TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/18 L504 2122219-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2019
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Entscheidungsdatum

18.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L504 2122219-2/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete - Gaza), vertreten durch RAe DELLASEGA & KAPFERER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 08.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die bP reiste über den Flughafen Wien/Schwechat ein und wandte sich dort am 08.03.2015 zur Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz an einen uniformierten Polizisten. Einem Aktenvermerk des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist zu entnehmen, dass die bP diesem gegenüber nachfolgende Angaben zum Asylantrag machte:

"In Palästina herrscht Krieg und Armut und es ist dort auch sehr unsicher".

Die Unterhaltung wurde unter Beiziehung eines Dolmetschers auf Arabisch geführt.

Bei der folgenden Erstbefragung am 11.03.2015 führte die bP - so wie schon zuvor am 08.03.2015 - die allgemeine Sicherheitslage als ausreisekausal an:

"Die israelische Armee ist in den letzten Jahren dreimal einmarschiert und hat dort alles zerstört, was zerstört werden kann. Es kommt von Zeit zu Zeit zu Kampfhandlungen zwischen Hamasmilizen und den Salafisten. Es gab dort keine Sicherheit, da die Hamas und andere Gruppierungen Raketen aus unserer Nähe nach Israel abfeuerten und die Israelis daher unsere Gegend bombardierten. Da dort mein Leben in Gefahr war, habe ich meine Heimat verlassen. Man hat im Gaza keine Hoffnung, dass sich dort die Lage bessern wird. Es gibt dort keine Zukunft für uns."

Gefragt, was die bP im Falle einer Rückkehr in den Gaza befürchte gab sie an: "Ich werde von Hamas beschuldigt ein Spion zu sein, weil ich illegal das Land verlassen habe."

Bei der am 07.06.2017 beim Bundesamt durchgeführten Einvernahme brachte die bP, hier zusammengefasst dargestellt, als Ausreisemotiv nunmehr neu vor, dass sie von der Hamas festgenommen und gefoltert worden sei. Es sei ihr dann die Flucht aus dem Ort der Anhaltung gelungen. Konkret gab sie an:

"[...]

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!

A: Ich war bei dem Geschäft meines Bruders und habe einen lauten Ton gehört, der wie ein Schuss klang. Ich stand vor der Tür des Geschäftes. Da kamen vermummte Leute und haben mich festgenommen und mich zu irgendeinem Platz mitgenommen, diese gehörten sicher zu Hamas. Sie haben meine Hände gefesselt und mich ins Gesicht geschlagen. Sie fragten mich wo mein Bruder ist und mein Cousin XXXX . Ich sagte, dass ich es nicht wüsste, daraufhin wurde ich wieder geschlagen und beschimpft. Sie beschuldigten uns, dass wir Informationen nach Ramallah schicken über die Regierung und Soldaten. Ich sagte, dass ich so etwas nie getan habe. Sie haben mich auf den Boden gelegt und mit den Füßen getreten und mit einem Holzstück haben sie mich am ganzen Körper geschlagen. Nach 3 Stunden, ich konnte nicht mehr stehen wurde ich dort liegen gelassen. ( XXXX ist mein Cousin und arbeitet als Leibwächter für den XXXX deswegen wurde das alles gemacht.) Sie haben mich in eine Zelle gebracht. Am 14. 02. 2015 haben die Hamas Raketen abgeschossen. Die Inhaftierten wurden ins Freie gelassen um sich in Sicherheit zu bringen. An diesem Tag sagte mir mein anderer Cousin ( XXXX ) er war gemeinsam mit mir inhaftiert, dass die anderen Häftlinge flüchten werden und wir sollten mit. Wir sind zu einem Nachbarn gegangen, denn nach Hause zu gehen war zu gefährlich. Im Keller des Nachbarn blieben wir und haben ihnen von unserer Flucht erzählt. Er versorgte uns mit Essen und Trinken, danach sperrte er uns über Nacht ein. Am nächsten Morgen kam er wieder und klopfte an die Tür damit wir wussten, dass er es war. Er sagte uns er bringt uns zu XXXX nach Raffah. Er versteckte uns unter Gemüse auf seinem Pick Up. Er hat uns angewiesen zu einem roten Auto zu gehen, dieser würde uns zu XXXX bringen. Wir sind zu einem Haus mit großem Garten gefahren, hinter uns schloss das Tor sich wieder und dort war dann mein Bruder. Meinem Bruder sagte ich, dass sie mich wegen ihm ausgefragt hatten und das sie uns unterstellen Informationen nach Ramallah zu schicken. Ich berichtete ihm dass sie in seinem Auto Unterlagen darüber gefunden haben. Er flippte aus und sagte ich will nicht mit dir darüber reden. Ich sagte dass wir sicher die Todesstrafe erhalten werden. Er fragte mich wo mein Geld und mein Reisepass wären. Diese befanden sich zu Hause. Ein Nachbar brachte uns diese Sachen dann. Am 27.02. 2015 sind wir durch den Tunnel von Raffah nach Ägypten geflüchtet. Auf der ägyptischen Seite kamen wir in einem Garten heraus dort gab es 2 Zimmer und wir blieben 3 Stunden dort bis uns ein Schlepper abholte.

F: Waren das alle Ihre Gründe?

A: Das ist alles.

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

A: Nein, ich habe alles erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

F: In der Erstbefragung haben Sie sich auf die allgemeine Lage und die Kriegssituation in Gaza bezogen, heute haben Sie mir etwas ganz anderes erzählt. Was sagen Sie dazu?

A: Ich hatte dort Angst und ich fühlte mich unwohl. Sie fragten mich ob ich Schiit oder Sunnit wäre und ich wusste nicht ob der Dolmetscher Hamas unterstützt und deswegen hatte ich Sorge.

F: Was war der Grund für Ihre persönliche Bedrohung?

A: Sie sagten dass ich Informationen der Kundschaften im Internetkaffe sammle und diese nach Ramallah zur Fatah schicken würde.

F: War das das einzige Mal dass Sie persönlich bedroht wurden?

A: Ja.

[...]"

Das Bundesamt hat folglich entschieden:

"I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 08.03.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Gaza abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gaza zulässig ist.

IV. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Behörde ging von einem gesteigerten, nicht glaubhaften Vorbringen zur persönlichen Bedrohungslage aus. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen und wurde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt.

Dagegen hat die bP durch ihren Rechtsfreund innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Moniert wurde im Wesentlichen, dass die Behörde die Erstbefragung dazu herangezogen habe, das Vorbringen als nicht glaubhaft zu erachten. Weiters wurde - ausgehend von seinem Vorbringen - argumentiert, dass die Berichte die Konflikte zw. Hamas und Fatah bestätigen würden.

Am 20.02.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP eine Verhandlung durch. Das BFA blieb entschuldigt fern.

