TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/24 W200 2227417-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2020
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Entscheidungsdatum

24.04.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W200 2227417-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 23.12.2019, OB: 69810146500039, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 80 vH und stellte unter Vorlage von medizinischen Unterlagen am 12.09.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO).

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 01.11.2019, basierend auf einer Begutachtung am 29.10.2019, ergab Folgendes:

"Anamnese:

Es gibt ein Vorgutachten mit insgesamt 80 % vom 24.5.2018 (chronische Niereninsuffizienz

60 %, COPD 40 %, hypertensive Cardiomyopathie 30 %, insulinpflichtiger Diabetes 30 %).

Derzeitige Beschwerden:

Durch die Verschlechterung meiner Nierenwerte ab 9/2018 ist eine Dialyse notwendig

geworden. Dreimal in der Woche gehe ich zur Dialyse. Ich habe beim Gehen starke

Schmerzen in den Kniegelenken und bei einem Röntgen wurde eine Gonarthrose

festgestellt. Eine Operation will man mir wegen der Dialyse nicht machen. Außerdem

bekomme ich schon bei geringen Anstrengungen wenig Luft. Seit der Dialyse habe ich

extrem zugenommen. Ich wiege derzeit 144 Kilo. Ich tue mir im Alltag sehr schwer, kann

mich kaum mehr bücken. Wenn mir was herunterfällt, kann ich es nicht aufheben. Mein

Gesamtzustand hat sich stark verschlechtert und ich habe daher um den Parkausweis

angesucht.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel

NOVORAPID PENFILL PATR TOUJEO 300IE/ML IJLSG FPEN, NOVALGIN FTBL?,NEURONTIN

KPS 300MG ,TRAJENTA FTBL 5MG, DIOVAN FTBL 80MG, NOMEXOR TBL 5MG, AMLODIPIN

+PH TBL ,10MG AQUAPHORILTBL?,LASIX TBL 500MG,PURINOL TBL 100MG?,ZOLDEM FTBL

10MG ,ENTEROBENE FTBL 2MG ,SEVELAMER RTP FTBL 800MG,DUAKLIR GENUAIR

340/12MCG ,FLIXOTIDE DISK.0,5MG ATOZET FTBL 10/40MG

Sozialanamnese:

Ist in Pension, verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2019-07-04 Dr. XXXX : Dialyse seit 10.9.2018

2019-05-27 Innere Medizin, LK Klosterneuburg: Erysipel des linken Unterschenkels

Mitgebrachter Röntgenbefund der Kniegelenke zum 28.10.2019: Fortgeschrittene Varusgonarthrose bds.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: adipös

Größe: 179,00 cm Gewicht: 144,00 kg Blutdruck: 160/90

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung

Sensorium: Umgangssprache wird anstandslos verstanden

Haut und Schleimhäute: unauffällig

Hals: unauffällig, keine Einflussstauung

Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch, Herzschrittmacher links

Lunge: sonorer Klopfschall, Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe

beim Gang im Zimmer

Herz: reine Herzgeräusche, rhythmisch, normfrequent

Abdomen: über Thoraxniveau, rektal nicht untersucht

Neurologisch: grob neurologisch unauffällig, Störungen der Sensibilität werden keine angegeben

WIRBELSÄULE:

Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet.

HWS: altersentsprechend frei beweglich, Drehung und Seitneigung beidseits frei. KJA: 1 cm

BWS: Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen normal beweglich

LWS: altersentsprechend frei beweglich FBA: 20 cm

Obere Extremitäten:

Trophik und Tonus seitengleich normal, grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.

Schultergelenk rechts Seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne: 160°

Schultergelenk links Seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne: 160°

Nackengriff: bds möglich Schürzengriff: bds möglich

Hand- und Fingergelenke: keine signifikanten Funktionseinschränkungen, Feinmotorik und

Fingerfertigkeit altersentsprechend

Der Pinzettengriff ist beidseits mit allen Fingern möglich.

