TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 W264 2190433-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W264 2190433-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch: Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Salzburg vom 23.2.2018, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der BF reiste unrechtmäßig mit Hilfe von Schleppern in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 8.7.2016 den Antrag auf internationalen Schutz.

2. Er wurde durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinem Fluchtgrunde erstmals befragt und nannte als bisherig erlangte Bildung sechs Jahre Grundschule, drei Jahre Hauptschule, zwei Jahre allgemeinbildende höhere Schule, verneinte er Berufserfahrung und gab er als seine Volksgruppe jene der Hazara sowie die Religionszugehörigkeit "Schiit" an.

Er begründete die Flucht in der Erstbefragung mit zwei Problemen: als erstes die Unsicherheit und den Krieg. Das zweite, dass er nicht gläubig sei, weder gebetet, noch gefastet habe und daher hätten ihm Mitschüler mit der Anzeige den Taliban gedroht. Dies habe ihm ein Freund und Mitschüler verraten. Die Taliban hätten auch Drohbriefe an die Schulen gesendet, um diese zur Schließung zu zwingen. Nachts hätten Männer aus der Bevölkerung Wache geschoben aus Angst vor Talibanangriffen.

Als Familienangehörige gab er Vater (verstorben), Mutter, Gattin und Bruder an.

3. Am 16.12.2017 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" oder "belangte Behörde") die niederschriftliche Einvernahme statt, an welcher als seine Vertrauensperson XXXX teilnahm. Die Einvernahme wurde in der Sprache Dari durchgeführt.

Der BF gab an, die Mullahs zu hassen und dies seiner Mutter gesagt zu haben und seine Religion verlassen zu haben. Eines Tages habe sie der Mullah zuhause zum Tee aufgesucht, dieser hätte gewusst, dass der BF nicht zur Moschee gehe, nicht faste und nicht bete und habe ihn der Mullah darauf angesprochen. Der BF hätte ihm gesagt, es stimme, er wolle nicht so leben wie die Mullahs es bestimmen und wolle eine bessere Zukunft haben wollen und lernen, er würde niemanden stören und niemandem was tun. Der Mullah hätte daraufhin den Tee verweigert, mit dem Argument dieser sei unrein und sei gegangen. Die Mutter sei ins Zimmer gekommen und als der BF ihr von der Begebenheit erzählte, sagte sie, er solle - für den Fall, dass der Mullah zurückkehre - draußen schlafen. Der BF habe getan, wie die Mutter ihm gesagt habe. Am Tage darauf habe er von seinem Schulfreund Aref - welcher Moscheen besuche - erfahren, dass der Mullah zu Kriminellen, welche für ihn und für die Taliban Arbeiten verrichten würden, gesagt habe, den BF um Mitternacht von zuhause zu entführen, um ihm entweder den Taliban zu übergeben oder auf einem Berg zu steinigen, da der BF unrein sei. Er sei nachhause gegangen, habe es seiner Mutter erzählt und diese hätte ihm gesagt, er solle das Land verlassen, da sein Leben in Gefahr sei.

Dem Fremdakt des BFA liegen Kopien von Dokumenten über bisher im Bundesgebiet gesetzte integrative Schritte und von Kursbesuchsbestätigungen ein, weiters von Unterstützungsschreiben, von einer Tazkira, von einem ÖSD Zertifikat A1 (bestanden) und von einer Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs.

4. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt.

5. Dagegen wurde mit Schriftsatz des Rechtsberaters Verein Menschenrechte Österreich vom 16.3.2018 das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und darin Anträge gestellt und näher begründet, womit der Bescheid des BFA bekämpft wird.

6. Der Fremdakt langte beim Bundesverwaltungsgericht am 26.3.2018 ein.

7. Am 28.3.2019 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung mit einem Dolmetsch für die Sprache Dari durchgeführt.

In der Verhandlung wurde der BF zu den Fluchtgründen befragt. Die erkennende Richterin wies den BF auf die Mitwirkungspflicht des § 15 AsylG 2015 hin und forderte ihn in der Verhandlung auf, in Ruhe in freier Erzählung nochmals die Gründe, warum das Herkunftsland verlassen wurde und ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß zu erzählen. Er wurde aufgefordert: "Lassen Sie nichts weg! Nehmen Sie sich Zeit und erzählen Sie ganz konkret und mit Details. Falsche Angaben beeinträchtigen die Glaubhaftigkeit Ihres Fluchtberichts". Sie haben nun die Möglichkeit von sich aus alles zu erzählen, ohne auf Fragen von mir warten zu müssen" (Verhandlungsschrift S. 6).

Der BF begann daraufhin die Fluchtgründe zu schildern und wurden ihm dazu Fragen gestellt und wird für die Angaben des BF auf die Verhandlungsschrift verwiesen.

Die Verhandlungsschrift wurde dem BF rückübersetzt und gab es gegen die Niederschrift weder Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit, noch wegen behaupteter Unrichtigkeit. Der BF begehrte zu seiner Ausführung auf Seite 7 zum Satz "Er hatte gesehen, dass der Mullah mit ein paar Taliban, die dort in unserem Bezirk waren, gesprochen hat" die nähere Erläuterung: "Das waren nicht direkt Taliban, sondern diese Menschen, mit denen der Mullah gesprochen hat, haben mit Taliban zusammengearbeitet" (Verhandlungsschrift S. 16).

8. Der BF gab auf Befragen an gesund zu sein. Er übergab in der mündlichen Verhandlung folgende Beweismittel:

* Taufzertifikat des Verein für Mission und Asylantenintegration der Gemeinde Christi (Church of Christ) aus Juni 2018

* Teilnahmebestätigungen am Lehrgang zur Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss, Einstiegsmodul, 1. und 2. Semester, ausgestellt von BFI

* Kursbesuchsbestätigungen betreffend Deutschkurse & Deutschlerngruppe und ÖRK-Kurs "Stabilisierungsgruppe des Traumahilfezentrums"

* Unterstützungsschreiben der XXXX , Trainerin für Basisbildung / Alphabetisierung am BFI vom 7.2.2018

* Unterstützungsschreien der XXXX , Trainerin für Basisbildung am BF vom 1.2.2018

* Empfehlungsschreiben des XXXX , Obmann des Verein für Mission und Asylantenintegration der Gemeinde Christi vom 16.3.2019

* ÖSD-Zertifikat A1 "bestanden" vom 24.7.2017

In der Verhandlung wurde die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu dem Thema "Afghanistan - Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan" vom 12.7.2017 vorgelegt.

9. Nach der Verhandlung langten folgende Dokumente beim Bundesverwaltungsgericht ein:

* Bestätigung über ehrenamtl. Tätigkeit im Seniorenheim XXXX , übermittelt am 11.12.2019

* Teilnahmebestätigung am Lehrgang zur Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss, 3. Semester, ausgestellt von BFI

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens werden auf der Grundlage des eingebrachten Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers zunächst durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie Monate später durch des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der vorgelegten Beweismittel, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt der belangten Behörde, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, in das Strafregister und das GrundversorgungsInformationssystem folgende Feststellungen getroffen und dieser Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

Die Identität steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

1.1. Feststellungen zum Beschwerdeführer und zu seinen Fluchtgründen:

1.1.1. Der BF reiste in Umgehung der Grenzkontrollen unrechtmäßig schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein.

1.1.2. Der BF stellte in Österreich im Juni 2016 den Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.3. Der BF ist ein in Ghazni, Afghanistan, geborener afghanischer Staatsbürger aus der Volksgruppe der Hazara. Der BF wurde in einem von islamischen Werten geprägten familiären Umfeld sozialisiert.

1.1.4. Der BF ist ledig. Der BF war der BF in Österreich bereits ehrenamtlich tätig.

1.1.5. Der BF gehörte der Glaubensgemeinschaft der Schiiten an und wurde in Österreich von einer christlichen Gemeinschaft getauft.

1.1.6. Der BF spricht Dari auf muttersprachlichem Niveau. Er spricht auch Paschtu. In Österreich hat er Deutschkurse belegt und die deutsche Sprache erlernt. Der BF spricht auch Englisch. Der BF besuchte Kurse zum Zwecke des Pflichtschulabschlusses. Der BF ist der lateinischen Schrift mächtig. Der BF ist in seiner Muttersprache nicht Analphabet. Der BF erlangte vor seiner Einreise Schulbildung in Afghanistan.

1.1.7. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.1.8. Der BF ist gesund und nicht lebensbedrohlich krank. Er ist erwerbsfähig.