Mit der Ladung wurde die beschwerdeführende Partei auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre persönliche Ausreisemotivation und sonstigen Rückkehrbefürchtungen soweit als möglich spätestens in der Verhandlung durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine umfassende, jedoch demonstrative Aufzählung von grds. als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

In der Verhandlung beim BVwG am 20.02.2019 brachte die bP zur Frage, welche Probleme sie zum derzeitigen Zeitpunkt im Falle einer Rückkehr erwarten würde vor:

"Ja, ich habe Probleme mit der Hamas, weil meine Beiden Brüder mit der Fatah zusammenarbeiten und ich bin ein Fatah Mitglied, daher werden wir von der Hamas beschuldigt, dass wir Informationen dem Fatah liefern. Ja, ich werde bis zum Tod gefoltert, ich werde sicher inhaftiert und mit schlimmsten und gefährlichsten Urteilen verurteilt."

Es wurde der bP am Ende der Verhandlung aufgetragen das BVwG im Rahmen ihrer Mitwirkungsverpflichtung gem. § 15 AsylG u. § 39 Abs 2a AVG unverzüglich zu verständigen, wenn sich entscheidungsrelevante Änderungen, die ihren Antrag auf internationalen Schutz bzw. ihr Privat- und Familienleben betreffen, ergeben. Bis zu dieser Entscheidung langte - abgesehen von der schriftlichen Stellungnahme vom 04.03.2019 zu den Länderberichten - keine solche Mitteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat:

Name und Geburtsdatum (wie im Einleitungssatz des Spruches angeführt) stehen mangels Vorlage eines gültigen, unbedenklichen mit Lichtbild versehenen heimatstaatlichen Identitätsdokumentes nicht fest. Soweit die bP im Verfahren namentlich bezeichnet wird handelt es sich um eine reine Verfahrensidentität.

Die bP bezeichnet sich der Volksgruppe der Palästinenser zugehörig.

Sie ist staatenlos und der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat sind die Palästinensischen Gebiete - Gaza.

Die bP ist ihren Angaben nach nicht bei UNRWA registriert.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:

Die bP ist im südlichen Gazastreifen geboren und absolvierte dort von 1988 bis 2000 ihre Schulbildung.

Sie wohnte vor ihrer Ausreise im südlichen Gazastreifen im Gouvernement Khan Yunis.

Das letzte halbe Jahr vor der Ausreise arbeitete sie ihren Angaben nach in einem Internetcafe des Bruders und konnte ihr Leben selbst finanzieren.

1.3. Familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat

Die Eltern sowie mehrere Brüder und Geschwister leben nach wie vor im Gouvernement Khan Yunis. Die Familie besitzt mehrere Geschäfte und landwirtschaftliche Grundstücke. Die bP hat zur Familie im Gaza Kontakt und diese unterstützten die bP auch bei der Besorgung und Übermittlung von Bescheinigungsmitteln für das Asylverfahren in Österreich.

1.4. Ausreisemodalitäten

Die bP machte im Zuge mehrerer Einvernahmen in der Absicht das Bundesamt zu täuschen insbesondere unterschiedliche Angaben zu ihrer Reiseroute. Das BVwG geht davon aus, dass die bP auf legale Weise den Gaza verlassen hat und dies durch das Herausreißen von Seiten im Reisepass sowie durch unterschiedliche Angaben über die Reiseroute und Reisemitteln wahre Gegebenheit aus asyltaktischen Gründen - um dadurch ihrer Ansicht nach die Chancen zu erhöhen - zu verschleiern versucht.

1.5. Gesundheitszustand

Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes:

Die bP reiste ohne Vorhandensein eines gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels zu nicht näher bekanntem Zeitpunkt in das Bundesgebiet und wandte sich erst später am 08.03.2015 auf dem Gelände des Flughafen Wien/Schwechat zur Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz an einen uniformierten Polizisten.

Mit der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt grds. gem. § 120 Abs 1 u. Abs 7 FPG eine Verwaltungsübertretung dar.

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich:

Die bP hat in der Verhandlung auf Befragung keine als Familienleben zu wertenden Umstände dargelegt.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstaates bewusst waren / Grad der Integration

Deutschkenntnisse: die bP hat keine Deutschprüfung gem. dem GER für Sprachen erfolgreich abgelegt. In der Verhandlung zeigte sie Sprachkenntnisse in Deutsch, die etwa dem Niveau A1 zugeordnet werden können.

Teilnahme am sozialen Leben, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft wird ihr seitens Dritter bescheinigt.

Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber (https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern#wieknnenasylwerberinnenundasylwerberbeschftigtwerden):

Es hat kein Unternehmen für die bP um eine Beschäftigungsbewilligung angesucht. Die bP hat grds. mögliche und erlaubte Erwerbsmöglichkeiten, etwa durch Anmeldung eines Gewerbes für Werkvertragstätigkeiten, nicht wahrgenommen.

Sie legte Bescheinigungen über gemeinnützige Tätigkeiten gegen geringes Entgelt vor.

Sie legte eine Bestätigung eines Shawki Moussa vor, welcher demnach ein Restaurant in Innsbruck betreibt und der die bP, unter Bedingung, dass diese einen "positiven Asylbescheid" erhält "prompt" einstellen möchte

Die bP wird seit der Asylantragstellung wirtschaftlich vom österreichischen Staat erhalten.

Zeitpunkt der Begründung privater Anknüpfungspunkte:

Die bP hat die genannten privaten Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war. Seit Abweisung des Antrages durch das Bundesamt im Juli 2017 musste der bP besonders bewusst sein, dass keine großen Chancen auf Verbleib im Bundesgebiet bestehen.

Bindungen zum Herkunftsstaat:

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat - im Gegensatz zu Österreich - problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens. Familienangehörige leben noch dort und hält die bP zu diesen auch Kontakt.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen:

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG seitens der Strafbehörden bzw. Polizei nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 7 FPG).

Die beschwerdeführende Partei verletzte - trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren.

Verfahrensdauer:

Die Verfahrensdauer ist hier nicht dergestalt, dass die Rückkehrentscheidung dadurch unzulässig werden würde und hat die bP die Zeit des Aufenthaltes nicht durch Erreichung außergewöhnlicher Integration genutzt.

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation:

Die bP vermochte die behaupteten, als ausreisekausal dargelegten, persönlichen Erlebnisse, so wie von ihr dargelegt, aus den in der Beweiswürdigung angeführten Gründen nicht glaubhaft machen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP Mitglied der Fatah war/ist.

Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die bP im Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft erachteten ausreisekausalen Bedrohungslage im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Palästinensische Gebiete - Gaza, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

Aus den Angaben der bP ergibt sich im Gaza, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bestünde. Dies ergibt sich auch nicht aus der amtswegigen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat

Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln bislang in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Es wurde von ihr weder beim Bundesamt noch im Beschwerdeverfahren konkret dargelegt, dass sie im Falle der Rückkehr nicht mehr ihre Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz decken könnte.

Sie behauptete nicht, dass im Falle der Rückkehr auf Grund der allgemeinen Versorgungslage eine persönliche, relevante Gefährdung von Leib und/oder Leben gegeben wäre. Dies kann auch amtswegig auf Grund der allgemeinen Lage im Gaza nicht festgestellt werden.

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Gesichtete Quellen:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.09.2018;

Ereignisrecherche zur Herkunftsregion "Khan Yunis", Deutsch und Englisch, Zeitraum Dezember 2018 bis Februar 2019;

www.ecoi.net, Suchwort Palästina;

Weekly Report On Israeli Human Rights Violations in the Occupied Palestinian Territory (31 January - 06 February 2019).

