TE Vwgh Beschluss 1998/1/20 97/08/0595

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.1998
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über den Antrag des ER in M, vertreten durch Dr. Martin Steingassner, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 37, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur Zl. 97/08/0121 eingebrachten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Berichterverfügung vom 22. April 1997, Zl. 97/08/0121-2, wurde die zur genannten Zahl eingebrachte Beschwerde dem Antragsteller gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung näher bezeichneter Mängel der Beschwerde binnen sechs Wochen zurückgestellt. Da der Antragsteller diesem Mängelbehebungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen ist, wurde das Beschwerdeverfahren mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1997 eingestellt. Dieser Beschluß wurde dem Vertreter des Antragstellers am 31. Oktober 1997 zugestellt.

Mit dem am 11. November 1997 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Antragsteller, vertreten durch seinen bisherigen Rechtsvertreter, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Vornahme der Mängelbehebung. Darin wird geltend gemacht, der Antragsteller habe sich am 11. Juni 1997 an den bevollmächtigten Rechtsanwalt gewandt und diesen ersucht, dem Auftrag zur Mängelbehebung nachzukommen.

Weiters wird dazu wörtlich ausgeführt:

"Da der Beschwerdeführer nicht mit Sicherheit sagen konnte, wann der Mängelbehebungsauftrag des VwGH vom 22.04.1997 zugestellt wurde, bzw. den Tag der Hinterlegung nicht mehr wußte, erkundigte sich der unterfertigte Anwalt telefonisch nach dem genauen Fristenverlauf. Er wurde beim VwGH hiezu mit Frau W., Abt. 08, verbunden. Sie teilte auf seine Anfrage hin mit, daß der letzte mögliche Tag für die Einbringung der gegenständlichen Schriftsatzverbesserung der 23.07.1997 wäre."

Aufgrund dieser Fehlinformation sei die Aufgabe des gegenständlichen Schriftsatzes beim Postamt am 21. Juli 1997 erfolgt. Sowohl der Antragsteller als auch der bevollmächtigte Rechtsanwalt habe davon ausgehen müssen, daß die bei der in dieser Beschwerdesache zuständigen Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofes eingeholte Information richtig sei. Der Antragsteller habe sohin durch einen Irrtum von Frau W. eine Frist versäumt und einen Rechtsnachteil erlitten. Wenn man von einem Verschulden des Antragstellers ausgehe, so könne ihm nur ein minderer Grad des Versehens zur Last gelegt werden, weil er es verabsäumt habe, den Tag der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages zu notieren und an seinen Anwalt weiterzuleiten. Mit diesem Schriftsatz legt der Antragsteller einen Aktenvermerk mit folgendem Inhalt vor:

"11.06.1997 ER

16 h bis 16,30 h:

Besprechung mit I, ER in Paasdorf, er übergibt mir sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen in seiner Rechtsangelegenheit VWGH-Beschwerde gegen den Bescheid des AMS Mistelbach vom 18.03.1997.

Aus dem Schriftsatz des VW-GH vom 22.04.1997 - Auftrag zur Behebung diverser Mängel - ist ersichtlich, daß eine Frist von sechs Wochen hiefür bestimmt worden ist.

12.06.1997

Tel. VW-GH, Abt.08, Fr. W, Tel./53111:

Sie teilt über meine Anfrage mit, daß der letzte Tag, d.h.

Fristablauf für die Schriftsatzverbesserung der

23.07.1997

ist; in den Akt kann gegen Vorlage einer Vollmacht eingesehen werden, die Akteneinsicht hat in der Einlaufstelle zu erfolgen."

Dem rechtzeitig eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (vgl. etwa den Beschluß vom 29. Juni 1993, Zl. 93/08/0140, m.w.N.). Ständige Judikatur ist es auch, daß der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen ist. Weder der Wiedereinsetzungswerber noch sein Vertreter dürfen daher auffallend sorglos gehandelt haben. Sie dürfen die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihnen nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer acht lassen.

Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag konnte der Antragsteller dem ausgewiesenen Rechtsfreund den Tag der Zustellung nicht nennen. Es wäre daher Aufgabe des Rechtsvertreters des Antragstellers gewesen, das Zustelldatum zu ermitteln, um damit der Fristversäumnis zu entgehen. Der Vertreter des Antragstellers hätte sich demgemäß nicht mit der behaupteten Auskunft der Frau W., daß "der letzte mögliche Tag für die Einbringung der gegenständlichen Schriftsatzverbesserung der 23.07.1997 wäre", begnügen dürfen, sondern hätte sich nach den im Rückschein enthaltenen Angaben erkundigen müssen. Daß er dies getan hat, wird nicht behauptet. Dazu wäre er im vorliegenden Fall umso mehr verpflichtet gewesen, als eine Rückrechnung von dem - behauptetermaßen bekanntgegebenen - Fristende eine Zustellung am 11. Juni 1996, also dem behaupteten Tag der Vorsprache des Antragstellers beim Rechtsanwalt, an dem er bekanntgegeben haben soll, daß er den Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr angeben könne, ergeben hätte. Durch diese Unterlassungen hat der Vertreter des Antragstellers die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen erforderliche und ihm nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen und somit ein Verhalten gesetzt, welches nicht mehr dem Begriff des minderen Grades des Versehens zugeordnet werden kann. Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997080595.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten