TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/21 L524 2153506-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.06.2019
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Entscheidungsdatum

21.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2153506-1/25E

schriftliche Ausfertigung des am 20.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2017, Zl. 15-1082350707-151076024/BMI-BFA_KNT_AST_01_TEAM_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.05.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei ledig, sunnitischer Moslem und Araber. Er stamme aus Diyala und habe im Irak acht Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Verkäufer gearbeitet. Im Irak würden noch seine Eltern, ein Bruder und drei Schwestern leben. Seinen Ausreiseentschluss habe er 2014 gefasst und im Juli 2015 sei er aus dem Irak ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er vertrieben worden sei und Angst vor dem IS habe.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 23.03.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass er im bisherigen Verfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe, welche auch korrekt protokolliert, jedoch nicht rückübersetzt worden seien. Er habe bei der Erstbefragung nicht alles richtig verstanden. Er sei damals müde gewesen. Er stamme aus XXXX in Diyala, wo er vor der Ausreise mit seinem Vater, einem Bruder und drei Schwestern gelebt habe. Seine Mutter sei verstorben. Seine Familie lebe inzwischen in der Türkei. Sein Bruder lebe auch als Asylwerber in Österreich. Im Irak habe er zwölf Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Seine Familie habe ein Restaurant und Geschäfte sowie eine Landwirtschaft betrieben. Er habe abwechselnd in den Betrieben seiner Familie gearbeitet. Die Familie habe im Irak sehr gut gelebt. Im Juni 2015 habe er den Irak verlassen.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass sein Heimatort nicht mehr sicher gewesen sei, weil dort der IS, Milizen und die Armee gewesen seien. Die Armee, die Polizei und die Milizen hätten Leute mitgenommen, weil sie Sunniten seien. Es gebe keine Regierung. Er wolle nur mit seinem Bruder in Sicherheit leben, ohne getötet zu werden. Er sei einmal mit SMS bedroht worden, weil er zum Clan der XXXX gehöre und Sunnit sei. Drei oder vier Tage später sei an der Türe "Geh weg" gestanden und etwa eine Woche danach sei es vor dem Geschäft zu einer Explosion gekommen. Viele Leute seien verletzt worden und der Beschwerdeführer sei im Krankenhaus gewesen.

3. Mit Bescheid des BFA vom 29.03.2017, Zl. 15-1082350707-151076024/BMI-BFA_KNT_AST_01_TEAM_01, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.02.2018, L524 2153506-1/7E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

6. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.08.2018, Ra 2018/19/0136-13, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung hätten nicht vorgelegen.

7. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 20.05.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Ein Vertreter der belangten Behörde ist unentschuldigt nicht erschienen. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern und zu den mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten Länderberichten zur Lage im Irak Stellung zu nehmen. Schließlich wurde das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.

8. Am 29.05.2019 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, Araber und sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte mit seinem Vater, seinem Bruder und drei Schwestern in XXXX , Diyala.

Der Beschwerdeführer besuchte im Irak zumindest für acht Jahre die Schule. Im Familienbesitz befindet sich ein Restaurant, eine Schneiderei samt Textilreinigung und eine Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer hat bei seinem Vater in der Schneiderei und aushilfsweise im Restaurant gearbeitet. Die Familie hat davon sehr gut leben können. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer für das Militär als Schneider gearbeitet hat.

Der Vater und drei Schwestern des Beschwerdeführers leben in Diyala. Er steht mit ihnen in Kontakt. Darüber hinaus leben zwei Onkel, fünf Tanten sowie Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers in Diyala. Ein Onkel väterlicherseits arbeitet bei der Polizei. Auch die Cousins des Beschwerdeführers sind berufstätig.

Der Beschwerdeführer verließ zwischen Juni und August 2015 den Irak und reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 13.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe, wonach er wegen seiner Clanzugehörigkeit, seiner Religionszugehörigkeit oder seiner Tätigkeit für das Militär bedroht und bei einer Explosion verletzt worden sei, werden der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer ist gesund, ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat am 30.11.2016 zwei von sechs Integrationsmodulen des Integrationspasses der Stadt XXXX absolviert und von 07.11.2016 bis 30.11.2016 an einem Deutschkurs für Asylwerber teilgenommen. Die Ablegung einer Deutschprüfung hat er bislang nicht nachgewiesen. Der Beschwerdeführer bezog bis Jänner 2019 Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist nicht erwerbstätig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Bruder des Beschwerdeführers lebt in Österreich als Asylwerber. Der Beschwerdeführer verfügt seit April 2019 über keine aufrechte Meldeadresse in Österreich. Er übernachtet abwechselnd bei verschiedenen Freunden in Wien.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Dora, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsversorgung, es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Gemeinschaften bauen Schulen wieder auf. Das US-Außenministerium berichtet, dass Tausende von Schulen in ehemals von IS betroffenen Gebieten wiedereröffnet wurden, aber Kindern von Binnenvertriebenen, insbesondere außerhalb von Lagern, weiterhin die Schulbildung verweigert wird. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status. Die Verfassung sieht eine Hohe Kommission für Menschenrechte vor.

