TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/7 L529 2217257-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.06.2019
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Entscheidungsdatum

07.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L529 2217257-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 22.02.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :

I. Verfahrenshergang

I.1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste im Jahr 2008 legal mittels österreichischem Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet ein. Infolge einer Anhaltung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes stellte der BF am 04.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz bei Organen der LPD XXXX . Anlässlich der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zum Fluchtgrund an, dass er seit 01.09.2008 in Österreich sei um zu studieren. Er habe 2011 einen Einrückungsbefehl erhalten, habe den Militärdienst in der Türkei jedoch nicht angetreten, weil er es aus Menschenrechtsgründen ablehne eine Waffe zu tragen. Er gelte deshalb in der Türkei als Deserteur und werde dort gesucht. Zudem sei die politische Situation in der Türkei diktatorisch und er werde bei einer Rückkehr politisch verfolgt, da er nicht einer Meinung mit dem derzeitigen Regime sei.

I.2. Am 27.11.2018 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei im Wesentlichen an, dass er 2008 nach Österreich gekommen sei und im selben Jahr seinen Einberufungsbefehl erhalten habe. Er gelte als "fahnenflüchtig". Er habe Angst gehabt im Osten der Türkei stationiert zu werden, wo es PKK-Terrorismus gebe. Er sei gegen einen zwingenden Wehrdienst und lehne den Krieg ab. Dies sei einer seiner Fluchtgründe. Der seinen Angaben zufolge wichtigere Fluchtgrund sei, dass er in der Türkei daran gehindert werde sein Grundrecht der Meinungsfreiheit auszuüben. Er stehe der AKP-Regierung oppositionell gegenüber, weshalb seine Freiheiten eingeschränkt würden. Als dritten Fluchtgrund gab er an, dass er befürchte verfolgt zu werden, weil er als Atheist nicht religiös sei.

I.3. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

I.4. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wurde der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten. In einem wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG eingebracht, welcher mit Bescheid des BFA vom 04.04.2019, ZI. XXXX , gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen wurde, zumal die Beschwerde fristgerecht eingebracht wurde.

I.5. Der Verwaltungsakt langte am 10.04.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, sowie durch Einholung von Auszügen aus dem ZMR, dem GVS, dem zentralen Fremdenregister und dem Strafregister - jeweils den BF betreffend - Beweis erhoben.

II. 1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Zur Person des BF:

Die Identität des BF steht fest. Der BF ist türkischer Staatsangehöriger, gehört der türkischen Volksgruppe an und ist Atheist. Der BF stammt aus Istanbul. Er ist ledig und kinderlos. Der BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Er wird lediglich wegen Schlafstörungen medikamentös behandelt.

Er hat in der Türkei für fünf Jahre die Volksschule, für drei Jahre die Mittelschule sowie für weitere 3 Jahre ein Gymnasium besucht. In der Folge hat er für fünf Jahre Physik studiert und das Studium abgeschlossen. Danach hat er in der Türkei ein Masterstudium begonnen, dieses jedoch nicht abgeschlossen. In der Türkei hat er seinen Lebensunterhalt durch Unterstützung seiner Familienangehörigen, sowie durch ein Stipendium bestritten. In XXXX leben noch sein Vater und seine Mutter. Sein Vater bezieht eine Pension und hat zuvor als Polizist gearbeitet. Eine Schwester des BF lebt in XXXX und ist als Kindergärtnerin erwerbstätig. Er steht zu seinen Familienangehörigen regelmäßig in Kontakt und hat zu diesen ein gutes Verhältnis. Darüber hinaus leben in der Türkei mehrere andere Verwandte des BF.

Er reiste am 09.11.2008 zu Studienzwecken mittels bis 17.09.2009 gültigem Studentenvisum in das Bundesgebiet ein und ist seither in Österreich aufhältig. Mangels entsprechendem Studienerfolg wurde sein Visum nicht verlängert. Der Aufenthalt des BF war dementsprechend seit 18.09.2009 bis zur Asylantragstellung am 04.11.2017 nicht rechtmäßig.

