TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/22 I413 2198817-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.04.2020
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Entscheidungsdatum

22.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I413 2198817-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" und "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH", Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 22.05.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Abdulmoamin AL BAYATI in das Bundesgebiet ein und stellte am 26.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am darauffolgenden Tag gab er, befragt zu seinen Fluchtgründen, an, dass sein Vater der Generaldirektor des ehemaligen Handelsministeriums im Irak unter der Führung von Saddam Hussein und danach noch bis zum Jahr 2005 gewesen sein. Während des Regimes von Saddam Hussein hätten Sunniten und Schiiten friedlich zusammengelebt, danach hätten jedoch Schiiten jenen Stadtteil Bagdads erobert, in welchem der Beschwerdeführer und seine sunnitische Familie gelebt hätten, und die Familie hätte in einen anderen, sunnitisch geprägten Stadtteil Bagdads fliehen müssen. Überdies sei der Beschwerdeführer Sportler gewesen, sei jedoch einige Male von der Terrormiliz Islamischer Staat (im Folgenden: IS) bedroht worden und habe aufgrund dessen sein Training nicht fortsetzen können, da ganze Sportplätze und Trainingsstätten durch den IS zerstört oder besetzt worden seien. Eines Tages hätten Männer des IS den Beschwerdeführer auf einem Sportplatz aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Dies habe der Beschwerdeführer verweigert, da er nichts mit Krieg und Blutvergießen zu tun haben wolle. Aufgrund seiner Weigerung sei sein Leben jedoch nunmehr in Gefahr, und sei auch ein Freund von ihm beim Training erschossen worden. Aufgrund dessen habe sich der Beschwerdeführer umgehend entschlossen, den Irak zu verlassen.

2. Am 04.12.2017 übermittelte der Beschwerdeführer der belangten Behörde ein E-Mail, in welchem vorgebracht wurde, dass sowohl in der Erstbefragung des Beschwerdeführers als auch in jener seines Zwillingsbruders, jeweils vom 27.09.2015, die Antworten insbesondere was die Fluchtgründe betrifft falsch oder nur zum Teil richtig übersetzt worden seien. Dies wolle der Beschwerdeführer bereits "vor dem Interview" bei der belangten Behörde klarstellen.

3. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.04.2018 gab der Beschwerdeführer an, in seiner polizeilichen Erstbefragung am 27.09.2015 die Wahrheit gesagt zu haben, jedoch sei ihm das Protokoll nicht rückübersetzt worden. Auch sei jener Teil seines Fluchtvorbringens, welcher sich auf den IS beziehe, irrtümlich von einer anderen Person (IFA: XXXX), welche unmittelbar vor dem Beschwerdeführer erstbefragt worden sei, übernommen worden.

Befragt zu seinen Fluchtgründen führte er nunmehr aus, seine Mutter habe am 20.04.2015 in der Garage des Wohnhauses der Familie in Bagdad einen Drohbrief der schiitischen Asa'ib Ahl al-Haqq Miliz vorgefunden, in welchem die Familie aufgefordert worden sei, ihre Arbeit niederzulegen und das Land zu verlassen, da sie nicht zur Religion und zur Glaubensrichtung dieses Landes gehören würde. Widrigenfalls würden sie als Verräter den Tod finden. Am 25.04.2015 hätten Angehörige der Asa'ib Ahl al-Haqq Miliz schließlich das Haus der Familie des Beschwerdeführers gestürmt und die Familie aufgefordert, das Land zu verlassen, ansonsten würde man sie töten. Den Vater des Beschwerdeführers hätten die Milizen entführt. Überdies hätten sei herumgeschossen, das gesamte Haus verwüstet und Wertgegenstände mitgenommen. Noch am selben Tag hätte einer der Brüder des Beschwerdeführers, "Ali", Anzeige bei der Polizei erstattet, am darauffolgenden Tag sei die Familie sogleich in den Bezirk Al Wazirieh verzogen. Im Mai 2015 sei "Ali" mit seiner Ehefrau nach Erbil gezogen, ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers, "Abdullah", habe am 05.05.2015 den Irak verlassen. Am 01.08.2015 seien die Milizen schließlich auch zur neuen Wohnadresse der Familie der Familie des Beschwerdeführers gekommen. Seine Mutter habe die Türe geöffnet, die Milizen jedoch nicht in das Obergeschoß des Hauses gelassen, wo sich der Beschwerdeführer und sein Zwillingsbruder aufgehalten hätten. Diese hätten über die Dächer fliehen können und sich kurzzeitig bei einem Nachbarn versteckt gehalten, welcher sie in weiterer Folge zur Polizeistation in Al Aadamieh gebracht hätte, wo der Beschwerdeführer und sein Zwillingsbruder ihrerseits Anzeige erstattet hätten. Nach der Anzeigenerstattung hätten sie sich noch bis zum 18.09.2018 bei ihrem Nachbarn versteckt gehalten, ehe ihr Onkel ihnen Geld gegeben und sie bei der Ausreise aus dem Irak unterstützt habe. Am 22.12.2015 habe die Polizei schließlich die Mutter des Beschwerdeführers informiert, dass sein Vater getötet worden sei.

