TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/28 W232 2210007-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.04.2020
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Entscheidungsdatum

28.04.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W232 2210007-1/16E

W232 2210007-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2018, Zl. 1088908300-151437990, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgeben und es wird XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Somalias, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.09.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am Tag der Antragstellung fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin nach dem AsylG statt, wobei sie zu ihren persönlichen Daten befragt angab, im Jemen geboren und verheiratet zu sein. Sie habe keine Ausbildung und sei Analphabetin. Zu ihrer Ausreise befragt, führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie im Jemen geboren und aufgewachsen und mit ihrem Mann in Kuwait verheiratet worden sei, wo sie gelebt hätten, bevor sie nach Somalia abgeschoben worden seien. Ihr Mann habe ihr versprochen sie nach Kuwait oder nach UAE zurückzubringen, da in Somalia längere Zeit Bürgerkrieg herrsche. Als sie einige Monate in Somalia gelebt hätten, sei ein Mann zu ihnen gekommen und habe gesagt, dass er ihre Tochter heiraten wolle. Sie sei dagegen gewesen und habe sie deswegen mit ihrem Mann gestritten. Anschließend habe sie beschlossen Somalia zu verlassen, da sie Angst gehabt habe von dem Mann, der ihre Tochter habe heiraten wollen oder von einer bewaffneten Gruppe getötet zu werden.

In weiterer Folge wurden diverse Unterlagen der Beschwerdeführerin, darunter medizinische Befunde sowie ein "UNHCR Refugee certificate" in Vorlage gebracht.

3. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.06.2018 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst an, dass sie sich gegen die Zwangsheirat ihrer Tochter aufgelehnt und deshalb Somalia verlassen habe.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 27.09.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und wurde der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

Beweiswürdigend wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. im Wesentlichen festgehalten, dass eine Verfolgung der Beschwerdeführerin nicht habe festgestellt werden können, da die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Ausreise- bzw. Fluchtgründe zwar glaubhaft und nachvollziehbar seien, dem Vorbringen jedoch keine Asylrelevanz zu entnehmen sei. Zu Spruchpunkt II. folgerte die Behörde, dass aufgrund der derzeit unsicheren Lage und der Umstand, dass keine ausreichende Lebenssicherheit bestehe, eine Rückkehr der Beschwerdeführerin im Moment nicht zumutbar sei. In Anbetracht dessen wurde der Beschwerdeführerin subsidiärer Schutz gewährt.

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die eingebrachte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Zusammengefasst wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführerin eine maßgebliche und asylrelevante Gefahr der Verfolgung in Somalia drohe, da sie sich gegen ihren Ehegatten aufgelehnt habe und gegen die Zwangsheirat ihrer Tochter mit einem älteren Mann eingetreten sei. Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin, da sie sich gegen ihren Ehemann gestellt habe, gegen somalische Traditionen verstoßen habe, da sie die Entscheidung ihres Mannes hätte akzeptieren müssen. Ihr Ehemann habe sie daraufhin verstoßen und wäre sie aus Angst vor ihm, dass er Gewalt gegen sie anwende, geflohen. Als alleinstehende Frau könne sie in Somalia nicht überleben, weshalb sie entweder zu ihrem Ehegatten zurückkehren oder in einem der vielen IDP Lagern untergebracht werden müsste. Des Weiteren wurde auf die individuelle Situation der Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau, die zudem den überwiegenden Teil ihres Lebens nicht in Somalia gelebt habe und somit auf kein soziales Netzwerk zurückgreifen könne, hingewiesen. Im Falle einer Rückkehr ergebe sich eine aktuelle und maßgebliche Verfolgungsgefahr für die Beschwerdeführerin als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich jener der alleinstehenden Frauen, für die ein besonders hohes Risiko bestehe als IDP in entsprechenden Lagern Opfer von sexueller Gewalt zu werden.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.10.2019 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 11.10.2021 erteilt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.03.2020 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Vorgelegt von der Beschwerdeführerin und als Beilagen ./A und ./B zum Akt genommen wurde ein Erkenntnis, wonach der Tochter der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und ein Schreiben des ÖIF.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz, der Einvernahme der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahme in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Somalia. Die Beschwerdeführerin gehört dem Clan der Dir an. Sie bekennt sich zum moslemischen Glauben. Sie reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin ist im Jemen geboren und aufgewachsen. Die Beschwerdeführerin verzog im Jahr 2010 von Kuwait nach Somalia, wo sie bis vor ihrer Ausreise im Jahr 2013 in XXXX , Galguduud, lebte. Sie spricht Somalisch und Arabisch. Ihre Eltern, somalische Staatsangehörige, sind bereits verstorben. Die Beschwerdeführer ist verheiratet und hat vier Kinder. Ihr Ehemann war ihr gegenüber gewalttätig, er lebt vermutlich noch in Somalia. Den Angaben der Beschwerdeführerin nach lebt ein Sohn in Griechenland und einer in Deutschland. Der Aufenthaltsort der älteren Tochter kann nicht festgestellt werden. Der jüngeren Tochter der Beschwerdeführerin wurde in Österreich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Die Beschwerdeführerin hat neben ihrer Kernfamilie bis auf eine Tochter ihres verstorbenen Halbbruders, die in Mogadischu lebt und die sie einmal gesehen hat, keine Verwandten. Die Beschwerdeführerin ist Analphabetin und hat keine Berufsausbildung. Sie ist aufgrund ihres höheren Alters nicht mehr arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin leidet an Bluthochdruck und nimmt Medikamente.

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführerin hat kein verlässliches stabiles familiäres Netzwerk in Somalia. Es steht ihr kein Schutz durch männliche Verwandte, auf staatlicher Seite oder durch schutzfähige Clans zur Verfügung. Die Beschwerdeführerin gehört in Somalia der Gruppe der alleinstehenden Frauen an, denen geschlechtsspezifische Gewalt droht. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau ohne soziales Netz in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anknüpfende aktuelle Verfolgung entsprechender Intensität droht.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation idF 17.09.2019 (Schreibfehler teilweise korrigiert):

Politische Lage

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 4.3.2019, S.5), aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert (NLMBZ 3.2019, S.7). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2018, S.4).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2018, S.5). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten (AA 5.3.2019b). Das Land hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Abs.78), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Der Aufbau von Strukturen auf Bezirksebene geht hingegen nur langsam voran (UNSC 15.5.2019, Abs.50).

Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 4.3.2019, S.4f). Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 5.6.2019b, C1). Das Land befindet sich immer noch mitten im Staatsbildungsprozess (BS 2018, S.33).

Die Herausforderungen sind dabei außergewöhnlich groß, staatliche Institutionen müssen von Grund auf neu errichtet werden. Zusätzlich wird der Wiederaufbau durch die Rebellion von al Shabaab, durch wiederkehrende Dürren und humanitäre Katastrophen gehemmt. Außerdem sind Teile der staatlichen Elite mehr mit der Verteilung von Macht und Geld beschäftigt, als mit dem Aufbau staatlicher Institutionen (BS 2018, S.33). In vielen Bereichen handelt es sich bei Somalia um einen "indirekten Staat", in welchem eine schwache Bundesregierung mit einer breiten Palette nicht-staatlicher Akteure (z.B. Clans, Milizen, Wirtschaftstreibende) verhandeln muss, um über beanspruchte Gebiete indirekt Einfluss ausüben zu können (BS 2018, S.23). Zudem ist die Bundesregierung finanziell von Katar abhängig, das regelmäßig außerhalb des regulären Budgets Geldmittel zur Verfügung stellt (SEMG 9.11.2018, S.30).

Somalia ist keine Wahldemokratie, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht (BS 2018, S.13f). Es gibt keine freien und fairen Wahlen auf Bundes- (USDOS 13.3.2019, S.23; vgl. FH 5.6.2019b, A1) und auch keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler oder regionaler Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. ClanStrukturen) vergeben (AA 4.3.2019, S.5f). Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 geplant (AA 5.3.2019b). Angesichts der bestehenden Probleme bleibt aber abzuwarten, ob diese Wahlen wirklich stattfinden werden (NLMBZ 3.2019, S.9). Bei den Vorbereitungen dafür wurden bisher nur wenige Fortschritte gemacht (FH 5.6.2019b, A3).

Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten. Dieser Prozess ist weiterhin nicht abgeschlossen (USDOS 13.3.2019, S.23), und es gibt diesbezüglich Konflikte mit den Bundesstaaten (NLMBZ 3.2019, S.7).

Die beiden Kammern des Parlaments wurden mittels indirekter Wahlen durch ausgewählte Älteste Ende 2016 / Anfang 2017 besetzt (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Über 14.000 Wahlmänner und -frauen waren an der Wahl der 275 Abgeordneten beteiligt. Zuvor waren Abgeordnete unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden (AA 4.3.2019, S.6; vgl. AA 5.3.2019b). Das Unterhaus wurde nach Clan-Zugehörigkeit besetzt, das Oberhaus nach Zugehörigkeit zu Bundesstaaten. Die Wahlen zu beiden Häusern wurden generell als von Korruption durchsetzt und geschoben erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Sie wurden von Schmiergeldzahlungen, Einschüchterungen, Stimmenkauf und Manipulation begleitet (BS 2018, S.14/19). Dieses Wahlsystem ist zwar noch weit von einer Demokratie entfernt und unterstreicht die Bedeutung der politischen Elite (BS 2018, S.22). Trotz allem waren die Parlamentswahlen ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt (AA 4.3.2019, S.6; vgl. AA 5.3.2019b; BS 2018, S.22).

Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 13.3.2019, S.26; vgl. BS 2018, S.13f). Die 4.5-Formel hat zwar politischen Fortschritt gewährleistet, ist aber zugleich Ursprung von Ressentiments (SRSG 13.9.2018, S.2).

Die Präsidentschaftswahl fand am 8.2.2017 statt. Die beiden Parlamentskammern wählten den früheren Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten (AA 4.3.2019, S.6; vgl. BS 2018, S.14; USDOS 13.3.2019, S.1). Seine Wahl wurde als fair und transparent erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1). Im März 2017 bestätigte das Parlament Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 5.3.2019b; vgl. BS 2018, S.14). Die aktuelle Regierung agiert wie eine Regierung der nationalen Einheit. Sie wurde so zusammengesetzt, dass alle relevanten Clans und Gruppen sich in ihr wiederfinden (AA 4.3.2019, S.10).

Gemäß einer Quelle üben aber salafistische Netzwerke zunehmend Einfluss auf die Regierung aus (NLMBZ, S.8f). Nach anderen Angaben kann von Salafismus keine Rede sein, vielmehr sind der Präsident und seine Entourage Moslembrüder bzw. deren Ideologie sehr nahestehend (ME 27.6.2019). Wieder eine andere Quelle berichtet, dass die politische Basis des Präsidenten eine nationalistische ist (ICG 12.7.2019, S.10). Gleichzeitig unterwandert al Shabaab das System, indem sie Wahldelegierte zur Kooperation zwingt (Mohamed 17.8.2019).

