TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/17 I403 2187373-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.03.2020
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Entscheidungsdatum

17.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2187373-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Kamerun, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2018, Zl. XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die in Spruchpunkt VI. festgelegte Frist zur freiwilligen Ausreise mit einem Monat festgelegt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin Kameruns, stellte am 08.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am folgenden Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Sie gab an, Kamerun wegen ihrer Homosexualität verlassen zu haben.

Die Beschwerdeführerin wurde am 23.01.2017 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen; sie wiederholte, in Kamerun wegen ihrer Homosexualität bedroht zu sein. In einer weiteren Einvernahme am 27.11.2017 wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Fluchtvorbringen.

Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kamerun zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Die Ausreisegründe der Beschwerdeführerin wurden für nicht glaubhaft befunden.

Gegen den Bescheid wurde fristgerecht am 13.02.2018 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für den Verein Menschenrechte Österreich vorgelegt. Es wurde wiederholt, dass die Beschwerdeführerin in Kamerun wegen ihrer sexuellen Orientierung Verfolgung zu befürchten habe.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.02.2018 vorgelegt.

Mit Eingabe des BFA vom 23.11.2018 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass die Beschwerdeführerin mit einem anderen kamerunischen Asylwerber (Y.N.) zusammenlebe und von diesem ein Kind erwarte. Am XXXX wurde die Tochter der Beschwerdeführerin geboren; in der Geburtsurkunde wurde der französischer Staatsbürger A.M. als Vater genannt. Am 11.12.2018 wurde für die Tochter ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In einer Befragung vor dem BFA am 04.03.2019 bestätigte die Beschwerdeführerin zunächst, dass der französische Staatsbürger, welcher die Vaterschaft anerkannt hatte, tatsächlich auch der biologische Vater ihrer Tochter sei; im Laufe der Einvernahme meinte sie dann allerdings, sie gehe davon aus, dass ihr Lebensgefährte Y.N. der Vater ihrer Tochter sei. Nunmehr gab sie an, bisexuell zu sein.

Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin am 03.07.2019 zugewiesen. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2019 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert bekanntzugeben, wer der Vater ihrer Tochter sei und ob die Beschwerdeführerin mit der Durchführung einer DNA-Analyse einverstanden sei. Mit Schreiben vom 09.07.2019 erklärte die Beschwerdeführerin, dass der französische Staatsbürger A.M. der Vater ihrer Tochter sei und dass sie keine DNA-Analyse wünsche.

Am 04.12.2019 wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt, in der neben der Beschwerdeführerin auch der kamerunische Staatsbürger Y.N. als Zeuge aussagte. Er bestätigte seine Vaterschaft, die Beschwerdeführerin verweigerte die Durchführung einer DNA-Analyse. Der ebenfalls als Zeuge geladene französische Staatsbürger A.M. erschien nicht zur Verhandlung.

Das Bundesverwaltungsgericht informierte die französische Botschaft und die Staatsanwaltschaft vom Verdacht, dass die französische Staatsanwaltschaft der Tochter der Beschwerdeführerin erschlichen sei; die Staatsanwaltschaft informierte das Gericht von der Einstellung des Verfahrens, die französische Botschaft teilte auf Nachfrage mit, dass noch keine Schritte gesetzt worden seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Kameruns und stammt aus XXXX und damit aus dem französischsprachigen Teil Kameruns. Sie lebte vor ihrer Ausreise in XXXX. Sie absolvierte nach der Schule eine Ausbildung zur Sekretärin, arbeitete in diesem Bereich und dann als Händlerin. In Kamerun leben die Mutter und die fünf Geschwister (eine Schwester und vier Brüder) der Beschwerdeführerin; ihr Vater ist verstorben. Die Beschwerdeführerin steht in Kontakt mit ihrer in Kamerun lebenden Familie. Ihrer Familie geht es ihrer Auskunft nach gut. Ihre im Jahr 2003 geborene Tochter lebt bei ihrem Vater, dem Ehemann der Beschwerdeführerin, in Kamerun.

Die Beschwerdeführerin führte eine Beziehung mit dem kamerunischen Staatsbürger Y.N., dessen Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, Zl. XXXX abgewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin hat eine A1-Prüfung absolviert und engagiert sich in einer Pfarre. Sie ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Tochter der Beschwerdeführerin

Am XXXX kam ihre Tochter XXXX in Österreich zur Welt. Die Vaterschaft für ihre Tochter wurde am 31.07.2018 von dem französischen Staatsbürger XXXX (im Folgenden A.M.), geboren am XXXX in XXXX, Algerien und wohnhaft in XXXX, anerkannt. Dies wurde am 19.02.2019 durch die französische Botschaft durch Ausstellung einer "Copie d¿acte de naissance" bestätigt.

Die französische Staatsbürgerschaft ergibt sich somit daraus, dass der französische Staatsbürger A.M. noch vor der Geburt seine Vaterschaft am 31.07.2018 anerkannt hatte. Er ist auch in der Geburtsurkunde als Vater genannt. Es ist nicht glaubhaft, dass A.M. der Vater ihrer Tochter ist, vielmehr wurde dies wurde von der Beschwerdeführerin vorgetäuscht, um die französische Staatsbürgerschaft ihrer Tochter zu erschleichen und somit ihre Möglichkeiten zur Erlangung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet zu verbessern.

Es ist davon auszugehen, dass der kamerunische Staatsbürger XXXX (im Folgenden Y.N.), mit dem die Beschwerdeführerin eine Beziehung führte und dessen Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX abgewiesen wurde, der leibliche Vater ihrer Tochter ist, doch wurde die Durchführung eines DNA-Tests verweigert, so dass eine abschließende Feststellung nicht möglich ist.

Die Beschwerdeführerin könnte in Frankreich eine Aufenthaltsberechtigung ("vie privée et familiale") beantragen. Voraussetzung dafür ist, dass sie Mutter eines in Frankreich wohnhaften Kindes ist und sich seit dessen Geburt um das Kind gekümmert hat. Laut Angaben ihres früheren Lebensgefährten wohnte die Beschwerdeführerin, ehe sie 2015 nach Österreich kam, bereits in Frankreich.

Ihre Tochter besitzt zudem auch die kamerunische Staatsbürgerschaft.

1.3. Zum Fluchtvorbringen und zu einer Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin stellte am 08.10.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerdeführerin verließ Kamerun nicht aus Furcht, wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt zu werden. Ihr entsprechendes Vorbringen ist nicht glaubhaft. Es besteht auch keine reale Gefahr, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde. Sie befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter, ist gesund und erwerbsfähig und hat in Kamerun Familie.