Mehrere Faktoren beeinflussen die Sicherheitslage im Irak, einschließlich der Aktionen verbliebener IS-Kämpfer (oder anderer extremistischer Kämpfer, die seit der Niederlage von IS aufgetaucht sind), anderer bewaffneter Gruppen (einschließlich der staatlich sanktionierten Popular Mobilization Forces) und historische Spannungen innerhalb der Schiiten und innerhalb der Sunniten. In der Region Kurdistan wird die Sicherheitslage durch Spannungen zwischen der Bundesregierung und der KRG, Spannungen zwischen verschiedenen kurdischen politischen Blöcken und Maßnahmen der Türkei und des Irans beeinflusst.

Am 15. Januar 2018 griff der IS einen Markt im Zentrum von Bagdad an, wobei mindestens 38 Menschen getötet und 105 verletzt wurden. In der irakischen Region Kirkuk wurden 25 Menschen im Vorfeld der nationalen Wahlen vom IS getötet. Der IS behauptet, seit Dezember 2017 58 Angriffe in der Region durchgeführt zu haben. In der Region Kurdistan tötete der IS im Juni 2018 12 Mitglieder einer Familie. Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

Personen sind aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit einem geringen Risiko einer offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Es besteht möglicherweise ein mäßiges Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt zu sein, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ihre ethnische Zugehörigkeit in der Minderheit ist.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Sie garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem moderaten Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt sind. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Die Verfassung sieht für Frauen gewisse Rechte vor, unter anderem das Wahlrecht und gewährleistet soziale und gesundheitliche Sicherheit. Die Verfassung schreibt vor, dass Frauen sowohl im Repräsentantenrat als auch in den Provinzräten mindestens 25% der Sitze innehaben müssen. Die Regionalversammlung der Autonomen Region Kurdistan sieht 30 Prozent der Sitze für Frauen vor. Im Jahr 2011 verabschiedete die Regionalversammlung von Kurdistan ein Gesetz, das häusliche Gewalt unter Strafe stellt und psychische und sexuelle Gewalt sowie weibliche Genitalverstümmelung umfasst. Frauen sind einem mäßigen Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Frauen sind einem hohen Risiko von häuslicher und familiärer Gewalt ausgesetzt. Dieses Risiko wird für Frauen verstärkt, die Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten sind.

Die Verfassung bietet eine umfassende Meinungsfreiheit. In der Praxis gelten gesetzliche Beschränkungen. Die Gesetzgebung verbietet Verleumdung sowie die Herstellung, Einfuhr, Veröffentlichung oder den Besitz von schriftlichem Material, Zeichnungen, Fotografien und Filmen, die gegen die guten Sitten verstoßen. Der Irak verfügt über eine rege Medienlandschaft mit über einem Dutzend privaten Fernsehsendern und Zugang zu den großen arabischsprachigen Satellitensendern. Die meisten Medienunternehmen vertreten die Ansichten ihrer Geldgeber.

Die Regierung hat zeitweise den Zugang zum Internet eingeschränkt, insbesondere um die Rekrutierung durch den IS zu verhindern. Solche Maßnahmen wurden jedoch auch zu anderen Zwecken ergriffen, etwa, um zu verhindern, dass Studenten bei Prüfungen schummeln oder Protestaktivitäten zu verhindern.

Lokale und internationale Quellen berichten, dass Behörden in einigen Teilen des Landes Journalisten verhaftet und schikaniert haben und die Schließung von Medieneinrichtungen erzwungen haben, die sensible Themen wie Sicherheitsfragen behandelten oder die Regierung kritisierten. Reporter ohne Grenzen behauptet, dass viele irakische Journalisten regelmäßig Drohungen, Mordversuchen, Angriffen, der Verweigerung des Zugangs zu den Orten, von den sie berichten möchten, und der Beschlagnahme von Ausrüstung ausgesetzt sind.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer-Dokument in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez-passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober schwankten die Zahlen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres 2018 gab es - seit dem Rückzug des sog. IS - die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden.