Das Konzept einer politischen Opposition ist nur schwach ausgeprägt, die Regeln der Politik sind abgestumpft. Misstrauensanträge, Amtsenthebungsverfahren und Wahlen werden zur Bereicherung und zum politischen Machtausbau missbraucht (SRSG 13.9.2018, S.4). Generell sind die Beziehungen zwischen Bundesregierung und Parlament problematisch. Außerdem kam es 2018 zu einer großen Zahl an Personaländerungen, so wurde etwa der Bürgermeister von Mogadischu, zahlreiche Minister und der Chief Justice ersetzt (NLMBZ, S.8f).

Gegen Ende 2018 war vom Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Farmaajo eingeleitet worden. Dieses Verfahren wurde jedoch Mitte Dezember 2018 aus formalen Gründen für ungültig erklärt bzw. zurückgezogen (VOA 20.12.2018; vgl. FH 5.6.2019b, A1; UNSC 15.5.2019, Abs.3). Auch zwischen Ober- und Unterhaus ist es zu politischen Auseinandersetzungen gekommen (AMISOM 15.1.2019a; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.3). Diese wurden im Juli 2019 vorläufig beigelegt (UNSC 15.8.2019, Abs.3).

Ein nationaler Versöhnungsprozess ist in Gang gesetzt worden. Dieser wird international unterstützt (UNSC 21.12.2018, S.6).

Föderalisierung: Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, wurden im Rahmen eines international vermittelten Abkommens von 2013 bis 2016 die Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und HirShabelle neu gegründet (AA 5.3.2019b; vgl. USDOS 13.3.2019, S.1; BS 2018, S.4f/12). Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 5.3.2019b; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.22). Mit der Gründung der Bundesstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel konnten wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus gestellt werden (AA 4.3.2019, S.4). Beim Prozess der Föderalisierung gab es in den letzten Jahren signifikante Fortschritte (BS 2018, S.3). Allerdings hat keine dieser Verwaltungen die volle Kontrolle über die ihr nominell unterstehenden Gebiete (USDOS 13.3.2019, S.1; vgl. BS 2018, S.15).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (BFA 8.2017, S.55f).

Wichtige Detailfragen zur föderalen Staatsordnung sind weiterhin ungeklärt, z.B. die Einnahmenverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten; die jeweiligen Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich; oder die Umsetzung der für 2020 geplanten Wahlen (AA 5.3.2019b; vgl. NLMBZ 3.2019, S.7) - und die gesamte Frage der Machtverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten (UNSC 15.5.2019, Abs.25; vgl. UNSC 21.12.2018, S.5).

Die Bundesregierung tut sich schwer, in den Bundesstaaten Macht und Einfluss geltend zu machen (NLMBZ 3.2019, S.7). Außerdem kommt es in den Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten immer wieder zu (politischen) Spannungen (AA 5.3.2019b; vgl. NLMBZ 3.2019, S.7), die manchmal auch in Gewalt eskalierten (BS 2018, S.4).

Zusätzlich haben die Bundesstaaten abseits des Nationalen Sicherheitsrates 2017 einen Kooperationsrat der Bundesstaaten (CIC) geschaffen, welcher unter Ausschluss der Bundesregierung arbeitet (SEMG 9.11.2018, S.5; vgl. AA 5.3.2019b). Während andere Mitglieder des CIC den Dialog mit der Bundesregierung verweigerten (AMISOM 12.10.2018), hat der Präsident von HirShabelle, Mohamed Abdi Waare, diesen zwischenzeitlich gesucht (AMISOM 12.10.2018; vgl. UNSC 21.12.2018, S.1). Der CIC hat bereits zweimal die Kooperation mit der Bundesregierung suspendiert (SEMG 9.11.2018, S.31f), so etwa im September 2018. Im Oktober 2018 haben alle Bundesstaaten außer HirShabelle angekündigt, gemeinsame Sicherheitskräfte aufzustellen (UNSC 21.12.2018, S.1). Generell herrscht zwischen Bundesregierung und Bundesstaaten ein besorgniserregendes Maß an Misstrauen (SRSG 13.9.2018, S.3). Dadurch wird auch die Lösung von Schlüsselfragen zu Politik und Sicherheit behindert (UNSC 15.5.2019, Abs.2; vgl. SRSG 3.1.2019, S.2).

Bei dieser Auseinandersetzung kommt u.a. die Krise am Golf zu tragen: In Somalia wird eine Art Stellvertreterkrieg ausgetragen, bei welchem die unterschiedlichen Interessen und Einflüsse speziell von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) eine Rolle spielen. Dies hat die schon bestehenden Spannungen zwischen der Bundesregierung und den Bundesstaaten weiter verschärft, erstere ist in zunehmende Isolation geraten (SEMG 9.11.2018, S.4/30; vgl. ICG 12.7.2019, S.9; FH 5.6.2019b, C1). Diese Entwicklung hat zur Destabilisierung Somalias beigetragen (NLMBZ 3.2019, S.10). Allerdings gibt es zumindest Anzeichen für eine Verbesserung der Situation (UNSC 15.5.2019, Abs.80). So hat sich Präsident Farmaajo für die Verschlechterung der Beziehungen zu den Bundesstaaten öffentlich entschuldigt (ICG 12.7.2019, S.9). Die Bundesregierung versucht insbesondere HirShabelle und Galmudug in ihr Lager zu ziehen (BMLV 3.9.2019). Trotzdem bleiben die Spannungen bestehen (UNSC 15.8.2019, Abs.2).