Der Beschwerdeführer bezieht keine Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Von 24.05.2011 bis 2017 verfügte der BF über keine aufrechte Meldeadresse und war obdachlos. Seinen Lebensunterhalt bestreitet der BF über die Unterstützung durch Freunde und Verwandte in Österreich sowie durch seine Familienangehörigen in der Türkei. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu seinen in Österreich lebenden Verwandten besteht nicht. Er war in Österreich am 07.07.2011 sowie von 12.07.2011 bis 16.12.2011 sozialversicherungspflichtig für die Firma XXXX als Arbeiter erwerbstätig. Eine Erwerbstätigkeit des BF als Nachhilfelehrer konnte nicht festgestellt werden. Der BF besuchte einen Deutschkurs, hat jedoch keine Deutschprüfung absolviert. Er verfügt bloß über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache. Der BF ließ sich am 26.05.2014 einen türkischen Reisepass ausstellen.

II.1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat, (konkret Istanbul), mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr für Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

II.1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Das Bundesamt stellte im Bescheid umfassende Länderfeststellungen samt aktuellen integrierten Kurzinformationen dar (Seite 15 bis 65 des angefochtenen Bescheides). Aus der dargestellten allgemeinen Lage ergibt sich kein konkretes, hier entscheidungsrelevantes Szenario, wonach Personen mit dem Persönlichkeitsprofil des BF im Falle einer Rückkehr real bzw. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer hier maßgeblichen Gefährdung unterliegen würden.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei schließt sich das ho. Gericht den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der belangten Behörde an und wird konkret auf die insoweit relevanten Abschnitte hingewiesen:

Wehrdienst

Die türkische Armee (TSK) ist zu 50% eine Berufsarmee, ergänzt um 200.000 Wehrpflichtige. Jedes Jahr werden etwa 300.000 türkische Männer über 18 Jahren für zwölf Monate einberufen. Nach offiziellen Angaben haben 1,9 Millionen junge Männer wegen ihres Studiums den Wehrdienst aufgeschoben. Weitere drei Millionen haben aus verschiedenen anderen Gründen einen Aufschub beantragt. Rund 650.000 entziehen sich gesetzwidrig der Wehrpflicht (AM 4.7.2018).

Jeder männliche türkische Staatsangehörige unterliegt ab dem 20. Lebensjahr der Wehrpflicht. Das Wehrdienstalter beginnt am 1. Januar des Jahres, in dem der Betreffende das 19. Lebensjahr vollendet und endet am 1. Januar im Jahr des 41. Geburtstags. Diejenigen, die innerhalb dieser Zeit den Wehrdienst nicht abgeleistet haben, werden von der Wehrpflicht nicht befreit. Der Wehrdienst wird in den Streitkräften einschließlich der Jandarma abgeleistet. Söhne und Brüder von gefallenen Soldaten können vom Wehrdienst befreit werden (AA 3.8.2018).

Das Parlament hat am 26.7.2018 ein Gesetz ratifiziert, das es den Bürgern ermöglicht, die Dauer ihres Militärdienstes durch die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verkürzen. Das Gesetz ermöglicht es den Bürgern, ihren Militärdienst in nur 21 Tagen statt in fünfeinhalb oder zwölf Monaten zu absolvieren, wenn sie Hochschulabsolventen sind und Geld via Bankkonten an die Regierung zahlen. Nach dem Gesetz sind Bürger, die am oder vor dem 1. Januar 1994 geboren wurden, verpflichtet 21 Tage Militärdienst zu leisten, wenn sie 15.000 TL (ca. 2.000 Euro) zahlen (DS 26.7.2018). Fast 450.000 Personen [Stand 2.9.2018] haben sich in der Türkei für den kaufbaren, verkürzten Militärdienst beworben. Die Antragstellung begann am 3.8. und endet am 3.11.2018 (Anadolu 2.9.2018).

Mit der ebenfalls am 26. Juli 2018 erfolgten Gesetzesänderung gilt für den "Freikauf" von auf Dauer im Ausland lebenden türkischen Wehrpflichtigen nun folgendes: Die Gesamtsumme, die für den "Freikauf" festgelegt ist, beträgt 2.000 ? (Connection e.V. 27.07.2018, vgl. DS 26.7.2018). Er ist bis zur Vollendung des 38. Lebensalters zu zahlen, kann aber auch noch später gezahlt werden. Es besteht die Verpflichtung, eine vom türkischen Verteidigungsministerium angebotene Fernausbildung abzuleisten. Wie dies genau aussehen soll, ist bislang unklar (Connection e.V. 27.07.2018).