1.1.9. Der BF bestreitet den Lebensunterhalt in Österreich durch die staatliche Grundversorgung. Der BF ist nicht in einem Lehrverhältnis befindlich. In Afghanistan war er in der elterlichen Landwirtschaft tätig.

1.1.10. Der BF verfügt nicht über Familienangehörige im Bundesgebiet.

Der BF verfügt über Familienangehörige außerhalb Österreichs.

1.1.11. Der BF konnte eine asylrelevante Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht glaubhaft machen. Zudem droht dem Beschwerdeführer im Falle einer Verbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Es kann nicht festgestellt werden, dass er einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ihm eine solche Verfolgung bei Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht: Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass der BF bei Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen politischen Ansichten von Seiten Dritter bedroht wäre.

Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit vom Konflikt sowie dessen Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

1.1.12. Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF aus Gründen seines Glaubens verfolgt wird und in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF als Angehöriger der Hazara sowie als Angehöriger der schiitischen Glaubensgemeinschaft bzw dass jeder Mensch des Volksstammes und / oder der Religionsgemeinschaft des BF in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

1.1.13. Es kann weder festgestellt werden, dass konkret der BF aufgrund der Tatsache, dass er sich zuletzt in Europa aufgehalten hat, noch, dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus einem Nachbarland Afghanistans und / oder aus Europa nach Afghanistan zurückgekehrt, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist. Dem BF droht bei Rückkehr nicht eine Verfolgung aufgrund der Rückkehr aus dem westlichen Ausland.

1.1.14. Der Herkunftsort des BF in Afghanistan ist Ghazni.

Nach Schätzungen der CSO für den Zeitraum 2019-20 leben 1.338.597 Menschen in Ghazni (CSO 2019). Die Provinz wird von Paschtunen, Tadschiken und Hazara sowie von mehreren kleineren Gruppen wie Bayats, Sadats und Sikhs bewohnt (PAJ o.D.). Fast die Hälfte der Bevölkerung von Ghazni sind Paschtunen, etwas weniger als die Hälfte sind Hazara und rund 5% sind Tadschiken (NPS o.D.).

Die Stadt Ghazni liegt an der Ring Road, welche die Hauptstadt Kabul mit dem großen Ballungszentrum Kandahar im Süden verbindet und auch die Straße zu Paktikas Hauptstadt Sharan zweigt in der Stadt Ghazni von der Ring Road ab, die Straße nach Paktyas Hauptstadt Gardez dagegen etwas nördlich der Stadt. Die Kontrolle über Ghazni ist daher von strategischer Bedeutung (CJ 13.8.2018). Einem Bericht vom Dezember 2018 zufolge steht die Ghazni-Paktika-Autobahn unter Taliban-Kontrolle und ist für Zivil- und Regierungsfahrzeuge gesperrt, wobei die Aufständischen weiterhin Druck auf die Kabul-Kandahar-Autobahn ausüben (AAN 30.12.2018), bzw. Straßenkontrollen durchführen (PAJ 31.1.2019). Im Mai 2019 war die Ghazni-Paktika-Autobahn seit einem Jahr geschlossen (PAJ 13.5.2019a). Auch die Ghazni-Paktia-Autobahn war Anfang März 2019 trotz einer 20-tägigen Militäroperation (PAJ 27.2.2019) gegen die Taliban immer noch gesperrt (BAMF 4.3.2019; vgl. PAJ 27.2.2019). Im Mai 2019 führten die Regierungskräfte an den Rändern von Ghazni-Stadt Räumungsoperationen zur Befreiung der Verkehrswege durch (KP 16.5.2019). Die Kontrolle über die Straße nach Gardez, der Provinzhauptstadt von Paktia ist bedeutsam für die Verteidigung von Ghazni, da sich die Militärbasis des für die Provinz zuständigen Corps dort befindet (AAN 25.7.2018).

Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben (KP 27.5.2019).

Aufgrund der Präsenz von Taliban-Aufständischen in manchen Regionen der Provinz, gilt Ghazni als relativ unruhig (XI 22.9.2019), so standen beispielsweise Ende 2018, einem Bericht zufolge, acht Distrikte der Provinz unter Kontrolle der Taliban gestanden haben, fünf weitere Distrikte waren stark umkämpft (AAN 30.12.2018).

