TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/17 I412 2220885-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2020
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Entscheidungsdatum

17.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs2
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2220885-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. IRAK, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Niederösterreich vom 07.06.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 27.07.2029, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinem Vater ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 15.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründeten beide mit Verfolgung als Sunniten durch eine schiitische Miliz. Mit Bescheid vom 15.09.2015, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt, genauso wie seinem Vater XXXX. Auch dem Bruder XXXX wurde der Status des Asylberechtigten am 21.09.2015 erteilt. Die Mutter reiste im Februar 2016 mit zwei Geschwistern nach Österreich nach und wurde ihnen ebenso der Status der Asylberechtigten, abgeleitet vom Vater, zuerkannt.

Gegen die genannten Männer, den Beschwerdeführer und fünf weitere Verdächtige wurde am 28.11.2016 Anklage wegen der Verbrechen der strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung erhoben. Bei den weiteren Verdächtigen handelt es sich außer einem Mann um die Großcousins, den Onkel und den Großonkel des Beschwerdeführers, die allesamt Anträge auf internationalen Schutz in Österreich gestellt haben.

Das Landesgericht XXXX stellte in seinem Urteil vom 02.03.2017, GZ XXXX, rechtskräftig am 13.06.2018, fest, dass der Beschwerdeführer und die sieben weiteren Täter am 01.01.2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter das Opfer, das aufgrund starken Alkoholkonsums sowie aufgrund der psychischen Verfassung, wehrlos war, unter Ausnützung dieses Zustandes dadurch missbraucht haben, dass die Täter an diesem den Beischlaf bzw. dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen vornahmen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich eine über 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung, nämlich eine mittelgradige depressive Störung, die zu einer psychischen Beeinträchtigung in erheblichen Ausmaß bis Juni 2016 geführt hat und ab Juni 2016 eine an sich schwere Gesundheitsschädigung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hatte und das Opfer längere Zeit hindurch in besonderer Weise erniedrigt worden ist. Der Beschwerdeführer und alle Mittäter haben dadurch das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 und 3, erster und vierter Fall StGB begangen. Wegen dieser Tat wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren verurteilt. Die weiteren Mittäter wurden zu unbedingten Freiheitsstrafen zwischen zehn und dreizehn Jahren verurteilt. Der Vater des Beschwerdeführers wurde im Zweifel freigesprochen. Darüber hinaus wurden die Verurteilten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, der Privatbeteiligten einen Betrag von EUR 25.000,-- zu ersetzen. Im Rahmen der Strafbemessung wurden die Tatsachen, dass alle Täter ungeschützten Geschlechtsverkehr am Opfer vollzogen und es zu Körperverletzungen des Opfers kam und die verstärkte Tatbildmäßigkeit als erschwerend, der bisher ordentliche Lebenswandel und im Falle des Beschwerdeführers der Beitrag zur Wahrheitsfindung als mildernd gewertet. Hinsichtlich der Tatbegehung durch alle Angeklagte berücksichtigte das Strafgericht, "dass diese von einer besonderen Rohheit und Gefühlskälte gegenüber einem wehrlosen und hilflosem Opfer zeugt, die kein Mitgefühl oder eine Achtung eines anderen Menschen erkennen lässt und für deren Handlung beim besten Willen kein Verständnis bestehen kann, weswegen der Senat davon ausging, dass hier trotz des bisherigen ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten eine wirklich empfindliche Freiheitsstrafe zu verhängen war."

Der Beschwerdeführer wurde vor der belangten Behörde am 31.10.2018 niederschriftlich einvernommen. Dem Beschwerdeführer wurde die Prüfung der Aberkennung seines Asylstatus aufgrund der oben angeführten Verurteilung zur Kenntnis gebracht, wobei er angab, unschuldig zu sein. Auf das Urteil angesprochen vermeinte er, dass ihn einer der Mittäter zu Unrecht belastet hätte und er deshalb verurteilt worden sei. Er verweigerte die weitere Einvernahme und verließ den Raum.