Transsexuelle, Transvestiten und Homosexuelle konnten unter der Bezeichnung "psycho-sexuelle Störungen" nach Vorsprache bei der Wehrdienstbehörde und Untersuchungen vom Militärdienst befreit werden. Im Gesundheitsgesetz der türkischen Streitkräfte vom 12.11.2015 wird Homosexualität wie folgt beschrieben: "Sexuelle Verhaltensweisen und Einstellungen, die im militärischen Umfeld die Harmonie und Funktionalität beeinträchtigen könnten." Homosexualität führte daher im Grundsatz zur Wehrdienstuntauglichkeit, die jedoch bis zum gescheiterten Putschversuch vom 15.7.2016 durch ärztliches Gutachten in Militärkrankenhäusern festgestellt werden musste. In Folge des gescheiterten Putschversuchs wurden alle militärischen Krankenhäuser geschlossen; das Personal wurde entweder verhaftet, entlassen oder in zivile Einrichtungen überführt (AA 3.8.2018).

Medienberichten zufolge erlitten einige Wehrpflichtige schwere Schikanen, körperliche Misshandlungen und Folterungen, die manchmal zu Selbstmord führten (USDOS 20.4.2018).

Wehrersatzdienst / Wehrdienstverweigerung / Desertion

Die Türkei ist das einzige Mitglied des Europarates, das das Recht auf Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen nicht anerkennt (EC 17.4.2018).

Wehrdienstverweigerung ist strafbar und Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist bis dato noch nicht möglich. Derzeit besteht für Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen nur die Möglichkeit, eine Haftstrafe abzusitzen; danach erfolgt normalerweise die "Befreiung". Im März 2012 wurde erstmals ein Urteil des Militärgerichts von dem Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen vom EGMR beeinflusst. Der angeklagte Wehrdienstleistende war nach fünf Monaten im Militärdienst geflohen und teilte seine Dienstverweigerung aus Gewissensgründen (aus religiösen Gründen) mit. Der Wehrdienstleistende wurde aufgrund seiner Flucht und seiner Dienstverweigerung vom Militärgericht angeklagt, wurde aber nicht wegen der Militärdienstverweigerung, sondern wegen seiner Flucht zu zehn Monaten Haft verurteilt. Das Militärgericht hat in seinem Urteil, das erste Mal auf die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs Bezug genommen, das die Rechte von Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen schützt (Art. 9 EMRK). Der EGMR hat die Türkei bereits in einigen Fällen im Zusammenhang mit der Verweigerung der Anerkennung von Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen verurteilt. Im Fall Savda gegen die Türkei hatte der EGMR festgehalten, dass ein System, das keinen Ersatzdienst und kein entsprechendes Verfahren vorsieht, keinen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft und jenem von Wehrdienstverweigerern treffe und hatte eine Verletzung von Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) bejaht (ÖB 10.2017).

Seit Änderung von Art. 63 tMilStGB ist nunmehr bei unentschuldigtem Nichtantritt oder Fernbleiben vom Wehrdienst statt einer Freiheitsstrafe zunächst eine Geldstrafe zu verhängen. Subsidiär bleiben aber Haftstrafen bis zu sechs Monaten möglich. Die Verjährungsfrist beträgt zwischen fünf und acht Jahren, falls die Tat mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Suchvermerke für Wehrdienstflüchtlinge werden seit Ende 2004 nicht mehr im Personenstandsregister eingetragen (AA 3.8.2018).

Denjenigen, die nicht zum Wehrdienst erscheinen oder verspätet erscheinen, drohen je nach Dauer des Fernbleibens unterschiedliche Gefängnisstrafen. Die Bestrafung folgt zusammen mit Geldstrafen, deren Umfang sich gestaffelt an den Jahren des Fernbleibens orientiert (VB 15.2.2017).

Das türkische Gesetz zu Desertion definiert in Artikel 66 die Strafe für Desertion. Militärpersonal wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen einem und drei Jahren belegt: wenn die betreffende Person sich von ihrer Einheit oder ihrem Einsatzort ohne Urlaub für mehr als sechs Tage entfernt hat; oder wenn die betreffende Person nach einem absolvierten Urlaub nicht innerhalb von sechs Tagen zum Dienst zurückkehrt und keine Entschuldigung dafür hat. Die Strafe beläuft sich auf mindestens zwei Jahre Gefängnis, wenn die Person Waffen, Munition oder weitere der Armee gehörende Gegenstände, Ausrüstung, Tiere oder Transportmittel entwendet; wenn die Person während des Dienstes desertiert; wenn die Person die Übertretung wiederholt. Artikel 67 definiert, dass Militärpersonal, das ins Ausland geflohen ist, mit drei bis fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann, und zwar nach einer Absenz von drei Tagen, falls die betreffende Person das Land ohne Erlaubnis verlässt. Die Strafe soll mindestens fünf Jahre betragen und auf bis zu zehn Jahre erhöht werden: wenn die ins Ausland geflohene Person Waffen, Munition oder weitere der Armee gehörende Gegenstände, Ausrüstung, Tiere oder Transportmittel entwendet; wenn sie während des Dienstes desertiert; wenn sie die Übertretung wiederholt; oder wenn sie während einer Mobilisierung (für Krieg) desertiert. Schließlich können desertierte Militärangehörige für Befehlsverweigerung angeklagt und bestraft werden. Für andauernden Ungehorsam in der Öffentlichkeit drohen bis zu fünf Jahren Gefängnisstrafe. Wer andere Soldaten zum Ungehorsam anstiftet, kann mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Das im Rahmen des Ausnahmezustands erlassene Dekret 691 vom 2.6.2017 hält unter anderem fest, dass Soldaten, die sich mehr als drei Tage ohne offizielle Erlaubnis im Ausland aufhalten, als Deserteure betrachtet und entsprechend bestraft werden. Ein ins Ausland geflohener Deserteur muss mit einer Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von mindestens fünf Jahren rechnen. Eine Strafe von zehn Jahren ist jedoch auch möglich (SFH 22.3.2018).

Religionsfreiheit

In der Türkei sind laut Regierungsangaben 99% der Bevölkerung muslimischen Glaubens, 77,5% davon sind schätzungsweise Sunniten der hanafitischen Rechtsschule. Es gibt einen beträchtlichen Anteil an Aleviten. Die Aleviten-Stiftung geht von 25 bis 31% der Bevölkerung aus. Die schiitische Dschafari-Gemeinde schätzt ihre Anhängerschaft auf 4% der Einwohner. Die nicht-muslimischen Gruppen konzentrieren sich überwiegend in Istanbul und anderen großen Städten sowie im Südosten des Landes. Präzise Zahlen bestehen nicht. Laut Eigenangaben sind ungefähr 90.000 Mitglieder der Armenisch-Apostolischen Kirche, 25.000 römische Katholiken und 16.000 Juden. Darüber hinaus sind 25.000 syrisch-orthodoxe Christen, 15.000 russisch-orthodoxe Christen (zumeist russische Einwanderer) und ca. 10.000 Baha'is. Die Jesiden machen weniger als 1.000 Anhänger aus. 5.000 sind Zeugen Jehovas, ca. 7.000 Protestanten verschiedener Richtungen, ca. 3.000 irakisch-chaldäische Christen und bis zu 2.000 sind griechisch-orthodoxe Christen. Eine Umfrage legt nahe, dass ca. 2% der Bevölkerung Atheisten sind (USDOS 29.5.2018).

Laut Verfassung ist die Türkei ein sekulärer Staat (USDOS 29.5.2018). Die individuelle Religionsfreiheit ist weitgehend gewährt; individuelle nicht-staatliche Repressionsmaßnahmen und staatliche Diskriminierungen (z. B. bei Anstellungen im öffentlichen Dienst) kommen vereinzelt vor (AA 3.8.2018). Übergriffe auf Aleviten oder nicht-muslimische Vertreter finden vereinzelt statt und werden mit unterschiedlicher Intensität verfolgt und geahndet. Es wird berichtet, dass die Zahl an tätlichen oder gar tödlichen Übergriffen aus religiösen Motiven rückläufig ist; auch in der öffentlichen Meinung werden solche Vorkommnisse breit verurteilt. Die Regierung ist bemüht, den Religionsdialog zu fördern; zu einer Änderung der Gesetzeslage hat dies jedoch nicht geführt (ÖB 10.2017).

(Auszug aus dem von der belangten Behörde herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA v. 18.10.2018)

II. 2. Beweiswürdigung

II.2.1. Zur Person des BF

Die Identität steht aufgrund des vorgelegten Reisedokumentes fest.

Die sonstigen Feststellungen zur Person ergeben sich aus seinen Orts- und Sprachkenntnissen und seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben.

Die Feststellungen zur universitären Ausbildung des BF ergaben sich aus den von ihm vorgelegten unbedenklichen Dokumenten.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen, wonach der BF keinen Kontakt mehr zu seinem Vater in der Türkei habe (AS 339), gab er in seiner Einvernahme selbst an, er habe zu seinen Eltern alle zwei Wochen Kontakt und dass ein gutes Verhältnis bestehe (AS 61). Ein angespanntes Verhältnis zu seinem Vater war deshalb nicht glaubhaft und dementsprechend zur Feststellung zu gelangen, dass er mit all seinen Familienangehörigen in der Türkei in Kontakt steht.