1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Jubaland wurde im Jahr 2013 gebildet, damals wurde auch Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 13.3.2019, S.24). Bis Anfang August hatten sich für die Neuwahl des Präsidenten neun Kandidaten registrieren lassen (UNSC 15.8.2019, Abs.6). Am 22.8.2019 wurde dann Ahmed Madobe als Präsident bestätigt. Die Wahl war allerdings umstritten: Da die Bundesregierung mehr Kontrolle gewinnen möchte, hat sie erklärt, die Wahl nicht anzuerkennen und den Wahlkandidaten der Opposition, Abdirashif Mohamad Hidig, zu unterstützen (BAMF 26.8.2019, S.6). Der Verwaltung von Jubaland ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Dadurch, dass die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden, wurde die Machtbalance verbessert (BFA 8.2017, S.57ff). Diese Inkorporation funktioniert auch weiterhin, die Verwaltung in Kismayo hat sich weiter gefestigt. Außerdem konnten durch die Kooperation mit Teilen der Marehan auch die nicht der al Shabaab zuneigenden Gebiete von Gedo gefestigt werden (ME 27.6.2019).

2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Der SWS wurde in den Jahren 2014/2015 etabliert, Sharif Hassan Sheikh Adam zum ersten Präsidenten gewählt (USDOS 13.3.2019, S.24). Im Dezember 2018 wurde im SWS neu gewählt (AA 5.3.2019b). In der Folge ist im Jänner 2019 mit Abdulaziz Hassan Mohamed "Lafta Gareen" ein neuer Präsident angelobt worden (AMISOM 17.1.2019a; vgl. UNSC 27.12.2018; UNSC 15.5.2019, Abs.4). Zuvor war es zu Anschuldigungen gegen die Bundesregierung gekommen, sich in den Wahlkampf eingemischt zu haben. Ein Kandidat - der ehemalige stv. Kommandant der al Shabaab, Mukhtar Robow - war verhaftet worden, was zu gewaltsamen Demonstrationen geführt hat (SRSG 3.1.2019, S.2f; vgl. UNSC 21.12.2018, S.2). Beim Aufbau der Verwaltung konnten Fortschritte erzielt werden (BMLV 3.9.2019).

3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): HirShabelle wurde 2016 etabliert. Zum Präsidenten wurde Ali Abdullahi Osoble gewählt. Anführer der Hawadle hatten eine Teilnahme verweigert (USDOS 13.3.2019, S.24f). Im Oktober 2017 wurde Mohamed Abdi Waare zum neuen Präsidenten, nachdem sein Vorgänger des Amtes enthoben worden war (UNSOM, 24.10.2017). Nach politischen Spannungen haben sich die Beziehungen zwischen Exekutive und Legislative verbessert (UNSC 15.5.2019, Abs.8). Die im Zuge der Bildung des Bundesstaates neu aufgeflammten Clankonflikte sind gegenwärtig weitgehend abgeflaut (ME 27.6.2019). Dazu beigetragen haben Bemühungen des Premierministers und Katars, wobei letzteres Investitionen in Aussicht gestellt hat. Man ist auf die Hawadle zugegangen. Die Clans - v.a. in Middle Shabelle - haben daraufhin ihre Proteste gegen die Regionalverwaltung reduziert. Unklar ist, ob diese neue Haltung Bestand haben wird. In Belet Weyne hingegen treffen Vertreter von HirShabelle nach wie vor auf unverminderte Ablehnung (BMLV 3.9.2019). Sowohl in den von HirShabelle in Middle Shabelle kontrollierten Gebieten wie auch in Belet Weyne ist eine Verbesserung der Verwaltung zu verzeichnen (BMLV 3.9.2019).

4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): Im Jahr 2015 wurde die Regionalversammlung von Galmudug vereidigt. Sie wählte Abdikarim Hussein Guled zum ersten Präsidenten. Dieser trat im Feber 2017 zurück. Unter dem neuen Präsidenten Ahmed Duale Gelle "Haaf" wurden Friedensgespräche mit der Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) initiiert. Die Gruppe kontrolliert Teile von Galgaduud (USDOS 13.3.2019, S.24). Ende 2017 wurde mit der ASWJ ein Abkommen zur Machtteilung abgeschlossen (UNSC 15.5.2019, Abs.7; vgl. AMISOM 5.7.2019). Ab September 2018 wuchsen die politischen Spannungen. Im Oktober 2018 wurde in Cadaado ein Gegenpräsident gewählt, während Ahmed "Haaf" weiterhin von Dhusamareb aus regiert (UNSC 21.12.2018, S.2). In der Folge kam es zu Diskussionen und Spannungen über das Datum der nächsten Wahlen. Im März 2019 hat die NISA sogar die Kontrolle über das Gelände des Präsidentensitzes übernommen (UNSC 15.5.2019, Abs.7). Während Haaf das Abkommen mit der ASWJ für nichtig erklärt hat, hat diese mit der Bundesregierung eine Einigung erzielt (UNSC 15.8.2019, Abs.5). Galmudug wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016, S.17).

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).

Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vgl. BMLV 3.9.2019).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S.21/91f; vgl. BMLV 3.9.2019).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und - in noch stärkerem Ausmaß - in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).

Bundesstaat Galmudug (Galgaduud, Mudug)

Dem Bundesstaat Galmudug sind Teile der Regionen Mudug und Galgaduud zugeordnet. Galmudug grenzt bereits an die Gebiete der al Shabaab (BFA 8.2017, S.25). Insgesamt findet sich Galmudug unter den am wenigsten riskanten Gebieten Süd-/Zentralsomalias (NLMBZ 3.2019, S.27). Da al Shabaab dort nur über eine eingeschränkte Präsenz verfügt, kommt es zu weniger Sprengstoffanschlägen und Attentaten. Mitunter kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Clans, so z.B. geschehen in Cabudwaaq und Cadaado (LIFOS 3.7.2019, S.32).