Politische Lage

Palästina hat den Status eines Völkerrechtssubjekts, wird aber von Österreich nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts anerkannt (BMEIA 6.8.2018). 137 Staaten erkennen Palästina als unabhängigen Staat an (PUN 2018). Am 29.11.2012 erhielt Palästina den Status als beobachtendes Mitglied bei der UNO. Konkret bedeutet der Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedstaat, den etwa auch der Vatikan innehat, mehr Mitspracherechte bei den Vereinten Nationen. Künftig können die Palästinenser im Sicherheitsrat und in der Generalversammlung - sofern sie betroffen sind - an Diskussionen teilnehmen und Resolutionen einbringen. Ein weiterer wichtiger Zugewinn ist der Zugang zu Unterorganisationen der UN wie dem Internationalen Strafgerichtshof. Dadurch hätten die Palästinenser das Recht, etwaige Militäroperationen der Israelis in den Palästinensergebieten oder die Siedlungspolitik der israelischen Regierung vor Gericht zu bringen (BPB 30.11.2012).

Im Dezember 2014 stimmte das europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit (498 Stimmen dafür, 88 dagegen) für die "Quasi"-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber es sendet eine starke Botschaft an die internationale Gemeinschaft. Schweden ist einen Schritt weiter gegangen und hat Palästina offiziell als Staat anerkannt (BBC 17.12.2014).

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO - Palestinian Liberation Organisation) wurde 1974 als einzig legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO anerkannt. Im Jahre 1993 folgte die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser durch Israel, welche im Gegensatz zur Palästinensische Autonomiebehörde (PA - Palestinian Authority) die Palästinenser auch außerhalb der besetzten Gebiete vertritt. Als Dachorganisation für die verschiedenen palästinensischen Parteien und Bewegungen leidet ihre Legitimation jedoch darunter, dass vor allem die Hamas, die 2006 immerhin die Wahlen in den gesamten Gebieten gewann, nicht zu ihren Mitgliedern zählt (ZO 30.11.2012).

Nach dem Erdrutschsieg von Hamas [Anm.: im Jahr 2006] begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Gruppen, in deren Verlauf Hunderte Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden diese Auseinandersetzungen im Juni 2007 im Gazastreifen, als die Hamas mit Gewalt die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtungen und Regierungsgebäude der PA übernahm (GIZ 8.2018a). Zahlreiche Mitglieder und Anhänger der Fatah von Palästinenserpräsident Abbas flohen aus Gaza (Spiegel 13.6.2007; FAZ 3.8.2008). Von diesem Zeitpunkt an bis April 2014 war Palästina zweigeteilt, in einen von Hamas kontrollierten Gazastreifen und das von Fatah kontrollierte Westjordanland. Am 23.4.2014 einigten sich Hamas und Fatah erneut auf die Bildung einer Einheitsregierung. Am 2.6.2014 wurde dann die 17-köpfige Einheitsregierung aus parteilosen Experten unter Führung von Rami Hamdallah vereidigt. Erstmals .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

seit sieben Jahren unterstanden damit das Westjordanland und der Gazastreifen der selben Exekutivgewalt [Anm.: de facto blieb die Hamas allerdings weiterhin die bestimmende Kraft in Gaza.]. Die Bildung der neuen Regierung sollte der erste Schritt auf dem Weg zur vollständigen Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas sein. Für Anfang 2015 waren Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geplant, die jedoch bis jetzt nicht stattgefunden haben (GIZ 8.2018a).

Die Palästinensischen Gebiete bestehen aus dem Westjordanland, dem Gaza-Streifen und Ost-Jerusalem. Die Palästinensische Behörde wurde 1994 nach Abschluss der Osloer Verträge zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) gegründet. Grundpfeiler des politischen Systems sind der Präsident, die Regierung unter Vorsitz eines Premierministers sowie das Parlament, der sogenannte Legislativrat. Dritte Gewalt ist die unabhängige Justiz. Der Präsident der Palästinensischen Behörde wird vom Volk direkt gewählt. Er ernennt und entlässt die Regierung und unterzeichnet die vom Legislativrat vorgelegten Gesetze. Er ist auch Oberbefehlshaber der Sicherheitsdienste. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Jänner 2005 statt. Die Amtszeit von Präsident Abbas ist formal seit 2009 abgelaufen. Die Zahl der Bediensteten der Palästinensischen Behörde wird zurzeit auf 160.000 geschätzt (AA 1.2018a). Seit Juni 2014 leitet Premierminister und Fatah-Mitglied Rami Hamdallah das palästinensische Kabinett (AA 1.2018a; vgl. GIZ 8.2018a). [Anm.: Der Gaza-Streifen wird de facto aber weiterhin von der Hamas kontrolliert].

Die Bevölkerung in Gaza beläuft sich auf 1,9 Millionen, wovon etwa 70 % registrierte palästinensische Flüchtlinge sind (UNRWA o.D.).

Die Parteienlandschaft wird geprägt von Parteien aus den 1960er Jahren wie Fatah, Volksfront für die Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine, PFLP), demokratische Front für die Befreiung Palästinas (Democratic Front for the Liberation of Palestine, DFLP) sowie von relativ jungen Parteien wie der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad, die Ende der achtziger Jahre entstanden (AA 1.2018a). Der Legislativrat (Palestinian Legislative Council, PLC) setzt sich aus 132 Abgeordneten zusammen. Das Wahlrecht sieht Verhältniswahl (Landesebene) und Direktwahl (Bezirksebene) vor. Die letzten Wahlen fanden im Januar 2006 statt (AA 1.2018a; vgl. GIZ 8.2018a); die vierjährige Legislaturperiode ist seit 2010 abgelaufen. Der Legislativrat tagt seit der Machtübernahme der Hamas in Gaza im Juni 2007 nicht mehr. Mehrere PLC-Abgeordnete befinden sich in israelischer Haft. Im Herbst 2012 fanden im Westjordanland Kommunalwahlen statt. Kommunalwahlen für das Westjordanland und den Gaza-Streifen wurden im Oktober 2016 verschoben (AA 1.2018a)