1.1.15. Der BF kann sich in Afghanistan aber auch in der innerstaatlichen Fluchtalternative Herat ansiedeln. Laut Länderbericht ist Herat eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Ende Oktober 2017 wurde verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. Herat verfügt über einen internationalen Flughafen, sodass Herat von Österreich aus gefahrlos über den Luftweg erreichbar ist.

Daher wäre ihm aus obigen Gründen eine Rückkehr nach Herat zumutbar.

1.1.16. Der BF kann sich in Afghanistan aber auch in der innerstaatlichen Fluchtalternative Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) ansiedeln. Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri, sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Laut Länderbericht wurden im Dezember 2017 verschiedene Abkommen mit Usbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018). Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz bloß 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen und ist daher eine gefahrlose Rückkehr von Österreich über den Luftweg möglich.

Daher wäre dem BF aus obigen Gründen eine Rückkehr nach Mazar-e Sharif zumutbar.

1.2. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Bezogen auf die Situation des BF sind folgende Länderfeststellungen als relevant zu werten:

Aus dem Länderbericht der Staatendokumentation vom 13.11.2019 idgF:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). [...]

Kabul

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Laut dem UNODC Opium Survey 2018 verzeichnete die Provinz Kabul 2018 eine Zunahme der Schlafmohnanbaufläche um 11% gegenüber 2017. Der Schlafmohnanbau beschränkte sich auf das Uzbin-Tal im Distrikt Surubi (UNODC/MCN 11.2018).

Kabul-Stadt - Geographie und Demographie

Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20 (CSO 2019). Die Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten. Einige Quellen behaupten, dass sie fast 6 Millionen beträgt (AAN 19.3.2019). Laut einem Bericht, expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile - auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) - zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die afghanische zentrale Statistikorganisation (Central Statistics Organization, CSO) schätzt die Bevölkerung der Provinz Kabul für den Zeitraum 2019-20 auf 5.029.850 Personen (CSO 2019). Sie besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus.

Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014). In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit internationalen und nationalen Passagierflügen bedient wird (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den "jüngsten Einwanderern" (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).

Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen: Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine disruptive Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man "seine Nachbarn nicht mehr kenne" (AAN 19.3.2019).

Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalen oder ethnischen Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art "Dorfgesellschaft" entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018).

Aufgrund eben dieser öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFERL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird stark von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern gesichert (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Villages liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden - so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und andere britische Einrichtungen (RFERL 2.9.2019).

In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train, Advise and Assist Command - Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).

Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einer Zunahme von 2% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).

Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden (KP 27.3.2019; vgl. TN 26.3.2019, SAS 26.3.2019, TN 23.10.2018,. KP 23.10.2018, KP 9.7.2018). Dabei kam es unter anderem zu zivilen Opfern (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch (TN 7.8.2019; vgl. PAJ 7.7.2019, TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019). Dabei wurden unter anderem Aufständische getötet (TN 7.8.2019) und verhaftet (TN 7.8.2019; PAJ 7.7.2019; vgl TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019), sowie Waffen und Sprengsätze konfisziert (TN 9.6.2019; vgl. PAJ 28.5.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 35 konfliktbedingt aus dem Distrikt Surubi vertriebene Personen, die alle in der Provinz Logar Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA keine durch gewaltsamen Konflikt aus der Provinz Kabul vertriebene Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 9.422 Vertriebene, welche in die Provinz Kabul kamen, die meisten davon in den Distrikt Kabul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 2.580 Vertriebene in die Provinz Kabul, alle in den Distrikt Kabul. Sie stammten aus Kapisa, Kunar, Nangarhar wie auch Logar, Ghazni, Baghlan und Wardak (UNOCHA 18.8.2019).

Bis zu zwei Drittel aller Afghanen, die außerhalb ihrer Provinz vertrieben wurden, bewegen sich in Richtung der fünf Regionalhauptstädte (NRC 30.1.2019) und Kabuls Wachstum war besonders umfangreich. Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen in Kabul ist nicht bekannt. Die Bewegung in und innerhalb der Stadt fluktuiert und viele kehren regelmäßig in friedlicheren Zeiten in ihr Herkunftsgebiet zurück (Metcalfe et al. 6.2012; vgl. AAN 19.3.2019). Im September 2018 schätzte der afghanische Minister für Flüchtlinge und Repatriierung die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen in Kabul auf 70.000 bis 80.000 Menschen (TN 21.9.2018).

Herat

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte - Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) -, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).

Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen.

Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vgl. RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).

2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (taz 3.8.2017; Reuters 25.3.2018).

Aufseiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vgl. KP 16.12.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).

In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vgl. KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vgl. AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vgl. KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vgl. PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vgl. PAJ 30.6.2019) wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).

Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 609 konfliktbedingt aus der Provinz Herat vertriebene Personen, von denen die meisten in der Provinz selbst Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 586 aus der Provinz Herat vertriebene Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 5.482 Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (2.755) aus Ghor stammten (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 6.459 konfliktbedingt Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (4.769) aus Badghis stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Anmerkung: Weitere Informationen zu Herat - u.a. zur Sicherheitslage - können der Analyse der Staatendokumentation "Afghanistan - Informationen zu sozioökonomischen Faktoren in der Provinz Herat" vom 13.6.2019 entnommen werden (BFA 13.6.2019).

Ad Herat aus Kapitel 22 "Grundversorgung" aus dem Länderbericht idgF

Der Einschätzung einer in Afghanistan tätigen internationalen NGO zufolge gehört Herat zu den "bessergestellten" und "sichereren Provinzen" Afghanistans und weist historisch im Vergleich mit anderen Teilen des Landes wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf (BFA 13.6.2019). Aufgrund der sehr jungen Bevölkerung ist der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter in Herat - wie auch in anderen afghanischen Städten - vergleichsweise klein. Erwerbstätige müssen also eine große Anzahl an von ihnen abhängigen Personen versorgen. Hinzu kommt, dass die Hälfte der arbeitstätigen Bevölkerung in Herat Tagelöhner sind, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind (USIP 2.4.2015).

Die Herater Wirtschaft bietet seit langem Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019, WB/NSIA 9.2018), wie auch Bergbau und Produktion (EASO 4.2019). Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019). Manche alten Handwerksberufe (Teppichknüpfereien, Glasbläsereien, die Herstellung von Stickereien) haben es geschafft zu überleben, während sich auch bestimmte moderne Industrien entwickelt haben (z.B. Lebensmittelverarbeitung und Verpackung) (EASO 4.2019). Die meisten der in KMUs Beschäftigten sind entweder Tagelöhner oder kleine Unternehmer (GOIRA 2015). Die Arbeitsplätze sind allerdings von der volatilen Sicherheitslage bedroht (insbesondere Entführungen von Geschäftsleuten oder deren Angehörigen durch kriminelle Netzwerke, im stillen Einverständnis mit der Polizei). Als weitere Probleme werden Stromknappheit, bzw. -ausfälle, Schwierigkeiten, mit iranischen oder anderen ausländischen Importen zu konkurrieren und eine steigende Arbeitslosigkeit genannt (EASO 4.2019).

Mazar-e Sharif (in Balkh)

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter 1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab, sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Ad Mazar-e Sharif (in Balkh) aus Kapitel 22 "Grundversorgung" aus dem Länderbericht idgF

Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (GOIRA 2015).

Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar- e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den 7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter 1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab, sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Erreichbarkeit - Verkehrswege

Die Präsenz von Aufständischen, Zusammenstöße zwischen diesen und den afghanischen Sicherheitskräften, sowie die Gefahr von Straßenraub und Entführungen entlang einiger Straßenabschnitte beeinflussen die Sicherheit auf den afghanischen Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kabul-Kandahar (TN 15.8.2018; vgl. ST 24.4.2019), Herat-Kandahar (PAJ News 5.1.2019), Kunduz-Takhhar (KP 20.8.2018; vgl. CBS News 20.8.2019) und Ghazni-Paktika (AAN 30.12.2019).

Ghazni

Nach Schätzungen der CSO für den Zeitraum 2019-20 leben 1.338.597 Menschen in Ghazni (CSO 2019). Die Provinz wird von Paschtunen, Tadschiken und Hazara sowie von mehreren kleineren Gruppen wie Bayats, Sadats und Sikhs bewohnt (PAJ o.D.). Fast die Hälfte der Bevölkerung von Ghazni sind Paschtunen, etwas weniger als die Hälfte sind Hazara und rund 5% sind Tadschiken (NPS o.D.).

Die Stadt Ghazni liegt an der Ring Road, welche die Hauptstadt Kabul mit dem großen Ballungszentrum Kandahar im Süden verbindet und auch die Straße zu Paktikas Hauptstadt Sharan zweigt in der Stadt Ghazni von der Ring Road ab, die Straße nach Paktyas Hauptstadt Gardez dagegen etwas nördlich der Stadt. Die Kontrolle über Ghazni ist daher von strategischer Bedeutung (CJ 13.8.2018). Einem Bericht vom Dezember 2018 zufolge steht die Ghazni-Paktika-Autobahn unter Taliban-Kontrolle und ist für Zivil- und Regierungsfahrzeuge gesperrt, wobei die Aufständischen weiterhin Druck auf die Kabul-Kandahar-Autobahn ausüben (AAN 30.12.2018), bzw. Straßenkontrollen durchführen (PAJ 31.1.2019). Im Mai 2019 war die Ghazni-Paktika-Autobahn seit einem Jahr geschlossen (PAJ 13.5.2019a). Auch die Ghazni-Paktia-Autobahn war Anfang März 2019 trotz einer 20-tägigen Militäroperation (PAJ 27.2.2019) gegen die Taliban immer noch gesperrt (BAMF 4.3.2019; vgl. PAJ 27.2.2019). Im Mai 2019 führten die Regierungskräfte an den Rändern von Ghazni-Stadt Räumungsoperationen zur Befreiung der Verkehrswege durch (KP 16.5.2019). Die Kontrolle über die Straße nach Gardez, der Provinzhauptstadt von Paktia ist bedeutsam für die Verteidigung von Ghazni, da sich die Militärbasis des für die Provinz zuständigen Corps dort befindet (AAN 25.7.2018).

Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben (KP 27.5.2019).

Aufgrund der Präsenz von Taliban-Aufständischen in manchen Regionen der Provinz, gilt Ghazni als relativ unruhig (XI 22.9.2019), so standen beispielsweise Ende 2018, einem Bericht zufolge, acht Distrikte der Provinz unter Kontrolle der Taliban gestanden haben, fünf weitere Distrikte waren stark umkämpft (AAN 30.12.2018).

Dem Verteidigungsminister zufolge, sind in der Provinz mehr Taliban und Al-Qaida-Kämpfer aktiv, als in anderen Provinzen. Dem Innenminister zufolge, hat sich die Sicherheitslage in der Provinz verschlechtert und die Taliban erlitten bei jüngsten Zusammenstößen schwere Verluste (PAJ 19.4.2019).

Religionsfreiheit

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus (AA 2.9.2019; vgl. CIA 30.4.2019, USDOS 21.6.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans.

Schiiten

Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 bis 19% geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Zuverlässige Zahlen zur Größe der schiitischen Gemeinschaft sind nicht verfügbar und werden vom Statistikamt nicht erfasst. Gemäß Gemeindeleitern sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (USDOS 21.6.2019).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten (AA 2.9.2019). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Gemäß Zahlen von UNAMA gab es im Jahr 2018 19 Fälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten, bei denen 223 Menschen getötet und 524 Menschen verletzt wurden; ein zahlenmäßiger Anstieg der zivilen Opfer um 34% (USDOS 21.6.2019). In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden durch den Islamischen Staat (IS) und die Taliban 51 terroristischen Angriffe auf Glaubensstätten und religiöse Anführer der Schiiten bzw. Hazara durchgeführt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019, CRS 1.5.2019). Im Jahr 2018 wurde die Intensität der Attacken in urbanen Räumen durch den IS verstärkt (HRW 17.1.2019).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 4.2.2019). Obwohl einige schiitische Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demografischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiert. Vertreter der Sunniten hingegen geben an, dass Schiiten im Vergleich zur Bevölkerungszahl in den Behörden überrepräsentiert seien. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten; wenngleich vier Parlamentssitze für Ismailiten reserviert sind (USDOS 21.6.2019).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25 bis 30% (AB 7.6.2017; vgl. USIP 14.6.2018, AA 2.9.2019). Des Weiteren tagen regelmäßig rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 21.6.2019).

Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 21.6.2019).

Christentum und Konversion zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 21.6.2019). USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen (USDOS 26.10.2009). Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (RA KBL 1.6.2017).

Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 1.6.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 2.9.2019). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (USDOS 21.6.2019).

Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (RA KBL 1.6.2019).

Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 2.9.2019; vgl. USCIRF 4.2018, USDOS 21.6.2019), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 21.6.2019; vgl. AA 2.9.2019). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (WA

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten