den letzten Drohbrief im "März 2015" bekommen habe (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung behauptete er, dass er "Anfang 2015" bedroht worden sei und gab auf Nachfrage an, er glaube, es sei "Februar oder März" gewesen (Seiten 9 und 10 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer den Erhalt des letzten Drohbriefs, der in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Flucht aus dem Irak steht, zeitlich nicht konkret angeben kann, deutet darauf hin, dass der Beschwerdeführer tatsächlich keinen Drohbrief erhalten hat.

Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer zu dem Angriff auf seine Unterkunft an, dass dieser "Ende März 2015" gewesen sei (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung behauptete er, der Vorfall auf sein Haus sei "Ende März" passiert. Auf Nachfrage erklärte er dann, dass dies am "28. März, 29. März oder 30. März" gewesen sei (Seiten 8, 11 und 12 des Verhandlungsprotokolls). Damit lässt sich aber die Behauptung des Beschwerdeführers nicht vereinbaren, wonach er nach diesem Vorfall zur Schwester seiner Frau geflüchtet sei, sich dort "ein oder zwei Tage" aufgehalten und am "05.04.2015" ausgereist sei (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Demnach hätte der Angriff auf sein Haus aber Anfang April sein müssen. Damit konnte der Beschwerdeführer nicht einmal zu dem letzten Ereignis vor seiner Ausreise aus dem Irak, das sich auch nur wenige Tage vor der Ausreise ereignet hätte, keine konkreten Angaben machen. Auch dies spricht nicht dafür, dass der Beschwerdeführer von wahren Begebenheiten spricht.

Der Beschwerdeführer behauptete auch, dass sein Schwager bei ihm gewohnt habe, damit dieser die Familie des Beschwerdeführers schütze, wenn der Beschwerdeführer selbst dienstlich unterwegs sei (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme vor dem BFA). Sein Schwager, der ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, brachte zu dem Angriff auf das Haus in seinem Verfahren vor, dass dieser Vorfall "am 23. oder 24. März" gewesen sei. Darüber hinaus erwähnte der Schwager in seiner Einvernahme vor dem BFA nicht ein einziges Mal, dass er mit seiner Familie beim Beschwerdeführer und dessen Familie gewohnt hätte, um diese zu beschützen. Der Schwager nannte zudem auch eine andere Adresse, an der er gewohnt hätte, als jene, die der Beschwerdeführer angab. Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mit den Angaben seines Schwagers auch konfrontiert, doch konnte er diese eklatanten Widersprüche nicht ausräumen. Der Schwager nannte als Wohnort Bagdad, XXXX und erklärte, dass er dort mit seinen Eltern, seinen zwei Brüdern, drei Schwestern und seiner Ehefrau gelebt habe. Den Beschwerdeführer erwähnte er nicht. Damit konfrontiert meinte der Beschwerdeführer lapidar, "doch, er [der Schwager] hat bei mir gewohnt". Als ihm die konkrete Adresse des Schwagers genannt wurde, die von der von ihm angegeben Adresse, Bagdad, XXXX , abweicht, kombinierte er beide Namen und meinte nun, dass dies dasselbe Stadtviertel wäre und behauptete, es heiße "Bagdad, XXXX ". Würde das Stadtviertel tatsächlich so heißen, so hätte der Beschwerdeführer sofort diesen Namen nennen müssen und nicht erst auf Vorhalt von widersprüchlichen Angaben. So aber entstand der Eindruck, der Beschwerdeführer versucht, mit der Kombination der zwei unterschiedlichen Namen bloß seine widersprüchlichen Angaben doch noch als glaubhaft erscheinen zu lassen. Dem Beschwerdeführer wurden auch die Angaben des Schwagers vorgehalten, mit wem er an dieser Adresse gewohnt hätte und dass er den Beschwerdeführer bei dieser Aufzählung nicht erwähnt hat. Dazu gab der Beschwerdeführer nur an, "ich weiß es nicht" (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Zum Vorhalt, dass sein Schwager erklärte, der Angriff auf das Haus sei am "23. oder 24. März" gewesen, meinte der Beschwerdeführer, er erinnere sich nicht mehr genau und dass es fünf Jahre her sei (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Dem Beschwerdeführer ist es damit im Ergebnis nicht gelungen, die eklatanten Widersprüche seiner Angaben zu den Angaben seines Schwagers aufzuklären. Dem Beschwerdeführer ist zwar dahingehend zu folgen, dass seit dem behaupteten Vorfall mehrere Jahre vergangen sind, es sind jedoch erst vier Jahre und nicht bereits fünf Jahre und zudem ist entscheidend, dass es sich bei dem Vorfall offenbar um ein derart einschneidendes Erlebnis gehandelt haben muss, zumal sich der Beschwerdeführer entschloss, auf Grund dieses Ereignisses seine Heimat zu verlassen und seine Familie zurückzulassen, weshalb anzunehmen ist, dass sich der Beschwerdeführer den Tag, der dies ausgelöst hat, wohl für immer merken wird. Da der Beschwerdeführer dazu nicht in der Lage war, ist es nicht glaubhaft, dass dies tatsächlich passiert ist. Zudem ist noch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer schon vor dem BFA nicht in der Lage, das konkrete Datum dieses Vorfalls zu nennen und die Einvernahme vor dem BFA am 05.07.2016 stattfand, also etwas mehr als ein Jahr nach dem von ihm behaupteten Angriff auf sein Haus, der ihn zur Ausreise aus dem Irak veranlasst. Der Beschwerdeführer war damit schon vor dem BFA zu keinen konkreten Angaben im Stande, weshalb auch aus diesem Grund nicht glaubhaft ist, dass der Angriff auf das Haus tatsächlich passiert sein soll.

