TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/24 L524 2149219-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2019
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Entscheidungsdatum

24.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2149219-1/22E

schriftliche Ausfertigung des am 21.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2017, Zl. 1051030110-150115366, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei ledig, sunnitischer Moslem und Araber. Er stamme aus Bagdad, habe dort von 1994 bis 2003 die Grund- und Mittelschule besucht und zuletzt als Polizist gearbeitet. Im Irak würden noch seine Mutter, ein Bruder und drei Schwestern leben. Sein Vater sei seit 2007 vermisst. Am 11.08.2014 sei er legal aus dem Irak ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass es im Irak keine Sicherheit und keine Stabilität gebe. Sein Vater sei 2007 entführt worden und sei seitdem vermisst. Auch sein jüngerer Bruder sei entführt worden. Er wolle eine Familie gründen und ein sicheres sowie friedliches Leben haben. Er habe durch die schiitischen Milizen genug erlitten, weshalb er den Irak verlassen habe.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 22.11.2016 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er im bisherigen Verfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe, aber die Erstbefragung nicht rückübersetzt worden sei. Am 09.10.2014 habe er sich entschlossen, den Irak zu verlassen und am 11.10.2014 sei er tatsächlich ausgereist. Die Schule habe er 2008 mit Matura abgeschlossen und habe anschließend bis 2013 als Taxifahrer in Bagdad gearbeitet. 2013 habe er bei der Polizei zu arbeiten begonnen. Im Irak würden noch seine Mutter, ein Bruder und drei Schwestern leben. Sein Vater sei im Jahr 2007 untergetaucht. Seine Mutter arbeite als Beamtin im Rathaus und sein Bruder in der Gastwirtschaft.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er von der schiitischen "Gieshalmhdi Armee" (Al Mahdi) in seiner Funktion als Polizist belästigt worden sei. Später habe es zwischen dem Chef dieser Gruppe und ihm eine Diskussion gegeben. Einige Tage später sei ihm mitgeteilt worden, dass die Männer der "Gieshalmhdi Armee" mit ihm reden wollten. Dazu sei es nicht gekommen und nach einigen Tagen sei ihm telefonisch mitgeteilt worden, es wäre besser, wenn er den Irak verlasse. Als er am folgenden Tag von der Arbeit nach Hause gekommen sei, habe er ein Fahrzeug vor dem Haus gesehen. Er sei überzeugt gewesen, dass ihm die beiden Männer im Fahrzeug etwas antun könnten, sei weggegangen und wenige Stunden später wieder nach Hause gekommen. Das Fahrzeug sei nicht mehr da gewesen, er habe seine Sachen gepackt, sei zur Tante gefahren und dann ausgereist.

3. Mit Bescheid des BFA vom 16.02.2017, Zl. 1051030110-150115366, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 21.05.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Das BFA entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern, sowie zu den mit der Ladung übermittelten Berichten zur Lage im Irak Stellung zu nehmen. Schließlich wurde das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.

6. Am 29.05.2019 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des am 21.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, Araber und Moslem. Der Beschwerdeführer ist in Bagdad geboren und aufgewachsen. Der Beschwerdeführer besuchte zumindest neun Jahre die Schule in Bagdad. Der Beschwerdeführer war ca. ab dem Jahr 2008 berufstätig. Nicht festgestellt werden kann, welche konkreten Berufe der Beschwerdeführer ausgeübt hat.

Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise mit seiner Mutter, seinem Bruder und seinen drei Schwestern in Bagdad. Die Schwestern sind inzwischen verheiratet und leben bei ihren Ehemännern in Bagdad. Seine Mutter arbeitete als Beamtin im Rathaus in Bagdad und ist derzeit Hausfrau. Der Bruder arbeitet als Buchhalter und war zuvor in der Gastwirtschaft tätig. Der Beschwerdeführer hat zehn Onkel, von denen die meisten in Bagdad leben. Ein Onkel handelt mit Elektronikartikeln, die anderen haben jeweils eine eigene Landwirtschaft. Er hat sechs Tanten, die ebenso überwiegend in Bagdad leben und von ihren Ehemännern versorgt werden. Auch die Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers sind berufstätig und arbeiten zum Teil bei Behörden. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner Mutter und seinem Bruder. Seltener hat er auch Kontakt zu seinen Schwestern. Nicht festgestellt werden kann, dass der Vater des Beschwerdeführers entführt wurde und nicht mehr am Leben ist.

Der Beschwerdeführer verließ im August 2014 legal den Irak und reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 30.01.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe, dass er einen Streit mit dem Chef der Gieshalmhdi-Armee (Al-Mahdi Armee), ihm danach von einem unbekannten Mann mitgeteilt worden sei, es wäre besser, den Irak zu verlassen, dass sein Vater 2007 von der Al-Mahdi-Miliz entführt worden sei, der Beschwerdeführer deswegen eine Verfolgung durch die Al-Mahdi-Miliz befürchtet, im Jahr 2013 inhaftiert worden sei und im Oktober 2014 Personen bei seiner Arbeitsstelle nach ihm gefragt hätten und er deswegen am nächsten Tag ausgereist sei, werden der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandte in Österreich. Er ist gesund, leidet an keiner Krankheit und nimmt keine Medikamente. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer einen Deutschkurs besucht hat. Die Deutschprüfung auf dem Niveau A1 hat der Beschwerdeführer nicht bestanden. Er besucht keine Vereine. Der Beschwerdeführer ist nicht erwerbstätig. Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Dora, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig, und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsversorgung, es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Gemeinschaften bauen Schulen wieder auf. Das US-Außenministerium berichtet, dass Tausende von Schulen in ehemals von IS betroffenen Gebieten wiedereröffnet wurden, aber Kindern von Binnenvertriebenen, insbesondere außerhalb von Lagern, weiterhin die Schulbildung verweigert wird. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber, und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status. Die Verfassung sieht eine Hohe Kommission für Menschenrechte vor.