In Diyala gab es rund 30 Vorfälle pro Monat, nur im März und Juni lag die Zahl bei 54 bzw. 51. Es gab Schießereien mit den Sicherheitskräften und Übergriffe auf Kontrollpunkte. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Im Dezember 2018 ordnete der neue Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi an, die mit Betonmauern geschützte Hochsicherheitszone im Zentrum der Stadt für einige Stunden am Tag zu öffnen. Seit 2003 war das Gebiet, in dem Ministerien und die US-Botschaft liegen, für normale Iraker praktisch unzugänglich. Die Mauern, die dort über viele Jahre hochgezogen wurden, werden langsam abgebaut. Deutschland hatte den Kampf gegen den IS im Irak vor allem mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Im Camp Tadschi nahe Bagdad bildet die deutsche Bundeswehr irakische Soldaten aus. Die deutsche Bundesregierung setzt jetzt verstärkt auf zivile Hilfe. Deutschland ist nach den USA das Land, das den Irak in den vergangenen vier Jahren am stärksten mit Hilfsgeldern für Entwicklung, Stabilisierung und Wiederaufbau unterstützt hat. Mehr als 1,5 Milliarden Euro wurden dafür bereitgestellt. Die Bundesregierung hofft darauf, dass ein stabiler Irak die Nahost-Region insgesamt beruhigen kann. (Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 28.02.2019 wurden 1,7 Millionen IDPs (290.830 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 104 Distrikte identifiziert. Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an. Die Zahl der Rückkehrer betrug zum 28.02.2019 4,2 Millionen (701.997 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Zeitraum Januar und Februar 2019 gab es 46.662 Rückkehrer. Die meisten kehrten nach Ninewa (27.150 Personen), Salah al-Din (11.214) und Kirkuk (3.744) zurück. Die Zahl der IDPs geht in allen Gouvernements, ausgenommen Erbil und Najaf, zurück. Im Januar und Februar 2019 wurde ein Rückgang von 57,852 IDPs verzeichnet, davon die meisten in Ninewa (-29.358, -5%), Salah al-Din (-9.168, -7%) und Anbar (-6.822, -13%).

Nahezu alle Familien (95%, 4.008.840 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (72.378) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (130.64) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben 85 Prozent in drei Gouvernements: 41% sind in Ninewa (53.784), 24 % in Salah al-Din (30.864) und 20 % in Diyala (25.878). (Displacement Tracking Matrix, Round 108, Februar 2019)

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellung betreffend die Teilnahme an einem Deutschkurs und die Absolvierung von Modulen eines Integrationspasses einer Stadt ergeben sich aus den entsprechenden Bestätigungen. Die Feststellung, dass er derzeit über keine aufrechte Meldeadresse verfügt und abwechselnd bei verschiedenen Freunden in Wien übernachtet, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Auch dies Feststellung zu seinem Gesundheitszustand ergibt sich aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung bezieht und strafrechtlich unbescholten ist, ergeben sich aus einem GVS-Auszug vom 19.04.2019 und einem Strafregisterauszug vom 17.06.2019.

Hinsichtlich seines Schulbesuchs machte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren gänzlich widersprüchliche Angaben. In der Erstbefragung gab er an, die Grundschule acht Jahre besucht zu haben (Seite 1 des Protokolls der Erstbefragung). In der Einvernahme vor dem BFA brachte er vor, dass er sechs Jahre die Schule und danach sechs Jahre die Mittelschule besucht und mit Matura abgeschlossen habe (Seite 5 des Einvernahmeprotokolls). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er, dass er sechs Jahre die Volksschule, drei Jahre die Hauptschule und danach zwei Jahre die Mittelschule besucht habe, die Mittelschule aber abgebrochen habe. Zudem könne er sich nicht daran erinnern, bis wann er die Schule besucht habe (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer nicht einmal zu seinem Schulbesuch gleichbleibende und konkrete Angaben hinsichtlich des Zeitraums, wann er die Schule besucht habe, machen kann, lässt den Beschwerdeführer persönlich nicht glaubwürdig erscheinen. Nicht einmal zur Dauer des Grundschulbesuchs war es dem Beschwerdeführer möglich, übereinstimmende Angabe zu tätigen. Diese Angaben schwanken zwischen acht und zwölf Jahren. Es konnte daher auch nur festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zumindest acht Jahre die Schule besucht hat.