Weiters waren auch die Schilderungen des Beschwerdeführers zu dem Angriff auf sein Haus nicht dergestalt, dass von einer lebensnahen Schilderung gesprochen werden könnte. Aufgefordert, mehr über diesen Vorfall zu erzählen, erschöpften sich seine Ausführungen in folgenden zwei Sätzen: "Es war in der Nacht, als bewaffnete Menschen in Autos kamen. Ich bin dann gleich weggelaufen, ich lief zu den Nachbarn.". Frappant an dieser Aussage ist auch, dass der Beschwerdeführer nur von sich selbst erzählt und seine Familie sowie seinen Schwager, die ebenso dort gewohnt hätten, nicht erwähnt. Auf die sodann gestellte Frage, ob er alleine weggelaufen sei, meinte er dann auch: "Nein, nein, mit meiner Familie und mit meinem Schwager." (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Nachdem diese Erzählungen zu dem angeblichen fluchtauslösenden Ereignis sehr dürftig waren und nicht den Eindruck erweckten, als würde er persönlich Erlebtes schildern, wurde er nochmals aufgefordert zu schildern, wie dieser Angriff auf sein Haus konkret erfolgte. Nun gab er Folgendes an: "Die Milizen haben ihre eigenen speziellen Autos und wenn sie jemanden festnehmen, dann fahren sie mit ihren Autos weg. Aus dem Fenster sah ich, dass sie zu mir nach Hause fuhren und ich habe schon einmal unsere Reisepässe und das Gold vorbereitet gehabt, wir sind dann weggelaufen." (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Es zeigt sich klar, dass der Beschwerdeführer der Frage zunächst ausweicht und nur allgemeine Aussagen zu Milizen tätigt und schließlich nur schildert, dass er aus dem Fenster gesehen habe. Auch diese Schilderungen sind von einer plastischen Darstellung der Geschehnisse weit entfernt. Dadurch entstand der Eindruck, dass der Beschwerdeführer ein Geschehen schildert, das er selbst nie erlebt hat. Es wurde daher weiter versucht, den Beschwerdeführer zu konkreteren Angaben zu bewegen. Dabei erklärte der Beschwerdeführer, dass er beim Fenster hinausgesehen, die Leute gehört habe und dann weggelaufen sei. Auch wenn der Beschwerdeführer bei Entdecken der Leute sofort die Flucht ergriffen habe, müsste es ihm möglich sein, konkretere Angaben zu tätigen. Zumal der Beschwerdeführer die Leute gesehen hat, hätte er zumindest diese beschreiben können müssen. Weder schildert der Beschwerdeführer etwa, wann genau sich dies alles ereignet hat, warum er aus dem Fenster gesehen hat, was er gerade getan hat, wo er sich im Haus aufgehalten hat, wo seine Frau und seine Kinder und der Schwager gerade gewesen seien oder was sie gerade getan haben und wie sie entkommen konnten. Es fehlt schlicht an sämtlichen Details und Nebenumständen sowie der Schilderungen von Gefühlen und Gedanken, die das Vorbringen lebensnah erscheinen lassen würden.