Gebietskontrolle: Die Grenze des Einflussbereichs richtet sich in etwa nach der Achse Hobyo-Dhusamareb. Die Bezirke Ceel Dheere und Ceel Buur befinden sich unter Kontrolle von al Shabaab, dies gilt auch für Teile der Bezirke Xaradheere und Dhusamareb (PGN 8.2019). Die Städte Dhusamareb, Cadaado und Galkacyo sowie die Orte Matabaan und Guri Ceel können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Die Bezirkshauptstädte Ceel Buur und Ceel Dheere (Galgaduud) sowie Xaradheere (Mudug) werden von al Shabaab kontrolliert (LI 21.5.2019a, S.2). Allerdings hat die Gruppe in Galmudug nur eine eingeschränkte Präsenz (LIFOS 3.7.2019, S.32). Im zentralen Teil von Galmudug gibt es keine nennenswerte Präsenz von al Shabaab. Allerdings kann die Gruppe die Gebiete penetrieren. Insgesamt verfügt sie in Galmudug aber nach wie vor nur über ca. 600-800 Kämpfer (BFA 8.2017, S.83; BMLV 3.9.2019). In jüngerer Vergangenheit tritt al Shabaab im Küstengebiet kaum noch in Erscheinung (BMLV 3.9.2019).

Die Städte Dhusamareb und Guri Ceel sind weitgehend frei von al Shabaab (BFA 8.2017). Die Kontrolle von Galmudug über das Gebiet von Hobyo ist vernachlässigbar. Im Umland der Stadt ist die Miliz des Piratenführers Mohamed Osman Mohamed "Gafanje" aktiv (SEMG 9.11.2018, S.37f).

Kräfte von AMISOM, aber auch von Armee und er NISA wurden nun auch nach Dhusamareb verlegt. Die Stationierung von AMISOM stieß bei der ASWJ auf Ablehnung. Die Verwaltung in Dhusamareb ist nach wie vor fest in Händen der ASWJ und funktioniert. Auch die Sicherheit wird dort immer noch mehrheitlich durch Kräfte der ASWJ sichergestellt, nun allerdings offiziell als Kräfte des Bundes bzw. Galmudugs. Es muss davon ausgegangen werden, dass auch die Kräfte z.B. in Matabaan und Cabudwaaq noch unter Kommando der ASWJ stehen (BMLV 3.9.2019).

Staatlichkeit: Es bestehen massive Spannungen zwischen dem amtierenden Präsidenten von Galmudug, Ahmed Duale Geele "Haaf" und Teilen der Regierung (UNSC 15.5.2019, Abs.7). Dahingegen hat die Bundesregierung mit der ASWJ einen Vertrag zur Integration der Miliz in die nationalen Sicherheitskräfte abgeschlossen (UNSC 15.8.2019, Abs.5). Insgesamt wird die Sicherheitslage von den politischen Streitigkeiten charakterisiert (LIFOS 3.7.2019, S.32). Galmudug kann Cadaado und - über die integrierte ASWJ - Dhusamareb sichern und kontrolliert die Hauptverbindungsroute sowie das Gebiet zwischen dieser Straße und der äthiopischen Grenze (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.82f).

Galkacyo: Im Bereich der Stadt Galkacyo gibt es Spannungen und gelegentliche bewaffnete Zusammenstöße. Die Lage hat sich aber seit der Durchführung gemeinsamer Polizeipatrouillen von Puntland und Galmudug stark verbessert (AA 5.3.2019b). Human Rights Watch berichtet im Jahresbericht 2018 über keine Probleme in Galkacyo (HRW 17.1.2019). Der Friedensprozess in der Stadt wird als Erfolg gewertet (SRSG 13.9.2018, S.1). Die sogenannten Joint Police Patrol Units (gemischte Einheiten aus Puntland und Galmudug) haben zur Verbesserung der Situation beigetragen (UNSOM 9.2018). Außerhalb der Stadt gibt es noch vereinzelte Vorfälle, die Gewalt in der Stadt hat jedoch abgenommen. Die beiden Clans, welche den Konflikt führten, kooperieren nunmehr (NLMBZ 3.2019, S.27).

Anfang Juli 2019 fand zwischen Habr Gedir/Sa'ad und Dir aus Mudug in Galkacyo eine Versöhnungskonferenz statt, bei der ein Ende der Feindseligkeiten vereinbart wurde (UNSC 15.8.2019, Abs.27).

Al Shabaab ist in der Stadt - etwa über Steuereintreibung - präsent; es kommt auch zu Attentaten. Allerdings hat die Gruppe dort an Kraft eingebüßt und konnte weder im Nord- noch im Südteil der Stadt die Unterstützung der Bevölkerung mobilisieren. Eine andere Quelle gibt an, dass die Bevölkerung dort aber mit al Shabaab kooperiert (LIFOS 3.7.2019, S.34f).

ASWJ: Trotz der formellen Integration der ASWJ in die Regierung von Galmudug hat erstere ihre Miliz lange Zeit aufrechterhalten (NLMBZ 3.2019, S.47). Im Rahmen des im Juli 2019 zwischen Bundesregierung und ASWJ geschlossenen Sicherheitsabkommens sollen die bewaffneten Kräfte der ASWJ in die nationalen (Armee, NISA, Justizwache) bzw. regionalen (Polizei) Sicherheitskräfte eingegliedert werden (BMLV 3.9.2019). Im Juli 2019 begann dann auch die formelle Integration (AMISOM 5.7.2019). Ende August 2019 konnten hierbei Fortschritte beobachtet werden; in welchem Ausmaß die Eingliederung erfolgt, ist aber unklar. Angegeben werden die Zahlen mit: Armee - 700; Polizei - ca. 35; NISA - ca. 200; Justizwache - ca. 100 (BMLV 3.9.2019). Generell wird sich diese Integration positiv auf die Situation in Galmudug auswirken (LIFOS 3.7.2019, S.31).