Ihm wurde die Möglichkeit gegeben, zu seinem Privat- und Familienleben, zu möglichen Bedenken gegen eine Rückkehr in den Irak und zu den Länderfeststellungen schriftlich Stellung zu nehmen. Die vom Beschwerdeführer teils in arabischer Sprache gehaltenen Eingaben dazu wurden von einem Dolmetscher übersetzt und zum Akt genommen.

Mit Bescheid vom 07.06.2019 erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den mit Bescheid vom 15.09.2015, Zl. XXXX, zuerkannten Status des Asylberechtigten ab und sprach aus, dass ihm gemäß § 7 Abs 4 AsylG 2005 kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.) Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VII.).

Dagegen wurde Beschwerde erhoben und moniert, dass sich die Asylaberkennung auf eine nicht im Rechtsbestand befindliche Norm stützt (§ 7 Abs 1 Z 4 AsylG 2005) und daher rechtswidrig sei. Auf zwei weiteren Seiten wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung in den Irak eine sofortige Festnahme am Flughafen aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sunnitischen Konfession und der Bedrohung durch die schiitische Miliz befürchte und zitiert die Beschwerde Ausschnitte aus dem Länderinformationsblatt. Die Lage hinsichtlich Sicherheit und humanitäre Versorgung stelle sich äußerst schlecht dar und könne dem Beschwerdeführer daher eine Rückkehr in den Irak in keiner Weise zugemutet werden. Er habe im Irak kein familiäres Netz und würde in eine aussichtslose Lage geraten. Ein unbefristetes Einreiseverbot stelle einen ungerechtfertigten Eingriff im Sinne des Art 8 EMRK dar, da seine Eltern und Geschwister als Asylberechtigte ebenso in Österreich leben. Er mache in der Haftanstalt eine Lehre und sei nach der langen Haftzeit verbunden mit der psychotherapeutischen Betreuung bei Enthaftung von keiner Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mehr auszugehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25.07.2019, Zl. XXXX, bestätigte die belangte Behörde ihre Entscheidung vom 07.06.2019 mit der Maßgabe, dass die gesetzliche Grundlage im Spruchpunkt I. berichtigt wurde (§ 7 Abs 1 Z 4 AsylG 2005). Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er ist irakischer Staatsangehöriger, stammt aus Bagdad und lebte dort bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie und besuchte eine Schule. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, ging bisher aber weder im Irak, noch in Österreich einer Beschäftigung nach.

Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Inhaftierung an derselben Adresse wie seine Familie. Die Kernfamilie besteht aus den Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester, die sich alle im Bundesgebiet aufhalten. Der Vater, die Mutter, ein Bruder und eine Schwester genießen weiterhin den Status der Asylberechtigten. Dem Bruder XXXX wurde der Status des Asylberechtigten aufgrund der oben angeführten Straffälligkeit aberkannt und die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot verbunden. Auch die Asylanträge der übrigen Verwandten bzw. Mittäter wurden rechtskräftig negativ entschieden und gegen alle Antragsteller eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot ausgesprochen.

Feststeht, dass alle mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 02.03.2017 verurteilten Täter, außer der Achtangeklagte, in einem Verwandtschaftsverhältnis zum Beschwerdeführer stehen. Der Vater des Beschwerdeführers wurde im Zweifel freigesprochen, der Bruder zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreizehn Jahren, sein Onkel mütterlicherseits zu elf Jahren und die weiteren Cousins bzw. Großcousins zu elf, zwölf bzw. dreizehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die verurteilten Familienmitglieder haben nacheinander und teilweise mehrfach ungeschützten Beischlaf mit dem Opfer an der Wohnadresse des Beschwerdeführers vollzogen.

Der Beschwerdeführer verfügt ansonsten über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen und über keine integrativen Verfestigungen in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht.

Eine derzeitige asylrelevante Bedrohung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat konnte nicht festgestellt werden.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Politische Lage:

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazat) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive,

Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS

11.5.2018).