1.4. Zur allgemeinen Situation in Kamerun:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Kamerun (odt.), 13. Februar 2020, abrufbar unter https://www.ecoi.net/en/file/local/2024591/KAME_LIB_2019_05_17_KE.odt (Zugriff am 13. März 2020)

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sind folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zu entnehmen:

1.4.1. Sicherheitslage und Menschenrechtsverletzungen

Es gibt keine Bürgerkriegsgebiete. Allerdings gibt es seit Ende 2017 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppen in den beiden anglophonen Regionen North West und South West (AA 15.1.2019). Die Konflikte zwischen Staatssicherheitskräften und Separatisten haben sich 2018 in den anglophonen Regionen verschärft (FH 4.2.2019). Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten, allerdings wird zu verstärkter Wachsamkeit aufgerufen (FD 6.5.2019). Die Sicherheitslage bleibt in der gesamten Sahelzone kritisch (EDA 6.5.2019). Abgeraten wird von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord (FD 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; AA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Reisen in die Provinzen Nord und Adamaoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind; hier ist das Terrorismusrisiko geringer als in der Provinz Extrême-Nord (FD 6.5.2019; vgl. AA 6.5.2019). Vor Reisen in die englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest wird aufgrund der angespannten Sicherheitslage gewarnt (AA 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Immer wieder kommt es zu politisch bedingten Unruhen, vor allem in Bamenda (EDA 6.5.2019). Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen mit Toten und Verletzten dauern in beiden Regionen an (AA 6.5.2019; vgl. EDA 6.5.2019). Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 6.5.2019). Die prekäre Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik wirkt sich auch auf das Grenzgebiet zu Kamerun aus. Es besteht ein hohes Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie die Gefahr von Entführungen zwecks Lösegelderpressung. Von Reisen in das Grenzgebiet zur Zentralafrikanischen Republik wird abgeraten.

Im Kamerun fanden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag, den 9.2.2020, Parlaments- und Kommunalwahlen statt (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020; JA 9.2.2020). Das Land wird von gewaltsamen Konflikten geplagt - im englischsprachigen Westen von Separatisten und im Norden durch Dschihadisten. Aufgrund der Unruhen war die zunächst für 2018 angesetzte Abstimmung zwei Mal verschoben worden (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020). Im November 2019 setzte Präsident Paul Biya ein Datum für die Wahlen fest, was zu beispielloser Gewalt, Zerstörung und Menschenrechtsverletzungen in den beiden westlichen Regionen führte - die von den Separatisten gemeinsam als Südkamerun oder Republik Ambazonien bezeichnet werden. Die Separatisten haben die sonntäglichen Wahlen für illegal erklärt und ihre Operationen intensiviert (THN 6.2.2020).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Andere bedeutende Menschenrechtsmissachtungen sind willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und Separatisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 6.5.2019

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 25.3.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2.2020): Briefing Notes, Zugriff 11.2.2020

- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.5.2019): Reiseinformation Kamerun, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 6.5.2019

- DF - Deutschlandfunk.de (9.2.2020): Gewalt behindert laut epd Parlaments- und Kommunalwahlen, https://www.deutschlandfunk.de/kamerun-gewalt-behindert-laut-epdparlaments-und.1939.de.html?drn:news_id=1099400, Zugriff 10.2.2020

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.5.2019): Kamerun - Reisehinweise, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/kamerun/ reisehinweise-kamerun.html, Zugriff 6.5.2019

- FD - France Diplomatie (6.5.2019): Cameroun - Conseils aux voyageurs - Sécurité,https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-paysdestination/cameroun/#securite, Zugriff 6.5.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/ de/dokument/2002609.html, Zugriff 2.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019

- JA - Jeune Afrique (9.2.2020): Cameroun : journée d'élections législatives et municipales sans suspense mais sous tension, https://www.jeuneafrique.com/893838/politique/cameroun-journee-delections-legislativeset-municipales-sans-suspense-mais-sous-tension/, Zugriff 10.2.2020

- TNH - The New Humanitarian (ehemals: IRIN News) (6.2.2020): Briefing: Cameroon's intensifying conflict and what it means for civilians, http://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/02/06/Cameroon-elections-anglophoneseparatist-insurgency-Ambazonia, Zugriff 10.2.2020

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019

1.4.2. Frauen und Kinder

Frauen sind verfassungsrechtlich Männern gleichgestellt. Viele Gesetze benachteiligen aber Frauen nach wie vor (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019) und es besteht weiterhin eine deutliche Diskrepanz zwischen bestehenden Gleichstellungsrechten (GIZ 4.2019c). Beispiele sind die alleinige Verfügungsgewalt des Ehemanns über das eheliche Vermögen sowie dessen Recht, der Ehefrau eine Berufstätigkeit zu untersagen, die Zulässigkeit der körperlichen Züchtigung der Ehefrau. Die verbreitete Zwangsheirat ist zwar nach dem kodifizierten Strafrecht strafbar, aber in vielen Gegenden wird das staatliche Zivil- und Strafrecht faktisch durch traditionelles Recht ersetzt. Die aus der Anwendung des traditionellen Rechts folgenden Handlungen unterliegen keiner staatlichen Kontrolle (AA 15.1.2019). Auch in familiären Angelegenheiten gilt der Mann als Chef, was durch traditionelles und modernes Familien- und Eherecht bestätigt wird. Auf dem Social Institutions and Gender Index der OECD (Familienrecht, körperliche Unversehrtheit, bürgerliche Freiheiten, Bevorzugung von Söhnen und Eigentumsrechte) belegt Kamerun Platz 71 von 86 (GIZ 4.2019c). Das kodifizierte Recht ist teilweise diskriminierend und menschenunwürdig. Nach kamerunischem Strafrecht gibt es zum Beispiel keine Vergewaltigung in der Ehe. Vergewaltigungen werden auch nur selten zur Anzeige gebracht und von den Behörden nachlässig verfolgt (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019), obwohl sie mit einer Haftstrafe von fünf bis zehn Jahren belegt sind (USDOS 13.3.2019). Bei der im Parlament diskutierten Reform des Familienrechts sollen viele dieser diskriminierenden Bestimmungen aufgehoben werden. Voraussichtlich wird der Gesetzesentwurf über mehrere Jahre verhandelt werden. Ein Termin zur Vorlage im Parlament ist nicht bekannt (AA 15.1.2019).

In politischen Entscheidungspositionen sind Frauen unterrepräsentiert (GIZ 4.2019c) bzw. wenig präsent. Die Gründe dafür liegen in der sozialen Abhängigkeit, der Erziehung sowie darin, dass höhere Schulbildung Mädchen noch immer in geringerem Maße zugänglich ist. Die genannten Missstände werden gesellschaftlich akzeptiert und den meisten Frauen sind ihre Rechte nicht bekannt. Nur wenigen Frauen gelingt es, das öffentliche Leben aktiv mitzugestalten (AA 15.1.2019). Die Regierung hat sich aber verpflichtet, die Vertretung von Frauen im Parlament zu erhöhen (FH 4.2.2019). Im Zuge der Parlamentswahlen 2013 erhöhte sich der Anteil von Frauen in der Nationalversammlung deutlich auf 33 % (AA 15.1.2019). In der Nationalversammlung sind 31 % der Abgeordneten Frauen, im Senat sind es 26 %. Allerdings waren 2018 nur 30 % der registrierten Wähler Frauen (FH 4.2.2019). Das kamerunische Zivilrecht erlaubt jedem Mann über 35 Jahren, bis zu vier Ehefrauen zu heiraten (Polygamie). Die Menschenrechtslage von Frauen variiert ebenso wie ihre gesellschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten je nach Wohnort und ist grundsätzlich in ländlichen Gebieten schlechter als in den Städten. Die vor allem in den ländlichen Gebieten praktizierte Rechtsprechung durch traditionelle Autoritäten benachteiligt systematisch Frauen und Kinder. Darüber hinaus variiert die Rolle der Frau auch von Ethnie zu Ethnie. Der Norden Kameruns gilt hinsichtlich der Frauenrechte als besonders rückständig: Zahlreiche junge Mädchen (zwischen 10 und 15 Jahren), meist aus ärmeren Verhältnissen, werden zwangsverheiratet und besuchen nur selten die Schule. Danach sind sie für Haushalt und Kinder zuständig, sodass ihre weiterführende Schulbildung erschwert wird. Dadurch bleibt der Anteil der Analphabetinnen hoch. Die sozialen Unterschiede und der regional unterschiedlich große Einfluss des Gewohnheitsrechts in Familienangelegenheiten sind weitere wesentliche Faktoren, die zu erheblichen Ungleichheiten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Behandlung von Frauen führen (AA 15.1.2019). Die Verstümmlung weiblicher Genitalien (FGM) ist in Artikel 277-1 des neuen Strafgesetzes (2016) verboten (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Diese ist kein Massenphänomen, wird aber in einigen wenigen Regionen Kameruns praktiziert: im äußersten Norden (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019) und den ländlichen Gebieten entlang der Grenze zu Nigeria (AA 15.1.2019); im Osten sowie im Südwesten bei den Ethnien der Choa und Ejagham. FGM bleibt weiterhin ein Problem, die Prävalenz ist aber gering (USDOS 13.3.2019). Im landesweiten Durchschnitt sind etwa 1 % der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten (GIZ 4.2019c; vgl. AA 15.1.2019), wobei diese Praxis deutlich an Regionen bzw. Ethnien, weniger an Religion, gekoppelt ist: so gibt es bei einigen Volksgruppen gesicherte Prävalenzen von 13 % (GIZ 4.2019c). Verlässliche Statistiken gibt es nicht. Immigrantinnen aus dem Tschad, Nigeria, Sudan und Mali führen Beschneidungen weiblicher Genitalien auch in einigen Fällen in den großen Städten Douala und XXXX durch. Im äußersten Norden werden Mädchen normalerweise vor Erreichen des 10. Lebensjahres, jedoch nicht nach dem 13. Lebensjahr beschnitten. Im Südwesten wird die Beschneidung weiblicher Genitalien von mehreren Ethnien (Boki, Otu Ejagham, Bayangi) praktiziert, zum Teil an erwachsenen Frauen nach Geburt des ersten Kindes (AA 15.1.2019). Weit verbreitet (rund 12 %) ist ebenfalls die Verstümmelung der Brüste: dabei reiben die Mütter adoleszenter Mädchen heiße Steine über die Brüste ihrer Töchter, um ihr Wachstum aufzuhalten und sie damit vor zu frühen sexuellen Erfahrungen zu schützen ("Brustbügeln"). Dadurch entstehen Verwachsungen, die lebenslang zu starken Schmerzen und Traumata führen können (AA 15.1.2019).

Kinder unter 14 Jahren sind schulpflichtig, was jedoch vielfach missachtet wird. Das Arbeitsrecht sieht Sanktionen für die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren vor. Im informellen Sektor ist Kinderarbeit jedoch gängige Praxis (AA 15.1.2019). Seit Dezember 2005 ist ein so genanntes Anti-Kinderhandel-Gesetz in Kraft. Genaue Aussagen über Entwicklungen in diesem Bereich liegen nicht vor. Die kamerunischen Behörden beobachten seit der Einführung des Gesetzes Adoptionsaktivitäten wesentlich aufmerksamer. In Kamerun gibt es trotz des Gesetzes Kinderhandel zum Zwecke der Feld- oder Hausarbeit. Die Regierung Kameruns arbeitet mit NGOs zusammen um Kinderarbeit und Menschenhandel zu bekämpfen (AA 15.1.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 11.4.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.htm, Zugriff 11.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Kamerun - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kamerun/gesellschaft/, Zugriff 6.5.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 11.4.2019 18.2. Kinder