Vorfälle: In den beiden Regionen Galgaduud und Mudug lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,29 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 68 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 45 dieser 68 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 36 derartige Vorfälle (davon 32 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in den Regionen Mudug und Galgaduud entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):

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(ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019)

Dabei handelte es sich laut ACLED Datenbank bei folgenden Fällen um "violence against civilians" (es handelt sich hierbei jedoch um keine exakten Zahlen, da ACLED zahlreiche Unschärfen aufweist):

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(ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019)

Rechtsschutz/Justizwesen

Im somalischen Kulturraum existieren drei Rechtsquellen: traditionelles Recht (Xeer), islamisches Schariarecht (v.a. für familiäre Angelegenheiten) sowie formelles Recht (SEM 31.5.2017, S.31; vgl. BS 2018, S.18; USDOS 13.3.2019, S.8; NLMBZ 3.2019, S.38). Bürger wenden sich aufgrund der Mängel im formellen Justizsystem oft an die traditionelle oder die islamische Rechtsprechung (FH 5.6.2019b, F1; NLMBZ 3.2019, S.38).

In Süd-/Zentralsomalia und in Puntland sind die Grundsätze der Gewaltenteilung in der Verfassung niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere (AA 4.3.2019, S.6; vgl. USDOS 13.3.2019, S.8). Eine landesweite Rechtsstaatlichkeit ist nicht festzustellen (BS 2018, S.18).

Formelle Justiz - Kapazität: In den vergangenen zehn Jahren haben unterschiedliche Regierungen in Mogadischu und anderen Städten Gerichte auf Bezirksebene errichtet. Sie sind für Straf- und Zivilrechtsfälle zuständig. In Mogadischu gibt es außerdem ein Berufungsgericht und ein Oberstes Gericht (Supreme Court) (BS 2018, S.18). Ein Verfassungsgericht ist noch nicht eingerichtet worden (UNSC 15.5.2019, Abs.88). Insgesamt befinden sich Polizei und Justiz noch im Aufbau, Integrität und Kapazitäten reichen nicht aus, um Einzelpersonen adäquat vor Gewalt schützen zu können (LI 15.5.2018, S.3). Vielen Richtern und Staatsanwälten mangelt es an Qualifikation (BS 2018, S.18). Rechtsstaatlichkeit ist nur schwach ausgeprägt (SRSG 13.9.2018, S.2). Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes. Es gibt zwar einen Instanzenzug, aber in der Praxis werden Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend herbeigebracht (AA 4.3.2019, S.12). Das Justizsystem ist zersplittert und unterbesetzt (FH 5.6.2019b, F1), in vielen Landesteilen gar nicht vorhanden. Einige Regionen haben lokale Gerichte geschaffen, die vom lokal dominanten Clan abhängen (USDOS 13.3.2019, S.8).

Insgesamt haben Bundesbehörden und Behörden der Bundesstaaten aber bei der Kapazitätsbildung zur Strafverfolgung Krimineller Fortschritte gemacht (LIFOS 16.4.2019, S.10). Auch weiterhin unterstützt UNDP die Programme für sogenannte mobile Gerichte (mobile courts) (UNHRC 19.7.2018, Abs.28).

Formelle Justiz - Qualität und Unabhängigkeit: In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt (AA 4.3.2019, S.6; vgl. USDOS 13.3.2019, S.8). Im August 2018 hat Präsident Farmaajo per Dekret fünf Richter des Supreme Court ausgewechselt; dies wurde als Unterminierung der Unabhängigkeit der Justiz kritisiert (UNSC 21.12.2018, S.11). Außerdem sind Urteile von Clan- oder politischen Überlegungen seitens der Richter beeinflusst (BS 2018, S.19; vgl. USDOS 13.3.2019, S.8f; FH 5.6.2019b, F2). Die meisten der in der Verfassung vorgesehenen Rechte für ein faires Verfahren werden bei Gericht nicht angewendet (USDOS 13.3.2019, S.9). Auch Korruption behindert den Zugang zu fairen Verfahren (USDOS 13.3.2019, S.9; vgl. FH 5.6.2019b, F1). Außerdem halten sich Staatsbedienstete bzw. Behörden nicht an gerichtliche Anordnungen (USDOS 13.3.2019, S.8; vgl. FH 5.6.2019b, F1; NLMBZ 3.2019, S.38). Soldaten und Polizisten, welche Verbrechen begehen, sind meist außer Reichweite gesetzlicher Sanktionen (NLMBZ 3.2019, S.34). Folglich ist das Vertrauen der Menschen in die formelle Justiz gering. Sie wird als teuer, parteiisch und manipulierbar wahrgenommen (BS 2018, S.18).

Formelle Justiz - Militärgerichte: Die von der Bundesregierung geschaffenen Militärgerichte füllen z.T. das Vakuum des schlecht funktionierenden formellen Rechtssystems (BS 2018, S.11). Sie verhandeln und urteilen weiterhin über Fälle jeglicher Art. Darunter fallen auch zivilrechtliche Fälle, die eigentlich nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen (AA 4.3.2019, S.8; vgl. FH 5.6.2019b, F2). Ein Grund dafür ist, dass zivile Richter oftmals Angst haben, bestimmte - zivile - Fälle zu verhandeln (USDOS 13.3.2019, S.8). Mittlerweile übergeben Ankläger der Armee Fälle von verdächtigten Angehörigen der Sicherheitskräfte, gegen welche ermittelt wird, teils an zivile Gerichte (HRW 17.1.2019). Militärgerichte missachten international anerkannte Standards für faire Gerichtsverfahren (AA 4.3.2019, S.8; vgl. USDOS 13.3.2019, S.2; HRW 17.1.2019). Angeklagten wird nur selten das Recht auf eine Rechtsvertretung oder auf Berufung zugestanden (USDOS 13.3.2019, S.8).