4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 22.05.2018, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 25.05.2018 zugestellten Bescheides richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 15.06.2018 (bei der belangten Behörde eingelangt am 18.06.2018), mit welcher der Beschwerdeführer dessen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie rechtlicher Beurteilung seitens der belangten Behörde monierte und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge "a." eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen und durchführen; sowie "b." den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten stattgegeben wird; in eventu "c." dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Irak stattgegeben wird; in eventu "d." dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen und damit eine Rückkehrentscheidung nicht zu erlassen; in eventu "e." die angefochtene Entscheidung der belangten Behörde aufheben und dieser die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen.

6. Mit Schriftsatz vom 19.06.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 21.06.2019, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I401 abgenommen und der Gerichtsabteilung I413 neu zugewiesen.

8. Am 04.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer als Partei einvernommen und der Sachverhalt sowie die allgemeine Lage im Irak mit diesem erörtert wurden. Ergänzend wurden im Rahmen dieser Verhandlung fünf Zeugen einvernommen - darunter jener Exekutivbeamte, welcher mit dem Beschwerdeführer die polizeiliche Erstbefragung am 27.09.2015 durchgeführt hat, sowie der Dolmetscher, welcher dieser Befragung beigezogen worden war. Mit den übrigen drei Zeuginnen wurde das Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich erörtert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, bekennt sich zum moslemisch-sunnitischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er ist ledig und kinderlos. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich, wo er sich seit (mindestens) 26.09.2015 aufhält.

Die Mutter sowie zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben in Bagdad und pflegt er regelmäßig Kontakt mit ihnen. Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers lebt in Erbil. Darüber hinaus leben noch fünf Tanten sowie zwei Onkel des Beschwerdeführers im Irak.

In Österreich lebt der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers, Abdulmoamin AL BAYATI (IFA-Zl. XXXX), dessen Antrag auf internationalen Schutz ebenfalls erstinstanzlich als unbegründet abgewiesen wurde und dessen Beschwerdeverfahren unter der Zl. I401 2198815-1 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist. Überdies führt der Beschwerdeführer seit September 2019 eine Beziehung mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX. Der Beschwerdeführer lebt weder mit seinem in Österreich lebenden Zwillingsbruder noch mit seiner Freundin in einem gemeinsamen Haushalt und besteht auch kein finanzielles oder anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis.

Überdies hat der Beschwerdeführer einen Bruder in Belgien, zu welchem er telefonischen Kontakt hat. Zudem lebt eine Großmutter des Beschwerdeführers sowie diverse Onkel und Tanten in Schweden, zu welchen jedoch kein Kontakt besteht.

Der Beschwerdeführer hat bis zu seiner Ausreise in Bagdad gelebt, dort die Reifeprüfung abgelegt und von 2011 bis 2015 an der Universität ein Sportstudium betrieben, dieses jedoch nicht abgeschlossen. Zudem hat er als Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung und Bildung hat er eine Chance, auch hinkünftig am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen. In Österreich bezieht er Leistungen von der staatlichen Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers wurde hingegen mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 13.08.2018, Zl. XXXX, wegen Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB sowie wegen versuchter mittelbarer unrichtiger Beurkundung oder Beglaubigung nach §§ 15, 228 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass Abdulmoamin AL BAYATI einen auf ihn ausgestellten irakischen Führerschein, welcher sich in weiterer Folge im Zuge einer urkundentechnischen Untersuchung durch das Bundeskriminalamt als Totalfälschung erwies, einem Beamten des Verkehrsamtes Linz zum Zwecke des Austausches auf einen österreichischen Führerschien vorlegte.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende maßgebliche Integrationsmerkmale auf: Er hat diverse Deutsch- sowie Integrationskurse besucht und spricht Deutsch auf B1-Niveau. Weiters hat er sich an zwei Tagen im Jahr 2016 im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung freiwillig für das rote Kreuz engagiert, überdies hat er Freiwilligenarbeit für die Volkshilfe sowie für den Sozialverein "Exit" geleistet. Seit dem Sommersemester 2019 besucht er eine Schule für Sozialbetreuungsberufe der Caritas, wo er eine Berufsausbildung zum Pflegeassistenten sowie Fachsozialbetreuer für Altenarbeit absolviert. Im Zuge dieser Berufsausbildung hat er bereits mehrere Praktika in Seniorenwohnheimen absolviert. Der Abschluss der Ausbildung ist für Februar 2021 angesetzt.

