TE Bvwg Beschluss 2020/4/20 W273 2227591-1

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Veröffentlicht am 20.04.2020
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Entscheidungsdatum

20.04.2020

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328
VwGG §30 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W273 2227591-1/30Z

W273 2227591-2/9Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH über den Antrag der XXXX , vertreten durch XXXX , vom 09.04.2020 beschlossen:

Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Schriftsatz vom 09.04.2020 brachte die XXXX (im Folgenden: Revisionswerberin) eine außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.02.2020, GZ: W275 2227591-1/26E sowie gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.03.2020, GZ: W275 2227591-2/4E, ein.

2. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die Revisionswerberin insbesondere aus: Durch das angefochtene Erkenntnis verliere die revisionswerbende Partei aufgrund der Nichtigerklärung der gegenständlichen Rahmenvereinbarung das Recht, die für ihren Betrieb (eines internationalen Flughafens) zwingend notwendigen Sanitärerzeugnisse (diverse Spender) samt Verbrauchsmaterialien zu beziehen. Der Verlust einer Rechtsposition sei daher evident. Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde die revisionswerbende Partei wieder in den Rechtszustand vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses rückversetzt, weshalb das angefochtene Erkenntnis einem Vollzug iSd § 30 Abs 2 VwGG zugänglich sei. Der revisionswerbenden Partei drohe durch die unmittelbare Vollziehung des angefochtenen Erkenntnisses ein unverhältnismäßiger Nachteil. Ohne die Leistungen der Rahmenvereinbarung sei ihr Flugbetrieb gerade in Zeiten der COVID-19-Pandemie aufgrund der (noch weiter) gestiegenen Hygieneanforderungen nicht aufrecht zu erhalten (dies betrifft neben dem Passagierflugbetrieb auch den Flug-Frachtbetrieb). Ohne derartige Sanitär- bzw Hygieneerzeugnisse würde eine enorme Gefahr der (weiteren) Verbreitung übertragbarer Krankheiten bestehen. Die Durchführung einer Neuausschreibung für diese Leistungen würde zudem erfahrungsgemäß mehrere Monate in Anspruch nehmen. Sämtliche vorhandenen Spender müssten für diesen Zeitraum abmontiert werden, weil diese im Eigentum des Rahmenvereinbarungspartners stehen und für die revisionswerbende Partei ohne Rahmenvereinbarung kein Rechtsgrund zu deren Fortbenützung gegeben sei. "Ersatzmaßnahmen" wie das Aufstellen bloßer Handseifenspender oder Ähnliches seien zudem aus hygienischer Sicht keinesfalls mit den vorhandenen (kontaktfreien) Spendern vergleichbar (darüber hinaus würde auch die Beschaffung solcher Handseifenspender dem Vergaberecht unterliegen). Es bestehe sohin ein zwingendes öffentliches Interesse daran, dass die revisionswerbende Partei bis zur Entscheidung durch den VwGH weiterhin auf Basis der gegenständlichen Rahmenvereinbarung Leistungen beziehen könne. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden keine zwingenden oder zumindest überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen. Die Rechtsposition der mitbeteiligten Partei werde durch eine Zuerkennung ebenfalls nicht berührt, weil ihr durch das angefochtene Erkenntnis keine Rechte eingeräumt werden. Die Interessensabwägung betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung falle daher jedenfalls zu Gunsten der revisionswerbenden Partei aus.

3. Mit Verfügung vom 15.04.2020 wurde der mitbeteiligten Partei XXXX die Revision mit der Aufforderung zugestellt, sich binnen 2 Tagen zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu äußern.

4. Mit Schriftsatz vom 17.04.2020 sprach sich die mitbeteiligte Partei gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und begründete dies unter anderem wie folgt: Ausgehend vom (angefochtenen Erkenntnis) des BVwG sei die Beschaffung vom nunmehrigen Revisionswerber rechtswidrig durchgeführt worden. Es sei eine Beschaffung ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden, ohne dass dies durch vergaberechtliche Vorschriften gedeckt gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des EuGH handle es sich bei Verstößen gegen Bekanntmachungsvorschriften um schwerste Verstöße gegen Vergaberecht. Dies deshalb, da die Verletzung von Bekanntmachungsvorschriften die Zielsetzung des Vergaberechts, nämlich die Herstellung eines fairen und transparenten Wettbewerbs, komplett verhindere. Ein funktionierender Wettbewerb sei ein zwingendes öffentliches Interesse, welches hier verletzt sei. Die aufschiebende Wirkung sei daher schon aufgrund des Vorliegens eines zwingenden öffentlichen Interesses nicht zu gewähren, da die sofortige Umsetzung des Erkenntnisses notwendig sei, um diese zwingenden öffentlichen Interessen zu wahren. Die Revisionswerberin habe kein legitimes Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Ein Revisionsverfahren vor dem VwGH sei von mehrjähriger Dauer. Sollte daher eine aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, sei davon auszugehen, dass ein Großteil der Abrufe aus der rechtswidrigen Rahmenvereinbarung mit dem Wunschlieferanten abgerufen werde. Nicht nachvollziehbar sei die Argumentation des Revisionswerbers, wonach "sämtliche Spender abmontiert werden müssten" (im Falle der Nichtigerklärung) bzw. der Flugbetrieb nicht mehr aufrechterhalten werden könnte. Ein Unternehmen, das einen internationalen Flughafen betreibt, habe entsprechende Lagerbestände (an Hygienematerialien), um den Betrieb bei unvorhergesehenen Ereignissen noch über Monate aufrechterhalten zu können. Es sei nicht plausibel, dass ein internationaler Flughafen sofort zusperren müsse, wenn beispielsweise ein Lieferengpass bei Handtuchrollen vorliege. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Coronakrise zu sehen. So gehe aus einer Presseaussendung des Auftraggebers hervor, dass das Passagieraufkommen um 65,8 % gesunken sei und weiter sinke. Die Lagerbestände, die den Betrieb während hoher Auslastung über längere Zeit ermöglichten, reichten natürlich umso länger, je niedriger das Passagieraufkommen sei. Zusätzlich könne der Auftraggeber natürlich auch von den vergaberechtlichen Möglichkeiten zur Durchführung einer dringenden Beschaffung Gebrauch machen. Die mitbeteiligte Partei beantragte, den Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ab- in eventu zurückzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

1. § 30 Abs. 2 VwGG lautet: "Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden." Das Verwaltungsgericht ist nach der Rechtsprechung des VwGH sowohl bei einer ordentlichen Revision auch im Fall einer außerordentlichen Revision bis zur Vorlage der Revision an den VwGH zur Entscheidung über einen Antrag auf aufschiebende Wirkung der Revision zuständig und zur Entscheidung verpflichtet (VwGH 05.11.2019, Ra 2019/20/0470).

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgehalten, dass in einem Fall, in dem die Aufhebung eines abgeschlossenen Vertrages durch die Vergabekontrollbehörde bekämpft wurde, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zur Folge hätte, dass der aufgehobene Vertrag wieder dem Rechtsbestand angehört. Durch die Zuerkennung von aufschiebender Wirkung würde daher eine Fortführung der Vertragsdurchführung und damit - zumal im Anlassfall eine Rückabwicklung der vertragsgegenständlichen Leistungen weder ersichtlich war noch vorgebracht wurde - eine endgültige Entscheidung ermöglicht, die der Nachprüfungsentscheidung der einzig unionsrechtlich geforderten Nachprüfungsinstanz widerspricht. Dies würde dem vorläufigen Charakter der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und zwingenden öffentlichen Interessen widersprechen (VwGH vom 27.07.2015, Ro 2015/04/0013 mit Verweis auf die Beschlüsse des VwGH vom 9. Juni 2011, AW 2011/04/0023, und vom 20. Dezember 2013, AW 2013/04/0048, beide mwN).

3. Dies gilt auch im gegenständlichen Fall. Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung könnte die Rahmenvereinbarung während des anhängigen höchstgerichtlichen Verfahrens als Grundlage weiterer Abrufe der Revisionswerberin herangezogen werden. Damit würden vollendete Tatsachen geschaffen, was dem vorläufigen Charakter der aufschiebenden Wirkung und damit zwingenden öffentlichen Interessen widerspricht.

4. Soweit die Revisionswerberin vorbringt, dass der Flugbetrieb am Flughafen Wien ohne die Leistungen aus der Rahmenvereinbarung aufgrund der gestiegenen Hygieneanforderungen der COVID-19-Pandemie nicht aufrechtzuhalten sei, ist folgendes festzuhalten: Die Revisionswerberin hat nicht konkret dargelegt, dass der - derzeit massiv eingeschränkte - Flugbetrieb am Flughafen Wien aufgrund eines Mangels der relevanten Hygienematerialien und dem Erfordernis der Aufstellung von Ersatzspendern nicht aufrecht zu erhalten sein sollte. Zudem stehen der Revisionswerberin im Rahmen des Vergaberechtes, insbesondere unter Berücksichtigung des Bundesverfassungsgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (BGBl. I Nr. 24/2020), sehr wohl Möglichkeiten zur Verfügung, den aktuell bestehenden Bedarf an Hygieneartikeln und Spendern, die Gegenstand der Rahmenvereinbarung sind, auch kurzfristig zu decken.

5. Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung außerordentliche Revision Interessenabwägung konkrete Darlegung öffentliche Interessen Rahmenvereinbarung Rechtswidrigkeit unverhältnismäßiger Nachteil Vergabeverfahren Vertragsverhältnis zwingendes öffentliches Interesse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W273.2227591.1.01

Im RIS seit

11.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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