Die Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Schneiderei des Vaters und im Restaurant des Vaters ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und der Einvernahme vor dem BFA.

Der Beschwerdeführer behauptete, dass sich sein Vater und seine drei Schwestern in der Türkei aufhalten würden (Seite 4 des Protokolls der Einvernahme und Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Er konnte jedoch nicht angeben, seit wann sie in der Türkei wären. Dazu meinte er nur, er hätte davon erfahren, als er hierhergekommen sei. In diesem Zusammenhang ist auf die Angaben des Bruders des Beschwerdeführers zu verweisen, der in seiner Einvernahme vor dem BFA am 19.06.2018 angab, dass der Vater und die Schwestern "einige Zeit" in der Türkei gewesen seien und danach wieder in den Irak zurückgekehrt seien. Diese Angaben des Bruders wurden dem Beschwerdeführer auch vorgehalten, doch behauptete der Beschwerdeführer daraufhin erneut, dass sie in der Türkei wären (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, da der Beschwerdeführer seine Angaben, die Familie wäre noch immer in der Türkei nicht belegen konnte. Zudem ist auch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA angab, er hätte keine Verwandten mehr im Irak, da alle das Land verlassen hätten (Seite 4 des Protokolls der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung stellte sich aber heraus, dass er noch zahlreiche Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen in Diyala habe (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Es zeigt sich somit, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA wahrheitswidrige Angaben zu im Irak lebenden Verwandten machte, weshalb es naheliegend ist, dass auch seine Behauptung, die Familie sei noch in der Türkei, nicht den Tatsachen entspricht. Der Bruder des Beschwerdeführers gab hingegen vor dem BFA schon an, dass er Onkel und Tanten im Irak habe und auch der Vater und die Schwestern wieder im Irak seien. Es wird daher davon ausgegangen, dass der Vater und die Schwestern des Beschwerdeführers wieder in den Irak zurückgekehrt sind und der Beschwerdeführer mit der Behauptung, dass dem nicht so wäre, bloß versucht, für sich eine bessere Position im Asylverfahren zu verschaffen. Außerdem indiziert die Aussage, er habe davon erfahren, dass der Vater und die Schwestern in der Türkei seien, als er hierhergekommen sei, dass sich sein Wissensstand auf das Jahr 2015 bezieht. Die Angaben des Bruders stammen jedoch vom Juni 2018 und sind daher aktueller als jene des Beschwerdeführers. Es wurde daher die Feststellung getroffen, dass der Vater und die Schwestern in Diyala leben.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung als Fluchtgrund an, dass er vertrieben worden sei und Angst vor dem IS habe (Seite 5 des Protokolls der Erstbefragung). In der Einvernahme vor dem BFA änderte der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund ab und brachte vor, dass er wegen seiner Clanzugehörigkeit und seiner Religionszugehörigkeit mittels SMS bedroht worden sei und es eine Explosion gegeben habe, bei der er verletzt worden sei (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme). Schon auf Grund dieser Auswechslung des Fluchtgrundes ist es nicht glaubhaft, dass es die fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings ist eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan - vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind - zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hat in der folgenden Einvernahme vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund darlegt als in der folgenden Einvernahme vor dem BFA. Vielmehr entsteht dadurch der Eindruck, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, seinen vor dem BFA geschilderten Fluchtgrund in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern und führt letztlich dazu, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, seinen vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft zu machen.

In der Einvernahme vor dem BFA wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geboten, in freier Rede seinen Fluchtgrund zu schildern. Dabei brachte der Beschwerdeführer jedoch nur vor, sein Grund für die Flucht sei, dass sein Heimatort nicht mehr sicher gewesen sei. Der IS, die Milizen und die Armee seien dort gewesen und hätten Leute verhaftet, die Sunniten seien. Es gebe nur Bomben und Explosionen. Von einer Explosion habe er noch Splitter im Körper (Seite 6 des Protokolls der Einvernahme). Erst auf die konkrete Aufforderung, die erwähnte Explosion - die er bislang nur in einem Nebensatz erwähnte - näher zu schildern, bringt der Beschwerdeführer eine persönliche Bedrohung vor und erklärt, dass er eine Droh-SMS erhalten habe und danach sei es zur Explosion gekommen (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme). Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers, weitwendig die allgemeine Lage als Fluchtgrund zu schildern und erst auf Nachfrage und auch dann nur mit wenigen Worten eine persönliche Bedrohung darzulegen, lässt erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der persönlichen Bedrohung aufkommen. Zudem konnte der Beschwerdeführer vor dem BFA auch keine konkreten zeitlichen Angaben zu den geschilderten Ereignissen machen, was ebenso dagegen spricht, dass das Behauptete wahr ist.

