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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwalt in Wien III, Invalidenstraße 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. Juli 1997, Zl. RU6-St-Sch-974/1, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des KFG 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.430,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Zwettl, vom 20. März 1997 wurde die auf den Beschwerdeführer lautende Zulassung eines dem Kennzeichen und der Fahrgestellnummer nach konkretisierten Motorrades aufgehoben. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zu Handen einer von ihm als Zustellungsbevollmächtigtem namhaft gemachten Person zugestellt; laut dem im vorgelegten Verwaltungsakt erliegenden Rückschein wurde die den Bescheid enthaltende Sendung am 25. März 1997 nach einem erfolglosen Zustellversuch beim zuständigen Postamt hinterlegt und lag von diesem Tag an zur Abholung bereit.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine am 9. April 1997 zur Post gegebene, nicht unterfertigte Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Erstbescheid vom 20. März 1997 "zurückgewiesen und der Bescheid der Behörde I. Instanz bestätigt".
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer ist insofern im Recht, als es auf den ersten Blick in sich widersprüchlich erscheint, daß es im Spruch des angefochtenen Bescheides heißt, die Berufung werde zurückgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid werde bestätigt. Die Bestätigung des mit Berufung bekämpften Bescheides durch die Berufungsbehörde bedeutet im Normalfall, daß die Berufungsbehörde über die Berufung eine negative Sachentscheidung und damit in der Sache eine mit dem Erstbescheid gleichlautende Entscheidung gefällt hat. Damit steht im Widerspruch, daß die Berufung zurückgewiesen wird.
Ist der Spruch eines Bescheides unklar, so ist zu dessen Auslegung die Begründung des Bescheides heranzuziehen. Dies führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, daß der angefochtene Bescheid als Verweigerung einer Sachentscheidung über die Berufung zu werten ist. In der Begründung wird ausgeführt, daß die Berufung wegen Nichtbefolgung eines Auftrages zur Behebung eines Mangels im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG unzulässig ist sowie daß sie verspätet erhoben wurde. Mit dem Inhalt von Erstbescheid und Berufung setzt sich die belangte Behörde nicht auseinander. Die Wendung betreffend die Bestätigung des Erstbescheides hat somit lediglich die Funktion, darauf hinzuweisen, daß der Erstbescheid infolge Zurückweisung der dagegen erhobenen Berufung in Rechtskraft erwachsen ist.
Es ist damit zu prüfen, ob die Zurückweisung der Berufung zu Recht erfolgt ist.
2. Den Grund für die Zurückweisung sah die belangte Behörde zunächst darin, daß sie dem Beschwerdeführer die nicht unterfertigte Berufung zur Nachholung der Unterfertigung übermittelt, der Beschwerdeführer dieser Aufforderung aber nicht entsprochen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den ihm zunächst von der belangten Behörde nicht vorgelegten Akt des Berufungsverfahrens eingeholt. In diesem Akt erliegt ein mit 2. Mai 1997 datiertes Schreiben der belangten Behörde an den Beschwerdeführer (zu Handen des namhaft gemachten Zustellungsbevollmächtigten).
Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut: "Mit undatiertem Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Zwettl ... haben Sie gegen den im Betreff genannten Bescheid Berufung erhoben. Da die Berufung keine Unterschrift aufweist, werden Sie ersucht, die in der Beilage übermittelte Berufungsschrift binnen einer Frist von 8 Tagen eigenhändig zu unterschreiben und an das Amt der NÖ Landesregierung ... zu retournieren". Das Schreiben trägt ferner einen mit 7. Mai 1997 datierten Abfertigungsvermerk, eine Zustellung gegen Zustellnachweis scheint nicht angeordnet worden zu sein. Ein Zustellnachweis befindet sich jedenfalls nicht im Akt.