Nach dem Wahlsieg der Hamas 2006 kam es 2007 zum Bruch zwischen der Hamas und der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Im Gazastreifen regiert die Hamas seitdem allein und wird höchstens von noch radikaleren Kräften herausgefordert (DS 17.5.2018). Am 12.10.2017 unterzeichneten Fatah und Hamas in Kairo erneut ein Versöhnungsabkommen. Nach 2011 und 2014 ist dies der dritte Versuch, den seit mehr als zehn Jahren bestehenden Konflikt zwischen den beiden wichtigsten politischen Bewegungen in Palästina zu überwinden (GIZ 8.2018a). Am 1.11.2017 erfolgte die Übergabe der Grenzverwaltung von der Hamas an die PA. Die palästinensische Einheitsregierung ist somit gänzlich zuständig für die Grenzübergänge des Gazastreifens (DS 1.11.2017). Dennoch hat die PA nur wenig Autorität, und die Hamas verfügt über die de facto-Kontrolle in Sicherheits- und anderen Angelegenheiten, obwohl die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im November 2017 Personal an Gazas Grenzübergängen positioniert hatte (USDOS 20.4.2018). Seit der Spaltung im Jahr 2007 ist Gaza effektiv ein Ein-Parteien-Staat, Restriktionen gegenüber der Fatah werden - abhängig vom Fortschreiten der Vesöhnungsgespräche - allerdings manchmal verringert (FH 1.2018). Der Premier der Einheitsregierung, Rami Hamdalla, wäre bei einem Gaza-Besuch im März fast Opfer eines Attentats geworden (Le Monde 13.3.2018). Daraufhin froren PA und Fatah die Finanzen für den Gazastreifen ein. Sie fordern zuerst die vollständige Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die PA. Doch die Hamas will den Befehl über ihre Polizei-Milizen nicht abgeben (Kurier 31.3.2018). Es werden keine Gehälter mehr gezahlt, nicht für Strom oder Medikamente. Das Wasser ist verseucht, rund die Hälfte der Bevölkerung arbeitslos (Welt 30.3.2018). Die innerpalästinensische Aussöhnung zwischen den Parteien Fatah und Hamas stagniert somit trotz des neuen Abkommens (AA 1.2018a; vgl. GIZ 8.2018a). Versöhnungs- und Wiedervereinigungsversuche blieben weiterhin erfolglos (DS 17.5.2018; vgl. Kurier 31.3.2018).

Die Hamas hatte 2006 bei Parlamentswahlen gesiegt und ein Jahr später gewaltsam die alleinige Kontrolle des Gazastreifens übernommen. Israel, die EU und die USA stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Seit mehr als einem Jahrzehnt gab es de facto zwei getrennte Regierungen und keine neuen Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen mehr (DS 1.11.2017). Die Hamas regiert de facto weiterhin Gaza. Führende Funktionäre sind: Ismail Haniyya, Chef des Hamas-Politbüros, und Yehia Sinwar, Hamas-Chef in Gaza und Mitbegründer der Essedin-al-Kassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der Hamas (Spiegel 30.3.2018, vgl. Spiegel 13.2.2017).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensischen Gebieten ist wesentlich vom israelisch-palästinensischen Konflikt geprägt (AA 7.8.2018).

1994 begann Israel einen Grenzzaun zu bauen, der 2000, während der Intifada, attackiert und danach durch eine Sicherheitsbarriere ersetzt wurde. Dabei richtete Israel auch eine Pufferzone auf dem Gebiet des Streifens ein (was ihn noch schmäler macht), in die laut israelischen Einsatzregeln scharf hineingeschossen werden kann. Die Breite der Zone, bis zu 300 Meter, wird variabel festgelegt - dort fanden die Aufmärsche der vergangenen Tage statt. 2005 zog Israel sein Militär und die nach 1967 angesiedelten Israelis aus dem Gazastreifen ab, behielt jedoch die Kontrolle über Außengrenzen und Luftraum unilateral bei: Daraus resultiert der Rechtsstreit, ob der Gazastreifen noch besetzt ist oder nicht. Die letzten Jahre sind geprägt von einem Wechselspiel von Raketenangriffen auf Israel aus dem Gazastreifen, dem Bau von Schmuggel- und Angriffstunnels - und der immer wieder gelockerten und angezogenen Blockade durch Israel (DS 17.5.2018) sowie israelischen Militäroffensiven (vgl. BBC 22.6.2015).

Für den Gaza-Streifen besteht eine Reisewarnung (AA 78.2018; vgl. BMEIA 7.8.2018, EDA 7.8.2018, FD 7.8.2018). Seit Ende März 2018 kommt es immer wieder zu Massenprotesten entlang der Grenze zu Israel. Gewaltsame Konfrontationen zwischen Demonstranten und der israelischen Armee haben [Anm.: vor allem auf palästinensischer Seite] zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert. Mit weiteren Ereignissen dieser Art muss gerechnet werden (EDA 7.8.2018). Es kommt immer wieder zu massiven Zusammenstößen mit Todesopfern am Grenzzaun (BMEIA 7.8.2018); Kundgebungen und Protestaktionen finden weiterhin statt. Es werden zahlreiche mit Brandsätzen ausgestattete Drachen eingesetzt, die vom Gaza-Streifen aus starten und im Nahbereich des Grenzzauns landen. In den letzten Tagen ist es zu heftigem Raketen- und Mörserbeschuss aus dem Gaza-Streifen heraus auf israelisches Staatsgebiet und zu israelischen Vergeltungsangriffen gekommen. Es kann weiter zu Zwischenfällen im unmittelbaren Bereich des Grenzzauns kommen (AA 7.8.2018). Am 14.5.2018, dem Tag der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem, eskalierten die Spannungen an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel in besonders gewaltsamen Konfrontationen zwischen Demonstranten und der israelischen Armee; sie forderten zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 7.8.2018).

Im Juli 2018 kam es zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern im Gazastreifen. Die Blockade wurde seitens Israel verschärft, als Reaktion auf zahlreiche Brandsätze, die vom Gazastreifen auf israelisches Gebiet geworfen wurden, und die 1.200 Brände ausgelöst haben. Israel und die Hamas befanden sich am Rande eines offenen Konfliktes, es gab im Juli 2018 alleine 21 tote Palästinenser, davon 14 Zivilisten, darunter sieben .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 30

Kinder, und einen toten israelischen Soldaten. Die UN und Ägypten verhinderten eine Eskalation durch die Vermittlung eines Waffenstillstandes (UNOCHA 31.7.2018).

Am 3.8.2018 teilten das Gesundheitsministerium in Gaza sowie ein Vertreter eines Krankenhauses mit, dass ein Palästinenser bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der israelischen Armee an der Gaza-Grenze erschossen worden ist. Mindestens 220 weitere Menschen seien verletzt worden, davon 90 durch scharfe Munition. Die Armee sprach von 8.000 Palästinensern, die an fünf Punkten an der Grenze zu Israel versucht hätten, die Sicherheitseinrichtungen zu beschädigen. Eine Gruppe sei nach Israel eingedrungen und habe Brandbomben sowie einen Sprengsatz geworfen. Sie sei danach in den Gazastreifen zurückgekehrt. Ein israelischer Panzer habe daraufhin einen militärischen Stützpunkt der im Gazastreifen herrschenden Hamas angegriffen. Seit Ende März 2018 wurden bei Protesten und Konfrontationen nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza 156 Palästinenser von israelischen Soldaten getötet (DS 3.8.2018).

Im Sommer 2014 kam es zu intensiven militärischen Auseinandersetzungen in und um den Gaza-Streifen (Operation "Protective Edge"). Er erfolgten massive Raketen- und Mörserangriffe auf israelisches Territorium, die ganz überwiegend die Ortschaften in Nähe des Gaza-Streifens (Radius von ca. 40 km) betrafen. Im Rahmen der israelischen Militäroperation führte Israel schwere Angriffe auf Ziele im Gaza-Streifen aus, die zahlreiche Opfer forderten. Dabei wurde auch öffentliche Infrastruktur, wie Straßen, Strom- und Abwasserversorgung, beschädigt. Ferner befinden sich in Trümmern sowie auf wenig befahrenen Wegen nach wie vor nicht detonierte Sprengmittel (AA 7.8.2018). Der Krieg zwischen Gaza und Israel im Sommer 2014 forderte 1462 palästinensische zivile und sechs israelische zivile Opfer. Schulen, medizinische Einrichtungen, Wasser- und Abwassersysteme, landwirtschaftliche Flächen und Geschäfte wurden zerstört. Das einzige Elektrizitätswerk Gazas wurde schwer beschädigt. Amnesty International bezichtigt sowohl die israelische als auch die palästinensische Seite, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben (AI 7.7.2016). Trotz der anschließend vereinbarten Waffenruhe kommt es immer wieder zu vereinzeltem Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen (AA 7.8.2018; vgl. EDA 7.8.2018), die wiederum israelische Gegenschläge nach sich ziehen (Reuters 29.5.2018).

Unter einer vor der Verhandlung durchgeführten Sichtung aktuellster Quellen unter www.ecoi.net sowie einer Ereignisrecherche unter www.google.at mit Suchworte khan yunis - die Herkunfsregion der bP im Gaza - vermochten keine Berichte gefunden werden, die eine reale und hier entscheidungsrelevante Gefährdung der dortigen Zivilbevölkerung oder eine quasi jeden Palästinenser mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung nahelegen würde.

Die Sichtung bestätigte auch, dass sich die gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Israel im Wesentlichen auf das Gebiet des Grenzzaunes beschränken und die Opfer auf Seite des Gaza es sich idR um Demonstrationsteilnehmer handelte, die sich an den gewalttätigen Ausschreitungen beteiligten.

Rechtsschutz / Justizwesen

Rechtssicherheit wird in den palästinensischen Gebieten dadurch erschwert, dass immer noch Elemente des osmanischen, britischen, jordanischen, ägyptischen, israelischen (israelische Militärverordnungen) und palästinensischen Rechts (seit 1994) nebeneinander existieren (GIZ 8.2018a; vgl. FH 1.2018). Darüber hinaus wird Gewohnheitsrecht und religiöses Recht (insbesondere im Familienrecht) angewandt. Beschlüsse des Obersten Palästinensischen Gerichtshofes werden nicht immer umgesetzt (GIZ 8.2018a). Obwohl die Gesetze der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Gaza formal gültig sind, hat die PA nur wenig Autorität, und die Hamas verfügt über die de facto-Kontrolle in Sicherheits- und anderen Angelegenheiten, obwohl die PA im November 2017 Personal an Gazas Grenzübergängen positioniert hatte (USDOS 20.4.2018). Die Hamas unterhält ein ad hoc Justizsystem, das getrennt von Strukturen der PA funktioniert. Das System ist politischer Einflussnahme ausgesetzt, Richtern mangelt es an angemessener Ausbildung und Erfahrung (FH 1.2018).

Stammesgerichte spielen in Gaza eine wichtige Rolle für die Stabilität in der Gesellschaft. Die Menschen in Gaza bringen ihre Fälle lieber vor Stammesgerichte, weil diese meist sehr schnell ein Urteil fällen. Die Stammesgerichte stehen nicht im Widerspruch zur offiziellen Gerichtsbarkeit, sie operieren mit Unterstützung der letzteren. Problematisch ist, das die Stammesrichter (tribal arbitrators) nicht im selben Maße unparteiisch sind, wie offizielle Richter (al-Monitor 28.3.2018). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 30

Die Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas wirken sich auch auf das Justizwesen aus. Nach der Spaltung untersagte die PA ehemaligen Mitarbeitern der Justizbehörden (und auch der Sicherheitskräfte) im Gazastreifen für die Verwaltung der Hamas zu arbeiten. Sie wurden stattdessen von der Autonomiebehörde bezahlt, ohne hierfür zu arbeiten. Die Hamas stellte Ersatz-Staatsanwälte und Richter ein, die häufig keine entsprechende Ausbildung und Qualifikation für die Aufgaben hatten (GIZ 8.2018a).

Im Gazastreifen betrieben von der Hamas angelobte Staatsanwälte und Richter De-Facto-Gerichte, welche die PA als illegal betrachtet. Die Bewohner des Gazastreifens können zivilrechtliche Klagen einreichen. Die Gerichte arbeiten inoffiziellen Berichten zufolge teilweise unparteiisch und unabhängig von der Hamas (USDOS 20.4.2018). Allerdings werden laut Human Rights Watch viele [laut FH einige] zivilrechtliche Fälle von der Hamas vor Militärgerichten verhandelt (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Die Israeli Defence Force (IDF) stellt Palästinenser, die wegen Sicherheitsdelikten (die von "Steinewerfen" über "Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation" bis hin zu "Verhetzung" reichen) beschuldigt werden, vor israelische Militärgerichte, denen seitens mancher NGOs vorgeworfen wird, unangemessen und unfair zu sein (USDOS 20.4.2018).

Gesetze der PA sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor. Verfahren sind öffentlich, außer in Sonderfällen, etwa wenn es zum Schutz bestimmter Interessen nötig ist, das Verfahren nicht-öffentlich abzuhalten. Es gilt die Unschuldsvermutung und der Angeklagte hat das Recht, zeitnah über die gegen ihn vorliegende Anklage informiert zu werden. Gemäß AI werden diese Rechte manchmal nicht gewahrt. Rechtsbeistand ist vorgesehen, auf Kosten des Staates wenn nötig. Die Angeklagten haben das Recht auf Berufung. Während die PA in der Westbank diese prozeduralen Rechte weitgehend gewährleistet, implementiert sie die Hamas-Behörde im Gazastreifen nur inkonsistent (USDOS 20.4.2018). Dem Gerichtssystems der Hamas gelingt es üblicherweise nicht, einen fairen Prozess zu gewährleisten (FH 1.2018). Rechtlich anerkannte religiöse Gruppen sind befugt, über Fragen des persönlichen Status wie Ehe, Scheidung und Erbschaft zu entscheiden. Sie können kirchliche Gerichte einrichten, um rechtsverbindliche Entscheidungen über den Personenstand und einige Vermögensfragen für Mitglieder ihrer Religionsgemeinschaften zu treffen (USDOS 29.5.2018).

Sicherheitsbehörden

Im Gazastreifen verfügt die Hamas - in allen Gesellschaftsbereichen - de facto über die Kontrolle. Straffreiheit ist weiterhin ein Problem und die Hamas konnte teilweise Gewalttaten, wie von rivalisierenden salafistischen Gruppen durchgeführte Raketenangriffe gegen Israel nicht unterbinden (USDOS 20.4.2018).

Die Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas wirken sich auch auf die Sicherheitskräfte aus. Nach der Spaltung untersagte die palästinensische Behörde ehemaligen Mitarbeitern der Sicherheitskräfte, im Gazastreifen für die Verwaltung der Hamas zu arbeiten. Sie wurden stattdessen von der PA bezahlt, ohne zu arbeiten. Die Arbeit der palästinensischen Sicherheitsdienste und der Polizei wird jedoch auch durch die israelische Armee behindert, z.B. zerstörte sie während des Gazakrieges im Dezember 2008 alle Gefängnisse und Haftzentren in Gaza durch Bombenangriffe (GIZ 8.2018a).