Der Faustschluss ist beidseits mit allen Fingern möglich

Untere Extremitäten:

grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.

Hüftgelenk rechts: Beugung: 110° Rotation: 30-0-30°

Hüftgelenk links: Beugung: 110° Rotation: 30-0-30°

Kniegelenk rechts: 0-0-100° Varusstellung bds

Kniegelenk links: 0-0-100°

Sprunggelenke: beidseits annähernd normale Beweglichkeit, Fußheben und -senken bds durchführbar, alle Funktionen ungestört.

Zehenstand und Fersenstand beidseitig möglich, Einbeinstand bds möglich, Fußpulse bds palpabel.

Keine Ödeme bds, keine relevante Varicositas, keine postthrombotische Veränderungen.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbstständig gehend, ohne Gehhilfen.

Das Gangbild ist hinkend re, in altersentsprechend normalem Tempo.

Status Psychicus:

Zeitlich, örtlich und zur Person orientiert. Wirkt in der Kommunikation unauffällig, die Stimmungslage ist normal. Aufmerksamkeit und Konzentration scheinen nicht beeinträchtigt. Merkfähigkeit scheint unauffällig.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Hämodialyse bei Niereninsuffizienz

2

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

3

Diabetes mellitus

4

Hypertensive Cardiomyopathie mit Herzschrittmacher

5

Gonarthrose beidseits

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Leiden 1 (Niereninsuffizienz) ist dialysepflichtig geworden. Neues Leiden ins aktuelle Gutachten aufgenommen (Gonarthrose bds)

[...] Dauerzustand. [...]

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegt ein dialysepflichtiger Zustand vor. Dieser Zustand bewirkt jedoch keine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Kurze Gehstrecken sind aus eigener Kraft ohne Hilfsmittel und ohne Unterbrechung möglich, sowie das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport ist ohne erhebliche Erschwernis zu bewältigen. Die eingeschränkte Beweglichkeit der Kniegelenke bewirkt eine mäßiggradige Einschränkung der Mobilität. Diese erreicht jedoch kein Ausmaß, welches das Erreichen, das sichere Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich gefährden bzw erschweren würde.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein [...]"

Im vom Sozialministeriumservice gewährten Parteiengehör gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Sozialministeriumservice vom 23.12.2019 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten vom 01.11.2019 verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen. Da die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden, könne auch kein Parkausweis ausgestellt werden.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht Beschwerde, machte jedoch keine weiteren Ausführungen zu seinem Gesundheitszustand und übermittelte auch keine neuen Unterlagen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 80 von Hundert.

1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung.

Sensorium: Umgangssprache wird anstandslos verstanden.

Haut und Schleimhäute: unauffällig.

Hals: unauffällig, keine Einflussstauung.

Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch, Herzschrittmacher links.

Lunge: sonorer Klopfschall, Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe beim Gang im Zimmer.

Herz: reine Herzgeräusche, rhythmisch, normfrequent.

Abdomen: über Thoraxniveau, rektal nicht untersucht.

Neurologisch: grob neurologisch unauffällig, Störungen der Sensibilität werden keine angegeben.

Wirbelsäule: die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet.

HWS: altersentsprechend frei beweglich, Drehung und Seitneigung beidseits frei. KJA: 1 cm.

BWS: Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen normal beweglich.

LWS: altersentsprechend frei beweglich, Finger-Bodenabstand: 20 cm.

Obere Extremitäten: Trophik und Tonus seitengleich normal, grobe Kraft beidseits nicht signifikant vermindert.

Schultergelenk rechts: seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne: 160°.

Schultergelenk links: seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne: 160°.

Nackengriff: bds möglich.

Schürzengriff: bds möglich.

Hand- und Fingergelenke: keine signifikanten Funktionseinschränkungen, Feinmotorik und Fingerfertigkeit altersentsprechend.

Der Pinzettengriff ist beidseits mit allen Fingern möglich.

Der Faustschluss ist beidseits mit allen Fingern möglich.

Untere Extremitäten:

Grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.