Gemäß § 13 Abs. 4 AVG kann die Behörde, wenn sie Zweifel darüber hat, ob ein schriftliches Anbringen ohne eigenhändige und urschriftliche Unterschrift von der darin genannten Person stammt, eine Bestätigung durch ein schriftliches Anbringen mit eigenhändiger und urschriftlicher Unterschrift auftragen, und zwar mit der Wirkung, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist nicht mehr behandelt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß ein Anwendungsfall des § 13 Abs. 4 AVG insofern gegeben war, als die belangte Behörde Zweifel daran haben konnte, daß die Berufung vom Beschwerdeführer stammt. Der Verwaltungsgerichtshof ist aber der Auffassung, daß es im Sinne des § 13a AVG gegenüber einer nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertretenen Partei eines ausdrücklichen Hinweises darauf bedarf, daß die Nichtbefolgung des Auftrages zur nachträglichen Unterfertigung des Anbringens bzw. zur Nachbringung einer eigenhändigen Unterschrift die im § 13 Abs. 4 AVG vorgesehene Folge der Nichtbehandlung haben kann. Das Fehlen eines solchen Hinweises gegenüber einer solchen Person ist ein Verfahrensfehler und belastet die hier erfolgte Zurückweisung mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (vgl. das zu § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung vor der Novelle 1990 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/04/0101, 0102).
Wenn die belangte Behörde als Berufungsbehörde einen Bescheid erlassen hat, mit dem sie die Berufung als unzulässig zurückgewiesen hat, statt die Berufung - wie im § 13 Abs. 4 AVG vorgesehen - einfach nicht zu erledigen, hat sie den Beschwerdeführer rechtlich nicht schlechter gestellt, ist die Folge beider Vorgangsweisen doch die Rechtskraft des Erstbescheides. Im Sinne der Rechtssicherheit ist die Bescheiderlassung sogar vorzuziehen. Dieser Bescheid weist aber bei unterbliebener Belehrung über die Folgen der Nichtbefolgung des Auftrages zur Nachbringung der Unterschrift einen wesentlichen Verfahrensmangel auf.
Im gegenständlichen Zusammenhang ist ein weiterer wesentlicher Verfahrensmangel darin zu erblicken, daß der Verwaltungsgerichtshof die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe das Schreiben der belangten Behörde vom 2. Mai 1997 mit angeschlossener Berufung nicht erhalten, mangels Vorliegens von Unterlagen über die Zustellung dieses Schreibens im Akt nicht überprüfen kann. Das hat ebenfalls zur Folge, daß in Ansehung der Zurückweisung der Berufung ein wesentliches Sachverhaltselement - nämlich die Zustellung des Schreibens vom 2. Mai 1997 - fehlt und einer Ergänzung bedarf.
3. Die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Zurückweisung der Berufung würde dessen ungeachtet zu Recht bestehen, wäre der zweite von der belangten Behörde herangezogene Zurückweisungsgrund gegeben. Die belangte Behörde ging auch von der Verspätung der Berufung aus, weil laut Zustellnachweis (Rückschein) die Zustellung des Erstbescheides am 25. März 1997 durch Hinterlegung unter gleichzeitigem Beginn der Abholfrist bewirkt worden sei. Letzter Tag der Berufungsfrist sei daher der 8. April 1997 gewesen.
Der Beschwerdeführer bestreitet die Verspätung mit dem Hinweis darauf, die Zustellung sei erst mit 26. März 1997 bewirkt worden. Er ist damit im Recht. Auf der von ihm vorgelegten Kopie der ihm zugekommenen Hinterlegungsanzeige, die mit 25. März 1997 datiert ist, ist als Beginn der Abholfrist "ab morgen (nächstem Werktag)" angekreuzt. Damit stimmt auch die vom Verwaltungsgerichtshof beim Hinterlegungspostamt eingeholte Auskunft überein, wonach die Hinterlegung am 25. März, der Beginn der Abholfrist aber am 26. März 1997 gewesen sei. Die diesbezügliche, den 25. März 1997 betreffende Angabe im Zustellnachweis ist demnach widerlegt. Die Berufung ist nicht verspätet, sondern rechtzeitig erhoben worden.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Formgebrechen behebbare Unterschrift Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und Mutwillensstrafen Verbesserungsauftrag Nichtentsprechung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997110218.X00Im RIS seit
18.02.2002