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen

Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum

Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein

Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018

- BBC - British Broadcasting Corporation (9.12.2017): Iraq declares war with Islamic State is over, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42291985, Zugriff 18.10.2018

- BBC - British Broadcasting Corporation (3.10.2018): New Iraq President Barham Saleh names Adel Abdul Mahdi as PM, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-45722528, Zugriff 18.10.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (17.10.2018): The World Factbook - Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html, Zugriff 19.10.2018

- DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salihas-new-president/a-45733912, Zugriff 18.10.2018

- Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-andpolitics-of-iraq/, Zugriff 17.10.2018

- The Guardian (3.10.2018): Iraqi president names Adel Abdul-Mahdi as next prime minister, https://www.theguardian.com/world/2018/oct/03/iraqi-president-names-adel-abdul-mahdi-asnext-prime-minister, Zugriff 18.10.2018

- ICG - International Crisis Group (9.5.2018): Iraq's Pre-election Optimism Includes a New Partnership with Saudi Arabia, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-andarabian-peninsula/iraq/iraqs-pre-election-optimism-includes-new-partnership-saudi-arabia, Zugriff 18.10.2018

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 17.10.2018

- LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections: A Population in Transition?, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqielections_Report_2018.pdf, Zugriff 18.10.2018

- Reuters (15.9.2018): Iraq parliament elects Sunni lawmaker al-Halbousi as speaker, breaking deadlock, https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics/iraq-parliament-elects-sunnilawmaker-al-halbousi-as-speaker-breaking-deadlock-idUSKCN1LV0BH, Zugriff 18.10.2018

- RoI - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 18.10.2018

- Der Standard (13.5.2018): Wahlen im Irak: Al-Abadi laut Kreisen in Führung, https://derstandard.at/2000079629773/Irakische-Parlamentswahl-ohne-groessere-Zder, Zugriff 2.11.2018

- Der Standard (3.10.2018): Neue alte Gesichter für Iraks Topjobs, https://derstandard.at/2000088607743/Neue-alte-Gesichter-fuer-Iraks-Topjobs, Zugriff 19.10.2018

- TA - Tagesanzeiger (12.5.2018): Im Bann des Misstrauens, https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/im-bann-des-misstrauens/story/ 29434606, Zugriff 18.10.2018

- UNSC - United Nations Security Council (17.1.2018): Report of the Secretary-General pursuant to resolution 2367 (2017),

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1800449.pdf, Zugriff 19.10.2018

- WZ - Wiener Zeitung (12.5.2018): Erste Wahl im Irak nach Sieg gegen IS stößt auf wenig Interesse, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/964399_Erste-Wahl-imIrak-nach-Sieg-gegen-IS-stoesst-auf-wenig-Interesse.html, Zugriff 23.10.2018

Sicherheitslage:

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018

- MIGRI - Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report:

Security in Iraq variable but improving,

https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable _but_improving/10061710, Zugriff 30.10.2018

Sunnitische Araber:

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.2.2018). Es gab zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, die PMF und die Peshmerga (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 17.8.2018

Grundversorgung/Wirtschaft:

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.2.2018). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung,

Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018).

Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" leben 70 Prozent der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.2.2018).

In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wieder hergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.2.2018).

Wirtschaftslage

Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staat und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mosul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt, hängt aus Sicht der Weltbank davon ab, ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018).

Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.2.2018).

Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 2.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.4.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 2.10.2018).

So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, Vulnerabilität und Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote [schon vor dem IS, Anm.] von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018).

Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS-bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.4.2018).

Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.2.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.6.2018).

Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen.

Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten (IOM 13.6.2018).

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.2.2018). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.2.2018).

Wasserversorgung

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA 12.2.2018). Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.8.2018).

Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.8.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.2.2018). Im August meldete Iraks südliche Provinz Basra 17.000 Fälle von Infektionen aufgrund der Kontaminierung von Wasser. Der Direktor der Gesundheitsbehörde Basra warnte vor einem Choleraausbruch (Iraqi News 28.8.2018).

Nahrungsversorgung

Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von

Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.2.2018). Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018).

Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vgl. USAID 1.8.2017).