Der Beschwerdeführer und sein Zwillingsbruder haben zudem in Österreich diverse Bekanntschaften geschlossen, welche auch bereit waren, für sie Empfehlungsschreiben abzugeben. Es kann jedoch im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass diese Bekanntschaften über den Grad der persönlichen Bekanntschaft hinausgehende, für Freundschaften typische Merkmale aufweisen.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat von Angehörigen der schiitischen Asa'ib Ahl al-Haqq Miliz verfolgt worden wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

1.3.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den IS. Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert, wenn auch IS Kämpfer in manchen ländlichen Gebieten weiterhin aktiv sind (CRS 01.10.2018, MIGRI 06.02.2018).

Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 06.02.2018). Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018). Im zweiten Quartal 2018 sind aus der Provinz Al-Basrah keine Todesopfer gemeldet (ACCORD 05.09.2018).

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage im südlichen Teil des Iraks ist als stabil anzusehen. Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018). In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018). Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018).

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Die Zahl der Angriffe auf Personen ist seit 2016 jedoch kontinuierlich gesunken und hat 2018 einen historischen Tiefstand von durchschnittlich 1,1 Vorfällen pro Tag erreicht (vgl OFPRA 10.11.2017; vgl Joel Wing 08.07.2017, Joel Wing 04.10.2017, Joel Wing 03.07.2018). Aus den Länderberichten ergeben sich keine Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation und auch keine Hinweise in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (1.11.2018): Irak: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/iraksicherheit/202738, Zugriff 1.11.2018

- ACCORD (5.9.2018): Irak, 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus ACLED, https:// www.ecoi.net/en/file/local/1442566/1930 1536217374 2018a2iraa-de.pdf, Zugriff 29.10.2018

- AI - Amnesty International (7.9.2018): Iraq: Effective Investigations needed into deaths of protesters in Basra, https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE1490552018ENGLISH.PDF, Zugriff 02.11.2018

- Al Jazeera (16.7.2018): Death toll rises in southern Iraq protests, https://www.aljazeera.com/news/2018/07/death-toll-rises-southern-iraq-protests-180716181812482.html, Zugriff 2.11.2018

- Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq, https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/, Zugriff 30.10.2018

- CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat general aux refugies et aux apatrides (28.2.2018): IRAK: Situation securitaire dans le sud de l'Irak, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi focus irak situation securitaire dans le sud de lirak 20180228.pdf, Zugriff 1.11.2018

- CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018

- ISW - Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS's Second Resurgence, https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html, Zugriff 30.10.2018

- Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq?, https://iamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback-in-iraq/, Zugriff 30.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (8.7.2017): 3,230 Dead, 1,128 Wounded In Iraq June 2017, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html, Zugriff 1.11.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (04.10.2017): 728 Dead And 549 Wounded In September 2017 In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/10/728-dead-and-549-wounded-in-september.html, Zugriff 01.11.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-statereturns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018

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- Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-statereturns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (5.9.2018): Basra Explodes In Rage and Riots Over Water Crisis, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/09/basra-explodes-in-rage-and-riots-over.html, Zugriff 2.11.2018

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- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8801:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9155:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9402:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-july-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9542:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php? option=com k2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018

- WP - Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comebackin-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59-dccc2c0cabcf story.html?noredirect=on&utm term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018.

1.3.1.1. Zur Sicherheitslage in Bagdad:

Im Einklang mit der allgemeinen Verbesserung der Sicherheitslage im Jahr 2018 und im bisherigen Jahr 2019 wird auch über Bagdad berichtet, dass sich die Sicherheitslage dort weitgehend stabilisiert hat. Über das Jahr 2018 hinweg blieben Überreste von ISIS in den Vororten von Bagdad ("Bagdad-Gürtel") aktiv und starteten gelegentliche USBV-Angriffe auf zivile Ziele. Es wird jedoch berichtet, dass die Fähigkeit von ISIS, Großanschläge mit hohen Opferzahlen durchzuführen, signifikant zurückgegangen ist. Anfang 2019 wurde berichtet, dass ISIS sich weitgehend zurückgezogen hat, während die ISF ihre Kontrolle über den "Bagdad-Gürtel" verstärkte, wodurch die Sicherheitsvorfälle noch weiter abnahmen. Jedoch soll ISIS im April 2019 versucht haben, seine Stützzone in den südwestlichen Gegenden des Bagdad-Gürtels auszudehnen. Während es in den vergangenen Jahren Berichte über fast tägliche Entführungen aus politischen Gründen oder gegen Lösegeld gab, wurde für das Jahr 2018 und Anfang 2019 diesbezüglich von einem Rückgang berichtet. In Bagdad ereignen sich nach wie vor Fälle gezielter Tötungen hochrangiger Persönlichkeiten statt.

Quelle:

- UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen: https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2020/01/Schutzerw%C3%A4gungen-Irak-2019-korrigiert.pdf. S 23f, Zugriff 20.04.2020

Im Gouvernement Bagdad ereignen sich nach wie vor sicherheitsrelevante Vorfälle, jedoch nicht flächendeckend und mit derartiger Regelmäßigkeit, dass automatisch Gründe vorliegen würden um die Annahme zu rechtfertigen, dass eine nach Bagdad zurückkehrende Zivilperson einer ernsthaften, individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürliche Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Quelle:

- EASO Country Guidance: Iraq, Guidance note and common analysis, June 2019, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Iraq_2019.pdf. S 29, Zugriff 20.04.2020

Auch die Proteste und Demonstrationen gegen die Regierung im Herbst 2019 konzentrierten sich auf einzelne Orte und insbesondere auf öffentliche Plätze und Gebäude, sodass nicht zu erwarten ist, dass eine Person, die in Bagdad lebt, bloß aus diesem Grund Opfer von Gewalt im Zusammenhang mit diesen Protesten und Demonstrationen wird.

Quelle:

- UNAMI - Human Richts Special Report: Demonstrations in Iraq: updadte, 25 October - 4 November 2019, https://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&task=download&id=3360_80adc2e32ecf9cc0898e3553055e534a&Itemid=650&lang=en. Zugriff 22.04.2020

1.3.2. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.2.2018).

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte "Ehrenmorde"; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018).

Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS-Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf "Geständnissen" basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018).

Es gibt zahlreiche Berichte, dass der IS und andere terroristische Gruppen, sowie einige Regierungskräfte, einschließlich der PMF, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben. Es gibt keine öffentlich zugängliche umfassende Darstellung des Umfangs des Problems verschwundener Personen. Obwohl die PMF offiziell unter dem Kommando des Premierministers stehen, operieren einige PMF-Einheiten nur unter begrenzter staatlicher Aufsicht oder Rechenschaftspflicht (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1425073.html, Zugriff 28.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018.

1.3.3. Zur Lage Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft im Irak:

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch kommt es vor, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen werden.

Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert, Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft werden häufig zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen. Weder seitens des irakischen Staates noch von Milizen der PMU liegt jedoch keine systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft vor. Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Irak und sind in Gesellschaft und in der Politik vertreten und treten auch zu den Parlamentswahlen im Mai 2018 auch sunnitische Parteien an.

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht. Es gibt nach wie vor Regionen, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber gibt es auch in dem von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Iraks sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges Nebeneinander von Sunniten und Schiiten.

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak. https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq. https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 17.8.2018

- Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017, Zugriff 16.10.2018

- Institute of war, Final 2014 Iraqi National Elections Results by Major Political Groups (19.05.2014), http://iswiraq.blogspot.co.at/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html#!/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html, Zugriff 16.10.2018

- Rudaw, Kurdish, Sunni MPs boycott Iraqi parliament session over budget dispute, 01.03.2018, http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/03012018, Zugriff 17.10.2018

- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf, Zugriff 17.10.2018

- WING, Joel, Musings on Iraq, 649 Deaths, 275 Wounded Feb 2018 In Iraq (UPDATED), 03.03.2018 http://musingsoniraq.blogspot.co.at/ mwN. letzter Zugriff 17.10.2018

1.3.4. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative für arabische Sunniten im Irak:

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für Binnenflüchtlinge verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens eines Bürgen, die Registrierung bei lokalen Behörden, sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden, da die Regionen fürchten, dass sich IS-Kämpfer unter den Schutzsuchenden befinden.

Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person. Eine ID-Karte ist in fast allen Regionen von Nöten, doch besteht nicht in jeder Region die Notwendigkeit eines Bürgen.

Quellen:

- Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017, http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (letzter Zugriff 18.10.2018).

- IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017, http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (letzter Zugriff 18.10.2018)

- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (letzter Zugriff 18.10.2018).

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die AUTONOME REGION KURDISTAN einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu KURDISTAN oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragen. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der AUTONOMEN REGION KURDISTAN bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region SULAIMANIYYA zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodann den Daueraufenthalt beantragen. In SULAIMANIYYA ist nach Berichten der UNHCR kein Bürge notwendig, um sich niederzulassen oder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90 % aller Binnengeflüchteten in SULAIMANIYYA in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83 % Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in SULAIMANIYYA am Bildungssystem teilhaben. Binnengeflüchtete haben in dort die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

In BAGDAD gibt es mehrere sunnitisch mehrheitlich bewohnte Stadtviertel. Zur Einreise von sunnitischen Arabern in das Stadtgebiet BAGDADS müssen sich diese einem Sicherheitscheck unterziehen, vor allem, wenn sie aus vom IS dominierten Gebieten kommen. Darüber hinaus kann es notwendig werden, einen Bürgen vorzuweisen. Auch um BAGDAD herum gibt es Flüchtlingslager und Aufnahmestationen.

Quellen:

- IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017, http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (letzter Zugriff 18.10.2018)

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (letzter Zugriff 18.10.2018).

1.3.5. Dokumente:

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 12.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- BFA - Staatendokumentation (8.8.2017): Anfragebeantwortung der Staatendokumentation -Irak/Syrien: Staatsbürgerschaft Kind, Vater Syrer, Mutter Irakerin, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/1407773/5209_1502703961_syri-irak-ra-staatsbuergerschaft-kind-vater-svrer-mutter-irakerin-2017-08-08-ke.doc, Zugriff 20.9.2018

- IRBC - Immigration and Refugee Board of Canada (25.11.2013): Iraq: Civil Status Identification Card, including purpose and validity; requirements and procedures for the issuance, renewal and replacement of cards, including the location of issue; frequency of fraudulent identity cards, http://www.refworld.org/docid/52cd0a934.html, Zugriff 17.10.2018

- UKHO - United Kingdom Home Office (9.2018): Country Policy and Information Note - Iraq: Internal relocation, civil documentation and returns, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/738200/Iraq_-_IFA_docs_and_return_-_CPIN - v7 September_2018_.pdf, Zugriff 17.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018.

1.3.6. Behandlung nach Rückkehr:

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.06.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UNHabitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c28570, Zugriff 20.11.2018

- IEC - Iraq's Economic Center (24.1.2018): Rising Real Estate Prices in Iraq encourages buying abroad, http://en.economiciraq.com/2018/01/24/rising-real-estate-prices-in-iraqencourages-buying-abroad/, Zugriff 17.10.2018

- IOM - International Organization for Migration (2.2018): Iraqi returnees from Europe: A snapshot report on Iraqi Nationals upon return in Iraq. https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/DP.1635%20-%20Iraq Returnees Snapshot-Report%20-%20V5.pdf, Zugriff 16.10.2018

- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017). https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfsirak-dl de.pdf:jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1cid294?blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018

- MCH - Ministry of Construction and Housing (10.2010): Iraq National Housing Policy. https://www.humanitarianlibrary.org/sites/default/files/2013/05/634247_INHP_English_Version.pdf, Zugriff 17.10.2018

- REACH (30.6.2017): Iraqi migration to Europe in 2016: Profiles. Drivers and Return. https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_grc_report_iraqi_migration_to_europe in 2016 june 2017%20%281%29.pdf, Zugriff 16.10.2018

- Reuters (12.2.2018): Iraq says reconstruction after war on Islamic State to cost $88 billion. https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-reconstruction/iraq-savs-reconstruction-after-war-on-islamic-state-to-cost-88-billion-idUSKBN1FW0JB, Zugriff 17.10.2018

- UNHSP - United Nations Human Settlements Program (6.11.2017): The Council of Ministers Endorses the Updated Housing Policy of Iraq by the Ministry of Construction. Housing Municipalities and Public Works through the support of UN-Habitat. https://reliefweb.int/report/iraq/council-ministers-endorses-updated-housing-policy-iraq-ministry-construction-housing, Zugriff 17.10.2018.

Eine in den Irak zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die Beschwerde und den angefochtenen Bescheid, in den vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere in die Protokolle der Einvernahmen vom 27.09.2015 und 12.04.2018. Weiters wurde Einsicht genommen in die vorgelegten Urkunden und schriftlichen Stellungnahmen sowie in das aktuelle Länderinformationsblatt für den Irak. Zudem wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie insgesamt fünf Zeugen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.02.2020.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seiner Gesundheit, Arbeitsfähigkeit, Herkunft, Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (Protokoll vom 12.04.2018) und im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.02.2020.

Da Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines im Original vorgelegten irakischen Personalausweises, dessen Echtheit im Rahmen einer kriminalpolizeilichen Urkundenuntersuchung durch das Landeskriminalamt Niederösterreich verifiziert werden konnte, fest.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder mit seinem in Österreich lebenden Zwillingsbruder noch mit seiner Freundin XXXX in einem gemeinsamen Haushalt lebt, ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister sowie den Angaben des Beschwerdeführers sowie der Zeugin XXXX im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.02.2020, ebenso wie der Umstand, das kein finanzielles sowie anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis besteht, zumal der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt über die Grundversorgung bestreitet.

Die Feststellungen zum Asylverfahren des Zwillingsbruders des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Einsichtnahme in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zl. I401 2198815-1.

Die Feststellungen zu seinem Bildungs- und Berufswerdegang basieren auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 12.04.2018) und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.02.2020, als auch aus einem in Vorlage gebrachten Reifeprüfungszeugnis inklusive beglaubigter Übersetzung (AS 162ff). Demnach steht zweifelsfrei fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Bildung und beruflichen Erfahrungen eine Chance hat, auch hinkünftig am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zur rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Zwillingsbruders des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes angeforderten Strafaktes des Bezirksgerichts Linz zur Zl. XXXX.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich Leistungen von der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung von vorübergehender Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Grundversorgung bezieht, ergibt sich zweifelsfrei die Feststellung seiner mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit.

Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers auf B1-Niveau ergeben sich aus einem diesbezüglich in Vorlage gebrachten ÖSD-Zertifikat vom 19.09.2017.

Die Feststellung bezüglich der ehrenamtlichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers basiert auf den vorgelegten Bestätigungsschreiben (Beilagen ./G, ./H, ./I und ./J).

Die Feststellungen über seine Teilnahme an diversen Kursen gründet auf den vorgelegten Teilnahmebestätigungen (u.a. Beilagen ./A, und ./K).

Die Feststellungen zum Besuch des Beschwerdeführers einer Schule für Sozialbetreuungsberufe der Caritas sowie der Absolvierung diverser Praktika im Zuge der Ausbildung ergeben sich aus einem Konvolut an in Vorlage gebrachten Zeugnissen, Schulbesuchsbestätigungen sowie Bestätigungsschreiben (u.a. Beilagen ./B, ./C, ./D, ./E und ./L).

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich diverse Bekanntschaften geschlossen hat, welche jedoch keine maßgebliche Intensität im Hinblick auf eine soziale Integration aufweisen, ergibt sich aus zwei gemeinsam mit der Beschwerde in Vorlage gebrachten Unterstützungsscheiben - weitere vorgelegte Unterstützungsschreiben bezogen sich ausschließlich auf seinen Zwillingsbruder - sowie der diesbezüglichen Einvernahme von zwei Zeuginnen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.02.2020, welche sich unter den Verfasserinnen der genannten Unterstützungsschreiben befanden. Hierbei stellte sich heraus, dass beide den Beschwerdeführer lediglich flüchtig kennen und auch keinen regelmäßigen Kontakt zu ihm pflegen (die Zeugin 6 gab etwa zu Protokoll, ihn insgesamt überhaupt nur dreimal getroffen zu haben).