Die Hamas hat kein konventionelles Militär im Gazastreifen, sondern unterhält verschiedene Einheiten von Sicherheitskräften, zusätzlich zu ihrem bewaffneten Flügel, der Izz al-Din al-Qassam Brigade. Dieser militärische Flügel untersteht dem politischen Büro der Hamas (CIA 11.7.2018). Die Izzedin al-Qassam Brigaden als militärischer Arm der Hamas gehen auf die frühen 1980er Jahre zurück, wurden aber offiziell erst nach der Etablierung der Hamas als politische und militärische Bewegung der Palästinenser im Jahr 1987 organisiert (IRIN 15.4.2013). Sie können gemäß Informationen aus dem Jahr 2014 als etwa 7.000 Mann starke "stehende Armee" gesehen werden, verfügen aber darüber hinaus über ein Mobilisierungspotential von etwa 25.000 Mann (GS 1.5.2017). Die Hamas wird von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft (Die Welt 1.2.2018; vgl. Zeit 26.7.2017).

Laut USDOS arbeitet im Gaza-Streifen zudem eine "Sittenpolizei", die z.B. Frauen für das Tragen "unpassender" Kleidung (also körperbetonter Kleidung im westlichen Stil) oder andere Moralvergehen oder "unislamisches" Verhalten" bestraft (USDOS 20.4.2018; UNHCR 11/2015).

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Grundgesetz der PA verbietet Folter und die Ausübung von Gewalt gegen Gefangene (USDOS 20.4.2018). Folter und Misshandlungen kommen jedoch weiterhin vor (USDOS 20.4.2018) bzw. sind weit verbreitet (AI 22.2.2018). Täter gehen oft straffrei aus (AI 22.2.2018). Laut Menschenrechtsorganisationen haben die Interne Sicherheit der Hamas (Hamas Internal Security) und andere Angehörige der Sicherheitskräfte Gefangene gefoltert (USDOS 20.4.2018). Unter den Opfern von Folter sind auch Kinder. In mehr als 1.000 Beschwerdefällen wegen Folter seit dem Jahr 2001 wurden noch keine Untersuchungen eingeleitet (AI 22.2.2018).

Korruption

Gesetzliche Regelungen der PA sehen Strafen für behördliche Korruption vor. Die PA respektiert das Gesetz und machte im Jahr 2017 Fortschritte bei Untersuchungen und strafrechtlicher Verfolgung von Korruption. Es gibt allerdings weiterhin Vorwürfe von Korruption bei Fatah-Beamten (USDOS 20.4.2018).

Im Gazastreifen werfen örtliche Beobachter und NGOs der Hamas Fälle von Mittäterschaft bei korrupten Vorgängen vor, einschließlich Vergünstigungen bei Einkaufskonditionen für Immobilien, und der Erzielung von finanziellen Einnahmen in Zusammenhang mit Gebührenforderungen gegenüber Importeuren im Gazastreifen. Hamas-Behörden unterdrücken die Berichte und den Zugang zu Informationen massiv. Importeure von eingeschränkt importierbaren Gütern, die dem PA Ministerium für zivile Angelegenheiten nahe stehen, werden gemäß Informationen lokaler Geschäftsleute bevorzugt behandelt (USDOS 20.4.2018).

Laut Korruptionsbericht 2017 der palästinensischen Vereinigung AMAN - Coalition for Accountability and Integrity gehörten 2017 in Palästina zu den häufigsten Formen der Korruption im öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Bereich Vettern-, Klüngel- und Günstlingswirtschaft (Wasta = gute Beziehungen) bei Dienstleistungen und Stellenbesetzungen, weiters Pflichtverletzungen in Bezug auf öffentliche Mittel, Veruntreuung von öffentlichen Geldern, Verletzung der Treuepflicht, Machtmissbrauch, Bestechung, Geldwäsche sowie die Befreiung von der Zahlung von Steuern und Zöllen sowie Gebühren für Dienstleistungen ohne rechtlichen Grund. Von 430 eingegangenen Beschwerden bis zum 6.12.2017 leitete die Korruptionsbekämpfungskommission 2017 21 Fälle (9%) an den zuständigen Staatsanwalt weiter. Viele Bürgerinnen und Bürger stellen die Unabhängigkeit der Kommission in Frage und glauben, dass die Büros des Präsidenten und des Ministerpräsidenten, die Ministerien, der Sicherheitsapparat, Gouverneure, Bürgermeister, Parlamentsmitglieder und Führer politischer Parteien in die Arbeit der Kommission eingreifen (GIZ 8.2018a).

Die Hamas schikaniert regelmäßig Organisationen der Zivilgesellschaft; dies beinhaltet auch Auflösung und Schließung friedlicher Organisationen. In Gaza stationierte NGOs berichten, dass Mitglieder der Hamas in ihren Büros auftauchen, um Steuern einzutreiben, die Herausgabe von Begünstigtenlisten zu fordern, Gehaltsinformationen abzufragen und um Mitarbeiter der NGOs zur Befragung auf Polizeistationen zu bringen (USDOS 20.4.2018). Die Hamas schränkt die Aktivitäten von Hilfsorganisationen ein, wenn diese sich nicht den Restriktionen der Hamas beugen. Die Hamas unterhält selbst ein Netzwerk mit Organisationen für Sozialdienste. Das "Innenministerium" der Hamas beansprucht die Überwachungsbefungnis über alle NGOs. Seine Repräsentanten belästigen regelmäßig NGO Mitarbeiter und erfragen Informationen über Angestellte, Gehälter und Aktivitäten. Es gibt Berichte über NGO-Schließungen, wenn sich diese den Anforderungen nicht beugen (FH 1.2018).

Außerdem gab es zahlreiche Berichte, dass die Hamas Mitglieder von internationalen Organisationen schikanierten. Palästinensische, israelische und internationale NGOs beobachteten die Aktivitäten der israelischen Regierung in den besetzten Gebieten und publizierten ihre Erkenntnisse, obwohl Bewegungs- und Zugangsbeschränkungen im Westjordanland und im Gazastreifen diese Arbeit erschwerten. Die Durchführung von journalistischen, humanitären und NGO-Aktivitäten waren von den Beschränkungen betroffen (USDOS 20.4.2018).

Wehrdienst und Rekrutierungen

Die Hamas hat kein konventionelles Militär im Gazastreifen, sondern unterhält verschiedene Einheiten von Sicherheitskräften, zusätzlich zu ihrem bewaffneten Flügel, der Izz al-Din al-Qassam Brigade. Dieser militärische Flügel untersteht dem politischen Büro der Hamas (CIA 11.7.2018). Diese Brigade kann, gemäß Informationen aus dem Jahr 2014, als etwa 7.000 Mann starke "stehende Armee" gesehen werden, mit einem Mobilisierungspotential von etwa 25.000 Mann (GS 1.5.2017).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Hamas übt im Gazastreifen die De-Facto-Kontrolle aus und legt der Bevölkerung Restriktionen gemäß ihrer Interpretation des Islam und der Scharia auf (USDOS 29.5.2018).

Berichtet wird von Drohungen, willkürlichen Festnahmen und Misshandlungen, um kritische Meinungsäußerungen und Proteste jeder Art zu verhindern. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren weit verbreitet, ohne dass hierfür jemand zur Verantwortung gezogen worden wäre (AI 23.5.2018). Die Sicherheitskräfte setzten exzessive Gewalt ein, um .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 30

Protestaktionen zu beenden. 2017 wurden sechs Todesurteile vollstreckt (AI 23.5.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Auf der anderen Seite beklagen Menschenrechtsorganisationen auch zahlreiche Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch Israel. Bei der israelischen Militäroperation "Protective Edge" im Gazastreifen im Juli/August 2014 kamen nach UN-Angaben mindestens 1.473 Zivilisten ums Leben (GIZ 8.2018a).

Meinungs- und Pressefreiheit

Freedom House stuft die Presse im Gazastreifen als nicht frei ein. Laut dem Palästinensischen Zentrum für Entwicklung und Medienfreiheit (Palestinian Center for Development and Media Freedoms - MADA) gab es im Jahr 2017 35 Verletzungen der Meinungsfreiheit durch palästinensische Behörden, unter anderem acht Inhaftierungen, mehrere Verhaftungen und Verhöre sowie vier physische Angriffe. Neben Journalisten werden auch Blogger und bekannte Nutzer von Social Media wegen kritischer Postings belästigt (FH 1.2018). Belästigungen gegenüber Journalisten nahmen im Jahr 2017 zu. In Gaza wurden mehrere Journalisten verhaftet, die Hamas kritisiert hatten (USDOS 20.4.2018).

Die Hamas schränkt im Gazastreifen die Meinungs- und Pressefreiheit ein, durch häufige Verhaftungen und langwierige Verhöre von Journalisten sowie auch durch Belästigung und Einschränkungen beim Zugang und der Bewegungsfreiheit für manche Journalisten. Dies führt zu Selbstzensur. Personen, die die Hamas öffentlich kritisieren, riskieren Inhaftierung, Befragungen, Enteignung und Schikanen. Durch Kritik an der Hamas, beispielsweise im Internet, riskieren Personen Razzien ihrer Büros und Wohnungen, willkürliche Festnahmen und ein Ausreiseverbot aus Gaza. Die Hamas in Gaza erlaubt die Publikationen der PA im eigenen Gebiet, jedoch nur .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 30

unter Restriktionen. Die Hamas schränkt außerdem die Bewegungsfreiheit von Journalisten im Gazastreifen ein (USDOS 20.4.2018).

Im Rahmen des Machtkampfes zwischen Hamas und Fatah werden jedoch den Parteien nahestehende Journalisten von der jeweils anderen Seite festgenommen, und Zeitungen und Fernsehstationen der anderen Seite geschlossen (GIZ 8.2018a).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Unter der Regierung der Hamas muss für jede öffentliche Versammlung oder Feier im Gazastreifen im Vorhinein eine Genehmigung eingeholt werden, was dem Grundgesetz der PA widerspricht, die öffentliche Versammlungen, Treffen oder Umzüge im gesetzlichen Rahmen erlaubt (USDOS 20.4.2018). Die Hamas schränkt die Versammlungsfreiheit signifikant ein, indem sie nicht genehmigte Versammlungen gewaltsam auflöst (FH 1.2018). Im Jänner 2017 wurden Demonstrationen gegen Einschränkungen bei der Stromversorgung gewaltsam und unter Anwendung von scharfer Munition und Schlagstöcken aufgelöst (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Die Hamas erteilt fallweise Genehmigungen für Versammlungen von Fatah-Mitgliedern, wenn es politisch von Vorteil für sie ist, wie etwa bei hochrangigen palästinensischen Versöhnungstreffen.

Aktivisten berichteten, dass Hamas-Beamte Frauen in der Öffentlichkeit schikanierten und ihre Möglichkeiten, sich friedlich zu versammeln, einschränkten.

Die Hamas versuchte außerdem, Kritik an Hamas-Methoden zu unterbinden, indem sie als Voraussetzung für die Genehmigung von Treffen zu politischen oder sozialen Themen willkürliche Forderungen stellte (USDOS 20.4.2018).

Die Hamas versucht, diverse Organisationen an ihrem Funktionieren zu hindern; darunter sind auch einige, bei denen Verbindungen zur Fatah vermutet werden. Außerdem werden auch private Unternehmen und NGOs behindert, die verdächtigt werden, sich nicht der Hamas-Interpretation der islamischen sozialen Normen zu fügen. Auch Frauenrechtsorganisationen standen unter signifikantem Druck der Hamas (USDOS 20.4.2018).

Unabhängige Gewerkschaften funktionieren in Gaza weiterhin, und PA-Arbeiter haben Streiks gegen Hamas-geführte Managements durchgeführt. Dennoch ist der Betrieb der Fatah-ausgerichteten Palestinian General Federation of Trade Unions, des größten Gewerkschaftsbunds in den besetzten Gebieten, eingeschränkt worden. In der Öffentlichkeit finden wenig bis keine Aktivitäten von Oppositionsparteien statt. Während des Jahres 2017 wurde es Fatah und anderen Gruppen gestattet, öffentliche Demonstrationen zur Unterstützung des palästinensischen Hungerstreiks in israelischen Gefängnissen abzuhalten (FH 1.2018).

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in Gefängnissen im Gazastreifen sind Berichten zufolge schlecht und Gefängniszellen überbelegt (USDOS 20.4.2018). Im September 2017 starben ein 16-jähriger Junge und ein weiterer Gefangener unter ungeklärten Umständen in zwei von der Hamas kontrollierten Haftzentren in Gaza-Stadt. Mindestens ein Aktivist, der wegen seiner Rolle als Anführer der Proteste gegen das Missmanagement der Hamas während der Elektrizitätskrise inhaftiert war, gab an, von Angehörigen der Internen Sicherheitsbehörde der Hamas im Gewahrsam gefoltert worden zu sein (AI 23.5.2018).

Die israelischen ISF-Militärgefängnisse für diejenigen, die wegen Sicherheitsdelikten inhaftiert werden, entsprechen den internationalen Standards üblicherweise in geringerem Maß als Gefängnisse für Personen, die wegen ziviler Delikte inhaftiert werden. In diesen Gefängnissen werden auch seitens der ISF in der Westbank oder dem Gazastreifen verhaftete Palästinenser untergebracht. Über die Gefängnisverwaltung im Gazastreifen sind nur wenige Informationen verfügbar (USDOS 20.4.2018).

Insgesamt wurden im Jahr 2017 mehr als 6.000 Palästinenser in israelischen Gefängnissen festgehalten (USDOS 20.4.2018; PCHR 28.6.2018). Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über unmenschliche Haftbedingungen, Folter, Misshandlungen (AI 22.2.2018) und herabwürdigende Behandlung wie Entzug von Familienbesuchen und Ausbildung, Durchsuchungen ohne Bekleidung, Einzelhaft, usw. Die Gesamtanzahl beinhaltet 370 Häftlinge aus dem Gaza-Streifen (PCHR 28.6.2018).

Im Gazastreifen wird dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) Zugang zu Häftlingen gewährt, um Behandlung und Haftbedingungen zu bewerten. Menschenrechtsorganisationen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 30

führen Gefängnisbesuche durch, zu hochrangigen Häftlingen wird der Zugang allerdings verwehrt (USDOS 20.4.2018).

Todesstrafe

Im Jahr 2017 kam es zu einer Ausweitung der Todesstrafe im Gazastreifen. Während es in der Westbank weder Todesurteile noch Hinrichtungen gab, stieg die Zahl der Todesurteile im Gazastreifen auf 31 an, wovon 19 neue Urteile waren (PCHR 28.6.2018).