Mehrere Faktoren beeinflussen die Sicherheitslage im Irak, einschließlich der Aktionen verbliebener IS-Kämpfer (oder anderer extremistischer Kämpfer, die seit der Niederlage von IS aufgetaucht sind), anderer bewaffneter Gruppen (einschließlich der staatlich sanktionierten Popular Mobilization Forces) und historische Spannungen innerhalb der Schiiten und innerhalb der Sunniten. In der Region Kurdistan wird die Sicherheitslage durch Spannungen zwischen der Bundesregierung und der KRG, Spannungen zwischen verschiedenen kurdischen politischen Blöcken und Maßnahmen der Türkei und des Irans beeinflusst.

Am 15. Januar 2018 griff der IS einen Markt im Zentrum von Bagdad an, wobei mindestens 38 Menschen getötet und 105 verletzt wurden. In der irakischen Region Kirkuk wurden 25 Menschen im Vorfeld der nationalen Wahlen vom IS getötet. Der IS behauptet, seit Dezember 2017 58 Angriffe in der Region durchgeführt zu haben. In der Region Kurdistan tötete der IS im Juni 2018 12 Mitglieder einer Familie. Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

Ethnische Minderheiten haben im Irak eine politische Vertretung und nehmen am öffentlichen Leben teil. Die Verfassung erkennt sowohl Arabisch als auch Kurdisch als Amtssprachen an und verankert das Recht des Einzelnen, seine Kinder in Minderheitensprachen wie turkmenisch, syrisch und armenisch zu erziehen. Personen sind aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit einem geringen Risiko einer offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Es besteht möglicherweise ein mäßiges Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt zu sein, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ihre ethnische Zugehörigkeit in der Minderheit ist.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Sie garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabean-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Als Mehrheitsbevölkerung im Irak mit einer dominierenden Rolle in der Regierung werden Schiiten kaum oder gar nicht diskriminiert.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die von IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem moderaten Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt sind. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer-Dokument in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez-passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober schwankten die Zahlen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres 2018 gab es - seit dem Rückzug des sog. IS - die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner 2018 gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni 2018. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 2018 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

Im März 2019 erlebte der Irak die wenigsten Angriffe seit 2003. Im März wurden insgesamt 63 Vorfälle verzeichnet. Zwei Vorfälle fanden zwischen der PKK und der Türkei statt und bei zwei Vorfällen handelte es sich um den Fund von Massengräbern, womit 59 Vorfälle verbleiben. In Diyala gab es 17 Vorfälle, in Kirkuk 15 und in Ninewa elf. Dies war die niedrigste monatliche Gesamtsumme, die jemals verzeichnet wurde und die niedrigste seit der Invasion von 2003. Im Jänner 2018 gab es im Irak insgesamt 224 sicherheitsrelevante Vorfälle. Abgesehen von einem Anstieg im März 2018 sank diese Zahl seither kontinuierlich und liegt im März 2019 bei 59 Vorfällen.

Bagdad war früher das Zentrum von Terroranschlägen mit Dutzenden von Angriffen pro Tag. Jetzt gibt es kaum noch welche. Im März waren es nur vier. Es scheint, dass die Aufständischen die Provinz weitgehend verlassen haben. Im Vergleich dazu waren es im Februar 2018 noch 57. (Joel Wing, Musings on Iraq, 03.04.2019)

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

In Bagdad herrscht Aufbruchsstimmung. Nach Jahren des Kriegs gegen den IS atmet die Stadt sichtlich durch. Die Jugend genießt es, dass das Nachtleben wieder an Fahrt gewinnt. Die Wasserpfeifencafés sind jeden Abend gefüllt. In einigen Stadtteilen gibt es sogar wieder Bars, die Alkohol ausschenken und in denen man Rockkonzerten lauschen und tanzen kann. "Wir hatten jahrelang keine Möglichkeit auszugehen, jetzt wollen wir unser Leben genießen!", erzählt mir ein junger Mann in einem der Cafés in der Omar-Bin-Yasir-Straße. Er und seine Freunde haben jüngst eine Jugendorganisation gegründet, die "Vereinigung der freien Jugend des Irak". Mit dieser wollen sie sich auch aktiv dafür einsetzen, dass man jene Freiheit leben kann, die man leben will. "Bagdad muss wieder ein Ort werden, in dem wir uns wohl fühlen, in dem auch junge Frauen frei leben können und in dem die Religiösen nicht mehr das ganze Leben bestimmen."