1.4.3. Grundversorgung

Hinsichtlich des Selbstversorgungsgrads mit Lebensmitteln liegt Kamerun weit unterhalb seiner Möglichkeiten. Die bäuerliche Landwirtschaft wird vernachlässigt (GIZ 4.2019b). Trotzdem kann die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln als gesichert angesehen werden. Allerdings besteht ein Verteilungsproblem, das insbesondere in den drei nördlichen Provinzen zu Lebensmittelengpässen führt. Nach Angaben vom September 2018 waren über 3,26 Mio. Kameruner, davon 1,81 Mio. Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen; vielmehr werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (Großfamilie) aufgefangen. Eine längere Abwesenheit gefährdet diese sozialen Netze. In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen (AA 15.1.2019). Die Idee, die soziale Absicherung der Bevölkerung hinsichtlich Gesundheits-, Altersversorgung etc. als staatliche Grundaufgabe aufzufassen, hat sich in Kamerun noch nicht wirklich eingebürgert. Zwar existiert eine Caisse Nationale de la Prévoyance Sociale (CNPS), die ihre Leistungen wie Rentenzahlung, Verletztengeld, Invalidenrente etc. aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen finanziert, aber die Mehrheit der Kameruner hat zu dieser öffentlichen Sozialversicherung keinen Zugang, weil viele entweder ohne Arbeitsvertrag, auf selbstständiger Basis und im informellen Sektors arbeiten oder aber arbeitslos sind. Zudem herrscht allgemein großes Misstrauen, ob man, trotz regelmäßiger Beitragszahlung, wirklich im Alter oder in einer Notlage von einer Leistung profitieren wird. Außerdem ist die Einrichtung immer wieder von größeren und kleineren Skandalen betroffen, was das Vertrauen ins System auch nicht fördert. Arbeitslosen- und Krankenversicherungsleistungen sowie Krankengeld werden von der CNPS nicht übernommen. Staatsbeamte dagegen sind über ihren Arbeitgeber versichert. Für sie existiert sogar eine staatliche Krankenversicherung; allerdings gibt es auch hier Probleme, sobald Gelder ausgezahlt werden sollen (GIZ 4.2019c). Unter den Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation CEMAC ist Kamerun das wirtschaftlich stärkste Land. Das Bruttoinlandsprodukt erreichte 2015 geschätzte 38,4 Milliarden US-Dollar, pro Kopf ca. 1.545 US-Dollar (AA 21.3.2019b). Dennoch müssen 25 % der Kameruner mit weniger als 1,90 US-Dollar auskommen. Bei den Armutsindikatoren wie die landesspezifische durchschnittlichen Schuljahre (12,2), die Lebenserwartung (58,6) oder die Müttersterblichkeit (569 Sterbefälle auf 100.000 Geburten), dürfen die großen regionalen Unterschiede nicht vergessen werden. Bei der aktuellen (2018) statistischen Fortschreibung der Human Development Indizes und Indikatoren erreicht Kamerun beim Gender Inequality Index Rang 141 von 160, beim HDIRanking 151 von 189 (GIZ 4.2019b). Zwar ist Kamerun nicht so stark vom Erdöl abhängig wie andere afrikanische Ölexporteure, trotzdem wirkt sich der Ölpreiseinbruch auch auf die Wirtschaft Kameruns aus. Aufgrund der Außenfinanzierung staatlicher Infrastrukturgroßprojekte steigt die Außenverschuldung stark an und beträgt (2017) ca. 30 % des BIP (GIZ 4.2019b). Kamerun will bis 2035 den Status eines demokratischen und in seiner Diversität geeinten Schwellenlandes erreichen. Dieses langfristige Entwicklungskonzept "Vision 2035" beinhaltet eine Erhöhung des Wirtschaftswachstums, die Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens, Förderung von Investitionen und eine Senkung des Bevölkerungswachstums auf 2 %. Laut der Strategie für Wachstum und Beschäftigung soll die Wirtschaft zwischen 2010 und 2020 um durchschnittlich mindestens 5,5 % im Jahr wachsen, um Arbeitslosigkeit und Armut zu reduzieren. Weiterer Schwerpunkt ist die Verbesserung der Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Energie, Transport und Kommunikation. Außerdem haben die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse besondere Bedeutung. Makroökonomisch wurden in den letzten Jahren Fortschritte erzielt: Kamerun erreichte 2017 ein Wirtschaftswachstum von ca. 3,2 % 2018 lag das Wachstum bei 4 %. Neben der Öl- und Gasförderung und den Infrastrukturinvestitionen ist der tertiäre Sektor eine treibende Kraft. Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht nicht aus, um Arbeitsplätze in größerem Umfang zu schaffen und die Armutsrate von circa 30 % nachhaltig zu senken (AA 21.3.2019b). Insbesondere der primäre und tertiäre Sektor tragen derzeit zum Wachstum bei. Rohöl, Holz und landwirtschaftliche Produkte sind die wichtigsten Exportprodukte. Einnahmen aus der Ölförderung konnte Kamerun zuletzt wieder steigern. In der Landwirtschaft wurde die Produktion von Schlüsselprodukten (Kakao, Kaffee, Bananen, Rohkautschuk) durch erleichterten Zugang zu Finanzierung, Ausbildung und Forschung gesteigert. In der Folge erwartet die Regierung künftig weitere Produktionssteigerungen. Weitere Impulse für das Wirtschaftswachstum kommen aus dem sekundären Sektor und basieren auf der beginnenden Umsetzung der Investitionsprogramme zur Verbesserung der Infrastruktur (AA 21.3.2019b). Seriösen Vermutungen zufolge erwirtschaftet der informelle Sektor Kameruns mehr als der formelle. Besonders im urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von weit über 50 %) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Besonders für Frauen und junge Leute bieten sich hier Chancen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 75 % der Bevölkerung legen ihr Geld in informellen Sparvereinen (Tontines) an, die auch ein System sozialer Absicherung darstellen (GIZ 4.2019b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019b): Kamerun - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/wirtschaft/208876, Zugriff 15.4.2019 - AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 15.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Kamerun - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/kamerun/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 7.5.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Kamerun - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kamerun/gesellschaft / , Zugriff 7.5.2019

1.4.4. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in XXXX und Douala im Vergleich zum Landesinneren besser, entspricht jedoch bei weitem nicht dem europäischen Standard. In den Krankenhäusern kommt es immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und anderem medizinischen Verbrauchsmaterialien, die generell vom Patienten selbst beschafft werden müssen. Bei Aufnahme in ein Krankenhaus wird ausnahmslos Barzahlung im Voraus verlangt (AA 7.5.2019). In den Städten gibt es Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, wird in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte vorgenommen. Für HIV-Infizierte gibt es seit 1997 ein von ausländischen Gebern (WHO/Weltbank, Frankreich, Deutschland) unterstütztes kostenloses staatliches Programm der Heilfürsorge (AA 15.1.2019). Seit den 90er Jahren befindet sich das staatliche Gesundheitssystem Kameruns in der Umstrukturierung. Ziele sind Dezentralisierung, Qualitätskontrolle und die Einbindung der Bevölkerung in Verwaltung und Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen. Allerdings lassen die Ergebnisse der staatlichen Gesundheitspolitik weiterhin zu wünschen übrig. Es herrscht Ärztemangel, und die wenigen verfügbaren Ärzte lassen sich vorwiegend in den städtischen Zentren nieder. Auch unzulängliche Infrastruktur und knappe Arzneimittel sind Missstände, welche die medizinische Versorgungslage Kameruns kennzeichnen. Verschärft wird die Situation durch die Abwanderung von Gesundheitspersonal ins Ausland (GIZ 4.2019c). Nur wenige Kameruner sind krankenversichert, nichtsdestotrotz gibt es Bewegung auf dem Gebiet der Krankenversicherung; es existieren die unterschiedlichsten Modelle (GIZ 4.2019c; vgl. AA 15.1.2019). Für bestimmte Berufsgruppen (z. B. Militär) gibt es staatliche oder halbstaatliche Versorgungseinrichtungen mit geringem Kostenbeitrag. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist möglich. Generell übernimmt die Familie medizinische Behandlungskosten (AA 15.1.2019). Gesundheitsindikatoren wie Lebenserwartung, Kindersterblichkeit oder Müttersterblichkeit liegen leicht unterhalb des afrikanischen Durchschnitts, auffällig sind aber die starken regionalen Unterschiede, in denen sich das Süd-Nord- bzw. das Stadt-Land-Gefälle widerspiegelt. HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose zählen zu den wichtigsten Krankheiten. Insbesondere HIV-Kranke sind nach wie vor Opfer von gesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung. Seit einem großen Cholera-Ausbruch im Mai 2010 scheint sich die Cholera in Kamerun erst einmal festgesetzt zu haben. Hauptursache dieser Krankheit ist Wassermangel, insbesondere der Mangel an sauberem Wasser, und dieser betrifft sowohl Nord- wie Südkamerun, ländliche Gegenden ebenso wie die Städte (GIZ 4.2019c). Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt überwiegend aus Frankreich, Indien und Nigeria; grundsätzlich wird hierdurch ein weites Spektrum abgedeckt. Die gezielte Einfuhr von Medikamenten ist insofern problematisch, da Medikamente ohne französischen und englischen Beipackzettel nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen (AA 15.1.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (7.5.2019): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 7.5.2019

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 16.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Kamerun - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kamerun/gesellschaft/ , Zugriff 7.5.2019

1.4.5. Zur Lage Homosexueller

Diskriminierung aufgrund von Rasse, Sprache, Geschlecht oder sozialem Status ist durch die Verfassung verboten. Die freie sexuelle Orientierung ist jedoch nicht in der Verfassung verankert und wird nicht als Menschenrecht anerkannt. Homosexuelle Handlungen stehen auch im neuen Strafgesetzbuch (2016) unter Strafandrohung (AA 15.1.2019), und zwar gemäß Artikel 347a des Strafgesetzbuches. Dieser sieht für homosexuelle Handlungen Gefängnisstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren sowie Geldstrafen zwischen 30 und 300 Euro vor (AA 15.1.2019; vgl. AA 7.5.2019; USDOS 13.3.2019; FH 4.2.2019). Wohl auf Weisung von höchster Regierungsebene ist 2014 die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Delikte nahezu eingestellt worden, wenn auch die Diskriminierung auf verschiedenen staatlichen Ebenen anhält. Festnahmen und Verurteilungen aufgrund homosexueller Handlungen sind zwar selten, kommen jedoch vor (AA 15.1.2019). Rechtsorganisationen sexueller Minderheiten berichteten von mehreren Verhaftungen. Außerdem erhielten Angehörige sexueller Minderheiten anonyme Drohungen per Telefon, SMS und E-Mail. Die Behörden untersuchen Vorwürfe von Belästigung nicht (USDOS 13.3.2019). Zur Festnahme kommt es meist aufgrund von Denunziationen oder übler Nachrede (AA 15.1.2019). Die Diskriminierung von Angehörigen sexueller Minderheiten ist weit verbreitet, und Gewalt ist keine Seltenheit (FH 4.2.2019). Der menschenrechtswidrige Umgang mit Angehörigen sexueller Minderheiten ist weiterhin ein Problem (GIZ 4.2019a). Es kommt zu sozialer Ächtung oder gar zu Lynchjustiz (AA 15.1.2019; vgl. GIZ 4.2019a). Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten kommen vor (USDOS 13.3.2019). Die Organisation ADEFHO (Association pour la Défense des Droits des Homosexuel(le)s) setzt sich für die Rechte sexueller Minderheiten in Kamerun ein (GIZ 4.2019a). Der Zusammenschluss verschiedener Organisationen in der Plattform "Unity" hat in seinem Bericht über die Lage sexueller Minderheiten in Kamerun Mitte 2018 für die ersten sechs Monate 2018 13 Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Häufig werden fingierte Gründe, wie z.B. Beleidigung oder Körperverletzung, für eine Strafverfolgung herangezogen (AA 15.1.2019). Sowohl Amnesty International als auch Human Rights Watch weisen in zahlreichen Berichten auf die oftmals prekäre Lage für sexuelle Minderheiten hin. Homosexuelle erfahren demnach Festnahmen, strafrechtliche Verfolgungen und Verurteilungen aufgrund ihrer sexuellen Identität. Verurteilungen stehen oft in Verbindung mit anderen Straftaten (AA 15.1.2019). Aufgrund der Rechtslage sind Homosexuelle gezwungen, ihre Beziehungen zu verbergen. In der öffentlichen Wahrnehmung wird Homosexualität in Zusammenhang mit Gewaltverbrechen und Drogenmissbrauch gebracht, geächtet und verurteilt (AA 15.1.2019). Fast alle gesellschaftlichen Gruppen - auch zahlreiche Kirchen - setzen sich für ein strikteres staatliches Vorgehen gegen Homosexuelle ein (AA 15.1.2019; vgl. GIZ 4.2019a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 11.4.2019

- AA - Auswärtiges Amt (7.5.2019): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 7.5.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.htm, Zugriff 11.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 7.5.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 11.4.2019

1.4.6. Rückkehr

Es sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind. Die Regierung geht zwar verstärkt strafrechtlich gegen Oppositionelle in den anglophonen Regionen vor. Es sind bislang jedoch keine Fälle bekannt geworden, dass eine politische Betätigung im Ausland zu einer Strafverfolgung in Kamerun geführt hätte. Eine staatliche Verfolgung allein wegen der Stellung eines Asylantrags erfolgt nicht. In Kamerun ist es möglich, sich einer Verfolgung durch die staatlichen Sicherheitsbehörden zu entziehen. Jedoch könnte nach Personen auch landesweit gefahndet werden, was im Regelfall aber nicht geschieht. Bürger, die auf Veranlassung lokaler Behörden hin verfolgt werden, können dem durch Umzug in die Hauptstadt oder in die Stadt eines entfernten Landesteils Kameruns entgehen (AA 15.1.2019).

Quelle:

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 16.4.2019

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Zudem wurden die Gerichtsakten zum Verfahren der Tochter der Beschwerdeführerin und von Y.N. berücksichtigt und eine mündliche Verhandlung anberaumt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin

Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund des bei der mündlichen Verhandlung erstmals vorgelegten kamerunischen Reisepasses fest. Dieser wurde zur Dokumentenüberprüfung vom BFA sichergestellt.

Die Feststellungen zu ihrem Wohnort, ihrer Familie und ihrer Ausbildung in Kamerun ergeben sich aus ihren diesbezüglichen Aussagen in der Erstbefragung am 09.10.2015, in der Einvernahme durch das BFA am 23.01.2017 und am 27.11.2017 und in der mündlichen Verhandlung am 04.12.2019. In der Einvernahme am 27.11.2017 wurde die Beschwerdeführerin nach Kontakten zu ihrer Familie in Kamerun gefragt, was von ihr verneint wurde. Wie das BFA im angefochtenen Bescheid aber zu Recht feststellte, ergaben sich diesbezüglich Ungereimtheiten in Bezug auf das Mobiltelefon der Beschwerdeführerin. So wurde sie vom Organwalter der belangten Behörde gefragt, ob sie ihr Mobiltelefon bei sich habe, was sie verneinte. Das Mobiltelefon, das sie bei der Einvernahme bei sich hatte, gehörte ihrer Aussage nach einer Freundin, sie benutze es nur zum Spielen. Auf die Frage, ob man das Mobiltelefon sehen dürfe, erklärte die Beschwerdeführerin, dass der Akku leer sei und entfernte diesen aus dem Mobiltelefon. Nachdem sie ihn, durch den Organwalter aufgefordert, wieder in das Mobiltelefon eingesetzt hatte, funktionierte das Telefon laut Einvernahmeprotokoll und zeigte sich beim Einschalten ein Foto der Beschwerdeführerin auf dem Display. Die diesbezügliche Auskunft der Beschwerdeführerin, warum sich ihr Bild auf dem Display des Mobiltelefons einer anderen Person befinde ("Als ich heute auf dem Weg hierher war, wollte ich ein Foto von mir machen, um mein Gesicht anzusehen."), erscheint wenig plausibel - ebenso, dass die Beschwerdeführerin angab, sich nicht daran erinnern zu können, wem das Mobiltelefon gehöre, und auch, dass sich auf dem Mobiltelefon einer anderen Person die Nummern ihrer in Kamerun lebenden Tochter, ihres Bruders und ihrer Schwester befinden würden. Das BFA ging daher zu Recht davon aus, dass die Beschwerdeführerin zu verschleiern versuchte, dass sie telefonischen Kontakt zu ihrer Familie hat. In der Einvernahme durch das BFA am 23.01.2017 gab sie dann auch erstmals zu, Kontakt zu ihrer Familie zu haben. Die belangte Behörde kam daher nachvollziehbar im angefochtenen Bescheid zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer in Kamerun lebenden Familie in Verbindung geblieben ist. Dies wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung am 04.12.2019 dann auch bestätigt und gab sie zudem an, dass es ihrer Familie gut gehen würde. Sie gab auch an, dass ihre ältere Tochter bei ihrem Vater, mit dem sie selbst immer noch verheiratet sei, in Kamerun leben würde.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen auf ihren Aussagen vor dem Bundesamt sowie auf den folgenden vorgelegten Unterlagen:

* ÖSD-Zertifikat A1 vom 17.08.2016

* Bestätigung über das Engagement der Beschwerdeführerin in einer Pfarre

Dass die Beschwerdeführerin in Österreich eine Beziehung mit dem kamerunischen Staatsbürger Y. N. führte und teilweise mit ihm zusammenlebte, ergibt sich aus ihren Angaben und den Abfragen im ZMR. Das ganze Vorbringen rund um ihre Beziehung mit Y.N. ist jedoch von Unstimmigkeiten geprägt: So gab der als Zeuge befragte Y.N. etwa an, die Beschwerdeführerin erst in Österreich und noch nicht in Kamerun kennengelernt zu haben, während die Beschwerdeführerin selbst meinte, sie habe ihn bereits in Kamerun gekannt. Auch gab er zwar an, dass die gemeinsame Beziehung seit Mai 2019 beendet sei, zugleich ergibt sich aus einer im Akt einliegenden Information eines Standesamtes, dass sie sich im Oktober 2019 noch nach den Möglichkeiten einer Eheschließung erkundigt hatten - den Angaben des Y.N. nach auf Wunsch der Beschwerdeführerin. In diesem Zusammenhang ist auch nochmals darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben in der Verhandlung nach wie vor mit dem Vater ihrer in Kamerun lebenden Tochter verheiratet ist.

Die Beschwerdeführerin brachte zu keinem Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens gesundheitliche Einschränkungen vor. Es gibt daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinen Grund, an ihrer Erwerbsfähigkeit und Gesundheit zu zweifeln.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.3. Zur Tochter der Beschwerdeführerin

Die Geburt ihrer Tochter am XXXX und die Vaterschaft des französischen Staatsbürgers A.M. ergibt sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde. Allerdings geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei A.M. nicht um den biologischen Vater handelt. A.M. hatte bereits am 31.07.2018 vor dem Gemeindeamt Paris die Vaterschaft des ungeborenen Kindes anerkannt. In der ersten Einvernahme nach der Geburt ihrer Tochter gab die Beschwerdeführerin am 04.03.2019 an, dass A.M. der leibliche Vater ihrer Tochter sei und dass sie ihn kennengelernt habe, als er zwischen Jänner und Februar 2018 in Salzburg gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Einvernahme befand sich die Beschwerdeführerin in einer Beziehung mit dem kamerunischen Staatsbürger Y.N., wie sie zugab. Im weiteren Verlauf der Einvernahme meinte die Beschwerdeführerin dann, dass sie tatsächlich davon ausgehe, dass Y.N. der Vater ihrer Tochter sei, da das Kind ihm sehr ähnle, auch aufgrund seiner dunklen Hautfarbe, dass sie aber keine Änderung der Geburtsurkunde wolle. A. M. habe seine Vaterschaft akzeptiert, weil sie ihm nichts von Y. N. erzählt habe, es mache ihm auch nichts aus, als Vater aufzuscheinen. Die Erklärung der Beschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde, warum sie sich zunächst über die Vaterschaft im Unklaren gewesen sei, entbehrt aber jeglicher Logik: So meinte sie in dieser Einvernahme, dass ihr gesagt worden sei, dass der Geburtstermin der 25.12.2018 sei und sie deswegen davon ausgegangen sei, dass A.M. der Vater sei; tatsächlich sei ihre Tochter aber bereits einen Monat früher zur Welt gekommen. Wenn sich A.M. aber tatsächlich, wie von der Beschwerdeführerin angegeben, im Jänner und Februar 2018 im Bundesgebiet aufgehalten hatte, wäre gerade ein Geburtstermin Ende Dezember nicht geeignet, seine Vaterschaft annehmen zu lassen (zumal auch nicht davon auszugehen ist, dass Ende Juli 2018, als A.M. die Vaterschaft anerkannt, von den Ärzten ein um einen Monat falscher Geburtstermin angegeben worden war).

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2019 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert bekanntzugeben, wer der Vater ihrer Tochter sei und ob sie mit der Durchführung einer DNA-Analyse zur Feststellung der Vaterschaft einverstanden sei. In ihrer Stellungnahme vom 08.07.2019 erklärte die Beschwerdeführerin, dass der französische Staatsbürger A.M. der Vater sei und dass sie keine DNA-Analyse wünsche.

In der mündlichen Verhandlung am 04.12.2019 gab die Beschwerdeführerin dann allerdings wieder an, dass der kamerunische Staatsbürger Y.N. der Vater ihrer Tochter sei. Sie erklärte, ihn schon aus Kamerun zu kennen. Er sei in Österreich ihr Mitbewohner gewesen und sie habe eine Beziehung mit ihm geführt; danach habe sie sich dreimal mit dem französischen Staatsbürger A.M. getroffen. Später habe sie dann wieder die Beziehung mit Y.N. aufgenommen. Die Beschwerdeführerin gab an, A.M. nicht darüber informiert zu haben, dass sie davon ausgeht, dass er nicht der Vater ihrer Tochter sei. Die Zustimmung zu einem DNA-Test verweigerte sie in der mündlichen Verhandlung.

Y.N. bestätigte im Übrigen, der Vater der Tochter der Beschwerdeführerin zu sein. In der Verhandlung zu seinem eigenen Asylverfahren, welche ebenfalls am 04.12.2019 durchgeführt wurde, gab der frühere Lebensgefährte zudem an, dass die Beschwerdeführerin versuche, mithilfe der französischen Staatsbürgerschaft ihrer Tochter ihren Ehemann aus Kamerun nachzuholen. Er erklärte sich nur unter der Bedingung, dass er einen Aufenthaltstitel garantiert bekomme, bereit, einen DNA-Test zu machen. Er gab an, dass er sich bislang einem solchen Test verweigert habe, da dies seiner Tochter erlaube, in Österreich zu bleiben.

A.M. erschien unentschuldigt nicht zur Verhandlung. Die Beschwerdeführerin gab auf Nachfrage an, mit ihm in Kontakt zu stehen; er habe nicht kommen können, weil er Probleme mit der Prostata habe. Er habe ihre Tochter noch nie gesehen und zahle auch keinen Unterhalt. Sie habe A. M. nie darüber informiert, dass er nicht der Vater ihrer Tochter sei, sie gehe aber davon aus, dass er dies aufgrund der dunklen Hautfarbe ihrer Tochter, die er auf Fotos gesehen habe, annehme und dass es ihm nichts ausmache, weiter als Vater aufzuscheinen.

Der Vollständigkeit halber wird auch darauf verwiesen, dass A.M. im Jahr 1946 geboren ist und zum Zeitpunkt der angeblichen Beziehung mit der Beschwerdeführerin und der Zeugung der Tochter 72 Jahre alt war. Auch wenn das Alter natürlich kein absolutes Kriterium ist, ist es dennoch ein weiteres Indiz, das gegen die Beziehung von A.M. mit der Beschwerdeführerin spricht.

Eine Vaterschaft von Y.N. kann nicht abschließend festgestellt werden, da sich aus der Vaterschaftsanerkennung die Vaterschaft von A.M. ergibt und kein DNA-Test absolviert wurde. Die erkennende Richterin geht aber jedenfalls davon aus, dass die Beschwerdeführerin entweder in bewusstem Zusammenwirken mit A.M. oder unter dessen Täuschung die Anerkennung der Vaterschaft durch A.M. und dessen Eintragung in der Geburtsurkunde vornehmen ließ, obwohl sie wusste, dass er nicht der Vater ihrer Tochter ist.

Die erkennende Richterin übermittelte am 18.12.2019 sowohl der französischen Botschaft wie auch der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung, aus welcher hervorgeht, dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Aussagen der Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass A.M. nicht der leibliche Vater ihrer Tochter ist, wodurch dieser die französische Staatsbürgerschaft nicht zustünde. Die Staatsanwaltschaft Salzburg teilte mit Schreiben vom 14.02.2020 mit, dass das Verfahren eingestellt sei, weil die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist. Eine telefonische Rückfrage bei der französischen Botschaft am 17.02.2020 ergab, dass bislang noch keine Schritte zur Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft unternommen wurden, dass man den Sachverhalt aber an ein französisches Gericht weiterleiten werde, wobei eine Aberkennung wahrscheinlich nur bei Antragstellung durch A.M. möglich sei.

Die kamerunische Staatsbürgerschaft ihrer Tochter ergibt sich aus Art. 7 des Gesetzes über die kamerunische Nationalität und wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten.

Die französische Staatsbürgerschaft der Tochter der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem vorgelegten Reisepass. Nach Art 18 des Code Civil erwirbt ein Kind die französische Staatsbürgerschaft, wenn einer der beiden Elternteile französischer Staatsbürger ist. Nachdem aktuell A.M. als Vater der Tochter der Beschwerdeführerin gilt, ist diese französische Staatsbürgerin. Frankreich erlaubt Doppelstaatsbürgerschaften.

Die Möglichkeit für die Beschwerdeführerin, einen französischen Aufenthaltstitel zu beantragen, ergibt sich aus den Informationen der offiziellen Homepage des französischen Innenministeriums, abrufbar unter https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/F2209. Der frühere Lebensgefährte der Beschwerdeführerin Y.N. gab zudem an, dass die Beschwerdeführerin sich über einen längeren Zeitraum in Frankreich aufgehalten habe.

2.4. Zum Vorbringen und zu einer Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführerin

Soweit die Beschwerdeführerin angibt, Kamerun aus Furcht vor einer Verfolgung wegen ihrer sexuellen Orientierung verlassen zu haben, ist ihr Vorbringen nicht glaubhaft, dies aus den folgenden Erwägungen:

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert. Diesem Anspruch wurde die Beschwerdeführerin nicht gerecht, wie die belangte Behörde bereits im angefochtenen Bescheid dargelegt hatte.

In der Erstbefragung am 09.10.2015 gab die Beschwerdeführerin an, lesbisch zu sein, deswegen von der Familie ihrer Freundin angezeigt worden zu sein und daher von der Polizei gesucht zu werden. In der Einvernahme durch das BFA am 23.01.2017 sprach sie dagegen zunächst ausführlich über eine Bedrohung durch ihre Familie, die Familie ihrer Freundin und die Bewohnern ihres Stadtviertels. Nachdem sich Anfang des Jahres 2015 die Nachricht verbreitet habe, dass sie homosexuell sei, sei sie geschlagen und bedroht worden. Ihr sei mit Steinigung gedroht worden, weswegen sie dann zu ihrem Onkel nach XXXX geflüchtet sei, der sie in Kontakt mit den Schleppern gebracht habe. Erst auf weitere Nachfragen gab die Beschwerdeführerin dann an, dass sie bei der Polizei angezeigt worden sei und Anlass ihrer Flucht auch eine Ladung der Polizei gewesen sei.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darlegte, ist es - insbesondere aufgrund des in der Einvernahme vom 27.11.2017 eingesehenen Mobiltelefons - nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin nicht in Kontakt mit ihrer Familie in Kamerun steht. In der Einvernahme am 04.03.2019 und in der mündlichen Verhandlung bestätigte sie dann auch, dass sie mit ihrer Familie in Kontakt stehe. Wenn sie aber tatsächlich, wie von ihr im Verfahren vor dem BFA und auch in der Beschwerde behauptet wurde, von ihrer Familie verstoßen worden wäre, wäre von keinem Fortbestand des Kontaktes auszugehen.

Die Beschwerdeführerin legte zur Untermauerung ihres Vorbringen ein Dokument vor, eine "Sexualwissenschaftliche und sexualtherapeutische Befundung und Gutachten bezüglich der sexuellen Orientierung" eines bei einer Beratungsstelle tätigen Psychotherapeuten und Sexualtherapeuten vom 01.02.2017. Darin findet sich die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin eine klare homosexuelle Orientierung aufweise und keine sexuell-erotische Beziehung zu einem Mann anstrebe: "Für den sexualtherapeutischen und sexualwissenschaftlichen Gutachter ergibt sich daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Folgendes: xx (die Beschwerdeführerin) kann von ihrer sexuellen Orientierung her Sexualität ausschließlich mit Frauen leben. (...) Für den Begutachter ist es daher deutlich gesichert, dass xx (die Beschwerdeführerin) eine gleichgeschlechtliche Entwicklung und Orientierung aufweist, die nicht umkehrbar ist." Bereits im angefochtenen Bescheid war diesem "Gutachten" von Seiten des BFA kein besonderer Beweiswert zugemessen worden, da der unterzeichnende Psychotherapeut und Sexualtherapeut die Beschwerdeführerin gar nicht persönlich befragt hatte und zeitgleich gleichlautende Gutachten verschiedene Asylwerber betreffend bei der belangten Behörde eingelangt waren. Zudem wurde die Befragung auf Englisch durchgeführt, obwohl die Beschwerdeführerin in der Verhandlung angab, dass sie nicht ausreichend Englisch könne, um etwa eine Verhandlung auf Englisch zu führen. Darüber hinaus hat sich im Zuge des Beschwerdeverfahrens eindeutig ergeben, dass die mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" getroffene Feststellung, dass sich die Beschwerdeführerin sexuell nur zu Frauen hingezogen fühle, einem Abgleich mit der Wirklichkeit, in welcher die Beschwerdeführerin nicht mit Sicherheit angeben kann, wer der Vater ihrer im Jahr 2018 geborenen Tochter ist, nicht standhält. Die in diesem "Gutachten" getroffenen Feststellungen werden daher vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt.

In der Einvernahme durch das BFA am 23.01.2017 war die Beschwerdeführerin im Übrigen auch danach gefragt worden, wie es möglich sei, dass ihre ältere Tochter 2003 auf die Welt gekommen sei, obwohl sie sich ihren eigenen Angaben nach etwa seit 1996 ihrer homosexuellen Neigungen bewusst war. Die Antwort der Beschwerdeführerin war, dass ein Mann sie habe heiraten wollen und sie sich damit einverstanden erklärt habe, da sie ihre Homosexualität verbergen wollte. Sie habe sich aber geweigert, eine sexuelle Beziehung mit ihm einzugehen; er habe dies erzwungen, worauf die Beziehung mit dem Mann geendet habe und die Beschwerdeführerin schwanger geworden sei. Ihre Tochter sei somit aus einer Vergewaltigung entstanden. Ganz anders legte die Beschwerdeführerin dies in der mündlichen Verhandlung am 05.12.2019 dar: Der Vater ihrer Tochter sei ein Freund der Familie gewesen, mit dem sie "ziemlich lange" zusammen gewesen sei und den sie auch geheiratet habe. Sie habe auch eine gewisse Zeit mit ihm zusammengelebt, auch nach der Geburt ihrer Tochter. Damit widerspricht sie ihren Angaben vor dem BFA fundamental. Auch dass sie mit dem Vater ihrer Tochter in Kontakt steht, wie sie in der Verhandlung angab, spricht gegen die ursprünglich behauptete Vergewaltigung.

Auch die vorgelegte "Gesprächsbestätigung" der Homosexuelleninitiative Salzburg vom 21.01.2017, wonach die Beschwerdeführerin bei einem Beratungsgespräch die Gefahren und Verfolgungen, denen schwule und lesbische Personen in Kamerun ausgesetzt seien, eindringlich geschildert habe, vermag das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht nachhaltig zu stützen bzw. liefert dies keinen Nachweis für die Homosexualität der Beschwerdeführerin (VwGH, 30.09.2019, Ra 2019/20/0455).

Vielmehr beweist der - angesichts der vorgelegten Geburtsurkunde - unbestreitbare Umstand, dass die Beschwerdeführerin am XXXX eine Tochter zur Welt brachte und dass die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorbrachte, dass sie nicht genau wisse, wer der Vater sei, dass sie sexuellen Kontakt zu Männern hatte. Wenn sie in der Einvernahme am 04.03.2019 auf entsprechenden Vorhalt durch die belangte Behörde erklärte, dass sie bisexuell sei, momentan aber keine Beziehung zu Frauen habe, obwohl sie diese und nicht Männer liebe, erscheint dies als Schutzbehauptung. In der mündlichen Verhandlung versuchte sie ihre sexuelle Orientierung folgenermaßen zu erklären: "Homosexuell würde ich nicht sagen, eher bisexuell. Nach meiner Ankunft hier hatte ich Schwierigkeiten, eine Freundin zu finden. Deshalb habe ich mich dann mit einem Mannzusammengetan und gemerkt, dass das funktioniert. Deshalb würde ich jetzt bisexuell sagen, da ich sowohl Männer wie Frauen mag." Im Verwaltungsverfahren war zuvor nie die Rede von einer Bisexualität gewesen. Der ehemalige Lebensgefährte der Beschwerdeführerin Y.N. bestätigte zwar in der mündlichen Verhandlung, dass die Beschwerdeführerin sich zu beiden Geschlechtern sexuell hingezogen fühle, doch reicht dies - auch angesichts des Umstandes, dass es insgesamt zahlreiche Widersprüche zwischen seinen Aussagen und den Aussagen der Beschwerdeführerin gibt - nicht aus, um die behauptete bisexuelle Orientierung der Beschwerdeführerin glaubhaft zu machen, zumal er selbst auch behauptet hatte, bisexuell zu sein, was mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX für nicht glaubhaft befunden wurde. Im Übrigen behauptete er etwa im Gegensatz zur Beschwerdeführerin, dass diese vor 2015 einige Zeit in Frankreich gelebt habe und auch für einen mehrmonatigen Urlaub nach Kamerun zurückgekehrt sei - was auch gegen eine Verfolgung der Beschwerdeführerin in Kamerun sprechen würde.

Die Beschwerdeführerin war auch nicht der Lage, die Umstände ihrer konkreten Flucht plausibel darzulegen. So habe ihre damalige Freundin XXXX überall von ihrer gemeinsamen Beziehung erzählt - was angesichts der gesellschaftlichen Tabuisierung von Homosexualität in Kamerun sehr unwahrscheinlich erscheint. Der Beschwerdeführerin war es auch nicht möglich, irgendwelche konkreten Details der Verfolgungssituation zu schildern, wie der folgende Auszug aus der mündlichen Verhandlung am 04.12.2019 zeigt:

"RI: Wann hatten Sie das erste Mal deswegen ein Problem?

BF: Zuerst hat sie Probleme bekommen, da sie das alles zum Ausdruck bringen wollte und ihre Familie dahintergekommen ist. Dann hat sie auch mich mit hineingezogen und ich bekam Probleme. Das war Ende 2014 bzw. Anfang 2015, bevor ich hierhergekommen bin.

RI: Bitte ganz konkret. Wann hatten Sie das erste Mal ein Problem damit?

BF: Sie haben mit Stöcken auf mich eingeschlagen.

RI: Wann, wer und wo war das?

BF: Die Leute aus meinem Viertel. Meine Familie hat nämlich alles überall herumerzählt. Daraufhin wurde ich angegriffen und man schlug mit Stöcken auf mich ein. Meine Familie wollte nichts mehr mit mir zu tun haben und niemand wollte mehr etwas von mir wissen.

RI: Wie erfuhr Ihre Familie davon?

BF: Das hat sich einfach herumgesprochen.

RI: Und wie ging es Ihrer Freundin damit?

BF: Sie ist dann nicht mehr gekommen, auch sie wurde von ihrer Familie verstoßen. Aufgrund der Schläge, denen sie ausgesetzt war, ist sie fast gestorben.

RI: Haben Sie gesehen, dass sie geschlagen wurde?

BF: Bei uns in Afrika läuft das so ab, wenn so etwas v

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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