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich im Protokoll der Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 27.09.2015 unter der Rubrik "Fluchtgrund" zwei unterschiedlich gelagerte, durch einen Absatz getrennte Fluchtvorbringen finden. Zunächst wird angeführt, der Vater des Beschwerdeführers sei der Generaldirektor des ehemaligen Handelsministeriums im Irak unter der Führung von Saddam Hussein gewesen, und auch noch danach bis zum Jahr 2005. Während des Regimes von Saddam Hussein hätten Sunniten und Schiiten friedlich zusammengelebt, danach hätten jedoch Schiiten jenen Stadtteil Bagdads erobert, in welchem der Beschwerdeführer und seine sunnitische Familie gelebt hätten, und die Familie hätte in einen anderen, sunnitisch geprägten Stadtteil Bagdads fliehen müssen.

Gänzlich unabhängig von diesem initialen Vorbringen rund um die Vertreibung der Familie des Beschwerdeführers aus ihrem ursprünglichen Stadtteil in Bagdad findet sich im Befragungsprotokoll weiters das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer Sportler gewesen und einige Male von der Terrormiliz IS bedroht worden sei. Er habe aufgrund dessen sein Training nicht fortsetzen können, da ganze Sportplätze und Trainingsstätten durch den IS zerstört oder besetzt worden seien. Eines Tages hätten Männer des IS den Beschwerdeführer auf einem Sportplatz aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Dies habe der Beschwerdeführer verweigert, da er nichts mit Krieg und Blutvergießen zu tun haben wolle. Aufgrund seiner Weigerung sei sein Leben jedoch nunmehr in Gefahr, und sei auch ein Freund von ihm beim Training erschossen worden. Aufgrund dessen habe sich der Beschwerdeführer umgehend entschlossen, den Irak zu verlassen (Protokoll vom 27.09.2015, S 5).

Bereits im Administrativverfahren - vor seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde - wurde im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme vom 04.12.2017 (AS 123ff) sowie einer weiteren schriftlichen Stellungnahme vom 26.03.2018 (AS 145) moniert, dass sowohl beim Beschwerdeführer als auch bei seinem Zwillingsbruder im Rahmen ihrer polizeilichen Erstbefragung jeweils am 27.09.2015 die Antworten - insbesondere was die Fluchtgründe betrifft - falsch oder nur zum Teil richtig übersetzt worden seien, und er niemals eine etwaige Bedrohung durch Angehörige des IS als Fluchtgrund geltend gemacht habe. Es habe sich hierbei um einen Kopierfehler gehandelt und würde es sich hierbei um das Fluchtvorbringen eines anderen Asylwerbers mit der IFA-Zl. XXXX handeln, dessen polizeiliche Erstbefragung unmittelbar vor dem Beschwerdeführer durchgeführt worden sei. Das Erstbefragungsprotokoll des vor dem Beschwerdeführer erstbefragten Asylwerbers findet sich ebenfalls im Akt (AS 261ff) und steht fest, dass das darin enthaltene Fluchtvorbringen tatsächlich wortwörtlich gleich lautet wie der zweite Teil des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine etwaige Bedrohung durch den IS.

Auch durch die zeugenschaftlichen Einvernahmen des die Erstbefragung des Beschwerdeführers durchführenden Exekutivbeamten sowie des dieser Erstbefragung beigezogenen Dolmetschers im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.02.2020 konnte nicht restlos geklärt werden, wie es dazu gekommen ist, dass sich in der Erstbefragung des Beschwerdeführers hinsichtlich des zweiten Teils seiner Fluchtgründe wortwörtlich dasselbe Vorbringen findet wie bei dem unmittelbar vor ihm erstbefragten Asylwerber.

Unstreitig ist dem Beschwerdeführer angesichts des Umstandes, dass er die Richtigkeit seines Erstbefragungsprotokolls am 27.09.2015 durch dessen Unterfertigung bestätigte und erst über zwei Jahre später, am 04.12.2017, dessen Unrichtigkeit vor der belangten Behörde schriftlich beanstandete, ein gewisses Maß an Sorgfaltswidrigkeit anzulasten. Dennoch betont das Bundesverwaltungsgericht an dieser Stelle ausdrücklich, dass ein Widerspruch hinsichtlich des in der Erstbefragung vermerkten Fluchtvorbringens bezüglich eine

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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