TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 W240 1429302-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W240 1429302-3/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.04.2019, Zl. 820864605-181161575, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V., und VI. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbots auf 18 Monate herabgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 03.12.2018 gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des

§ 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) in Österreich.

2. Der Beschwerdeführer hatte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.07.2012 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab er an, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und aus der Provinz Sar-e Pul stamme. Seine Eltern und Geschwister würden sich im Herkunftsort aufhalten, wo der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise im landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters gearbeitet habe.

Der Beschwerdeführer habe vor neun Monaten ein Mädchen, welches er schon seit der Kindheit gekannt habe, heiraten wollen, der Vater des Mädchens habe diese Heirat aber abgelehnt. Deshalb sei der Beschwerdeführer mit dem Mädchen zu seinen Angehörigen geflüchtet, wo sie eine Nacht verbracht hätten. Am nächsten Tag sei ein Verwandter des Beschwerdeführers gekommen und habe ihm gesagt, dass beide sofort flüchten müssten, da beide Brüder des Mädchens vom Vater den Auftrag erhalten hätten, sie zu töten. Beide seien geflüchtet und als sie 50 Meter vom Haus entfernt gewesen sein, hätte einer der Brüder mit einer Pistole geschossen und das Mädchen getroffen, das zu Boden gefallen sei. Der Beschwerdeführer sei alleine weiter geflüchtet, habe ein Taxi bestiegen und mit seinem Onkel Kontakt aufgenommen, der seine Ausreise organisiert habe.

Im Falle einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer von der Familie seiner ehemaligen Freundin getötet zu werden. Diese sei laut telefonischer Auskunft seines Onkels bei dem Vorfall getötet worden.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 27.08.2012 gab der Beschwerdeführer an, dass er bisher im Verfahren wahrheitsgemäße Angaben getätigt habe. Er gab zu den Gründen seiner Ausreise an, dass er Probleme mit einem Mullah gehabt habe, der ein Nachbar gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dessen Tochter heiraten wollen und dieser sei damit nicht einverstanden gewesen. Er sei mit dem Mädchen zu einem Verwandten gegangen und habe dort eine Nacht verbracht. Am nächsten Morgen hätten der Beschwerdeführer und das Mädchen erfahren, dass die Brüder und der Vater des Mädchens darüber Kenntnis erlangt hätten, wo beide seien; daraufhin seien sie weitergezogen. Während sie unterwegs gewesen sein, hätten sie aus der Entfernung gesehen, dass die Brüder des Mädchens ihnen folgten. Danach hätten die Brüder auch geschossen und es sei das Mädchen getroffen worden. Der Beschwerdeführer habe seine Flucht fortgesetzt. Der Vater des Mädchens habe diese Verbindung abgelehnt, weil es der Familie des Beschwerdeführers wirtschaftlich nicht gut gegangen sei und er diesen auch als nicht genug religiös bezeichnet habe. Auch der Vater des Beschwerdeführers sei gegen diese Heirat gewesen.

Der Beschwerdeführer sei mit dem Mädchen zu einem weitschichtigen Verwandten in Sar-e Pul geflüchtet, den er gekannt habe, weil er mit seinem Vater einige Male bei ihm gewesen sei. Auf die Frage, wie er darüber Kenntnis erlangt habe, dass die Brüder des Mädchens sie verfolgen würden, führte er aus, dass jemand diesen Verwandten angerufen habe, er glaube es sei sein Onkel gewesen. Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, dass er bei der Erstbefragung angegeben habe, dass der Verwandte ihn persönlich aufgesucht habe, um ihn zu warnen. Der Beschwerdeführer bestritt, diese Angaben gemacht zu haben.

Der Beschwerdeführer führte aus, dass er mit dem Mädchen etwa 100 Meter vom Haus entfernt gewesen sei, als deren Brüder dort angekommen seien und sie aufgefordert hätten, stehen zu bleiben. Zum Vorhalt, dass er zuvor angegeben hätte, dass die Brüder ihnen folgten, und jetzt sage, dass sie ihnen nachgerufen hätten, gab der Beschwerdeführer an, dass sie verfolgt worden seien, weil sie nicht stehen geblieben seien. Die Brüder der Freundin hätten den Beschwerdeführer deshalb so rasch gefunden, weil sie nach einer Suche im Ort wohl vermutet hätten, dass er bei diesem Verwandten und nicht im Herkunftsort Unterschlupf suchen würde. Auch angesichts der Größe der Stadt Sar-e Pul habe der Vater des Mädchens als Mullah, der viele Leute in der Gegend kenne, die Suche unterstützen können.

Der Beschwerdeführer und das Mädchen seien von einem Freund des Beschwerdeführers mit dessen motorisierter Rikscha zum Haus des Verwandten gebracht worden. Am nächsten Tag seien beide zu Fuß geflüchtet. Die Brüder der Freundin hätten ein Auto gehabt, aber der Beschwerdeführer habe kein Auto gesehen. Die Brüder hätten nur einmal auf das Mädchen geschossen und dieses getroffen. Der Beschwerdeführer sei kurz stehen geblieben, habe sich zu ihr umgedreht und sei danach in eine Gasse geflüchtet.

Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob er im Falle einer Rückkehr mit Verfolgung rechnen müsse. Er sei nicht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung verfolgt worden. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme zu Feststellungen über die Situation in Herkunftsstadt.

3. Mit dem Bescheid des BFA vom 29.08.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idgF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen wobei gleichzeitig gemäß § 10 Abs. 1 leg.cit. seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgesprochen wurde (Spruchpunkt III.).

Die Behörde beurteilte die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft, da junge afghanische Frauen nahezu keine Möglichkeit hätten, ohne männliche Begleitung das Haus zu verlassen. Es könne daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Frau nicht unbeaufsichtigt mit dem Beschwerdeführer in Kontakt hätte treten können, wenn ihr Vater mit der Verbindung nicht einverstanden gewesen wäre. Weiters habe sich bei der Darstellung der Bedrohungssituation ein Widerspruch ergeben, indem der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung behauptet habe, ein Verwandter hätte sie am Morgen aufgesucht und mitgeteilt, dass die Brüder des Mädchens sie suchten, während er bei der Einvernahme am 27.08.2012 angegeben habe, dass jemand bei den Gastgebern angerufen hätte, um den Beschwerdeführer zu warnen. Auch bei Annahme der Glaubhaftigkeit des Vorbringens stelle dieses keine Begründung für Furcht vor Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen dar, die von staatlichen Organen ausgehe oder dem Herkunftsstaat sonst zurechenbar sei. Es handle sich um eine private Auseinandersetzung, deren Ursache nicht im Zusammenhang mit einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention abschließend angeführten Verfolgungsgründe sondern in anderen Beweggründen bestehe, insbesondere in kriminellen Motiven. Der Beschwerdeführer könnte einer derartigen Verfolgung durch Begründung eines Wohnsitzes in einem anderen Teil Afghanistans entgehen. Aufgrund der Lage in Herkunftsstadt sei auch keine refoulementschutzrechtlich relevante Bedrohung gegeben und es würden keine Hinderungsgründe gegen die Ausweisung vorliegen.