Der Beschwerdeführer schilderte vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht, dass es eine Explosion gegeben habe, er eine Droh-SMS bekommen habe und auf der Türe eine Warnung angebracht worden sei. Hinsichtlich der Reihenfolge dieser Ereignisse und den dazwischenliegenden Zeitabständen machte er jedoch widersprüchliche Angaben, so dass es nicht glaubhaft ist, dass dies alles tatsächlich passiert ist. Vor dem BFA erklärte er nämlich, dass er zuerst die SMS erhalten habe, drei bis vier Tage später sei die Warnung an der Türe angebracht worden und ca. eine Woche danach habe es die Explosion gegeben (Seiten 7 und 8 des Protokolls der Einvernahme). Demgegenüber erklärte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er die SMS erhalten habe und einen Tag danach habe es die Explosion gegeben. Drei Tage danach habe es die Warnung an der Türe gegeben (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dem Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung auch vorgehalten, dass er vor dem BFA erklärte, die Explosion habe sich erst nach dem Anbringen der Warnung an der Türe ereignet. Darauf meinte er aber lapidar, "nein, danach" [nach der Explosion] sei die Warnung an der Türe angebracht worden und machte sogleich ausweichende weitere Angaben, die den Widerspruch nicht aufklären konnten (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls).

Zwar gab der Beschwerdeführer vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend an, dass es eine Explosion gegeben habe, bei der er verletzt worden sei, doch nannte der Beschwerdeführer völlig unterschiedliche Gründe, weshalb es zu dieser Explosion gekommen sei. Vor dem BFA erklärte er, dass er eine SMS erhalten habe, in der gestanden sei, dass er XXXX und Sunnit sei und sie kommen und ihn töten würden. Danach sei die Drohung an der Türe gestanden - "Geh weg" - und dann sei es zur Explosion gekommen (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung behauptete er dagegen, dass er beim Militär tätig gewesen sei und bei einer Straßensperre nach Rücksprache mit seinem Offizier ein Auto ohne Kennzeichen, dessen Fahrer er gekannt habe, nicht habe passieren lassen. Daraufhin habe die Person, die hinten im Auto gesessen sei, den Beschwerdeführer bedroht. Nachdem der Beschwerdeführer seinen Dienst beendet habe, sei er nach Hause gefahren, wo er zwei Tage später eine SMS auf sein Arbeitshandy bekommen habe, deren Inhalt gelautet habe: "Die Demütigung, welche du uns angetan hast, bekommst du zurück.". Dann sei es zur Explosion bei der Schneiderei bekommen, der Beschwerdeführer sei drei Tage im Krankenhaus gewesen und nach der Entlassung sei eine Drohung auf der Türe - "Verlasst den Ort" - gestanden (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Damit ist offensichtlich, dass der Beschwerdeführer zwei gänzlich unterschiedliche Gründe für die Explosion geschildert hat. Somit ist nicht glaubhaft, dass es sich bei der Explosion - sofern sich diese überhaupt ereignet hat -, persönlich gegen den Beschwerdeführer gerichtet war. Es ist damit auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer bedroht worden wäre, weil er zum Clan der XXXX gehöre und Sunnit sei.