Die Stadt hat vieles zu bieten und mittlerweile sieht man auch wieder Frauen in der Nacht auf der Straße, viele davon ohne Kopftuch. Einige zeigen sich sogar in den Cafés. Wer Bescheid weiß findet sogar versteckte Schwulenclubs. Ständig bedroht von gewaltsamen Übergriffen durch bigotte Milizen, versuchen diese nicht aufzufallen. Es gibt sie aber wieder. Auch für Kulturinteressierte hat Bagdad durchaus etwas zu bieten. Im Gegensatz zu den irakischen Kleinstädten ist Bagdad eine wirkliche Weltstadt mit einem kulturellen Angebot, mit Kinos, Theatern und einer ganzen Straße, die für ihre Buchläden bekannt ist. Die nach dem klassischen arabischen Dichter Abu at-Tayyib al-Mutanabbi benannte Mutanabbi-Staße, die 2007 noch Tatort eines blutigen Anschlags wurde, ist wieder in vollem Betrieb. An Freitagen finden hier Gedichtrezitationen unter freiem Himmel statt, ansonsten werden Bücher aller Art verkauft. Von klassischer arabischer Lyrik über moderne Romane bis zu religiöser Literatur ist hier alles zu finden. (derstandard.at, Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018)

Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Im Dezember 2018 ordnete der neue Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi an, die mit Betonmauern geschützte Hochsicherheitszone im Zentrum der Stadt für einige Stunden am Tag zu öffnen. Seit 2003 war das Gebiet, in dem Ministerien und die US-Botschaft liegen, für normale Iraker praktisch unzugänglich. Die Mauern, die dort über viele Jahre hochgezogen wurden, werden langsam abgebaut. Deutschland hatte den Kampf gegen den IS im Irak vor allem mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Im Camp Tadschi nahe Bagdad bildet die deutsche Bundeswehr irakische Soldaten aus. Die deutsche Bundesregierung setzt jetzt verstärkt auf zivile Hilfe. Deutschland ist nach den USA das Land, das den Irak in den vergangenen vier Jahren am stärksten mit Hilfsgeldern für Entwicklung, Stabilisierung und Wiederaufbau unterstützt hat. Mehr als 1,5 Milliarden Euro wurden dafür bereitgestellt. Die Bundesregierung hofft darauf, dass ein stabiler Irak die Nahost-Region insgesamt beruhigen kann. (Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 28.02.2019 wurden 1,7 Millionen IDPs (290.830 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 104 Distrikte identifiziert. Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an. Die Zahl der Rückkehrer betrug zum 28.02.2019 4,2 Millionen (701.997 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Zeitraum Januar und Februar 2019 gab es 46.662 Rückkehrer. Die meisten kehrten nach Ninewa (27.150 Personen), Salah al-Din (11.214) und Kirkuk (3.744) zurück. Die Zahl der IDPs geht in allen Gouvernements, ausgenommen Erbil und Najaf, zurück. Im Januar und Februar 2019 wurde ein Rückgang von 57,852 IDPs verzeichnet, davon die meisten in Ninewa (-29.358, -5%), Salah al-Din (-9.168, -7%) und Anbar (-6.822, -13%). Nahezu alle Familien (95%, 4.008.840 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (72.378) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (130.64) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben 85 Prozent in drei Gouvernements: 41% sind in Ninewa (53.784), 24 % in Salah al-Din (30.864) und 20 % in Diyala (25.878). (Displacement Tracking Matrix, Round 108, Februar 2019)

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellungen zu seinen familiären Lebensumständen in Österreich und seinem Gesundheitszustand gründen sich auf seine Angaben in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellungen zu seinen Familienangehörigen, deren Wohnorten und beruflichen Tätigkeiten im Irak ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer einen Deutschkurs besucht hat, da er keine diesbezügliche Bestätigung vorgelegt hat. Der Beschwerdeführer brachte vor, eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 nicht bestanden zu haben. Die Feststellung, dass er keinen Verein besucht und nicht erwerbstätig ist, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 24.06.2019.

Es war dem Beschwerdeführer nicht möglich glaubhaft zu machen, dass er sunnitischer Moslem ist. Er konnte kein Dokument vorlegen, aus dem hervorginge, dass er sunnitischer Moslem sei. Zudem war es ihm auch nicht möglich, jene konkrete sunnitische Glaubensrichtung anzugeben, der er angehören würde. Er konnte überhaupt nur eine einzige sunnitische Glaubensrichtung benennen, erklärte er aber nicht, selbst dieser anzugehören. Auch wenn man, wie der Beschwerdeführer behauptet, nicht so gläubig sei, entspricht es doch der Lebenserfahrung, dass zumindest die Angabe möglich ist, welcher sunnitischen Glaubensrichtung man angehört (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). In anderen Beschwerdeverfahren zeigte sich auch, dass Beschwerdeführer sehr wohl in der Lage sind, zumindest ihre konkrete sunnitische Glaubensrichtung anzugeben. Der Beschwerdeführer verfügt über mehrjährige Schulbildung, weshalb es ihm möglich sein müsste, die konkrete sunnitische Glaubensrichtung zu benennen, der er angehöre. Da der Beschwerdeführer dazu nicht im Stande war, ist es nicht glaubhaft, dass er sunnitischer Moslem ist. Es konnte daher auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sunnitischer Moslem ist.

Gegen eine persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht, dass er zum Verbleib seines Reisepasses keine wahrheitsgemäßen Angaben machte, sondern sich diesbezüglich unterschiedlich äußerte. In der Erstbefragung gab er an, dass ihm der Reisepass in der Türkei gestohlen worden sei (Seite 4 des Protokolls der Erstbefragung). Dagegen gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er seinen Reisepass in der Türkei verloren habe (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls). Auf Vorhalt seiner dazu widersprüchlichen Angaben in der Erstbefragung, stellte der Beschwerdeführer den Verbleib seines Reisepasses wiederum als Diebstahl dar. Wenngleich die Angaben zum Verbleib des Reisepasses hier nicht zum Kernpunkt der Glaubhaftmachung des dargelegten "Fluchtgrundes" gehören, vermögen diese dennoch einen gewissen Einblick in die Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers, im Hinblick auf die Bereitschaft im gegenständlichen Antragsverfahren Falschaussagen zu machen, zu verschaffen.