4. In der gegen den Bescheid des BFA vom 29.08.2012 rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurden die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers wiederholt und vorgebracht, dass die afghanischen Sicherheitsbehörden nicht gewillt bzw. nicht imstande seien, dem Beschwerdeführer den notwendigen Schutz vor der Bedrohung durch die Nachbarsfamilie zu bieten. Da der Beschwerdeführer abgesehen von seiner Familie im Herkunftsort und dessen Umgebung keine Verwandten in Afghanistan habe, scheide auch eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.

Es wurde vorgebracht, dass die Behörde die äußerst umfassenden und detaillierten Angaben des Beschwerdeführers plötzlich pauschal für unglaubwürdig befunden habe und dieser nicht die Möglichkeit gehabt hätte, der Beweiswürdigung entgegenzutreten, wodurch er im Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei.

Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, die ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel auszuschöpfen, wenn sie Zweifel an der Authentizität seiner Geschichte gehabt hätte. Die Bewohner seines Heimatdorfes könnten über die Vorfälle Auskunft geben und der Beschwerdeführer beantragte ausdrücklich, die Angaben durch Einholung von Zeugenaussagen im Wege eines Vertrauensanwaltes im Herkunftsstaat zu überprüfen. Da die Behörde über kein psychologisches Spezialwissen verfüge, sei der in der Beweiswürdigung gezogene Schluss, dass die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers wegen der angeblichen Emotionslosigkeit der Schilderung durch den Beschwerdeführer nicht glaubhaft sei, unzulässig. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es sich um eine bloße mittelbare Erzählung durch den Dolmetscher handle und sich die Einschätzung der Fluchtgeschichte als "blass" aus der Darstellung des Dolmetschers nicht ableiten lasse.

Zum Vorhalt, dass junge afghanische Mädchen nahezu keine Möglichkeit hätten, ohne männliche Begleitung das Haus zu verlassen und der Beschwerdeführer deshalb nicht unbeaufsichtigt mit ihr in Kontakt hätte treten können, wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer das Mädchen seit der Kindheit kenne und sich daraus vor fünf Jahren eine Liebesbeziehung entwickelt habe. Tatsächlich hätten sie sich nicht außerhalb des Hauses getroffen, sondern der Beschwerdeführer habe öfters im Haus des Mädchens Hilfeleistungen erbracht. Der Beschwerdeführer habe sich eines Tages entschlossen, dass er die Freundin heiraten wollte und dies seinem Vater erzählt, der gegen die Heirat eingestellt gewesen sei. Dieser habe es der Mutter des Beschwerdeführers gesagt, die es wiederum der Mutter des Mädchens erzählt habe. Dadurch habe es deren Vater erfahren, der gegen dieses Vorhaben eingestellt gewesen sei, da er gemeint habe, der Beschwerdeführer sei zu wenig religiös. Es sei dann etwa ein Jahr vergangen, bis der Beschwerdeführer mit dem Mädchen zu flüchten versucht habe. Er habe das Haus nicht mehr betreten dürfen, aber das Mädchen an der Mauer zwischen den Häusern treffen können, wo sie die gemeinsame Flucht abgesprochen hätten.

Zum vorgehaltenen Widerspruch über die Art der Benachrichtigung durch einen Verwandten gab der Beschwerdeführer an, dass er nie gesagt habe, dass jemand ihn persönlich aufgesucht habe. Der Verwandte des Beschwerdeführers, der etwa 20 Minuten von seinem Haus entfernt wohne, sei morgens angerufen worden, wobei ihm bei diesem Telefonat mitgeteilt worden sei, dass die Brüder bereits unterwegs seien und der Beschwerdeführer das Mädchen flüchten sollten. Da dieser Verwandte der einzige Verwandte in der näheren Umgebung gewesen sei, hätten die Brüder den Beschwerdeführer und dieses Mädchen wahrscheinlich dort vermutet und habe auch der Anrufer gewusst, dass beide sich bei diesem Verwandten versteckt hätten. Die Brüder der verstorbenen Freundin würden nach wie vor die Familie des

Beschwerdeführers belästigen und sie beleidigen.

In der Beschwerde wurden weiters Rechtssätze über die Relevanz von Privatverfolgung und zum Kalkül der Glaubhaftmachung zitiert sowie vorgebracht, dass aufgrund der katastrophalen Sicherheits- und Versorgungssituation in Afghanistan eine Abschiebung unzulässig sei.

5. Am 18.02.2015 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, in der der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt wurde und Feststellungen über die Situation im Herkunftsstadt erörtert wurden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat keinen Vertreter zur Verhandlung entsandt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2015, GZ: W192 1429302-1/6E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 29.08.2012 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wurde hinsichtlich Spruchpunkt II. des Bescheides vom 29.08.2012 stattgegeben, dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und dem BF wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 19.02.2016 erteilt.

Im Erkenntnis des BVwG wurde insbesondere festgestellt, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei, Hazara sei und schiitischer Moslem. Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers, er habe in seiner Herkunftsregion Verfolgung durch den Vater einer jungen Frau zu befürchten, mit der er eine unerwünschte Beziehung geführt habe und die beim Versuch einer gemeinsamen Flucht mit ihm getötet worden sei, seien nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat keine Verfolgungshandlungen wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara zu befürchten. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat immer in seiner Herkunftsregion Sar-e Pol gelebt und habe dort außerhalb davon keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte. Im Falle einer Verbringung in den Herkunftsstaat drohe dem Beschwerdeführer aufgrund der Lage in seiner Herkunftsregion ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 und/oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK). Er verfüge außerhalb der Herkunftsprovinz über keine familiären Anknüpfungspunkte und hätte daher im Falle einer Rückkehr zu befürchten, dass er in eine ausweglose Lebenssituation geraten werde.

Die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF wurde letztmalig bis zum 19.02.2018 verlängert.

7. Am 17.01.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes beim BFA.

8. Am 22.02.2018 wurde der BF erneut vom BFA einvernommen und gab insbesondere neben Angaben zu den Integrationsbemühungen an, dass sein Vater rund drei bis vier Monaten, nachdem der BF nach Wien gezogen sei, seinem Herzleiden erlegen sei. Drei Monate später sei seine Mutter an einem Herzinfarkt gestorben. Der BF habe in Österreich eine Frau gefunden namens XXXX , sie sei asylberechtigt und er wolle sie heiraten. Diese Frau lebe mit deren Eltern zusammen und der BF müsse beweisen, dass er für sie sorgen könne. In Afghanistan würden noch der Onkel mütterlicherseits, der Onkel väterlicherseits, eine rund zehnjährige Schwester und ein rund 14jähriger Bruder leben. Der BF habe mit niemandem Kontakt, die restlichen Beziehungen zu seiner Familie seien durch den Tod seiner Eltern abgebrochen. Und der Onkel habe nach dem Tod der Eltern das Haus und einen Teil der Grundstücke genommen sowie mit seinem Bruder geteilt habe, weil Letzterer die Ausreise des BF finanziert habe. Der Rest des Besitzes sei an einen Onkel gegangen sowie an die Geschwister des BF. Da dessen Frau keine Kinder habe bekommen können, habe er die Geschwister des BF bei sich aufgenommen. Der BF habe weitere Verwandtschaft im Iran, nämlich einen Onkel väterlicherseits, mit dem sei der BF im telefonischen Kontakt. Zu seiner Familie habe er keinen Kontakt. Der BF begründete seinen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes damit, dass die Probleme, welche er in Afghanistan habe, noch immer bestünden. Außerdem sei davon nunmehr nichts mehr übrig. Er habe keine Eltern mehr, er könne zu niemanden gehen und die Bedrohung durch XXXX sei noch aufrecht. Dem BF wurde vorgehalten, dass er mit Erkenntnis des BVwG vom 19.02.2015 einzig aufgrund der schlechten Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz Sar-i Pol subsidiären Schutz zuerkannt erhalten habe. Dem BF wurden aktuelle Länderberichte zur Situation in Afghanistan zur Stellungnahme vorgehalten. Der BF gab an, dass er nichts über die genaue Lage in Sar-e Pol wisse, was er aber in den Medien erfahren habe, sei es insgesamt in Afghanistan nicht sicher sei und für den BF sei XXXX gefährlicher als die Taliban. Dieser wolle sich rächen, weil dieser dessen einzige Tochter durch den BF verloren habe. Dieser würde alles unternehmen, um den BF zu töten, sollte dieser erfahren, dass der BF wieder in Afghanistan sei. Abgesehen davon sei die Rassenfeindlichkeit untereinander in Afghanistan sehr stark, man brauche nur zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und es könne schnell passieren, dass man als Fremder in Gefahr komme. Der BF legte Bestätigungen über einen Werte- und Orientierungskurs, eine Bestätigung über ein Deutschkurszertifikat im Nivau A2, eine Kursbestätigung der VHS sowie ein ÖSD A1 Zertifikat vor.

9. Mit Bescheid des BFA vom 23.03.2018 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 9 Absatz 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt und gleichzeitig die befristete Aufenthaltsgenehmigung gem. § 9 Absatz 4 AsylG entzogen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Ihnen wurde gem. § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt. Der angeführte Bescheid erwuchs mit 26.04.2018 in Rechtskraft.

Begründend war im Bescheid insbesondere ausgeführt worden, dass der BF jung, gesund und arbeitsfähig sei. Er sei weder in ärztlicher Behandlung noch benötige er medikamentöse Behandlung. Dem BF sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten vom BVwG lediglich aufgrund der damaligen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in der Heimatprovinz Sar-e Pol zuerkannt worden. In Afghanistan würden weiterhin ein Onkel väterlicherseits und ein Onkel mütterlicherseits sowie eine Schwester und ein Bruder leben, die vom Onkel mütterlicherseits nach dem Tode der Eltern aufgenommen worden seien. Außerdem habe der BF noch einen Onkel im Iran, zu dem er telefonischen Kontakt habe. Nach Wiedergabe der Länderbericht zur Heimatprovinz Sar-e Pol wurde ausgeführt, dass der BF als Zugehöriger der Volksgruppe der Hazara sehr wohl auch die Möglichkeit habe, in Kabul Fuß zu fassen und sich dort seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Eine Unterstützung wäre nicht nur seitens der Angehörigen in Afghanistan, sondern auch durch den Onkel im Iran gewährleistet. Es sei weiters für eine Person wie den BF möglich, in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif ein ausreichendes Auskommen zu sichern und in keine hoffnungslose Lage zu geraten.

10. Am 03.12.2018 stellte der BF den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Zu den Fluchtgründen befragt gab er in der Erstbefragung an, dass er dieselben Asylgründe wie aus dem Erstverfahren habe. Er könne nicht nach Afghanistan zurück, es würde dort keine Sicherheit geben.

11. Am 08.01.2019 wurde der BF in Anwesenheit eines Rechtsberaters und beeideten Dolmetscher einvernommen. Dabei tätigte er insbesondere folgende Angaben:

"(...)

LA: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

VP: Ich kann Lohnzettel vorlegen, vom März 2018 bis August 2018.

LA: Stehen Sie noch in diesem Arbeitsverhältnis, der letzte Lohnzettel ist vom August 2018?

VP: Ich arbeite seit einem Monat nicht.

LA: Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?

VP: Nein.

LA: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen, CH oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

VP: Nein, ich habe niemand.

LA: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).

VP: Ich habe in Österreich eine Verlobte.

LA: Schreiben Sie Namen, Geburtsdatum, StA. Adresse sowie Aufenthaltsstatus Ihrer Verlobten auf!

VP: XXXX , Geburtsdatum weiß ich nicht, StA. von Afghanistan, genaue Adresse weiß ich nicht. Sie wohnt im XXXX in Wien. Sie hat einen Konversationsreisepass.

LA: Wann und wo haben Sie Frau XXXX kennen gelernt?

VP: Denkt nach ... Genau weiß ich das nicht. Vor ca. zwei Jahren über Facebook.

LA: Haben Sie jemals mit Frau XXXX in einem gemeinsamen Haushalt gelebt?

VP: Nein, aber ich habe sie nach muslimischen Recht geheiratet.

LA: Wo ist die muslimische Heiratsurkunde?

VP: Ok. Wir haben keine offiziellen Papiere, wir haben uns mündlich versprochen. Die Mutter meiner Freundin war dagegen.

LA: War ein Imam anwesend?

VP: Ihre Mutter und ihre Schwester waren dabei. Sonst niemand.

LA: Ich dachte die Mutter war dagegen?

VP: Am Anfang ja.

LA: Warum war die Mutter dann trotzdem anwesend?

VP: Am Anfang war sie dagegen. Dann bin ich mit dem Mädchen nach XXXX geflüchtet bzw. davon gelaufen.

LA: Frau XXXX ist jetzt wieder bei Ihren Eltern?

VP: Ja, sie ist wieder bei den Eltern.

LA: Wie lange lebt Frau XXXX bereits in Österreich?

VP: Ich vermute seit ca. acht Jahren.

LA: Geht Ihre Freundin einer Arbeit nach?

VP: Ja, als Schneiderin.

LA: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.

VP: Nein, ich wohne alleine.

LA: Haben Sie jemals Probleme mit den Behörden, der Polizei oder dem Militär Ihres Heimatlandes?

VP: Nein, mit der Polizei nicht. Nochmals nachgefragt, auch nicht mit Behörden oder Militär.

LA: Wer von Ihrer Familie lebt noch im Heimatland?

VP: Ein Onkel mütterlicherseits namens XXXX wohnt in XXXX . Ein Onkel väterlicherseits namens XXXX . Sonst habe ich niemand mehr.

V: Bei der letzten EV gaben Sie an, dass Sie noch einen Bruder und eine Schwester in Afghanistan hätten!

VP: Ja, das stimmt. Ich weiß aber nicht, wo sich diese befinden.

V: Beim letzten Mal gaben Sie an, dass Ihre Geschwister bei Ihrem Onkel XXXX leben würden!

VP: Das habe ich von meinem Onkel väterlicherseits gehört. Aber er hat mich belogen.

LA: Wissen Sie wie alt ca. Ihre Freundin ist?

VP: Ca. 23 Jahre.

Anmerkung: Im ZMR wird nur eine mit diesem Namen und entsprechenden Alter gefunden. Diese wohnt allerdings in XXXX . Und dies bereits seit XXXX .2018.

LA: Wie heißt der Vater Ihrer Freundin?

VP: XXXX .

V: Ich habe im ZMR nur eine Person gefunden, auf die die Daten Ihrer angeblichen Freundin zutreffen. Nach Abgleich im IFA handelt es sich dabei um ein und dieselbe Person. Allerdings lebt Ihre angebliche Freundin bereits seit Monaten nicht mehr im XXXX !? Was geben Sie dazu an?

VP: Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen Ihre Adresse zeigen.

LA: Sprechen Sie Deutsch (Frage wird auf Deutsch gestellt)?

VP: Ein bisschen.

LA: Sie haben Deutschkurse besucht?

VP: Deutschkurse hmm, ja, A2 gelernt.

LA: Ohne Einvernahme könnten Sie die Einvernahme machen?

VP: Wie bitte?

Wiederholung der Frage!

VP: Nein, kann nicht.

Weiter in Dari.

LA: Was haben Sie bis jetzt unternommen, damit Sie sich in die Gesellschaft integrieren?

VP: Ich habe Deutschkurse in Österreich besucht und auch gearbeitet. In Afghanistan hatte ich diese Möglichkeit nicht.

LA: Seit wann sind Sie bereits in Österreich?

VP: Äh.. sechs Jahren und fünf Monaten, seit 2012.

LA: Wie lange haben Sie gearbeitet. Nennen Sie mir dies in Monaten?

VP: Insgesamt 7 oder 8 Monate.

LA: Was war Ihre Tätigkeit bei Fa. XXXX ?

VP: Ich habe mit dem Fahrrad essen ausgeliefert.

LA: Ihre Gründe aus dem ersten Verfahren sind noch aufrecht?

VP: Ja, die alten Gründe bleiben aufrecht.

LA: Gibt es zu diesen Gründen Neuigkeiten?

VP: Die neuen Gründe sind, die Taliban sind mehr geworden und mit den Personen, welche ich damals Probleme hatte, sind noch immer dort. Ich habe niemand in Afghanistan.

V: Die Taliban sind allerdings nicht in ganz Afghanistan vertreten. Es gibt die Möglichkeit, dass Sie sich in einer anderen Provinz wie z.B. Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul niederlassen. Was geben Sie dazu an?

VP: Dort sind die Leute Nationalisten. Als armer Mann kann man keine Arbeit finden.

V: Sie haben sicher die Möglichkeit z.B. in der Landwirtschaft zu arbeiten?

VP: Nickt. Ja, ich habe als Landwirt gearbeitet, als ich in Afghanistan war.

V: Weiters gibt es in Afghanistan kein aufrechtes Meldesystem. Woher sollen daher Ihre "Feinde" wissen, dass Sie wieder im Land sind?

VP: Diese Leute sind an der Macht, zumindest sind es wichtige Leute und haben überall Kontakte. Dieser Mullah können mich leicht umbringen.

V: Im Erstverfahren haben Sie behauptet, dass es sich dabei um Ihre Nachbarn gehandelt hat. Dass diese Leute mächtig sind, haben Sie bis dato mit keinem Wort erwähnt?!

VP: Ja, das sind meine Nachbarn. Wenn eine Person als Mullah tätig ist, hat diese eine Macht.

LA: Wie viel Einwohner hatte ca. das Dorf aus dem Sie stammen?

VP: Hmm .. denkt nach ... genau weiß ich das nicht. Aber ca. 20.000 Einwohner.

V: Und Sie wollen mir jetzt erklären, dass ein Mullah aus einer relativ kleinen Ortschaft in Afghanistan tatsächlich so viel Macht hat? Wenn dem so wäre, hätte er mit Sicherheit das Dorf bereits verlassen und wäre in eine größere Stadt umgezogen um somit mehr Macht ausüben zu können!

VP: Er stammt aus diesem Dorf. In diesem Dorf gibt es auch eine Moschee, Mufti ....

Angemerkt wird, dass AW während der bisherigen Einvernahme völlig emotionslos wirkt.

V: Laut Erkenntnis des BVwG vom 19.02.2015 erhielten Sie damals subsidiären Schutz, wegen der schlechten Sicherheitslage in Ihrer Heimatprovinz Sar-i Pol. Mittlerweile ist die Sicherheitslage nicht mehr in ganz Afghanistan derart prekär. Wie bereits erwähnt, haben Sie die Möglichkeit Ihren Wohnort in eine andere Provinz zu verlegen.

VP: Wenn ich in Afghanistan leben könnte, würde ich zurückgehen.

LA: Sie haben bereits eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z. 6 erhalten, womit Ihnen mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Sie haben nunmehr Gelegenheit zur geplanten Vorgangsweise des BFA Stellung zu nehmen. Was spricht gegen Ihre Ausweisung, über die bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist?

VP: Seit dem ich österreichischen Boden betreten haben, habe ich gehofft, dass ich Unterstützung erhalte.

V: Haben Sie nun mittlerweile seit sechs Jahren erhalten.

VP: Ich hatte nur drei Jahre subsidiären Schutz.

V: Sie wurden allerdings sechs Jahre von den Behörden unterstützt!

VP: Ja das stimmt. Ich möchte noch sagen, als mir der subsidiäre Schutz aberkannt wurde, habe ich vorgehabt Österreich zu verlassen. Ich habe auch ein Ticket gekauft. Ich habe dann nachgedacht, ich habe meine Verlobte da. Da war in den sechs Jahren mein bestes Leben.

LA: Ihnen werden nun die Länderfeststellungen zu Ihrem Herkunftsstaat Afghanistan vorgelegt. Wollen Sie diese durch den Dolmetscher auszugsweise übersetzt haben?

VP: Nein, das brauche ich nicht.

LA: Sind Sie zurzeit in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie Medikamente?

VP: Ich habe keine Krankheit. Aber in der Nacht schlafe ich schlecht.

Der Rechtsberater hat die Möglichkeit Fragen oder Anträge zu stellen.

Frage des RB: Warum schlafen Sie schlecht?

VP: Nachdem Tod meiner Eltern, schlafe ich schlecht, ich rede in der Nacht.

V: Laut Ihren Angaben, verstarben Ihre Eltern bereits 4 - 5 Monate nach Ihrer Ausreise. Bisher war das nie ein Thema, dass Sie an Schlafstörungen leiden!

VP: Ja das stimmt. Kurz nachdem ich nach Wien umgezogen bin, sind meine Eltern verstorben.

Nachdem der RB angeblich gehört hat, dass AW irgendwas mit "verschlechtert" gesagt hat, wird nach einer kurzen Diskussion folgende Frage gestellt:

V: Hat sich Ihr Schlafverhalten verschlechtert oder ist es gleichbleibend?

VP: Es ist schlimmer geworden.

LA: Seit wann schlechter?

VP: Nach dem Tod meiner Eltern. Seit damals war es schlecht und ist noch schlimmer geworden.

... Ich wohne mit einigen anderen Personen in einem Zimmer. Die anderen Personen wollen nicht neben mir schlafen.

LA: Sie waren allerdings trotzdem arbeitsfähig?

VP: Ja, das stimmt.

Frage RB: Welche Werte haben Sie von der österreichischen Gesellschaft gelernt?

VP: Ich lerne gerne. ... Ich habe gearbeitet. Ich habe meine Verlobte in Wien gefunden. ...

RB beantragt PSY III Untersuchung und eine Frist von zwei Tagen zur Angabe der Daten der Freundin.

VP: Ich möchte noch was sagen.

LA: Bitte sprechen Sie!

VP: Einmal in meinem Leben war ich verliebt, das hat nicht geklappt, das war Schicksal. Wegen diesem Mädchen habe ich nicht nur sie verloren, sondern auch meine Eltern.

LA: Laut Ihren Angaben starben Ihre Eltern an einem Herzinfarkt. Was hat dies nun mit dem Mädchen zu tun?

VP: Wegen dieses Mädchens habe ich meine Eltern verloren. Auch das Mädchen verlor ich. Nun habe ich ein anderes Mädchen kennen gelernt. Ich habe sonst niemand auf der Welt. Geben Sie mir bitte eine Möglichkeit. Machen Sie nicht, dass ich von diesen Mädchen getrennt werde.

LA: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

Anm: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?

VP: Nein, keine Einwände, die Korrekturen wurden bereits bezüglich des Namens meines Onkels und ein weiterer Fehler berichtigt.

(...)"

12. Im Anschluss wurde der faktische Abschiebeschutz mit mündlich verkündeten Bescheid aufgehoben und der Asylakt dem BVwG vorgelegt.

13. Mit Erkenntnis des BVwG vom 15.01.2019 wurde der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

Die Entscheidung war insbesondere damit begründet worden, dass laut BVwG die vorliegenden Ermittlungsergebnisse die einwandfreie Beurteilung nicht zulassen würden, sondern ergänzender Ermittlungen erforderlich seien. Es sei nicht erkennbar, dass der Einvernahme der XXXX die Eignung abzusprechen sei, ausgehend vom Inhalt der Angaben des Antragstellers und dem Vorbringen in der Beschwerdeergänzung könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Befassung mit dem darin enthaltenen Vorbringen und dem Beweisantrag ein anderes Ergebnis zur Folge hätte. Es würden auch zu weiteren Kriterien nur rudimentäre Ermittlungsergebnisse bzw. eine nur rudimentäre Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung in Hinblick auf Art. 8 EMRK im gegenständlichen Bescheid des BFA vorliegen.

14. Am 14.03.2019 wurde der BF ein weiteres Mal niederschriftlich einvernommen. Dabei machte er folgende Angaben:

"(...)

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

A: Ja.

(...)

F: Sie wurden letztmalig am 08.01.2019 einvernommen? Hat sich zwischenzeitlich bezüglich Ihrer Fluchtgründe etwas geändert, gibt es Neuigkeiten?

A: Ich habe eine neue Adresse. (Meldezettel wird vorgelegt) XXXX . Das ist alles, sonst gibt es nichts.

F: Sie sind Obdachlos gemeldet?

A: Ja.

F: Warum wohnen Sie nicht mehr in der Goldschlaggasse?

A: Ich konnte die Miete nicht mehr zahlen.

F: Wer ist Frau XXXX ?

A: Meine Verlobte.

F: Wann und wo haben Sie XXXX kennen gelernt?

A: Über Facebook.

F: Erzählen Sie mir genauer. Irgendwann werden Sie XXXX ja auch persönlich getroffen haben?

F: Zuerst haben wir nur SMS geschickt. Vor zwei Jahren haben wir uns das erste Mal getroffen. Ich habe sie gebeten, dass sie mir mit der Deutschen Sprache hilft.

F: Wie fand das treffen statt! Erzählen Sie mir genauer!

A: Ich denke, das erste Mal haben wir uns am Stephansplatz getroffen. Dann habe ich einen Brief vom AMS erhalten. Ich habe dann XXXX gefragt, was da steht. Sie hat mir geholfen das zu übersetzen. Dann waren wir in einem Kaffeehaus und haben gemeinsam Kaffee getrunken. Dann haben wir uns langsam näher kennen gelernt.

...... AW wird durch Dolmetscher aufgefordert mehr darüber zu erzählen.

A: Dann haben wir mit einander gesprochen, wegen Verlobung und Hochzeit. Ich habe dann gesagt, es wäre besser, wenn wir beide mit unseren Eltern darüber sprechen. Ich denke, ich habe das gesagt.

F: Sind Sie nun verlobt?

A: Ja. Ich habe geplant, dass ich eine Arbeit suche, dann eine Wohnung miete und wir dann heiraten.

F: Seit wann sind Sie verlobt?

A: Seit März vor zwei Jahren .. nein, Entschuldigung, wir kennen uns seit zwei Jahren, seit einem Jahr sind wir verlobt.

F: Welchen Aufenthaltsstatus hat XXXX ?

A: Hmm... Sie ist anerkannter Flüchtling, mit einem grauen Pass.

F: Seit wann befindet sich XXXX in Österreich?

A: Ich denke, mehr als acht Jahre.

F: Hat XXXX Familie in Österreich?

A: Vater, Mutter, Schwester und Bruder.

F: Geht XXXX einer Arbeit nach?

A: Ja, nachgefragt ... als Schneiderin.

F: Haben Sie mit XXXX jemals in einem gemeinsamen Haushalt gelebt?

A: Nein.

F: Sie kennen die Eltern von XXXX persönlich?

A: Ja.

F: Gibt es Neuigkeiten aus Afghanistan?

A: Nein, ich weiß nicht, wo meine Geschwister sind.

F: Wer von Ihrer Familie lebt sonst noch im Heimatland?

A: Ein Onkel mütterlicherseits, einer väterlicherseits. Aber wo der Onkel mütterlichstes ist, weiß ich zurzeit nicht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich mit dem Onkel väterlicherseits keinen Kontakt habe. Nachgefragt hat mein Onkel in Sare Pul/Afghanistan.

V: Die Behörde ist nach wie vor der Ansicht, dass in Ihrem Fall nach wie vor entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliegt! Wollen Sie dazu etwas angeben?

A: Ich bitte Sie, dass Sie uns nicht trennen. Wir mögen einander. Es ist auch schwierig für meine Verlobte. Ich weiß nicht, was sonst noch passieren könnte. Die ganze Familie weiß schon bescheid. Nachgefragt meine ich damit, dass die ganze Familie weiß, dass wir verlobt sind. Es wäre eine große Schande, wenn was dazwischen kommt.

Dem RB wird die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen.

Der RB hat keine weiteren Fragen oder Anträge.

F: Haben Sie den Dolmetscher verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich konzentrieren?

A: Ja.

F: Konnten Sie meinen Fragen folgen?

A: Ja.

(...)"

Der BF legte keine Beweismittel vor.

Am 14.03.2019 wurde weiters Frau XXXX - Ihre angebliche Freundin - zeugenschaftlich in Ihrem Verfahren einvernommen. Dabei machte Frau XXXX folgende Angaben:

"(...)

A: Erstmals zur Abklärung: Ist ein Dolmetscher für die Einvernahme erforderlich, sprechen Sie Deutsch?

Z: Ja, ich spreche deutsch. Es wäre aber besser, wenn ein Dolmetscher anwesend ist.

LA: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

A: Ja.

LA: Gehen Sie einer geregelten Arbeit nach?

Z: Ja, ich habe Lohnzettel mit. Nachgefragt arbeite ich bei der Caritas in einer Werkstatt als Schneiderin. Ich arbeite am Vormittag. Am Nachmittag gehe ich in die Schule. Ich bin nun im 4. Semester.

LA: Wo ist das Zeugnis des letzten Semesters, vom Februar dieses Jahres?

Z: Ich glaube, das habe ich verloren.

Die Zeugin legte das Semesterzeugnis der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX vor.

LA: Welchen Aufenthaltsstatus haben Sie?

Z: Ich habe einen Konversationsreisepass.

LA: Wie kamen Sie zu den Aufenthaltsstatus?

Z: Ich bin mit meiner Familie damals nach Österreich gekommen.

LA: Woher kennen Sie Herrn XXXX ?

Z: Über Facebook.

LA: Wann, wo und wie haben Sie Herrn XXXX kennen gelernt?

Z: Ca. vor zwei Jahren, am Stephansplatz.

LA: Erzählen Sie mir genauer von diesem ersten Treffen?

Z: Ich habe die Frage nicht verstanden.

Übersetzung durch den Dolmetscher

Z: Wir haben uns in der Woche zwei bis drei Mal getroffen. Meistens bei McDonalds. Er wollte Deutsch lernen. Ich wollte ihm helfen. Deswegen wurde unsere Beziehung enger.

LA: Sie können lesen und schreiben?

Z: Ja.

LA: Sie haben Herrn XXXX vor zwei Jahren das erste Mal getroffen?

Z: Ja.

LA: Haben Sie jemals mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt?

Z: Noch nicht. Wir haben nach islamischem Recht geheiratet. Das Problem ist, er hat keinen Platz, dass wir dort wohnen können. Er hat auch keine Arbeit. Ich glaube er findet seit acht Monaten keine Arbeit.

LA: Wo ist die muslimische Heiratsurkunde?

Z: Man kann sich auch mündlich versprechen.

LA: Das heißt, bei Ihnen gibt es nur ein mündliches versprechen. Habe ich das richtig verstanden?

Z: Ja.

LA: Ihre Eltern kennen Herrn XXXX ?

Z: Ja.

LA: Was sagt Ihr Vater zu der Verlobung? Frage wird übersetzt

Z: Mein Vater ist zufrieden.

LA: Obwohl Herr XXXX keiner Arbeit nachgeht?

Z: Wichtig ist, dass wir einander mögen. Und vielleicht findet er bald eine Arbeit.

LA: Können Sie mir genauer sagen, wann Sie Herrn XXXX persönlich kennen gelernt haben? Frage wird übersetzt

Z: Vor zwei Jahren ... ich kann mich nicht erinnern.

LA: Können Sie mir wenigstens sagen ob es kalt oder warm war, Anfang oder Ende des Jahres?

Z: Ah .... Ich glaube, das war im Winter.

LA: Sie leben bei Ihren Eltern?

Z: Nein, ich lebe mit meinem Bruder zusammen. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Bruder arbeitet, beim XXXX .

LA: Ihre Eltern gehen auch arbeiten?

Z: Nein. Nachgefragt, gebe ich an, dass meine Eltern auf die Unterstützung des Staates angewiesen sind.

LA: Haben Sie noch weitere Geschwister?

Z: Ich habe noch eine Schwester, sie ist arbeitssuchend. Auch ein weiterer Bruder, das ist mein Zwilling. Er arbeitet auch seit einem Monat beim XXXX .

LA: Hat Ihnen XXXX erzählt, wer von seiner Familie noch im Heimatland lebt?

Z: Ich weiß nur, dass er eine Schwester und einen Bruder hat. Seine Eltern sind verstorben.

LA: XXXX hat Kontakt zu seinen Geschwistern?

Z: Das weiß ich nicht.

LA: Wissen Sie warum XXXX Afghanistan verlassen hat?

Z: Nein, er hat mir nichts gesagt.

LA: Wie oft treffen Sie sich mit XXXX ?

Z: In der Woche zwei bis drei Mal.

LA: Was machen Sie dann, was entnehmen Sie gemeinsam? Frage wird übersetzt

Z: Wir gehen ins Kino, oder in den Park oder ins Museum.

LA: Welchen Film haben Sie sich zuletzt angeschaut?

Z: Glaub ich ... XXXX .

(...)"

15. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des BFA vom 10.04.2019 wurde der Folgeantrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Es wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF erlassen (Spruchpunkt VII.).

Es wurde insbesondere festgestellt, der BF afghanischer Staatsangehöriger sei. Er sei gesund, jung, arbeitsfähig und für niemanden sorgepflichtig. Er habe in Österreich zu niemanden einen Familienbezug. Er habe den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan gelebt. Das Vorverfahren sei rechtskräftig abgeschlossen worden. Der BF habe im gegenständlichen Verfahren keine Gründe vorgebracht, welche einer nochmaligen Prüfung unterzogen hätten werden müssen. Es bestehe kein Familienbezug in Österreich.

Beweiswürdigung wurde insbesondere ausgeführt, dass die Identität des BF nicht feststehe. Bis zur Bescheiderlassung habe er weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit angegeben, noch habe sich eine derart schwere psychische Störung ergeben, die bei einer Überstellung/Abschiebung nach Afghanistan eine unzumutbare Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bewirken würde. Es würden unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände existieren, welche einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Er verfüge über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Er sei jung, gesund und arbeitsfähig. Er spreche zwar Deutsch, doch wurde vom BFA festgestellt, dass eine Einvernahme ohne Dolmetscher nicht möglich sei. Die Feststellungen betreffend den Ausgang des Vorverfahrens sowie der damals maßgeblichen Gründe für den Antrag des BF auf internationalen Schutz in Österreich würden sich auf den Akteninhalt zum Vorverfahren gründen. Dem nunmehrigen Antrag seien vom BFA die Feststellung des Vorbringens im Erstverfahren sowie das "neue" Vorbringen zu Grunde gelegt. Der BF habe sich im gegenständlichen Verfahren auf Fluchtgründe berufen, welche bereits im Erstverfahren bestanden hätten.

Das nunmehrige Vorbringen stehe dem keine anderslautenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entgegen. Daraus ergebe sich kein neuer Sachverhalt. Das nun vorgebrachte Fluchtvorbringen des BF sei nicht glaubhaft und beziehe sich auf sein Vorbringen aus dem Vorverfahren. Er habe nicht glaubhaft machen können, dass sein Leben in Afghanistan gefährdet wäre und sei sein Fluchtvorbringen bereits im ersten Verfahren als unglaubwürdig eingestuft wurden. Im gegenständlichen Verfahren habe er sich auf das Fluchtvorbringen aus dem Erstverfahren, welches - wie bereits erwähnt - als unglaubwürdig erachtet worden sei, berufen. Er habe weiters vorgebracht, dass er eine angebliche Verlobte in Österreich habe. Auch in diesem Punkt widerspreche er sich. Habe er zuerst angegeben, dass die Mutter der Verlobten gegen die muslimische Heirat sei, behaupte er bei der nächsten Frage, dass diese anwesend gewesen wäre. Im Endeffekt habe er selbst zugegeben, dass er gar nicht nach muslimischem Recht verheiratet sei, da kein Imam anwesend gewesen sei. Zudem wäre eine muslimische Heirat ohnehin nicht relevant, da diese in Österreich nicht anerkannt werde. Schlussendlich habe der BF gar nicht gewusst, wo seine Verlobte wohne. So behaupte er, dass diese im XXXX Wiener Gemeindebezirk wohne. Eine durchgeführte ZMR-Anfrage habe allerdings gezeigt, dass diese sei bereits mehr als sechs Monaten im XXXX Wiener Gemeindebezirk wohne. Der BF habe auch zu keinem Zeitpunkt mit der angeblichen Verlobten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Er sei die Beziehung zu einem Zeitpunkt eingegangen, als ihm bewusst habe sein müssen, dass der Aufenthalt in Österreich nicht gesichert sei. Seit der Einreise habe der BF mehrere Deutschkurse (A2) besucht, dies habe er durch Vorlage von diversen Bestätigungen beweisen können. Er beherrsche die deutsche Sprache nicht, habe in den jeweiligen Einvernahmen jeweils einen Dolmetscher zur Seite gestellt bekommen, da dies erforderlich gewesen sei. Weitere Integrationsbemühungen seien nicht ersichtlich gewesen und habe der BF nicht geltend gemacht. Insoweit sich der BF auf sein Vorbringen aus dem Erstverfahren berufe wurde darauf verwiesen, dass dessen Vorbringen bereits in diesem Vorverfahren - aufgrund zahlreicher Widersprüche - als nicht glaubwürdig erachtet worden sei. In Gesamtschau ziele gegenständlicher Folgeantrag einzig und allein darauf ab, einer möglichen Abschiebung zu entgehen. Dem BF sei es als jungen, gesunden Mann möglich, in Afghanistan eine Arbeit zu finden, zumal er die Sprache beherrsche, um sich somit auch den notwendigen Lebensunterhalt verdienen zu können. So habe der BF selbst angegeben, dass er den Beruf des Schneiders gelernt habe. Somit stehe fest, dass er arbeitsfähig sei und auch in Afghanistan als Schneider arbeiten könne bzw. zumindest eine Hilfsarbeit annehmen werde können. In Gesamtschau sei das BFA überzeugt, dass dem BF bei einer Rückkehr keine unmenschliche Behandlung drohe. Es stünden dieser Feststellung auch keine anderslautenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entgegen. Daraus würde sich kein neuer Sachverhalt ergeben. Die nunmehr vorgebrachten Gründe seien nicht glaubhaft. Der BF habe keine glaubhaften Fluchtgründe vorgebracht, welche den Vorgaben der GFK entsprechen würden.

Es wurde vom BFA darauf hingewiesen, dass eine fortgeschrittene familiäre, gesellschaftliche oder berufliche Integration in Österreich im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich sei. Dem Aspekt einer allenfalls zu berücksichtigenden Verankerung in Österreich komme kein bedeutsames Gewicht zu Gunsten des BF zu. Sofern der angebe, eine namentlich genannte Verlobte im Bundesgebiet zu haben, merkte das BFA an, dass er diese Beziehung zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, als dem BF bewusst hätte sein müssen, dass sein Aufenthalt in Österreich nicht gesichert sei. Er habe auch zu keinem Zeitpunkt mit der angeblichen Verlobten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Er sei nicht selbsterhaltungsfähig. Hinzu komme, dass er bei der Einvernahme am 08.01.2019 nicht einmal gewusst habe, dass seine angebliche Verlobte bereits seit XXXX .2018 nicht mehr an der vom BF genannten Adresse wohnhaft sei. Er habe keinen Familienbezug im österreichischen Bundesgebiet. Er habe höchstens freundschaftliche Beziehungen. Er sei in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Er sei jung gesund und in einem arbeitsfähigen Alter. Die den BF betreffende allgemeine asylrelevante maßgebliche Lage im Herkunftsland habe sich seit dem rechtkräftigen Abschluss des Vorverfahrens nicht geändert. Weder aus seinem Vorbringen im gegenständlichen Verfahren, noch aus den im Vorverfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu seinem Heimatstaat, unter Berücksichtigung von aktualisierten Versionen des im Vorverfahren verwendeten Quellenmaterials, hätten sich Hinweise auf eine seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahren für ihn maßgeblich geänderte asylrelevante Lage in seinem Heimatstaat ergeben.

Die Erlassung des Einreiseverbots wurde damit begründet, dass im gegenständlichen Fall ein unbegründeter und missbräuchlicher Asylantrag vorliege und jedenfalls auch eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit indiziere. Missbräuchliche und ungerechtfertigte Asylantrage insbesondere aus sicheren Herkunftsstaaten oder wenn keine Verfolgungsgründe vorgebracht werden, würden das gesamte Asylsystem blockieren und würden einen Missbrauch des Selben darstellen, diese seien jedenfalls als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu werten. Das Fehlverhalten des BF, nämlich die Stellung eines unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrages, hätten in keine der oben genannten Ziffern des § 53 FPG subsumiert werden können, sei jedoch geeignet die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden und würden auch den Interessen des Art. 8 EMRK zuwiderlaufen. Zudem bedürfe es im Fall der Mittellosigkeit eines Fremden nicht der Feststellung weiterer Umstände, um eine negative Prognose für den weiteren Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet zu begründen. Es wurde vom BFA festgehalten, dass der BF konkret nicht in der Lage sei, die Mittel für seinen Unterhalt aus Eigenem nachzuweisen. Dies ergebe sich schon alleine aus dem Umstand, dass er behaupte, sein Heimatland aufgrund der wirtschaftlichen Lage und Armut verlassen zu haben. Sein Unterhalt sei derzeit nur durch staatliche Unterstützung gewährleistet, in seinem Fall durch die Grundversorgung. In systematischer Interpretation der Gesetze sei festzuhalten, dass EWR Bürger, welche nicht in der Lage seien die Mittel für deren Unterhalt nachzuweisen und zum Bespiel die Mindestsicherung beziehen (vgl. §§ 53, 55 NAG), Gefahr laufen gem. § 66 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen zu werden. Der Umstand, dass der BF auch künftig nicht in der Lage sein werde, die Mittel für seinen Unterhalt aus Eigenem und ohne staatliche Zuwendungen zu besorgen, ergebe sich schon aus der Tatsache, dass er über kein Aufenthaltsrecht in Österreich verfüge und daher auch keiner legalen Beschäftigung nachgehen könne. Im Zuge der Einvernahme habe der ebenfalls nichts vorgebracht, was das BFA zur Ansicht kommen lassen würde, dass er künftig die Mittel für seinen Unterhalt selbst erwirtschaften könne. Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, seien die familiären und privaten Anknüpfungspunkte des BF in Österreich nicht dergestalt, dass diese einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des BF, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die vom BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot sei daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

16. In der dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer insbesondere aus, er sei in Afghanistan von XXXX bedroht worden, dieser sei sehr radikal und einflussreich, kenne viele Regierungsmitglieder und würde ihm im Fall einer Rückkehr schnell finden, auch in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat; die Söhne des Mullahs hätten auch die mittlerweile verstorbenen Eltern des BF bedroht, als dieser schon in Österreich gewesen sei. Im Falle einer Rückkehr hätte der BF als Schiite auch generell Probleme mit den Taliban. Der BF sei mit XXXX traditionell nach muslimischen Recht verheiratet. Das neue Parteibegehren weiche vom früheren Vorbringen ab und es handele sich hierbei gerade nicht um Tatsachen, die schon bei Abschluss des materiell entschiedenen Verfahrens bestanden habe, sondern um eine nachträgliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts auf Grund neuer Fluchtgründe. Die beim BFA beigelegten Länderfeststellungen im gegenständlichen Verfahren würden nicht genügen. Sie seien unvollständig und daher mangelhaft. Die belangte Behörde habe es verabsäumt Länderberichte in ihre Entscheidung miteinzubeziehen, welche die konkrete Situation des BF betreffen würden. Das vom BFA angeführte Länderinformationsblatt zeichne die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan lediglich unzureichend ab, daher wurde in der Beschwerde weitere Berichte zitiert. Eine interne Schutzalternative sei besonders problematisch für stigmatisierte Rückkehrer aus dem Westen. Der BF wäre in Afghanistan gefährdet, dass ihm in Afghanistan unterstellt würde, Abtrünniger und vom Islam abgefallen zu sein. Neben dem Pauschalverdacht, der viele Rückkehrer aus dem "Westen" treffe, komme im Falle des BF hinzu, dass er eine "westliche" Lebensweise angenommen habe. Das BFA sehe einen Widerspruch darin, dass der BF zuerst angegeben habe, die Mutter seiner Verlobten sei zuerst gegen die muslimische Heirat gewesen, der BF jedoch bei der nächsten Frage angegeben habe, dass die Mutter bei der Hochzeit anwesend gewesen sei. Dazu sei erklärend auszuführen, dass die Mutter seiner Frau am Anfang gegen die Ehe gewesen sei, ihre Meinung habe sie allerdings geändert, nachdem sie den BF kennengelernt habe und dann auch der Hochzeit zugestimmte habe sowie bei dieser anwesend gewesen sei. Wenn das BFA anführe, dass der BF gar nicht gewusst habe, wo seine Verlobte wohne, so sei dies damit zu erklären, dass er geglaubt habe, seine Frau lebe im XXXX , weil deren Mutter dort wohne und er selbst nur dort gewesen sei. Er habe schlichtweg nicht gewusst, dass seine Frau im XXXX wohne. Der zugrundeliegende Sachverhalt habe sich insofern maßgeblich verändert, als sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert habe und der BF auf sich selbst gestellt wäre. Wie den Ausführungen oben zu entnehmen sei, seien im gegenständlichen Verfahren neue Umstände im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren des BF zu Tage getreten. Die zurückweisende Entscheidung sei daher rechtswidrig. Allein aufgrund der geänderten Umstände im Herkunftsstaat des BF hätte das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz nicht zurückweisen dürfen, sondern eine inhaltliche Prüfung vornehmen müssen. Entgegen der Ansicht des BFA habe sich die Sicherheitslage im Herkunftsland des BF seit rechtskräftigem Abschluss des letzten Asylverfahrens verschlechtert. Das BFA gehe davon aus, dass seit Rechtskraft der letzten abweisenden Entscheidung gegen den BF keine entscheidungsrelevanten Änderungen in Afghanistan eingetreten seien und unterlasse es in rechtswidriger Weise, eine neuerliche individuelle Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung des BF durchzuführen. Der BF befinde sich schon acht Jahre in Österreich. Er habe sich schon gut in die österreichische Gesellschaft integriert und viele Freundschaften und Bekanntschaften geschlossen. Er spreche gut Deutsch (B1), daran ändere auch der Umstand nichts, dass der BF die Einvernahme in seiner Muttersprache durchgeführt habe, da er sich in dieser immerhin noch besser und genauer artikulieren könne. Der Eingriff in das schützenswerte Privatleben des BF sei als unverhältnismäßig zu qualifizieren und daher auf Dauer unzulässig.

17. Da in der Beschwerde ua. auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Personen ausschließlich männlichen Geschlechts beantragt wurde, wurde die ausgewiesene Vertretung mit Schreiben des BVwG vom 30.04.2019 dazu aufgefordert, diesen Antrag hinreichend zu begründen.

18. Mit Schreiben der ausgewiesenen Vertretung vom 30.04.2019 wurde dieser Antrag dahingehend berichtigt, dass auf die Teilnahme von Personen ausschließlich männlichen Geschlechts verzichtet wurde.

19. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 06.08.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch die ARGE einvernommen wurde. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers wurde als Zeugin einvernommen.

Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht:

- LIB Afghanistan vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation vom 26.03.2019)

- UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018

Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung tätigte der BF ua. folgende Angaben:

"(...)

R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit dem BF abgeklärt, sodass ihm diese geläufig sind]): sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie ein Medikament? Wenn ja, haben Sie Bestätigungen darüber?

BF: Ich bin ganz gesund.

(...)

R: Hat sich an den Gründen Ihrer Asyl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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