Der Beschwerdeführer brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass er bei der Flucht aus dem Haus die Reisepässe und das Gold mitgenommen habe (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Zu den Reisepässen ergaben sich aber Unstimmigkeiten, die der Beschwerdeführer nicht plausibel erklären konnte. Der Beschwerdeführer gab nämlich an, dass der fluchtauslösende Vorfall am "28., 29. oder 30.03.2015" gewesen sei. Die Reisepässe seiner Frau und zwei seiner Kinder wurden am "01.04.2015" ausgestellt. Die Frage, ob er nach dem Vorfall noch zum Passamt gegangen ist, um sich die Reisepässe ausstellen zu lassen, bejahte der Beschwerdeführer. Eine derart schnelle Ausstellung von Reisepässen erscheint jedoch unrealistisch, was dem Beschwerdeführer auch vorgehalten wurde, woraufhin dieser nun meinte, er hätte die Reisepässe doch schon im März beantragt und erst Anfang April bekommen (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer wechselte damit seine Begründung, was sein Vorbringen aber nicht glaubhaft macht. Zu beachten ist außerdem, dass der Reisepass seiner Tochter am 30.09.2015 ausgestellt wurde, was aber nun nicht grundsätzlich dagegen spricht, dass die gesamte Familie im April 2015 ausgereist ist, da die Tochter bereits zuvor einen Reisepass besessen haben kann. Allerdings ist mit der Ausstellung des Passes im September 2015 nicht automatisch auch das Vorbringen des Beschwerdeführers richtig, dass die Familie des Beschwerdeführers erst Ende 2015 den Irak wegen eines zu diesem Zeitpunkt passierten Vorfalls seinen Sohn betreffend verlassen hätte und seither in der Türkei wäre. Dagegen spricht nämlich das eindeutige Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem BFA im Juli 2016, wo er mehrfach erklärte, dass seine Familie wieder im Irak leben würde und auch begründete, weshalb sie wieder dort lebe. Seine in der mündlichen Verhandlung aufgestellten Behauptungen, wonach die Familie in der Türkei sei, konnte der Beschwerdeführer - wie weiter oben ausgeführt - auf Grund der eindeutigen Angaben vor dem BFA nicht glaubhaft machen. Der Beschwerdeführer brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass es Ende 2015 einen Entführungsversuch seinen Sohn betreffend gegeben habe, weshalb die Familie den Irak verlassen hätte (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Glaubhaft ist dieses Vorbringen nicht, zumal der Beschwerdeführer dies schon in der Einvernahme vor dem BFA im Juli 2016 hätte vorbringen können, dies aber nicht getan hat. Es wird daher davon ausgegangen, dass einerseits der behauptete Entführungsversuch nicht stattgefunden und hat anderseits seine Frau und die Kinder des Beschwerdeführers wieder in Bagdad leben.

Hinsichtlich der Drohbriefe erklärte der Beschwerdeführer, dass er alle Drohbriefe dem Minister gegeben habe. Auf die Frage, weshalb es ihm dann möglich war, die Kopie eines Drohbriefes vorzulegen, meinte er, er hätte eine Kopie davon in seinem Mobiltelefon gehabt und dies dann ausgedruckt (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Weshalb er sich jedoch entschlossen hat, überhaupt eine Kopie anzufertigen, konnte der Beschwerdeführer nicht erklären. Seine Antwort auf diese Frage war wenig überzeugend, sie lautete nämlich "einfach so" (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer erklärte auch, dass er die vorherigen Drohbriefe nicht kopiert habe, da er sie nicht als so gefährlich betrachtet habe. Es ist daher umso unerklärlicher, dass er gerade den letzten Drohbrief, zu dem er ausdrücklich angab, diesen nicht ernst genommen zu haben, kopiert hat. Dies alles lässt erhebliche Zweifel an der Behauptung des Beschwerdeführers aufkommen, dass er tatsächlich einen bzw. mehrere Drohbriefe bekommen haben soll.

Der Beschwerdeführer legte den angeblichen Drohbrief (in Kopie) vor dem BFA auch vor. Es handelt sich um ein mit Textverarbeitungsprogramm erstelltes Schreiben, das somit von jedermann verfasst worden sein kann. Darin wird der Beschwerdeführer namentlich gar nicht erwähnt, sondern vielmehr ein XXXX , der einen Sohn namens XXXX habe (AS 57 und Protokoll der Einvernahme des Schwagers). Wie sich aus dem Protokoll der Einvernahme des Schwagers des Beschwerdeführers ergibt, heißt dessen Sohn XXXX . Aus dem gesamten Inhalt des Drohbriefs ergibt sich nicht, dass sich dieser überhaupt an den Beschwerdeführer richten würde, es wird nur der Schwager namentlich, und hier auch nur mit seinem [häufig vorkommenden] Vornamen angesprochen. Es findet sich folgender Wortlaut im Drohbrief: "An den XXXX (Vater von XXXX ), wir haben euch verwarnt, dass ihr die sunnitischen Namen wie XXXX und XXXX nicht verwenden dürft." (AS 57). Dass mit den zuletzt angeführten Namen die Kinder des Beschwerdeführers gemeint wären, ergibt sich aus dem Drohbrief nicht. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Inhalt dieses Drohbriefs mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei mit dem Tode bedroht worden, wenn er seine Arbeit nicht aufgebe, nicht stimmig ist. Es erscheint nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer zunächst mehrfach wegen seiner Arbeit bedroht worden sein soll und der letzte Drohbrief wegen der Namen seiner Kinder geschickt worden sein soll. Dies ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, da der älteste Sohn des Beschwerdeführers im Zeitpunkt des Erhalts des Drohbriefs bereits elf Jahre alt war, weshalb unerklärlich ist, dass der Beschwerdeführer nicht schon viel früher wegen der Namen seiner Kinder bedroht worden sei. Schließlich erscheint es auch nicht logisch, dass der Beschwerdeführer, wenn er wegen der Vornamen seiner Kinder bedroht worden sein soll, alleine den Irak verlässt und seine Frau und seine Kinder, die diese Namen, derentwegen der Beschwerdeführer bedroht worden sei, tragen, am Ort der Gefährdung zurücklässt und nicht sofort mit diesen gemeinsam ausreist. Es ist geradezu lebensfremd, dass ein sich sorgender Vater seine Familie unter solchen Umständen im Stich lässt. Auch aus diesen Gründen ist es daher nicht glaubhaft, dass der Drohbrief echt sein soll. Ohne das Vorbringen des Schwagers als wahr einschätzen zu wollen, sieht es vielmehr so aus, als hätte der Schwager einen Drohbrief erhalten und der Beschwerdeführer versucht auf Basis dieses Drohbriefs ein seine Person betreffendes Gefährdungsszenario zu kreieren.

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer, als er zu dem Angriff auf sein Haus befragt wurde, dass einige Mitarbeiter in seinem Ministerium getötet worden seien (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Ein solches Vorbringen erstattete der Beschwerdeführer aber weder in der Erstbefragung, noch in der Einvernahme vor dem BFA und auch nicht in seiner Beschwerde. Auf die gegen Ende der mündlichen Verhandlung gestellte Frage, ob er alle seine Fluchtgründe genannt habe, bejahte er dies und erklärte, dass er wegen der Drohbriefe den Irak verlassen habe (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer wurde danach noch zwei Mal gefragt, ob er etwas erzählen wolle, wonach er nicht ausdrücklich gefragt worden sei und ob er etwas angeben wolle, das ihm wichtig erscheine, doch tätigte er hinsichtlich der Mitarbeiter im Ministerium keine weiteren Ausführungen (Seiten 15 und 16 des Verhandlungsprotokolls). Es ist ihm daher nicht gelungen, zu dieser bloß in einem Nebensatz vorgebrachten Äußerung einen Zusammenhang zu ihm selbst und seiner Ausreise aus dem Irak herzustellen.

Während des anhängigen Beschwerdeverfahrens legte der Beschwerdeführer auch einen Haftbefehl bzw. Festnahmeauftrag in Kopie vor. Der Beschwerdeführer erklärte dazu in der mündlichen Verhandlung, dass diesen die Miliz diesen ausgestellt hätte. Die Miliz würde so vorgehen, wenn sie eine Person haben wollte. Es sind jedoch Zweifel an der Echtheit dieses Festnahmeauftrags entstanden. Aus dem Festnahmeauftrag geht hervor, dass der Beschwerdeführer gesucht würde, weil er eine andere Person belästigt, beschimpft und geschlagen hätte. Dies hätte sich am 13.11.2016 ereignet.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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