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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §64 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in F, vertreten durch Dr. Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in Altenmarkt, Marktplatz 155, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 12. Februar 1997, Zl. 5/04-14/904/6-1997, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung und Nachschulung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G vorübergehend für die Dauer von neun Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 16. Jänner 1996, entzogen. Weiters wurde gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 angeordnet, daß sich der Beschwerdeführer innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Bescheides einer Nachschulung für alkoholauffällige Lenker zu unterziehen habe.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 21. Jänner 1997 rechtskräftig einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt worden, weil er am 16. Jänner 1996 einen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Im Hinblick auf die Bindung an diese Bestrafung sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer diese Übertretung begangen habe. Es liege somit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vor. Bei der Wertung dieser bestimmten Tatsache sei darauf Bedacht zu nehmen gewesen, daß dem Beschwerdeführer wegen einer am 20. Juni 1993 begangenen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 die Lenkerberechtigung für die Dauer von vier Wochen vorübergehend entzogen worden sei. Er habe zudem im Jahr 1986 eine gleichartige Übertretung begangen. Aufgrund dieser Umstände sei der Beschwerdeführer als verkehrsunzuverlässig anzusehen und anzunehmen gewesen, daß er die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von neun Monaten (gerechnet ab dem Vorfall vom 16. Jänner 1996 und der dabei erfolgten vorläufigen Abnahme des Führerscheines) wiedererlangen werde.
Im Hinblick auf die wiederholte Begehung von Alkoholdelikten sei auch die Anordnung einer Nachschulung gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 auszusprechen gewesen. Da die Erstbehörde der Berufung gegen diese Anordnung nicht die aufschiebende Wirkung aberkannt habe und der Beschwerdeführer der Anordnung bisher keine Folge geleistet habe, sei dem Beschwerdeführer zur Befolgung dieser Anordnung eine entsprechende Frist einzuräumen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bekämpft die Auffassung der belangten Behörde, sie habe aufgrund der Bindung an den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 21. Jänner 1997 davon auszugehen gehabt, daß er die ihm angelastete Übertretung begangen habe, und führt in diesem Zusammenhang ins Treffen, der genannte Bescheid sei noch nicht "materiell rechtskräftig" gewesen, weil er noch durch Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts habe angefochten werden können.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 21. Jänner 1997 unterlag keiner weiteren Anfechtung im Verwaltungsverfahren und war daher mit seiner Erlassung rechtskräftig, sodaß die belangte Behörde aufgrund der dadurch bewirkten Bindung davon auszugehen hatte, daß der Beschwerdeführer die ihm angelastete Übertretung begangen hat. Eine selbständige neuerliche Beurteilung dieser Frage war der belangten Behörde verwehrt, weshalb die vom Beschwerdeführer im Unterbleiben von weiteren Ermittlungen zur Frage seiner Alkoholisierung erblickten Verfahrensmängel nicht vorliegen. An der rechtskräftigen Bestrafung und damit an der Bindungswirkung ändern die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts oder die tatsächliche Einbringung einer solchen Beschwerde nichts. Eine anders lautende Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates nach einer allfälligen Aufhebung seines Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof könnte insofern Auswirkungen auf das Entziehungsverfahren haben, als in diesem Verfahren ein Wiederaufnahmsgrund nach § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG vorliegen könnte (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1997, Zl. 97/11/0264, mwN).
Gegen die Annahme, der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von neun Monaten ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines wiedererlangen, bestehen im Hinblick darauf, daß es sich bei ihm um einen Wiederholungstäter handelt, keine Bedenken. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Kraftfahrbehörden im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 vorzunehmenden Wertung einer bestimmten Tatsache und bei der Stellung der Prognose, wann der Betreffende die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen werde - für diese Prognose gelten dieselben Kriterien wie für die Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 -, auch länger zurückliegende Straftaten, ja sogar bereits getilgte Bestrafungen zu berücksichtigen haben (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 94/11/0329, mwN). Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde bei der Wertung der am 16. Jänner 1996 begangenen Übertretung und im Rahmen der oben genannten Prognose auf die vom Beschwerdeführer in den Jahren 1986 und 1993 begangenen Übertretungen Bedacht genommen hat, wobei es offenkundig ist, daß im vorliegenden Fall der im Jahr 1993 begangenen Übertretung das weit überwiegende und entscheidende Gewicht gegenüber der im Jahr 1986 begangenen zukommt. Den Ausführungen des Beschwerdeführers, der sich in diesem Zusammenhang der Sache nach auf § 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967 beruft, ist zu erwidern, daß diese Bestimmung nur für die Frage maßgebend ist, ob eine strafbare Handlung als bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 herangezogen werden kann, nicht aber für die hier relevante Frage, inwieweit andere, auch länger zurückliegende strafbare Handlungen im Rahmen der Wertung einer bestimmten Tatsache berücksichtigt werden dürfen.
Der Beschwerdeführer hält den Ausspruch der belangten Behörde betreffend die Nachschulung für rechtswidrig und führt in diesem Zusammenhang aus, er habe erst am 17. Jänner 1997, sohin erst drei Monate nach Ablauf der von der Erstbehörde verfügten Entziehungszeit den Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines gestellt und damit bereits die für den Fall der Nichtbefolgung der Nachschulungsanordnung angedrohte Sanktion, nämlich die Verlängerung der Entziehungszeit um drei Monate, in Kauf genommen. Die neuerliche Anordnung der Nachschulung sei daher rechtswidrig.
In Erwiderung auf dieses Vorbringen ist zunächst festzuhalten, daß im erstinstanzlichen Bescheid vom 17. April 1996 einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung nur insoweit aberkannt wurde, als sie sich gegen den die Entziehung verfügenden Spruchteil richtet.
§ 73 Abs. 2a KFG 1967 enthält keine Bestimmung, daß Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung keine aufschiebende Wirkung haben. Einer Berufung gegen eine auf § 73 Abs. 2a KFG 1967 gestützte Anordnung der Nachschulung kommt somit nach § 64 Abs. 1 AVG aufschiebende Wirkung zu. § 73 Abs. 2a KFG 1967 unterscheidet sich insoweit von der Regelung des § 64a Abs. 2 leg. cit. über die Anordnung der Nachschulung bei Verstößen innerhalb der Probezeit. Nach Satz 3 der zuletzt genannten Bestimmung haben Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung keine aufschiebende Wirkung. Für eine analoge Anwendung dieser Regelung auf die Anordnung der Nachschulung gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 besteht kein Grund. Abgesehen von den unterschiedlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Nachschulungen nach § 64a Abs. 2 KFG 1967 - die Entziehung der Lenkerberechtigung voraussetzt und somit akzessorischen Charakter hat (arg. "Bei der Entziehung kann die Behörde auch begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) anordnen ..."). Würde man die analoge Anwendbarkeit des § 64a Abs. 2 dritter Satz KFG 1967 auch bei Anordnungen der Nachschulung nach § 73 Abs. 2a leg. cit. annehmen, wären Fälle denkbar, in denen die Anordnung der Nachschulung sofort zu befolgen wäre, obwohl eine Entziehung der Lenkerberechtigung noch nicht wirksam erfolgt ist. Ein solches Ergebnis wäre mit § 73 Abs. 2a KFG 1967 nicht in Einklang zu bringen. Das bedeutet freilich nicht, daß einer Berufung gegen die Anordnung der Nachschulung nicht gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt werden kann, wenn die Voraussetzungen hiefür vorliegen.
Aus der dargestellten Rechtslage folgt, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf die aufschiebende Wirkung seiner Berufung gegen die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene Anordnung der Nachschulung diese Anordnung nicht zu befolgen brauchte, sodaß auch eine Verlängerung der Entziehungszeit nicht in Betracht kam. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer erst am 17. Jänner 1997 die Ausfolgung des Führerscheines beantragt hat, bedeutet nicht, daß die Entziehungszeit bis zu diesem Zeitpunkt gedauert hat. Der Beschwerdeführer hatte erst die von der belangten Behörde verfügte (rechtskräftige) Anordnung der Nachschulung zu befolgen. Der entsprechende Spruchteil des angefochtenen Bescheides stellt somit nicht eine "neuerliche" - im Sinne einer mehrmals zu befolgenden - Anordnung der Nachschulung dar, sodaß sich die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers als unbegründet erweisen.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997110069.X00Im RIS seit
11.07.2001