Das Sozialsystem wird vom sogenannten "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- AW - The Arab Weekly (11.2.2018): Can Iraq's ailing economy liberate itself in 2018?, https://thearabweekly.com/can-iraqs-ailing-economy-liberate-itself-2018, Zugriff 15.10.2018

- Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (10.7.2018): More than infrastructures: water challenges in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/201807/PB_PSI_water_challenges_Iraq.pdf, Zugriff 15.10.2018

- Fanack (22.12.2017): Energy file: Iraq, https://fanack.com/fanack-energy/iraq/, Zugriff

15.10.2018

- FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (8.2.2018): Iraq: Recovery and Resilience Programme 2018-2019, http://www.fao.org/3/I8658EN/i8658en.pdf, Zugriff

15.10.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak: Die wirtschaftliche Lage im Überblick, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 20.11.2018

- Iraqi News (28.8.2018): Iraq's Basra declares 17000 infection cases from water pollution, https://www.iraqinews.com/features/iraqs-basra-declares-17000-infection-cases-from-waterpollution/, Zugriff 15.10.2018

- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak

(2017),

https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/ Informationsblaetter/cfs_irakdl_de.pdf;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?

__blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018

- K4D - Knowledge for Development Program (18.5.2018): Iraqi state capabilities, https://assets.publishing.service.gov.uk/media/5b18e952e5274a18eb1ee3aa/

Iraqi_state_capabilities.pdf, Zugriff 15.10.2018

- UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.8.2018): Iraq: Humanitarian Bulletin, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCHA %20Iraq%20Humanitarian%20Bulletin%20-%20August%202018.pdf, Zugriff 15.10.2018

- USAID - Unites States Agency for International Development (1.8.2017): Iraq: Agriculture https://www.usaid.gov/iraq/agriculture, Zugriff 16.10.2018

- USAID - Unites States Agency for International Development (23.2.2018): Food Assistance Fact Sheet: Iraq, https://www.usaid.gov/sites/default/files/documents/1866/Iraq__Country_Fact_Sheet.pdf, Zugriff 15.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018

- WB - The World Bank (16.4.2018): Iraq's Economic Outlook - April 2018, https://www.worldbank.org/en/country/iraq/publication/economic-outlook-april-2018, Zugriff 16.10.2018

- WB - The World Bank (18.4.2018): Iraq: Overview, http://www.worldbank.org/en/country/iraq/overview, Zugriff 15.10.2018

- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2.10.2018): Die irakische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-irakische-wirtschaft.html, Zugriff 15.10.2018

1.3. Dem Beschwerdeführer droht persönlich in seinem Herkunftsstaat keinerlei Verfolgung oder Bedrohung von staatlicher Seite. Es kann außerdem keine Bedrohung durch Milizen festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Herkunft, Religion und seinem Familienstand sowie seinen Lebensumständen im In- und Herkunftsland und der Asylzuerkennung ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und stimmen mit den Angaben des Beschwerdeführers und einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister überein. Auch die Angaben zum bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet und dem Bezug von staatlichen Leistungen ergeben sich aus den eigenen Angaben seitens des Beschwerdeführers und Auszügen aus dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und dem Betreuungsinformationssystem. Aufgrund des jungen Alters und den Angaben, in der Haft eine Lehre machen zu wollen, konnte von einer Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Gleiches gilt im Hinblick auf die Angaben zu den Familienangehörigen im Irak und in Österreich. Ein Auszug aus dem ZMR bestätigt die Wohnsituation und das Zusammenleben mit Familienangehörigen und den nunmehrigen Aufenthalt in der Justizanstalt.

Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 StGB ergibt sich aus dem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich sowie den im Akt einliegenden Urteilsausfertigung zu LG XXXX, GZ XXXX. Abgesehen von Andeutungen im Beschwerdeschriftsatz, in der Haft einen Deutschkurs zu besuchen und eine Lehre zu absolvieren, brachte der Beschwerdeführer keinerlei integrative Verfestigung vor und legte auch die angekündigten Bestätigungen über die Bemühungen in der Justizanstalt bis dato nicht vor. Außer durch massive Straffälligkeit trat der Beschwerdeführer sohin nicht in Erscheinung und musst Integration in jeglicher Hinsicht verneint werden.

2.2 Die Feststellungen zur Lage im Irak beruhen auf dem bereits von der belangten Behörde dem Bescheid zugrunde gelegte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.11.2018, welches in der Fassung vom 30.10.2019 nur um unwesentliche aktuellere Feststellungen ergänzt wurde und unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falles notwendige Aktualität aufweist. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Zwar existiert hinsichtlich Irak eine Vielzahl tagesaktueller Medienberichte, die auch regelmäßig in die Situationsberichte Eingang finden, doch ergibt sich daraus für die verfahrensgegenständliche Angelegenheit aktuell keine wesentliche Änderung und es wurde Derartiges auch nicht behauptet.

Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist. Die Beschwerde selbst zitiert aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen und wurden keine weiteren Beweise ins Verfahren eingebracht. Aus diesem Grund erkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht die Notwendigkeit, den Sachverhalt hinsichtlich der Länderberichte zu aktualisieren. Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und die daraus gewonnenen Ergebnisse werden der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt, zumal mit der Beschwerde im Ergebnis die für den Sachverhalt relevanten Angaben nicht in substantiierter Weise ergänzt wurden.

2.3. Dass dem Beschwerdeführer im Irak keine, wie auch immer geartete Verfolgung oder Bedrohung erwartet, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Zunächst ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer einen Asylausschlussgrund nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 verwirklicht hat und auch die vom Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung entwickelten weiteren Voraussetzungen kumulativ vorliegen, sodass der Beschwerdeführer auch trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden kann, worauf in der rechtlichen Beurteilung noch einzugehen sein wird.

Aus diesem Grund kann die Prüfung einer möglichen asylrelevanten Verfolgung unterbleiben, der Vollständigkeit halber ist wie folgt auszuführen: Der Beschwerdeführer bringt schriftlich vor, dass ihn politische Verfolgung aufgrund seiner sunnitischen Glaubenszugehörigkeit drohe (AS 85). Er bringt nur allgemein vor, dass er im ganzen Irak von verschiedenen schiitischen Milizen getötet würde und schon aufgrund des Nachnamens als Sunnite erkannt und bedroht wäre. Vor dem Hintergrund der unbedenklichen Länderberichte wird nicht verkannt, dass die sunnitische Bevölkerung eine Minderheit darstellt und es immer wieder zu Übergriffen seitens schiitischer Anhänger gibt. Eine generelle Verfolgung der Volksgruppe im Irak ist daraus aber nicht ableitbar und ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür in den Länderfeststellungen.

Nicht festgestellt werden konnte, dass die Gründe, die zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten des Beschwerdeführers (und auch des Vaters und von diesem abgeleitet der Mutter, des Bruders und der Schwester) aktuell weiter vorliegen. Damals brachte der Beschwerdeführer eine Verfolgung in erster Linie des Vaters als Sunnite vor und dass vorwiegend die männlichen Familienmitglieder gesucht würden. Wenn nunmehr die gesamte Familie in Österreich ist, kann sich der Beschwerdeführer nicht weiter auf eine Bedrohung wegen Tätigkeiten des Vaters berufen. Für die erkennende Richterin ist auch nicht nachvollziehbar, wie vor dem Hintergrund der damaligen Angaben, dass die Männer einer Familie gesucht wurden, nur der Beschwerdeführer mit dem Vater ausreisten und seine Brüder weiterhin im Irak verblieben. Im Falle des Bruders XXXX bedeutet dies nämlich, dass er weitere Monate, bis zur Klärung des österreichischen Aufenthaltsstatus der voraus gereisten Familienmitglieder, im Irak leben konnte und erst dann gemeinsam mit der Mutter und der Schwester das Land verließ. Im Übrigen sind seit der angegebenen Bedrohung (Drohbrief, Bombenexplosion) über fünf Jahre vergangen und ist lebensfremd, dass die Verfolger nach jahrelanger Abwesenheit noch immer nach dem Beschwerdeführer (oder seiner Familie) suchen, um sie individuell zu bedrohen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta der EU auch im vorliegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Appl. Nr. 28.394/95, Döry/Schweden; 8.2.2005, Appl. Nr. 55.853/00, Miller/Schweden), ebenso, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten und die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind (EGMR 18.7.2013, Appl. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff).

Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

In Zusammenhang mit der gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG 2014 und Art. 47 Abs. 2 GRC bestehende Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der VwGH ausgesprochen, dass gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG - trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Voraussetzung für die Annahme eines in diesem Sinn geklärten Sachverhalts ist, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden ist und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0052, mit Hinweis auf 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).

Fallbezogen führte die belangte Behörde ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durch und kam seiner Ermittlungspflicht durch Befragung des Beschwerdeführers am 31.10.2019 und Gewährung von Parteiengehör nach unkooperativem Verhalten des Beschwerdeführers nach. Dabei räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ausreichend Möglichkeit ein, zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie zur Situation im Falle einer Rückkehr in den Irak Stellung zu nehmen. Der Sachverhalt wurde unter schlüssiger und nachvollziehbarer Beweiswürdigung der belangten Behörde vollständig festgestellt und die Grundlage des bekämpften Bescheides ist aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, insbesondere auch des Urteils des Landesgerichts XXXX vom 02.03.2017, GZ XXXX, rechtskräftig am 13.06.2018, unzweifelhaft nachvollziehbar. Die belangte Behörde legte die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offen; das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung an. Bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG weist der von der belangten Behörde erhobene Sachverhalt die gebotene Aktualität auf, zumal sich der Beschwerdeführer immer noch in Strafhaft befindet und keinerlei weitere Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen sind.

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, dass seine Eltern und Geschwister in Österreich leben, er das Familienleben weiter fortführen und sich auf Art 8 EMRK stützen wolle. Die Beurteilung dieser vorgebrachten Sachverhaltselemente stellt, ebenso wie die Beurteilung, ob die Verurteilung des Beschwerdeführers ein Grund für die Aberkennung des Status eines Asylberechtigten ist, eine Rechtsfrage dar. Aus diesem Grund ist diesbezüglich eine weitergehende Befragung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.

Der Beschwerde konnten keine neuen Sachverhaltselemente entnommen werden, welche geeignet wären, dem Bescheid der belangten Behörde substantiiert entgegenzutreten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte.

Ergänzend wird auf den Beschluss des VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/20/0002, hingewiesen, woraus hervorgeht, dass die im Erkenntnis des VwGH vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, dargestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung der Verhandlung gemäß dem ersten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA-VG auch dann erfüllt sind, wenn zwar das Erstgericht die die Beweiswürdigung tragenden Argumente der Verwaltungsbehörde teilt, diese jedoch ergänzt, um das Gesamtbild nur abzurunden.

Der maßgebliche Sachverhalt ist sohin aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde iSd § 24 VwGVG und des § 21 Abs. 7 BFA-VG als geklärt anzusehen, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen wurde.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Aberkennung des Status eines Asylberechtigten):

3.2.1. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt, einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 - welcher auch von der belangten Behörde bei der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides zur Anwendung gebracht wurde - ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß dem hier zu prüfenden § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (vgl. etwa VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419; 23.9.2009, 2006/01/0626; mit Hinweis auf die zur Vorläuferbestimmung ergangene und auch für die aktuelle Rechtslage weiterhin maßgebliche Rechtsprechung; vgl. zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 weiters auch VwGH 05.12.2017, Ra 2016/01/0166; 01.03.2016, Ra 2015/18/0247; 21.09.2015, Ra 2015/19/0130).

3.2.2. Zunächst ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung in seinem Herkunftsstaat droht. Wie unter Pkt. II. 2.3. dargelegt, konnte der Beschwerdeführer keine andauernde asylrelevante Bedrohung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit glaubhaft machen.

Die von den Höchstgerichten geforderten Voraussetzungen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 liegen vor. Fallbezogen wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 und 3, erster und vierter Fall StGB verurteilt.

Unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind nach Ansicht der VwGH etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0360, sowie VwGH Ra 2017/19/0531, mwN). Dabei handelt es sich um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. VwGH Ra 2017/19/0109, mit Verweis auf VwGH 3.12.2002, 99/01/0449).

Bei der in der Rechtsprechung (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0531; 25.10.2018, Ra 2018/20/0360) erfolgten Aufzählung von Straftaten, die unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 fallen, handelt es sich also nicht um eine abschließende Nennung von Delikten, was vom VwGH schon mit dem Hinweis "und dergleichen" unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109).