Hinsichtlich seines Schulbesuchs machte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren widersprüchliche Angaben, was ebenso gegen seine persönliche Glaubwürdigkeit spricht. In der Erstbefragung gab er an, von 1994 bis 2003 die Grund- und Mittelschule besucht zu haben (Seite 1 des Protokolls der Erstbefragung). In der Einvernahme vor dem BFA brachte er hingegen vor, dass er die Grundschule von 1995 bis 2001 besucht habe, die Mittelschule von 2001 bis 2006 besucht und schließlich im Jahr 2008 maturiert habe (Seite 4 des Protokolls der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er, dass er sechs Jahre die Volksschule sowie drei Jahre die Hauptschule besucht habe und die Hauptschule ca. 2007 verlassen habe. Er habe dann "vermutlich" im Jahr 2012 die Prüfung der "6. Klasse" außerhalb der Schule absolviert (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Hinsichtlich der Dauer des Besuchs der Grund- bzw. Volksschule machte der Beschwerdeführer übereinstimmende Angaben. Die Dauer des Besuchs der danach anschließenden Schule, stimmte jedoch nicht mehr überein, da er vor dem BFA erklärte, fünf Jahre die Mittelschule besucht zu haben, während er vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, drei Jahre die Hauptschule besucht zu haben. Diese divergierenden Angaben lassen den Beschwerdeführer nicht glaubwürdig erscheinen. Außerdem konnte auf Grund dieser unterschiedlichen Angaben auch nur festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zumindest neun Jahre die Schule besucht hat, zumal dieser Zeitraum in sämtlichen Angaben Deckung findet.

Der Beschwerdeführer machte auch zu seiner beruflichen Tätigkeit im gesamten Verfahren unterschiedliche Angaben, die ebenso gegen seine persönliche Glaubwürdigkeit sprechen. In der Einvernahme vor dem BFA gab er an, dass er von 2008 bis 2013 als Taxifahrer in Bagdad gearbeitet und im Jahr 2013 seine Arbeit bei der Polizei begonnen habe (Seite 4 des Protokolls der Einvernahme). Davon völlig abweichend behauptete er in der mündlichen Verhandlung, er habe ab 2007 für zwei Jahre bei einem Bauunternehmen und danach für etwa ein Jahr als Privatchauffeur für einen Zeitungsdirektor gearbeitet. Anschließend habe er mehrere freiberufliche Tätigkeiten ausgeübt und am 22.12.2012 bei der Polizei zu arbeiten begonnen (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Von Letzterem wich der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erneut ab und meinte - im Zusammenhang mit der Schilderung seines Fluchtgrundes -, dass er ca. im Dezember 2013 bei der Polizei in Bagdad zu arbeiten begonnen habe (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Angesichts dieser eklatanten Widersprüche waren Art und Ausmaß der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers im Irak nicht feststellbar und konnte lediglich die Feststellung getroffen werden, dass er im Irak über Berufserfahrung verfügt, nicht jedoch, welche konkreten Berufe er ausübte.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, sein Fluchtvorbringen in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern.

Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung als Fluchtgrund an, dass es im Irak keine Sicherheit und keine Stabilität gebe. Er sei ein junger Mann und wolle eine Familie gründen. Sein Bruder sei entführt worden und im Jahr 2007 sei sein Vater entführt worden und werde seither vermisst. Er wolle ein sicheres und friedliches Leben haben und habe durch die schiitischen Milizen genug erlitten (Seite 5 des Protokolls der Erstbefragung). In der Einvernahme vor dem BFA änderte der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund ab und brachte vor, dass er einen Streit mit dem Chef der Gieshalmhdi-Armee (Al-Mahdi Armee), ihm danach von einem unbekannten Mann mitgeteilt worden sei, es wäre besser, den Irak zu verlassen (Seite 5 des Protokolls der Einvernahme). Schon auf Grund dieser Auswechslung des Fluchtgrundes ist es nicht glaubhaft, dass es die fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings ist eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan - vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind - zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hat in der folgenden Einvernahme vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund darlegt als in der folgenden Einvernahme vor dem BFA. Vielmehr entsteht dadurch der Eindruck, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung einen völlig anderen Fluchtgrund nannte als noch vor dem BFA, was letztlich dazu führt, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, seine vorgebrachten Fluchtgründe glaubhaft zu machen.