Dem Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung auch vorgehalten, dass er in der Einvernahme vor dem BFA angegeben habe, wegen seiner Clan- und Religionszugehörigkeit bedroht worden zu sein, was der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht mehr vorbrachte, sondern seine behauptete Tätigkeit für das Militär als Grund für die Verfolgung angab. Darauf behauptete der Beschwerdeführer, der Dolmetscher sei aus Tunesien gewesen, weshalb der Akzent ein Problem gewesen sei. Bei der Rückübersetzung hätte er auch viele Sachen korrigieren lassen (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Dieser Erklärungsversuch überzeugt aus zwei Gründen nicht. Zum einen ist es richtig, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA nach der Rückübersetzung des Protokolls Berichtigungen vorgenommen hat, doch betrafen diese nicht den Grund für die Explosion, sondern welche konkreten Geschäfte sein Vater gehabt hätte, nämlich eine Nähstube und keine Wäscherei, die Antwort auf die Frage, ob der Beschwerdeführer persönlich bedroht worden sei sowie die Antwort auf die Frage, ob er in Al Zubair leben könne. Weitere Korrekturen brachte der Beschwerdeführer nicht vor (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme). Zum anderen behauptete der Beschwerdeführer schon in der Einvernahme vor dem BFA, dass es mit dem Dolmetscher in der Erstbefragung Probleme gegeben hätte, weil dieser Marokkaner oder Tunesier gewesen sei (Seite 3 des Protokolls der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer auch vor Schilderung seines Fluchtgrundes gefragt, ob er beim BFA richtige Angaben gemacht hat, was er bejahte. Dass es beim BFA zu Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gekommen sei, behauptete er nicht (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Erst nach dem Vorhalt von Widersprüchen, die sich nach der Schilderung seines Fluchtgrundes ergaben, brachte der Beschwerdeführer angebliche Probleme mit dem Dolmetscher in der Einvernahme vor dem BFA vor. Die Behauptung, Probleme mit dem Dolmetscher seien der Grund für die Widersprüche gewesen, überzeugt somit nicht und es wird vielmehr von einer bloßen Schutzbehauptung ausgegangen. Zudem ist dem Beschwerdeführer auch entgegenzuhalten, dass gemäß § 15 AVG - soweit nicht Einwendungen erhoben wurden - eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Ungeachtet des Umstandes, dass Protokollrügen bei Rückübersetzung der Niederschrift grundsätzlich im Rahmen derselben Amtshandlung vorzubringen sind (§ 14 Abs. 3 und 4 AVG), vermochte der Beschwerdeführer der Beweiskraft der Niederschrift vom 23.03.2017 nichts Entscheidendes entgegen zu setzen bzw. keinen erfolgreichen Gegenbeweis anzutreten. Schließlich hat der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Niederschrift mit seiner Unterschrift auf jeder Seite des Protokolls bestätigt und angegeben, dass es keine Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher gegeben habe und auch nach Rückübersetzung der Niederschrift nur die geschilderten Ergänzungen gemacht. Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der Niederschrift bestehen daher nicht.

Hinsichtlich der SMS, in der er bedroht worden sei, konnte der Beschwerdeführer nicht einmal angeben, von wem er diese erhalten habe. In der Einvernahme vor dem BFA äußerte er sich zum Inhalt der SMS auch widersprüchliche. Zunächst behauptete er, darin sei gestanden, dass er XXXX und Sunnit sei und sie kommen und ihn töten würden (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme). Später behauptete er, in der SMS sei gestanden, dass sie die Stadt übernommen hätten und sie verschwinden müssten (Seite 10 des Protokolls der Einvernahme). Diese widersprüchlichen Angaben zum Inhalt der SMS sprechen ebenso wenig dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich eine Droh-SMS erhalten habe und wegen seiner Clan- oder Religionszugehörigkeit bedroht worden sei.

Dem Beschwerdeführer war es auch nicht möglich anzugeben, wann sich die Explosion ereignet habe. Er erklärte, er wisse es nicht mehr. Als er gegen Ende der mündlichen Verhandlung noch einmal nach dem Monat der Explosion gefragt wurde, meinte er nun, es sei Ende Juli oder Anfang August gewesen (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer ein derart gravierendes Ereignis, das ihn schließlich zum Verlassen seines Heimatlandes veranlasst habe, nicht datieren kann. Auch dies spricht nicht dafür, dass es sich bei der Explosion um eine persönliche Verfolgung des Beschwerdeführers handelt.

Auch zu den näheren Umständen der Explosion machte der Beschwerdeführer vor dem BFA andere Angaben als vor dem Bundesverwaltungsgericht. Vor dem BFA gab er an, dass er mit seinem Bruder im Geschäft gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei zum Essen gegangen und als er zurückgekommen sei, sei eine Schachtel vor dem Geschäft gestanden, die explodiert sei. Erst im Krankenhaus sei er wieder zu sich gekommen (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme). Dagegen erklärte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er aus dem Geschäft hinausgegangen sei und ihm sei sofort ein Karton aufgefallen, auf dem ein unbekannter Name gestanden sei. Er sei dann losgegangen und habe das Mittagessen geholt. Als er mit dem Tablett in die Schneiderei zurückgekommen sei, sei plötzlich etwas explodiert. Er habe gesehen, dass das ganze Geschäft ruiniert gewesen sei und sei dann wieder in Ohnmacht gefallen und im Krankenhaus wach geworden (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls).