Gemäß Medienberichten exekutierte die Hamas im Jahr 2017 drei Personen im Gazastreifen wegen Mordverdacht an einem Hamas Kommandanten und drei Personen wegen Verdacht der Kooperation mit Israel (PCHR 28.6.2018; vgl. AI 23.5.2018; USDOS 20.4.2018). Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass der palästinensische Präsident Exekutionen ratifizieren muss, diese Exekutionen wurden jedoch ohne eine solche Ratifikation durchgeführt (USDOS 20.4.2018).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Anm.: Der folgende Abschnitt gilt, wenn nicht näher spezifiziert, für den Gazastreifen und das Westjordanland.

Das Rechtssystem im Gazastreifen gewährleistet nur wenig Schutz vor Belästigung und Diskriminierung von Frauen. Palästinensische Gesetze und soziale Normen, teilweise aus der Scharia stammend, benachteiligen Frauen in den Bereichen Heirat und Scheidung (FH 1.2018). Frauen werden auch im Erbrecht diskriminiert. Sie können für den Fall von Scheidung oder Sorgerechtsstreitigkeiten zusätzliche Konditionen in den Ehevertrag einfügen lassen, werden aber generell sozial unter Druck gesetzt, dies nicht zu tun (USDOS 20.4.2018).

Im Gazastreifen sind Frauen zumeist von Führungspositionen innerhalb der Hamas ausgeschlossen und bei öffentlichen politischen Versammlungen abwesend. An Versammlungen der Zivilgesellschaft zu politischen Themen nehmen Frauen aktiv teil (FH 1.2018).

Frauen und Mädchen waren unzureichend gegen sexualisierte Gewalt und andere Gewalttaten geschützt. Berichten zufolge wurden nach wie vor Frauen und Mädchen von männlichen Verwandten im Namen der "Familienehre" ermordet. Im Februar 2016 gab der Generalstaatsanwalt die Einrichtung einer speziellen Ermittlungseinheit bekannt, um Fälle von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen (AI 20.5.2017).

Vergewaltigung ist laut Gesetz illegal, gesetzlich ist Vergewaltigung in der Ehe jedoch nicht explizit behandelt. Manche Vergewaltiger wurden freigelassen, nachdem sie sich bei ihren Opfern entschuldigt hatten bzw. konnten eine Strafe abwenden, indem sie ihr Opfer heirateten. Häusliche Gewalt ist laut Gesetz nicht explizit verboten, jedoch gibt es allgemeine Gesetze gegen Gewaltanwendung und Körperverletzung. Diese Gesetze werden jedoch in Fällen von häuslicher Gewalt nicht effektiv durchgesetzt. Hierbei erstatten Frauen selten Anzeige, aus Angst vor Vergeltung. Sexuelle Belästigung ist nicht explizit verboten und ein weitverbreitetes Problem. Nur wenige Fälle werden angezeigt, und manche Frauen, die Anzeige erstatten wollten, berichteten davon, dass die Behörden ihnen vorwarfen das Verhalten des Täters provoziert zu haben (USDOS 20.4.2018).

Die Hamas hat im Gaza-Streifen eine Moralpolizei eingerichtet, die in ziviler Kleidung patrouilliert und routinemäßig die Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit durchsetzt. Außerdem bestraft sie Frauen, die auf Motorrädern fahren, Wasserpfeife oder Zigaretten rauchen, ihre Haare unbedeckt lassen oder sich "unpassend" kleiden, zum Beispiel in westlichem Stil (Jeans, T-Shirt, etc.) oder generell körperbetonte Kleidung tragen (USDOS 13.04.2016). Sich in Hosen und ohne Kopfbedeckung zu zeigen, kann dazu führen, dass Frauen - nicht nur von Männern - angepöbelt und beschimpft werden. Vielfach ist es für Frauen auch nicht möglich, das Haus ohne männliche Begleitung zu verlassen (SZ 17.8.2018).

Bewegungsfreiheit

Die Behörden der Hamas haben im Gazastreifen allem Anschein nach keine routinemäßigen Einschränkungen der internen Bewegungsfreiheit implementiert, obwohl es einige Gebiete gab, zu denen die Hamas den Zutritt verwehrte. Der steigende Druck, der Interpretation islamischer Normen der Hamas zu entsprechen, führt im Allgemeinen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen (USDOS 20.4.2018).

Durch Kritik an der Hamas, beispielsweise im Internet, riskieren Personen ein Ausreiseverbot aus Gaza (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz der PA gewährleistet Bewegungsfreiheit, jedoch schränkte die PA zeitweise die Reisefreiheit von Einwohnern des Gazastreifens nach Israel ein. Auch wurden die Ausreisegenehmigungen nach Israel aufgrund medizinischer Probleme eingeschränkt. Nach dem Tod von drei Kindern, die Gaza nicht zwecks medizinischer Behandlung verlassen konnten, wurden diese Beschränkungen wieder aufgehoben (USDOS 20.4.2018). Die Reisefreiheit von Einwohnern des Gazastreifens ist stark eingeschränkt, in den letzten Jahren haben sich die Bedingungen verschlechtert (FH 1.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Anzahl der Einwohner des Gazastreifens, denen die Ausreise aufgrund angeblicher Verbindungen eines Familienmitglieds zur Hamas verweigert wurde, ist im Jahr 2018 stark angestiegen (DSL 2.8.2018b). Israel und Ägypten üben eine engmaschige Kontrolle über ihre Grenzübergänge aus, und Hamas hat eigene Einschränkungen umgesetzt (FH 1.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Bis zur Übernahme der Grenzübergänge des Gazastreifens durch die PA beschränkte die Hamas einige Auslandsreisen und verlangte Ausreisegenehmigungen von Palästinensern, die über die Gaza-Israel-Erez-Grenze ausreisen wollten. Die Hamas verhinderte die Ausreise von einigen Palästinensern, wenn sie mit dem Ausreisegrund nicht einverstanden war, oder sie erzwang ein .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 30

bestimmtes Verhalten, wie etwa die Bezahlung von Steuern oder Gebühren. Es gab einige Berichte, dass Reisen von unverheirateten Frauen eingeschränkt wurden (USDOS 20.4.2018).

Reisen von/nach Israel und die Westbank:

Gemäß NGOs besitzen 40.000 bis 50.000 Personen im Gazastreifen keine Identifikationskarten, die von Israel anerkannt werden. Einige dieser Personen sind im Gazastreifen geboren, aber Israel hat sie nie als Einwohner Gazas anerkannt, andere wiederum waren im Krieg von 1967 aus Gaza geflohen oder hatten Gaza nach 1967 aus verschiedenen Gründen verlassen und sind später zurückgekehrt. Eine kleine Gruppe ist in Gaza geboren und nie von dort weggegangen und besitzt ausschließlich Identifikationskarten, die von der Hamas ausgestellt wurden. Die israelische Regierung hat die Kontrolle über die Palestinian Population Registry [Anm.: Bevölkerungsregister für die palästinensischen Bewohnerinnen und Bewohner der palästinensischen Gebiete], die staatenlosen Personen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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