Die Feststellungen zur Berufstätigkeit in Österreich konnten angesichts des vorgelegten unbedenklichen Versicherungsdatenauszuges getroffen werden. Mangels entsprechendem Nachweis war die von ihm vorgebrachte Erwerbstätigkeit als Nachhilfelehrer nicht feststellbar.

Die Feststellungen zu den Reisebewegungen des BF ergeben sich aus dessen Angaben und den korrespondierenden Dokumenten im Akt. Die Feststellung über den Umstand, dass sich der BF im Jahr 2014 einen türkischen Reisepass ausstellen hat lassen, ergab sich zweifelsfrei aus der im Akt einliegenden Kopie desselben (AS 83).

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des BF ergeben sich aus den vor der belangten Behörde demonstrierten Kenntnissen und waren grundlegende Kenntnisse der Deutschen Sprache angesichts des langjährigen Aufenthalts des BF in Österreich nachvollziehbar. Die Absolvierung von Deutschprüfungen hat der BF nicht behauptet und auch keine entsprechenden Nachweise erbracht, weshalb zur entsprechenden Feststellung zu gelangen war.

II.2.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates

Vorweg ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen des BF iSd § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Gerade im Asylverfahren kommt der persönlichen Aussage des Antragstellers besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch im Wesentlichen behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse, über die berichtet wird, die sich vielfach insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen weitgehend einer Überprüfbarkeit entziehen.

Das BFA hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nachvollziehbar, umfangreich und fundiert zusammengefasst.

Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung im Wesentlichen dar, dass der BF nicht in der Lage war, die Gefahr asylrelevanter Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft zu machen. Insbesondere der Umstand, dass sich der BF seit Ablauf seines Visums im Jahr 2009 bis zur Asylantragstellung im Jahr 2017 illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat, ohne schon zuvor den entsprechenden Antrag auf internationalen Schutz einzubringen, sondern diesen erst infolge seines Aufgriffs durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, bei dem das Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels festgestellt wurde, wurde vom BFA zurecht als gewichtiger Gesichtspunkt für die fehlende Glaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens herangezogen, zumal dies den Schluss nahelegte, dass der BF in erster Linie daran interessiert war, seinen Aufenthalt in Österreich abzusichern und nicht daran, tatsächlich asylrelevanter Verfolgung im Herkunftsstaat zu entgehen. Diesfalls wäre nämlich zu erwarten gewesen, dass der BF bei der ersten sich bietenden Gelegenheit einen entsprechenden Antrag auf internationalen Schutz einbringt. Auffallend und die Annahme stützend, dass es sich bei den vom BF behaupteten Antragsgründen um ein bloßes gedankliches Konstrukt handelt, war zudem, dass der BF während der Einvernahme vor dem BFA mehrmals in seine mitgeführten Notizen Einsicht nehmen hat müssen, ehe er konkrete Angaben bezüglich seiner Fluchtgründe machen konnte (AS 63). Bei tatsächlich Erlebtem wäre jedoch zu erwarten, dass der BF die tragenden Gründe für seine Antragstellung ohne mehrfache Einsichtnahme in seine Notizen darlegen würde können, was deren Glaubhaftigkeit entgegenstand.

Als zentralen Fluchtgrund brachte der BF schon in der Erstbefragung vor, den türkischen Militärdienst im Rahmen der Wehrpflicht abzulehnen und diesen nicht angetreten zu haben. Er gelte deshalb als Deserteur und werde in der Türkei gesucht (AS 13). Auch in der Einvernahme vor dem BFA stützte der BF sein Fluchtvorbringen darauf, dass er den Wehrdienst nicht ableisten wolle und deshalb in der Türkei als "fahnenflüchtig" gelte (AS 63). Dem hielt das BFA zurecht entgegen, dass es dem entsprechenden Vorbringen selbst im Falle des Zutreffens an Asylrelevanz mangelt (s. dazu unter rechtliche Beurteilung). Darüber hinaus wurde von der belangten Behörde zurecht darauf hingewiesen, dass der BF keinerlei gewichtige Gründe hat vorbringen können, die die Ableistung des Wehrdienstes für ihn unzumutbar erscheinen lassen würden. Zudem war auffallend, dass der BF hinsichtlich der Konsequenzen seiner angeblichen Wehrdienstverweigerung nicht in der Lage war, einheitliche Angaben zu machen, zumal er diesbezüglich zunächst anführte, es solle ein Haftbefehl gegen den BF erlassen worden sein, was er zunächst unmittelbar dahingehend relativierte, dass er nicht inhaftiert werden solle sondern bloß einrücken müsse und schließlich doch vermeinte es gäbe eine Haftstrafe deshalb. Zuletzt meinte er erst "nachschauen" zu müssen bzw. es nicht zu wissen (AS 64). Aufgrund dieser widersprüchlichen und teilweise gesteigerten Angaben des BF war davon auszugehen, dass der BF entgegen den Tatsachen seine Fluchtgründe möglichst dramatisch hat darstellen wollen, um seine Chancen auf eine positive Erledigung seines Antrages zu erhöhen, was letztlich jedoch seiner Glaubwürdigkeit abträglich war.