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass auch der Bruder des Beschwerdeführers in dessen Asylverfahren diese Explosion als Fluchtgrund vorbringt. Die Angaben des Bruders zu der Explosion lassen sich jedoch nicht mit den Angaben des Beschwerdeführers vereinbaren, weshalb auch aus diesem Grund das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist. Der Bruder des Beschwerdeführers stellt nämlich die Explosion als eine gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung dar. Der Bruder erklärte, dass er von der Asaib Ahl al-Haqq aufgefordert worden sei, sich ihnen anzuschließen, was er abgelehnt habe. Dann sei er mittels SMS bedroht worden und danach habe es die Explosion beim Eingang des Geschäfts gegeben. Damit zeigen sich auffällige Parallelen zum Vorbringen des Beschwerdeführers, der wiederum behauptet, die Explosion hätte sich gegen ihn gerichtet. Es entstand daher der Eindruck, dass es womöglich tatsächlich eine Explosion gegeben hat, die beiden Brüder diese aber dazu nutzten, rund um diese Explosion ein persönlich gegen sie gerichtetes Verfolgungsszenario zu konstruieren.

Wie bereits oben dargestellt, konnte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen rund um die Explosion nicht übereinstimmend schildern und war auch von vagen Angaben gekennzeichnet. Es ist schon aus diesem Grund das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft. Vergleicht man nun die Angaben des Beschwerdeführers mit jenen seines Bruders, entstehen weitere Widersprüche, die das gesamte Fluchtgeschehen noch unglaubwürdiger erscheinen lassen. So erklärt der Bruder in seiner Einvernahme vor dem BFA, dass während der Explosion nur er im Geschäft gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei vom Mittagessen noch nicht zurück gewesen. Der Beschwerdeführer erklärte aber, dass er selbst auch bei der Explosion dabei gewesen sei. Auf Grund dieser unterschiedlichen Angaben, treten auch weitere unterschiedliche Angaben zum Krankenhausaufenthalt zutage. Der Bruder gab an, vier oder fünf Tage im Krankenhaus gewesen zu sein und dass ihn der Beschwerdeführer dorthin gebracht habe. Der Beschwerdeführer behauptete hingegen, wegen der Explosion selbst drei Tage im Krankenhaus gewesen zu sein und nicht zu wissen, wer ihn dort hingebracht habe. Dem Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung auch vorgehalten, dass sein Bruder erklärte, vom Beschwerdeführer in das Krankenhaus gebracht worden zu sein. Diese zu den Angaben des Beschwerdeführers widersprüchlichen Ausführungen seines Bruders konnte der Beschwerdeführer aber nicht aufklären. Er meinte dazu nur, dass sein Bruder eine Gedächtnisstörung hätte und in zwei Minuten vergesse, was er gesagt habe (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Aus dem Protokoll der Einvernahme des Bruders ergeben sich jedoch keine Gedächtnisprobleme. Es ergeben sich nur Sehstörungen des Bruders. Die an ihn gerichteten Fragen hat er offenbar verstanden und konnte er auch beantworten. Mit der Behauptung des Beschwerdeführers, sein Bruder hätte eine Gedächtnisstörung, versucht dieser offenbar, seine Angaben als die wahren Angaben darzustellen, was ihm aber nicht gelingt.