Völlig anders stellte der Beschwerdeführer seine Ausreisegründe in seiner Einvernahme vor dem BFA dar, wo er anführte, in seiner "Funktion als Polizist" von der "Gieshalmhdi Armee" (Al-Mahdi Armee) belästigt worden zu sein. Er habe mit dem Chef der "Gieshalmhdi Armee" eine heftige, aber ausschließlich verbale Diskussion auf einem Markt in Bagdad gehabt, bei der ihm mitgeteilt worden sei, dass er überhaupt froh sein müsse, wenn er in diesem Stadtteil ( XXXX ) leben dürfe. "Einige Tage später" sei ein Unbekannter zu ihm gekommen und habe ihm mitgeteilt, dass die Männer der "Gieshalmhdi Armee" mit ihm reden wollen würden. Dazu sei es nicht gekommen und der Beschwerdeführer habe den Kontakt mit diesen Männern vermieden. "Nach einigen Tagen" habe er einen Anruf von dem Unbekannten erhalten, bei dem ihm mitgeteilt worden sei, es wäre besser für ihn, wenn er den Irak. Der Beschwerdeführer habe dies jedoch "nicht richtig wahrgenommen" und sei in Bagdad geblieben. Einen Tag später habe er vor seinem Haus ein Fahrzeug mit zwei männlichen Insassen gesehen, von denen er überzeugt gewesen sei, dass diese ihm etwas antun könnten. Er sei deshalb weggegangen und nach drei, vier Stunden zurückgekehrt. Das Fahrzeug sei dann nicht mehr dort gewesen. Noch am selben Abend habe er seine Sachen gepackt und sei zu seiner Tante gegangen, wo er die letzte Nacht vor seiner Ausreise verbracht habe. Von seiner Tante aus habe er noch einmal mit dem Mann der "Gieshalmhdi Armee" telefoniert, der ihm mitgeteilt habe, dass es besser wäre, wenn er den Irak verlasse (Seiten 5 und 6 des Protokolls der Einvernahme). Dieses Vorbringen war gekennzeichnet von vagen und unkonkreten Angaben. Der Beschwerdeführer nannte keinerlei Daten, wann sich die von ihm geschilderten Vorfälle ereignet hätten. Auch waren die Schilderungen nicht dergestalt, dass angenommen werden könnte, der Beschwerdeführer berichte von persönlich Erlebten. Im gesamten Vorbringen fehlt es an Details, weshalb von einer plastischen Schilderung nicht gesprochen werden kann.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, seinen Fluchtgrund zu schildern. Anders als erwartet, schilderte der Beschwerdeführer aber weder jenen Fluchtgrund, den er in der Erstbefragung vorbrachte, noch jenen Fluchtgrund, den er in der Einvernahme vor dem BFA angab. Der Beschwerdeführer präsentierte vielmehr einen völlig neuen Fluchtgrund. Der Beschwerdeführer brachte damit im gesamten Verfahren drei verschiedene Gründe für das Verlassen Iraks vor. Auf Grund dieses Aussageverhaltens ist es ihm daher nicht gelungen, seine Fluchtgründe glaubhaft zu machen.

In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer nämlich vor, dass seine Familie ein Haus in Diyala besessen habe. Dieses sei Anfang 2013 vermietet worden. Nachdem er im April 2013 die weitere Miete verlangt habe, habe sich herausgestellt, dass statt des Mieters die Familie " XXXX " das Haus versiegelt habe und nun eine Person darin wohne, die der Miliz Al-Mahdi angehöre. Der Beschwerdeführer habe drei Vermittler geschickt, um das Problem zu lösen. Im August 2013 habe er mit dem Bewohner telefoniert und sei dabei beleidigt und bedroht worden. Am 11.09.2013 habe er noch einmal mit ihm telefoniert und sie hätten sich gegenseitig beleidigt. Im Hintergrund habe er jemanden gehört, der gesagt habe, er werde ebenso wie sein Vater ermordet werden. Am nächsten Tag, dem 12.09.2013, sei er bei seinem Onkel im Geschäft gewesen, als drei Personen gekommen seien, die gesagt hätten, sie seien von einem Sicherheitsdienst, und sich nach dem Beschwerdeführer erkundigt hätten. Er sei mit ihnen mitgefahren, im Auto gefesselt und geschlagen worden. Im Nachhinein habe er erfahren, dass er zur Gendarmerie gebracht worden sei. Dort habe man sich nach dem Beschwerdeführer und seinem Vater erkundigt. Dann sei jemand der Familie " XXXX " gekommen und habe sich ebenso nach dem Vater des Beschwerdeführers erkundigt. 24 Tage sei er festgehalten worden, dann zu Gericht gebracht und vom Richter freigelassen worden. Nach der Entlassung habe er bei Bekannten gelebt. Am 24.11.2013 sei er entlassen worden und einen Monat später habe er bei der Polizei zu arbeiten begonnen. Im Oktober 2014 habe er Dienst bei seinem Regiment am XXXX gehabt. Ein Freund habe ihm erzählt, dass ein Auto mit drei Personen gekommen sei, nach dem Beschwerdeführer gefragt habe, aber nicht hineingelassen worden sei. Der Beschwerdeführer habe gewusst, was auf ihn zukommen werde, habe gekündigt, sei nach Hause gegangen, habe die Sachen gepackt und sei am nächsten Tag aus dem Irak ausgereist (Seiten 8 bis 10 des Verhandlungsprotokolls). Damit wird deutlich, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht einen neuen Fluchtgrund schilderte, der mit den in der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA präsentierten Fluchtgründen nicht korrespondiert.

Darüber hinaus ist es auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich als Polizist gearbeitet hat. Wie bereits oben ausgeführt, machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben dahingehend, wann er bei der Polizei zu arbeiten begonnen habe. Zudem machte unterschiedliche Angaben zur konkreten Tätigkeit bei der Polizei. Beim BFA gab er an, als uniformierter Streifenpolizist gearbeitet zu haben. Die Ausbildung dafür habe 50 Tage in Anspruch genommen und es habe außerdem noch eine Zusatzausbildung von 26 Tagen gegeben (Seite 4 des Protokolls der Einvernahme). Hingegen behauptete er in der mündlichen Verhandlung, bei einem Regiment am XXXX gearbeitet zu haben und schon ca. einen Monat, nachdem er beantragt habe, bei der Polizei aufgenommen zu werden, habe er zu arbeiten begonnen. Eine Ausbildungsdauer von ca. 76 Tagen brachte er hier nicht vor (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Einen Dienstausweis, der seine Tätigkeit bei der Polizei belegen würde, konnte der Beschwerdeführer (auch nicht in Kopie) vorlegen. Der Beschwerdeführer legte mehrere Schreiben - in Kopie - vor, die seine Behauptung, für die irakische Polizei gearbeitet zu haben, belegen sollen. Zu diesen Dokumenten ist jedoch festzuhalten, dass alle eine Person namens " XXXX " betreffen (OZ 17; schriftliche Übersetzung der Dokumente; in der mündlichen Verhandlung wurden die Dokumente ebenso übersetzt, wobei die Schreibweise des Großvatersnamen - das ist der dritte Name - unwesentlich abweicht: XXXX ). Der vom Beschwerdeführer ebenso vorgelegte Staatsbürgerschaftsnachweis lautet auf den Namen XXXX (AS 81). Damit wird deutlich, dass völlig unterschiedliche Familiennamen vorliegen, weshalb insofern schon Zweifel an der Echtheit der Dokumente entstanden sind, die die behauptete Tätigkeit für die Polizei belegen sollen. Seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte der Beschwerdeführer darüber hinaus unter dem Namen XXXX , der wiederum mit dem Familiennamen auf dem Staatsbürgerschaftsnachweis ( XXXX ) und den Dokumenten, die die Polizeitätigkeit belegen sollen ( XXXX ), nicht übereinstimmt. Auch wenn sich der im Staatsbürgerschaftsnachweis angegebene Nachname ( XXXX ) auf den anderen Dokumenten ebenso findet, und zwar dort als Großvatersname, bleibt dennoch ein unauflösbarer Widerspruch zu jenem Familiennamen, unter dem der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Zudem lassen sich die Angaben in den vorgelegten Dokumenten nicht mit den Ausführungen des Beschwerdeführers zur Polizeitätigkeit vereinbaren. Dass der Beschwerdeführer, wie zunächst in der mündlichen Verhandlung behauptet, am 22.12.2012 bei der Polizei zu arbeiten begonnen hätte, lässt sich den von ihm vorgelegten Dokumenten nicht entnehmen. Laut dem von ihm vorgelegten Einstellungsbescheid (AS 77) sei der Beschwerdeführer am 23.12.2013 eingestellt worden. Dieses Schreiben trägt oben das Datum 22.12.2013 und unten 22.12.2013. Dass am 22.12.2013 bestätigt wird, dass der Beschwerdeführer am 23.12.2013 (und somit am Folgetag) eingestellt worden sei, mutet seltsam an. In diesem Schreiben wird zudem auf einen Verwaltungsbescheid Nr. XXXX vom 31.10.2013 (AS 75) verwiesen, auf Grund dessen der Beschwerdeführer eingestellt worden sei. In diesem Zusammenhang sind nun die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zu betrachten, wo er erklärte, er habe nach seiner Haftentlassung (!) am 24.11.2013 über Internet beantragt, bei der Polizei anfangen zu können und habe ca. einen Monat nach der Haftentlassung bei der Polizei zu arbeiten begonnen (Seite 9 und 10 des Verhandlungsprotokolls). Dies lässt sich nicht mit den Angaben im Dokument vereinbaren, wonach der Beschwerdeführer auf Grund eines Bescheides vom Oktober 2013 zu arbeiten begonnen haben. Zudem ist es auch nicht wahrscheinlich, dass jemand, der in Haft gewesen sei, nur einen Monat nach Haftentlassung (mangels Beweisen) bei der Polizei zu arbeiten beginnt. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht sofort nach Dienstantritt einen Polizeiausweis erhalten haben will, sondern sich nur mit einem Schreiben (AS 71) an das Amt für Ausweise ausgewiesen haben will, wonach er (für den Dienstausweis) fotografiert werden soll (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Viel wahrscheinlicher wäre es in einem solchen Fall, sich mit dem Einstellungsbescheid (AS 77) auszuweisen, nicht mit dem Dokument (AS 71), das sich an das Amt für Ausweise richtet, wonach der Beschwerdeführer fotografiert werden soll. An dieser Stelle ist auch darauf zu verweisen, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer über Schreiben verfügt, die gar nicht an ihn gerichtet sind, sondern an die Polizeidirektion (AS 69, 71). Auf die diesbezügliche Frage meinte der Beschwerdeführer, er hätte diese Dokumente, da es im Irak so üblich sei, selbst von einer Stelle zur anderen bringen müssen. Dass Behörden nicht direkt miteinander kommunizieren und damit die Schreiben selbst an die andere Behörde übermitteln, kann nicht nachvollzogen werden. Aus all den angeführten Gründen ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich als Polizist gearbeitet hat.

Hinsichtlich seines Vaters brachte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erstmals vor, dass dieser Baathist gewesen sei und als Saddam Hussein die Macht verloren habe, habe sein Vater alles liegen und stehen gelassen und habe den Ort, wo er gearbeitet habe, verlassen. Ein Jahr habe die Familie nicht gewusst, wo sich der Vater befinde. Sie hätten nur gewusst, dass er bei Verwandten sei. Dann sei der Vater wieder gekommen und habe sich ca. einen Monat bei der Familie aufgehalten. Er habe der Familie mitgeteilt, dass er ausreisen wolle und sich einen Reisepass ausstellen lasse. Am 09.05.2007 sei der Vater auf dem Weg in die Tiefgarage des Magistrats gewesen, um sich den Reisepass abzuholen und dabei entführt worden. Am nächsten Tag sei vom Beschwerdeführer Lösegeld in Höhe von 70.000 US-Dollar verlangt worden. Ob sein Vater noch lebe, wisse die Familie nicht (Seite 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls). Diese Schilderungen weichen erheblich von den vor dem BFA und in der Erstbefragung erfolgten Angaben zum Schicksal des Vaters ab. In der Erstbefragung erklärte der Beschwerdeführer, sein Vater sei 2007 entführt worden und sei seither vermisst. Dass Lösegeld verlangt worden sei, brachte er nicht vor (Seite 5 des Protokolls der Erstbefragung). Davon abweichend gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA an, dass sein Vater im Jahr 2007 untergetaucht sei und er nicht wisse, wo der Vater sei. Weder behauptete er, der Vater sei entführt worden noch, dass Lösegeld verlangt worden sei (Seite 4 des Protokolls der Einvernahme). An dieser Stelle ist jedoch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer in derselben Einvernahme vor dem BFA, nur kurz vor seinen Angaben zum Untertauchen des Vaters erklärte, dass er nur seinen Eltern gesagt habe, er werde den Irak verlassen und seine Eltern einen Teil der Kosten des Schleppers beigesteuert hätten (Seite 4 des Protokolls der Einvernahme). Diese Angaben sind mit der Behauptung, er wisse nicht, wo sein Vater sei, nicht in Einklang zu bringen. Die Angaben, dass er von den Eltern bei der Ausreise finanziell unterstützt worden sei, sprechen auch dafür, dass der Vater des Beschwerdeführers noch am Leben ist und die Behauptung, er wisse nicht, wo der Vater sei, bloß dazu dienen soll, das Fluchtvorbringen aufzubauschen.

Der Beschwerdeführer legte auch die Kopie eines Dokuments vor, welche belegen soll, dass der Vater vermisst werde (AS 73, Übersetzung OZ 17). Es handelt sich dabei um eine Anzeige, die der Beschwerdeführer im Jahr 2009 erstattet habe. Aus diesem geht zwar das vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung genannte Datum 09.05.2007, seitdem der Vater vermisst sei, hervor, doch steht in der Anzeige weiters, dass der Vater auf dem Weg in die Arbeit gewesen sei, was widersprüchlich zu den Angaben in der mündlichen Verhandlung ist, wonach der Vater auf dem Wege zum Magistrat gewesen sei, um sich seinen Reisepass abzuholen. Zudem wurde diese Anzeige erst am 23.04.2009 und somit fast zwei Jahre nachdem der Vater bereits vermisst wurde, erstattet, was nicht plausibel nachvollziehbar ist. Es sind daher insgesamt erhebliche Zweifel dahingehend entstanden, dass der Vater tatsächlich entführt sein bzw. vermisst werden soll. Es konnte daher auch nicht festgestellt werden, dass der Vater entführt worden oder vermisst und nicht mehr am Leben sei.

In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer zwar vor, dass sein Vater Baathist gewesen und entführt worden sei, doch kann seinen Schilderungen nicht entnommen werden, dass beide Behauptungen in Zusammenhang miteinander stünden. Der Beschwerdeführer hat die Ereignisse in den Jahren 2006 und 2007 derart lose aneinandergereiht, so dass kein Zusammenhang zwischen dem Verschwinden des Vaters und der behaupteten Tätigkeit für die Baath-Partei erkennbar war.

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht plausibel erklären, weshalb er den vor dem Bundesverwaltungsgericht geschilderten Fluchtgrund noch nicht vor dem BFA vorbrachte. Die Behauptung, er hätte Angst gehabt, überzeugt nicht (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem BFA behauptete er sogar, alles gesagt zu haben (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme). Selbst wenn er Angst gehabt hätte, hätte er den nunmehr behaupteten Fluchtgrund in der Beschwerde oder einer Beschwerdeergänzung vorbringen können, hat dies aber nicht getan, zumal sich der Beschwerdeführer auch mehrmals an das Bundesverwaltungsgericht wandte und um eine positive Entscheidung bzw. Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersuchte.

Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung ebenso wenig überzeugend darlegen, weshalb er den erstmals in der mündlichen Verhandlung geschilderten Fluchtgrund sowie die Behauptung, sein Vater sei Baathist gewesen, nicht schon in seiner Beschwerde vorbrachte. Er gab dazu nur an, sein Anwalt hätte für ihn die Beschwerde geschrieben und habe ihm gesagt, er solle alles vor Gericht sagen (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, in dem Fall, dass der Beschwerdeführer nicht seine vollständigen Fluchtgründe vor dem BFA angegeben habe, diesem raten solle, die Fluchtgründe erst bei Gericht zu erzählen, ohne irgendwelche Hinweise darauf in der Beschwerde, vermag vor dem Hintergrund, dass der Vertreter des Beschwerdeführers auf die Vertretung in Asylverfahren spezialisiert ist, nicht zu überzeugen. Vielmehr entstand der Eindruck, dass der Beschwerdeführer mit dem erstmals in der mündlichen Verhandlung geschilderten Vorbringen bloß versucht, seine Chancen auf Asylgewährung zu erhöhen und das Geschilderte gar nicht den Tatsachen entspricht, weshalb auch in der Beschwerde noch nicht die Rede davon ist.

Auf den Vorhalt, dass er weder den vor dem BFA noch den vor dem Bundesverwaltungsgericht geschilderten Fluchtgrund in der Erstbefragung angab, meinte der Beschwerdeführer nur, er sei müde gewesen. Dies erklärt aber nicht, weshalb er eine Verfolgung seiner Person - wenn diese tatsächlich stattgefunden haben soll - nicht vorbringt. Vielmehr entsteht dadurch der Eindruck, dass die später vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht vorgebrachten und zudem widersprüchlich geschilderten Fluchtgründe nicht den Tatsachen entsprechen.