Daneben äußerte er schon in der Erstbefragung bei seiner Rückkehr politisch verfolgt zu werden, da er nicht derselben Meinung mit dem derzeitigen Regime sei (AS 13). Dies konkretisierte er in der Einvernahme vor dem BFA dahingehend, dass er der AKP-Regierung oppositionell gegenüberstehe und im Rückkehrfall in seinem Grundrecht der Meinungsfreiheit "verhindert" würde. Insbesondere meine er damit, dass er seine Meinung über die Regierung nicht über seine "Seiten im Sozialennetzwerk (Facebook, Twitter)" frei äußern könne (AS 63). Er verwies in diesem Zusammenhang auf einen angeblichen Vorfall im Jahr 2013, bei dem die Polizei an seiner alten Adresse in Istanbul aufgrund eines Facebook-Eintrages des BF nach dem BF gefragt habe (AS 63f). Zurecht wies das BFA jedoch darauf hin, dass der BF seine diesbezüglichen Ausführungen selbst relativierte, indem er angab, er habe seinen Facebook Account bereits vor einem Jahr aus Angst geschlossen. Zudem gab er an, auch auf Twitter keine Beiträge zu verfassen, sondern diese nur zu lesen (AS 64). Angesichts dessen gelang es ihm jedenfalls nicht ein beachtliches oppositionspolitisches Engagement seiner Person glaubhaft zu machen. Zurecht verwies das BFA hinsichtlich des angeblichen Polizeibesuches im Jahr 2013 darauf, dass dieser - mangels Aktualität - in keinem kausalen Zusammenhang zu der Asylantragstellung im Jahr 2017 stehen konnte. Abgesehen davon erreicht der bloße Besuch von Polizeiorganen inklusive Erkundigung über den Verbleib des BF noch nicht das Ausmaß asylrelevanter Verfolgung. Er gab zudem selbst an, kein Mitglied einer politischen Partei zu sein oder politisch aktiv zu sein (AS 64). Eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Verfolgung des BF aufgrund seiner politischen Gesinnung war daher nicht glaubhaft.

Die tatsächliche Verfolgung des BF seitens der türkischen Staatsorgane sowohl betreffend seine Wehrdienstverweigerung als auch bezüglich seinem angeblichen oppositionellen Engagement war auch deshalb nicht glaubhaft, da er sich problemlos im Jahr 2014 einen türkischen Reisepass ausstellen lassen hat können.

Schließlich steigerte er sein Vorbringen in der Einvernahme vor dem BFA, indem er dort erstmals vorbrachte, er habe im Rückkehrfall Angst verfolgt zu werden, weil er nicht religiös, sondern Atheist sei (AS 63). Diesbezüglich verwies das BFA zurecht darauf, dass es ihm damit nicht gelang aufzuzeigen, inwiefern er konkret und aktuell von diesbezüglichen Verfolgungshandlungen betroffen sei. Vielmehr gab er eingangs der Einvernahme selbst an, in der Türkei nie wegen seiner Religionszugehörigkeit verfolgt oder bedroht worden zu sein und es diesbezüglich keinerlei Vorfälle gegeben habe (AS 60). Es gelang ihm damit wiederum nicht eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen. Hinweise auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgungsgefahr in diesem Zusammenhang waren auch den getroffenen Länderfeststellungen nicht zu entnehmen.

In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt glaubwürdig vorgebracht. Es wurde darin im Wesentlichen bloß das Fluchtvorbringen wiederholt und auf die länderkundlichen Informationen des angefochtenen Bescheides verwiesen.