Hinsichtlich des erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erstatteten Vorbringens des Beschwerdeführers, die Explosion stünde in einem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für das Militär, ist noch darauf hinzuweisen, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, die behauptete Tätigkeit für das Militär glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer behauptete, ab 2008 oder 2009 und bis zu seiner Ausreise beim Militär als Schneider gearbeitet zu haben und legte eine Fotografie eines Militärausweises vor. Der Beschwerdeführer konnte nicht plausibel darlegen, weshalb er die behauptete Tätigkeit für das Militär nicht schon in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA und in der Beschwerde vorgebracht hat. Er meinte dazu nur, er kenne die Gesetze nicht und die anderen Asylwerber hätten gemeint, er solle das Militär nicht erwähnen. In der Beschwerde habe er es nicht erwähnt, weil er es auch seinem Anwalt nicht erzählt habe (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Diese Erklärungen konnten aber nicht überzeugen. Es entstand vielmehr der Eindruck, dass der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, er habe für das Militär gearbeitet, sein Chancen auf Asylgewährung erhöhen will. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Behauptung, für das Militär gearbeitet zu haben, sein Vorbringen vor dem BFA, der Grund für seine Flucht sei, dass sein Heimatort nicht mehr sicher gewesen sei und unter anderem die Armee Leute verhaftet hätten, die Sunniten seien, geradezu abwegig erscheinen lässt. Zudem lassen sich die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner angeblichen Tätigkeit für das Militär nicht mit der Fotografie des Militärausweises in Einklang bringen. Der Beschwerdeführer erklärte, dass er 2008 oder 2009 beim Militär begonnen habe. Er sei zunächst Soldat und dann Ende 2013 Erster Soldat gewesen. Diesen Rang habe er bis zu seiner Ausreise gehabt. Überdies erreiche man alle zweieinhalb Jahre einen höheren Rang (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Geht man von einem Beginn seiner Tätigkeit für das Militär spätestens im Jahr 2009 aus, hätte er aber schon im Jahr 2011 oder 2012 den nächsten Rang erreichen müssen und nicht erst Ende 2013. Außerdem ergibt sich aus dem Ausweis, dass dieser mit dem letzten Rang, den der Beschwerdeführer bis zur Ausreise innegehabt hätte, am 15.05.2014 ausgestellt wurde, was den Angaben des Beschwerdeführers, er habe den besagten Rang Ende 2013 erreicht, widerspricht. Schließlich konnte der Beschwerdeführer auch nicht seine ID-Nummer, die sich auf dem Ausweis befindet, angeben, was angesichts einer sechs- bis siebenjährigen Tätigkeit für das Militär nicht nachvollzogen werden kann.

Schließlich konnte der Beschwerdeführer auch nicht erklären, weshalb er die vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht genannten Fluchtgründe noch nicht in der Erstbefragung erwähnt hat. Er meinte dazu nur, er hätte die Gesetze nicht gekannt und die Leute hätten ihm wegen des Militärausweises Angst gemacht (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Der Ausführung, er hätte die Gesetze nicht gekannt, kommt kein Begründungwert zu. Der Beschwerdeführer wurde nämlich in der Erstbefragung gefragt, weshalb er sein Land verlassen habe. Für die Beantwortung dieser Frage ist die Kenntnis von Gesetzen nicht notwendig. Vom Beschwerdeführer wird hier nämlich nur verlangt, seine Ausreisegründe zu schildern. Selbst im Falle tatsächlicher Angst, wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer angibt, bei einer Explosion verletzt worden zu sein und daher das Land verlassen zu haben. Der Beschwerdeführer brachte aber nichts dergleichen vor. Dem Beschwerdeführer gelang es daher nicht, sein vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht erstattetes Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen.

Auf Grund der insgesamt aufgezeigten Widersprüche in seinem Fluchtvorbringen, den Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers, seine vagen Angaben, seines geschilderten Aussageverhaltens sowie den seinen Angaben widersprechenden Angaben seines Bruders geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* UK Home Office, Iraq: Internal relocation, Oktober 2018

* DTM Round 108, Februar 2019

* ACCORD: Irak, 3. Quartal 2018, Kurzübersicht ACLED; 20.12.2018

* Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 9.10.2018

* Der Standard: Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018

* Musings on Iraq, 15.01.2019

* Musings on Iraq, 03.04.2019

* UN Casualty Figures for Irak for the Month of December 2018, 03.01.2019

* Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, 17.12.2018

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auf die in der Beschwerde auszugsweise zitierten Berichte war mangels Aktualität nicht näher einzugehen. In der mündlichen Verhandlung trat der Beschwerdeführer den Berichten nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0047 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 unter Hinweis auf VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohl begründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 24.03.2011, 2008/23/1101 unter Hinweis auf VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119 unter Hinweis auf VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN).

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe, wonach er wegen seiner Clanzugehörigkeit, seiner Religionszugehörigkeit oder seiner Tätigkeit für das Militär bedroht und bei einer Explosion verletzt worden sei, nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine Gruppenverfolgung droht. Dass im Irak eine generelle und systematische Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak nicht abgeleitet werden.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Mit dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP, 5) ausdrücklich angeführt wird - die Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004), insbesondere mit dem neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" deren gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 30f) umsetzen (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen ist, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Heimat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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