Hüftgelenk rechts: Beugung: 110° Rotation: 30-0-30°.

Hüftgelenk links: Beugung: 110° Rotation: 30-0-30°.

Kniegelenk rechts: 0-0-100°. Varusstellung beidseits.

Kniegelenk links: 0-0-100°.

Sprunggelenke: beidseits annähernd normale Beweglichkeit, Fußheben und -senken beidseits durchführbar, alle Funktionen ungestört.

Zehenstand und Fersenstand beidseitig möglich, Einbeinstand beidseits möglich, Fußpulse beidseits palpabel.

Keine Ödeme beidseits, keine relevante Varicositas, keine postthrombotischen Veränderungen.

Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbstständig gehend, ohne Gehhilfen. Das Gangbild ist hinkend rechts in altersentsprechend annähernd normalem Tempo.

Status Psychicus: Zeitlich, örtlich und zur Person orientiert. Wirkt in der Kommunikation unauffällig, die Stimmungslage ist normal. Aufmerksamkeit und Konzentration scheinen nicht beeinträchtigt. Merkfähigkeit scheint unauffällig.

Funktionseinschränkungen:

Hämodialyse bei Niereninsuffizienz; Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ohne Notwendigkeit einer mobilen Sauerstoffversorgung; Diabetes mellitus; Hypertensive Cardiomyopathie mit Herzschrittmacher; Gonarthrose beidseits.

1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden. Es liegen auch keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule vor. Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 200 - 300 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.

Zwar liegen ein dialysepflichtiger Zustand sowie eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, jedoch ohne Notwendigkeit einer mobilen Sauerstoffversorgung, vor. Jedoch verursacht dieser Zustand keine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Überdies liegt eine Gonarthrose beidseits vor, die aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit der Kniegelenke nur eine mäßiggradige Einschränkung der Mobilität bewirkt. Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich jedoch - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.

Der festgestellte Bewegungsumfang ist ausreichend, um Stufen zu überwinden und kurze Gehstrecken zurückzulegen. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus ist zumutbar.

Beim Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.

Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

2. Beweiswürdigung:

Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 01.11.2019 eingeholt worden. Im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die Leiden führen laut Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Insbesondere wurden auch alle vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung unterzogen und die vorliegenden Leiden mitberücksichtigt.

Demnach liegen zwar ein dialysepflichtiger Zustand sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit der Kniegelenke beidseits vor. Der dialysepflichtige Zustand bewirkt jedoch keine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Kurze Gehstrecken sind aus eigener Kraft ohne Hilfsmittel und ohne Unterbrechung möglich so wie auch das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport ohne erhebliche Erschwernis bewältigt werden können. Die eingeschränkte Beweglichkeit der Kniegelenke bewirkt zwar eine mäßiggradige Einschränkung der Mobilität. Diese erreicht jedoch kein Ausmaß, welches das Erreichen, das sichere Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich gefährden bzw. erschweren würde. Insgesamt liegt somit keine erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor.

Es ist ihm dadurch zumutbar, eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Er ist auch nicht sturzgefährdet. Es ist ihm überdies zumutbar, höhere Niveauunterschiede zum Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel zu überwinden. Eine Einschränkung der Standhaftigkeit ist nicht objektivierbar. Dies insbesondere in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten ist ebenso möglich. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen daher möglich.

Es liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems. Es bestehen auch keine wesentlichen kardiopulmologischen Einschränkungen.

Der Beschwerdeführer hat keine weiteren Befunde mit seiner Beschwerde vorgelegt.

Das Beschwerdevorbringen war sohin nicht geeignet, das Sachverständigengutachten vom 01.11.2019 in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Sachverständigen liegen nicht vor.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in einer Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wurde daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten beim Beschwerdeführer völlig gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar." rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass in weiterer Folge auch nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO vorliegen, zumal die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass nach dem Bundesbehindertengesetz Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 01.11.2019 eingeholt worden. In dem vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen - konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen - für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre - wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2227417.1.00

Im RIS seit

11.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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