Die Folgerungen des BFA sind in einer Gesamtbetrachtung nach Ansicht des BVwG zutreffend und schlüssig. Das BVwG schließt sich daher den Feststellungen zum Sachverhalt und der dazu führenden Beweiswürdigung an. Im Übrigen werden weder der vom BFA festgestellte Sachverhalt noch die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde substantiiert bekämpft, wie die obenstehenden Ausführungen zeigen, weshalb das BVwG nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. z. B. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

II.2.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die vom BFA im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen die einer Analyse der Staatendokumentation entstammen. Der BF ist diesen - trotz eingeräumter Möglichkeit (AS 65) - im Verfahren weder vor dem BFA noch in der Beschwerde entgegengetreten.

Aus der Berichtslage des BFA lässt sich, vor allem unter zentraler Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse, nicht die Prognose stellen, dass der BF, welcher im Herkunftsstaat noch über Familienmitglieder verfügt, im Falle einer Rückkehr eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgungsgefahr oder eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende reale Gefährdung der hier maßgeblichen Rechtsgüter zu gegenwärtigen hätte.

II.3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zu Spruchpunkt I.

Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigter

II.3.1.1. § 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II.3.1.2. Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

II.3.1.3. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Antrag war nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

Nach Ansicht des BVwG sind die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

Mit der belangten Behörde ist festzustellen, dass der BF asylrelevante Verfolgung soweit sie sich auf seine Wehrdienstverweigerung bezieht nicht vorgebracht hat und soweit sich sein Vorbringen auf sein angebliches oppositionelles Engagement sowie auf seine (fehlende) Religionszugehörigkeit bezieht nicht glaubhaft war. Eine Zuerkennung des Staus des Asylberichtigten ist daher insoweit ausgeschlossen.

Soweit der BF seine Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen bzw. aus Angst davor in den Krieg zu ziehen vorbringt, so fehlt diesem Vorbringen - neben der für die Asylgewährung notwendigen Intensität - schon der erforderliche Bezug zu einem in der GFK genannten Gründe.

Nach der Judikatur des VwGH (vgl. VwGH 07.11.1995, 94/20/0793) könnte die Furcht wegen Einberufung zum Militärdienst nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen wiegen würde (vgl. insbesondere VwGH 29.6.1994, 93/01/0377 [verst. Senat]). Dahingehende Anhaltspunkte kamen im Verfahren nicht hervor. Dass dem BF aus in der GFK angeführten Gründen eine härtere Bestrafung als anderen Staatsangehörigen gedroht hätte, war angesichts der getroffenen Länderfeststellungen und mangels glaubhaftem Vorbringen nicht feststellbar. Der bloß pauschale Verweis in der Beschwerde auf seinen Atheismus und sein oppositionelles Engagement war nicht ausreichend um eine strengere Bestrafung des BF nachvollziehbar erscheinen zu lassen, zumal auch den Länderfeststellungen nichts Entsprechendes zu entnehmen war.

Eine wie vom BF befürchtete Haftstrafe infolge seiner Militärdienstverweigerung war wiederum mit Blick auf die länderkundlichen Feststellungen nicht anzunehmen, zumal bei unentschuldigtem Nichtantritt bzw. Fernbleiben vom Wehrdienst nach dem türkischen Militärstrafgesetzbuch zunächst eine Geldstrafe zu verhängen ist und nur subsidiär bis zu sechsmonatige Haftstrafen verhängt werden können. Die Behauptungen in der Beschwerde wonach er beim Militär gar mit Folter zu rechnen habe, erweisen sich sohin als eklatante Steigerungen des Vorbringens des BF und sind daher unglaubwürdig, sind folglich im oben angeführten Sinne gleichfalls ungeeignet und können nicht zu einer Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führen.

Im Übrigen ist im Hinblick auf die getroffenen Länderfeststellungen darauf hinzuweisen, dass es dem BF - wie jedem wehrpflichtigen türkischen Staatsangehörigen - möglich ist, bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen einen (erneuten) Aufschub bzw. eine Befreiung der Wehrpflicht zu beantragen bzw. deren Ausmaß gegen Zahlung eines Geldbetrages deutlich zu reduzieren.

Hinsichtlich des bloßen Umstandes seiner fehlenden Religionszugehörigkeit (Atheismus) ist mit Blick auf die Länderfeststellungen festzuhalten, dass die Türkei ein sekulärer Staat ist, die individuelle Religionsfreiheit weitgehend gewährt ist und individuelle nicht-staatliche Repressionsmaßnahmen und staatliche Diskriminierungen (z. B. bei Anstellungen im öffentlichen Dienst) zwar vereinzelt vorkommen, dass die Zahl an tätlichen oder gar tödlichen Übergriffen aus religiösen Motiven jedoch rückläufig ist. Eine allgemeine asylrelevante Verfolgungsgefahr aller Atheisten sohin auf den BF betreffend, konnte angesichts dessen nicht festgestellt werden und schied die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten unter diesem Gesichtspunkt daher aus.

Auch die allgemeine Lage ist im gesamten Herkunftsstaat nicht dergestalt, dass sich konkret für den BF eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Status eines Asylberechtigten zu gewähren, die Entscheidung des BFA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

II.3.2. Zu Spruchpunkt II.

Nichtzuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter

II.3.2.1. § 8 AsylG

(1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK [Recht auf Leben], Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht. [...]

II.3.2.2. Mit dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP, 5) ausdrücklich angeführt wird - die Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004), insbesondere mit dem neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" deren gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 30f) umsetzen (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen ist, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK" bedeuten würde, ist dagegen (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.

Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.

Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden (vgl. etwa VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, mwN).

Es ist dem nationalen Gesetzgeber - auch unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen.

Der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, bedeutet nicht, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.

Es widerspricht der Statusrichtlinie und es ist unionsrechtlich unzulässig, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

Als ernsthafter Schaden gilt nach Art. 15 der Statusrichtlinie:

a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

II.3.2.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.

Der BF ist nicht durch die Todesstrafe bedroht.

Dass der BF im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Im gegenständlichen Fall ist es dem BF nicht gelungen, die vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen und er gehört auch keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Der BF stammt aus Istanbul. Hinsichtlich des Herkunftsortes ergeben sich mit Blick auf die individuelle Situation des BF aus den der Entscheidung zugrundeliegenden länderkundlichen Informationen keinerlei Hinweise darauf, dass dort ein bewaffneter Konflikt iSd Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie besteht. Entsprechendes gilt für die Stadt XXXX . Es erscheint daher eine Rückkehr des BF in die Türkei nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation des BF insgesamt auch zumutbar. Es war ihm schon vor seiner Ausreise möglich problemlos in den genannten Städten zu leben und sogar ein Studium zu absolvieren. Der BF ist ein arbeitsfähiger Mann mit sehr guter Schul- und Universitätsbildung, bei dem die Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Zudem wurde er sowohl während seines Studiums als auch während seines Aufenthalts in Österreich von seinen nach wie vor in XXXX ansässigen Familienangehörigen unterstützt. Seinem Vorbringen vor dem BFA ist keine gravierende Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit aus Sicherheitsgründen zu entnehmen.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden.

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

II.3.3. Zu den Spruchpunkten III. bis VI.

II.3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Ob eine Rückkehrentscheidung letztlich zulässig ist, bedarf gemäß § 58 Abs. 1 AsylG einer amtswegigen Prüfung ob nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG vorliegen:

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist Staatsangehöriger der Türkei und somit kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher war gegenständlich gemäß § 52 Abs. 2 FPG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung vorgesehen.

II.3.3.2. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Unter der Schwelle des § 50 FPG kommt den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 unter Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Bei der Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101) auch ein Vorbringen zu berücksichtigen, es werde eine durch die Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Fremden, insbesondere die deutliche Verschlimmerung psychischer Probleme, eintreten (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0132; 28.03.2006, 2004/21/0191; zur gebotenen Bedachtnahme auf die durch eine Trennung von Familienangehörigen bewirkten gesundheitlichen Folgen VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093). Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG 2014 (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der BF ist nicht verheiratet und führt keine Lebensgemeinschaft in Österreich. Er verfügt hierorts lediglich über Verwandte, wobei ein allfälliges Abhängigkeitsverhältnis nicht festzustellen war. Ein schützenswertes Familienleben des BF im Bundesgebiet im oben dargestellten Sinn liegt daher nicht vor.

II.3.3.3. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls noch in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 8.4.2008, NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich, hinzuweisen. Darin erachtete es der EGMR im Fall einer Asylwerberin, deren Verfahren insgesamt bereits rund 10 Jahre dauerte - die Beschwerdeführerin hatte in dieser Zeit einen Beruf erlernt, beteiligte sich an der Kirchengemeinschaft, hatte Freunde, darunter eine Beziehung zu einem Mann - nicht als notwendig zu entscheiden, ob die Beziehungen, welche sie währ

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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