Das ausschließlich in der mündlichen Verhandlung erstattete Vorbringen, der Beschwerdeführer sei in Haft gewesen, konnte dieser außerdem nicht glaubhaft machen. Vor dem BFA schloss er nämlich ausdrücklich aus, jemals inhaftiert gewesen zu sein (Seite 5 des Protokolls der Einvernahme). Auch in seiner Beschwerde erwähnte er nicht, dass er in Haft gewesen wäre. Die von ihm vorgelegte Fotografie betreffend seine Haftentlassung ist auch bloß ein handgeschriebener Zettel und erweckte nicht den Eindruck, dass es sich um ein offizielles Dokument handelt, zumal die übrigen von ihm vorgelegten Kopien der Dokumente gänzlich anders aussehen und etwa ein Logo aufweisen und mittels Textverarbeitungsprogramm erstellt wurden. Der Beschwerdeführer schilderte in der mündlichen Verhandlung auch, dass er am 12.09.2013 mitgenommen worden sei und bei der Gendarmerie geschlagen worden sei. Am 24.11.2013 sei er dann freigelassen worden (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch aus dem Zettel betreffend die Haftentlassung geht das Datum 24.11.2013 hervor. Der Beschwerdeführer sei wegen nicht ausreichender Beweismittel freigelassen worden. Damit nicht in Einklang zu bringen ist aber die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei 24 Tage festgehalten worden. Wenn der Beschwerdeführer am 12.09.2013 festgenommen worden sei, hätte er bereits Anfang Oktober 2013 freikommen müssen. Im Zettel betreffend die Haftentlassung wird zwar ein Vorfall vom 18.09.2013 erwähnt, aber selbst von diesem Tag an gerechnet hätte der Beschwerdeführer spätestens Mitte Oktober 2013 und nicht wie behauptet und wie aus dem Zettel betreffend die Haftentlassung hervorgeht, erst am 24.11.2013 entlassen werden müssen. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich inhaftiert gewesen sei.

Der Beschwerdeführer schilderte vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er im Rahmen seiner 24-tägigen Anhaltung auch von Mitgliedern der Familie XXXX geschlagen und nach seinem Vater gefragt worden sei. Er sei mehrmals gefragt worden, wer seinen Vater entführt habe. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb vom Beschwerdeführer im Jahr 2013, also ganze sechs Jahre nach der angeblichen Entführung seines Vaters, plötzlich Informationen über den Vater verlangt würden. Auch dies ließ letztlich nur den Schluss zu, dass es sich bei dem neuen Vorbringen des Beschwerdeführers um ein bloßes gedankliches Konstrukt handelt, welches er mangels Tatsachengehalts nicht nachvollziehbar darlegen hat können.

Der Beschwerdeführer gab an, dass sich im Oktober 2014 ein Vorfall bei seinem Regiment am XXXX ereignet habe und er am nächsten Tag den Irak verlassen habe (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dies war aber mit seinen Angaben in der Erstbefragung, dass er am 11.08.2014 aus dem Irak ausgereist sei, nicht in Einklang zu bringen ist. Auf diesen Vorhalt meinte er auch: "Es gibt viele Sachen, wo ich gelogen habe. Ich wusste nicht, wie ich antworten soll.". Auf die Erwiderung, die Wahrheit zu sagen, meinte er nun, dass ihm Leute in der Türkei gesagt hätten, er solle lügen (Seiten 11 und 12 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer räumt damit selbst ein, dass er es mit der Wahrheit nicht sehr genau nimmt. Auch aus diesem Grund ist es nicht glaubhaft, dass sich der nun vor dem Bundesverwaltungsgericht geschilderte Fluchtgrund tatsächlich ereignet haben soll. Den in der Erstbefragung noch unbefangen gemachten Angaben und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Erstbefragung der Ermittlung der Reiseroute dient, wird den in der Erstbefragung mehrfach vom Beschwerdeführer getätigten Angaben, dass er am 11.08.2014 den Irak verlassen habe, mehr Glaubwürdigkeit zugestanden, als den nachfolgenden Angaben in der Einvernahme vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht zum Zeitpunkt des Verlassens des Iraks. Es erfolgte daher auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im August 2014 den Irak verlassen hat.

Der Beschwerdeführer schilderte vor dem BFA einen Fluchtgrund und Ereignisse, die er vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr vorbrachte. Umgekehrt schilderte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht einen Fluchtgrund und Ereignisse, die er vor dem BFA noch nicht angab. Auf Grund der insgesamt aufgezeigten Widersprüche zu seinem zentralen Fluchtvorbringen und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers, des gesteigerten Vorbringens, der vagen Angaben und seines Aussageverhaltens geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* UK Home Office, Iraq: Internal relocation, Oktober 2018

* Fact Sheet Irak, Nr. 70, 21.06.2018 - 05.09.2018

* DTM Round 108, Februar 2019

* ACCORD: Irak, 3. Quartal 2018, Kurzübersicht ACLED; 20.12.2018

* Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 9.10.2018

* Der Standard: Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018

* Musings on Iraq, 15.01.2019

* Musings on Iraq, 03.04.2019

* UN Casualty Figures for Irak for the Month of December 2018, 03.01.2019

* Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, 17.12.2018

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer trat diesen Feststellungen in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert entgegen. Auf die in der Beschwerde auszugsweise zitierten Berichte war mangels Aktualität nicht näher einzugehen. Dem in der Beschwerde gestellten Antrag, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation im Irak befasse, war nicht nachzukommen, da ohnehin aktuelle Berichte zur Lage im Irak herangezogen wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0047 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren ei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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