Der sexuelle Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 StGB unterscheidet sich von der vom VwGH als besonders schweres Verbrechen eingestufte Vergewaltigung nach § 201 StGB nur hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen des Opfers. Während ein Täter zur Verwirklichung der Vergewaltigung das Opfer zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung mit Gewalt, Entziehung der persönlichen Freiheit oder mit Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigen muss, nutzt er beim sexuellen Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person deren durch den geistigen Zustand bedingte Unfähigkeit aus, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Die vom Beschwerdeführer verwirklichte Deliktsqualifikation der schweren Körperverletzung nach § 205 Abs 3 StGB ist gleichlautend mit jener der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und auch mit gleicher Strafe bedroht. Insofern kann das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person als ein unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 fallendes Delikt subsumiert werden, weil es wie die Vergewaltigung das objektiv besonders wichtige Rechtsgut der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung gleichsam massiv verletzt ("und dergleichen").

Bei einer auf § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 gestützten Entscheidung ist eine entsprechende Zukunftsprognose (zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit des Straftäters) zu erstellen, wobei es auf das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers ankommt. Demgemäß sind seine Einstellung während der Dauer seines Aufenthaltes gegenüber dem Staat bzw. der Gemeinschaft der in diesem Staat lebenden Bürger und seine in diesem Zeitraum gesetzten Handlungen maßgeblich, welche geeignet sind, das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft zu gefährden (vgl. VwGH 06.10.1999, 99/01/0288).

Im Falle des Beschwerdeführers wiegt neben der Verwirklichung des an sich schweren Tatbestandes des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person auch die Tatausführung gemeinsam mit sieben Verwandten und einem weiteren Mittäter schwer. Wie bereits im Strafurteil festgehalten, zeugte die Tatbegehung von einer besonderen Rohheit und Gefühlskälte gegenüber einem wehrlosen und hilflosen Opfer, die keine Achtung eines anderen Menschen erkennen lässt. Der Beschwerdeführer hat dreieinhalb Monate nach Gewährung eines internationalen Schutztitels durch die Republik die österreichische Rechtsordnung durch Beteiligung an einer äußerst grausamen Gruppenvergewaltigung aufs Gröbste missachtet und zeigt sich auch nach rechtskräftiger Verurteilung zu einer einschneidenden Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren weder einsichtig noch reumütig. Eine Gemeingefährdung ist zweifelsohne gegeben und kann zum gegebenen Zeitpunkt eine Zukunftsprognose angesichts der langjährigen Haftstrafe, die er nicht einmal zur Hälfte verbüßt hat, nicht abgegeben werden.

3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Zur Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten):

Gemäß § 8 Abs 2 AsylG 2005 ist mit der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder interstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig, hat eine schulische Ausbildung im Irak absolviert, hat keine Sorgepflichten und spricht die dortige Landessprache. Der Beschwerdeführer stammt aus Bagdad und ist die Stadt via Flughafen sicher zu erreichen und verfügt die Hauptstadt über die wichtigste Infrastruktur. Durch Annahme einer Tätigkeit kann sich der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt in weiterer Folge sichern. Derzeit besteht im Irak keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Irak, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe besteht.

Eine Prüfung nach § 8 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 kann an dieser Stelle aber schon aus dem Grund unterbleiben, weil es sich beim hier zur Anwendung gebrachten Grund für die Aberkennung um einen Asylausschlussgrund handelt, bei dessen Vorliegen eine Prüfung in Bezug auf einen sonst (allfällig) bestehenden Anspruch auf Zuerkennung - oder wie hier: Beibehaltung - des Status des Asylberechtigten nicht stattzufinden hat (§ 6 Abs 2 AsylG 2005, hier: iVm § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005) (vgl. VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0289).

3.4. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen):

Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG 2005 hat die belangte Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn nach § 58 Abs. 1 Z 3 leg. cit. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt.

Gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt.

Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auch in Folge der strafrechtlichen Verurteilung wegen eines Verbrechens nicht vorliegen, war die Beschwerde auch in diesem Punkt abzuweisen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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