Traditionelles Recht (Xeer): Das Xeer behandelt Vorbringen von Fall zu Fall und wird von Ältesten implementiert (BS 2018, S.18). Die traditionelle Justiz dient im ganzen Land bei der Vermittlung in Konflikten. Sie wird oft herangezogen, da sie zu schnellen Entscheidungen führt (USDOS 13.3.2019, S.9). Xeer ist insbesondere in jenen ländlichen Gebieten wichtig, wo Verwaltung und Justiz nur schwach oder gar nicht vorhanden sind. Aber auch in den Städten wird Xeer oft zur Konfliktlösung - z.B. bei Streitfragen unter Politikern und Händlern - angewendet (SEM 31.5.2017, S.34). Zur Anwendung kommt Xeer auch bei anderen Konflikten und bei Kriminalität (BFA 8.2017, S.100; vgl. EASO 2.2016, S.27). Es kommt also auch dort zu tragen, wo Polizei und Justizbehörden existieren. In manchen Fällen greift die traditionelle Justiz sogar auf Polizei und Gerichtsbedienstete zurück (LIFOS 9.4.2019, S.7). Ca. 90% aller Rechtsstreitigkeiten werden über traditionelle Konfliktlösungsmechanismen ausgetragen (UNHRC 6.9.2017, Abs.60). Ein Beispiel dafür ist etwa die Zahlung von Kompensationsgeld an Familien von bei Demonstrationen in Baidoa im Dezember 2018 durch Sicherheitskräfte getöteten Personen (UNSC 15.5.2019, Abs.4).

Clan-Schutz im Xeer: Maßgeblicher Akteur im Xeer ist der Jilib - die sogenannte Diya/Mag/Blutgeld-zahlende Gruppe. Das System ist im gesamten Kulturraum der Somali präsent und bietet - je nach Region, Clan und Status - ein gewisses Maß an (Rechts-)Schutz. Die sozialen und politischen Beziehungen zwischen Jilibs sind durch (mündliche) Xeer-Verträge geregelt. Mag/Diya muss bei Verstößen gegen diesen Vertrag bezahlt werden. Für Straftaten, die ein Gruppenmitglied an einem Mitglied eines anderen Jilib begangen hat - z.B. wenn jemand verletzt oder getötet wurde - sind Kompensationszahlungen (Mag/Diya) vorgesehen. Dies gilt auch bei anderen (Sach-)Schadensfällen. Die Mitglieder eines Jilib sind verpflichtet, einander bei politischen und rechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen, die im Xeer-Vertrag festgelegt sind - insbesondere bei Kompensationszahlungen. Letztere werden von der ganzen Gruppe des Täters bzw. Verursachers gemeinsam bezahlt (SEM 31.5.2017, S.8ff).

Der Ausdruck "Clan-Schutz" bedeutet in diesem Zusammenhang also traditionell die Möglichkeit einer Einzelperson, vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Sein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Mag/Diya zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, S.31). Aufgrund von Allianzen werden auch Minderheiten in das System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya bei (SEM 31.5.2017, S.33). Der Clan-Schutz funktioniert generell - aber nicht immer - besser als der Schutz durch den Staat oder die Polizei. Darum aktivieren Somalis im Konfliktfall (Verbrechen, Streitigkeit etc.) tendenziell eher Clan-Mechanismen. Durch dieses System der gegenseitigen Abschreckung werden Kompensationen üblicherweise auch ausbezahlt (SEM 31.5.2017, S.36). Denn in erster Linie wird ein Tod nicht durch einen Rachemord ausgeglichen, sondern durch die Zahlung von Blutgeld (diya, mag) kompensiert (GIGA 3.7.2018).

Aufgrund der Schwäche bzw. Abwesenheit staatlicher Strukturen in einem großen Teil des von Somalis besiedelten Raums spielen die Clans also auch heute eine wichtige politische, rechtliche und soziale Rolle (SEM 31.5.2017, S.8), denn die Konfliktlösungsmechanismen der Clans für Kriminalität und Familienstreitigkeiten sind intakt. Selbst im Falle einer Bedrohung durch al Shabaab kann der Clan einbezogen werden. Bei Kriminalität, die nicht von al Shabaab ausgeht, können Probleme direkt zwischen den Clans gelöst werden (SEM 31.5.2017, S.35). Staatlicher Schutz ist im Falle von Clan-Konflikten von geringer Relevanz, die "Regelung" wird grundsätzlich den Clans selbst überlassen (ÖB 9.2016, S.11).

Die Clanzugehörigkeit kann also manche Täter vor einer Tat zurückschrecken lassen, doch hat auch der Clanschutz seine Grenzen. Angehörige nicht-dominanter Clans und Gruppen sind etwa vulnerabler (LI 15.5.2018, S.3). Außerdem kann z.B. eine Einzelperson ohne Anschluss in Mogadischu nicht von diesem System profitieren (SEM 31.5.2017, S.35). Problematisch ist zudem, dass im Xeer oft ganze (Sub-)Clans für die Taten Einzelner zur Verantwortung gezogen werden (USDOS 13.3.2019, S.9), und dass die traditionellen Mechanismen nicht auf schriftlich festgelegten Regeln beruhen (UNHRC 6.9.2017, Abs.60).

Trotzdem sind die Mechanismen des Xeer wichtig, da sie nahe an den Menschen wirken und jahrhundertealte, den Menschen bekannte Verfahren und Normen nutzen. Der Entscheidungsprozess ist transparent und inklusiv (UNHRC 6.9.2017, Abs.60). Zusammenfassend ist Xeer ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Die traditionell vorgesehenen Kompensationszahlungen decken zahlreiche zivil- und strafrechtliche Bereiche ab und kommen z.B. bei fahrlässiger Tötung, bei Autounfällen mit Personen- oder Sachschaden oder sogar bei Diebstahl zu tragen. Nach der Art des Vorfalles richtet sich auch der zu entrichtende Betrag (SEM 31.5.2017, S.32).

Scharia: Familien- und Standesangelegenheiten (Heirat, Scheidung, Erbschaft) werden im Rahmen der Scharia abgehandelt. Allerdings sind Schariagerichte oftmals von Clans beeinflusst (BS 2016, S.13). Die Gesetzlosigkeit in Süd-/Zentralsomalia führte dazu, dass die Scharia auch in Strafsachen zum Einsatz kommt, da die Bezahlung von Blutgeld manchmal nicht mehr als ausreichend angesehen wird (SEM 31.5.2017, S.34). Problematisch ist, dass die Scharia von Gerichten an unterschiedlichen Orten auch unterschiedlich interpretiert wird bzw. dass es mehrere Versionen der Scharia gibt (BS 2018, S.18).

Recht bei al Shabaab: In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten wird das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der theokratischen Ideologie der Gruppe abgelehnt (AA 4.3.2019, S.23). Dort ersetzt islamisches Recht auch Xeer (SEM 31.5.2017, S.33) bzw. ist letzteres nach anderen Angaben bei al Shabaab sogar verboten (BS 2018, S.19). Außerdem gibt es dort kein formelles Justizsystem (USDOS 13.3.2019, S.10). Der Clan-Schutz ist in Gebieten unter Kontrolle oder Einfluss von al Shabaab eingeschränkt, aber nicht inexistent. Abhängig von den Umständen können die Clans auch in diesen Regionen Schutz bieten. Es kann den Schutz einer Einzelperson erhöhen, Mitglied eines Mehrheitsclans zu sein (SEM 31.5.2017, S.33f), es gibt ein gewisses Maß an Verhandlungsspielraum (LI 21.5.2019a, S.3).

Al Shabaab unterhält in den von ihr kontrollierten Gebieten ständige, von Geistlichen geführte Gerichte, welche ein breites Spektrum an straf- und zivilrechtlichen Fällen abhandeln. Zusätzlich gibt es auch mobile Gerichte (ICG 27.6.2019, S.4). Es gilt die strikte salafistische Auslegung der Scharia (BS 2018, S.19). Angeklagte vor einem Schariagericht haben kein Recht auf Verteidigung, Zeugen oder einen Anwalt (USDOS 13.3.2019, S.10). In von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden regelmäßig extreme Körperstrafen verhängt, darunter Auspeitschen oder Stockschläge, Handamputationen für Diebe oder Hinrichtungen für Ehebruch (AA 4.3.2019, S.12; vgl. SEMG 9.11.2018, S.38; TIND 15.1.2019; BS 2018, S.19). Al Shabaab inhaftiert Personen für Vergehen wie Rauchen; unerlaubte Inhalte auf dem Mobiltelefon; Musikhören; Fußballschauen oder -spielen; das Tragen eines BHs oder das Nicht-Tragen eines Hidschabs (USDOS 13.3.2019, S.5). Die harsche Interpretation der Scharia wird in erster Linie in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten umgesetzt, dort, wo die Gruppe auch über eine permanente Präsenz verfügt (LI 20.12.2017, S.3) - was v.a. in Städten und größeren Dörfern der Fall ist (LI 21.5.2019a, S.3). In anderen Gebieten liegt ihr Hauptaugenmerk auf der Einhebung von Steuern (LI 20.12.2017, S.3).

Die Gerichte der al Shabaab werden als gut funktionierend, effektiv und schnell beschrieben (BFA 8.2017, S.29). Aufgrund der Schwäche staatlicher Gerichte werden sie von den Menschen auch in Anspruch genommen (Maruf 14.11.2018; vgl. SRSG 13.9.2018, S.2; NLMBZ 3.2019, S.35; BFA 8.2017, S.77). Mitunter reisen Streitparteien extra in die Gebiete von al Shabaab, um dort Klage einzureichen (ICG 27.6.2019, S.4; vgl. BFA 8.2017, S.77).

Al Shabaab ist grundsätzlich in der Lage, Gerichtsbeschlüsse auch durchzusetzen (NLMBZ 3.2019, S.35; vgl. ICG 27.6.2019, S.4f). Wer sich an eine Entscheidung eines solchen Gerichtes nicht hält, muss im schlimmsten Fall mit seiner Tötung rechnen (Maruf 14.11.2018). Al Shabaab versucht, von ihr verhängte Urteile auch z.B. in Afgooye oder Mogadischu durchzusetzen (BFA 8.2017, S.77).

Es gilt das Angebot einer Amnestie für Kämpfer der al Shabaab, welche ihre Waffen ablegen, der Gewalt abschwören und sich zur staatlichen Ordnung bekennen (AA 4.3.2019, S.12). Diese Amnestiemöglichkeit ist aber nur mündlich ausgesprochen worden, es gibt keine rechtliche Grundlage dafür (Khalil 1.2019, S.17). Allerdings wird üblicherweise im Austausch für Informationen über die al Shabaab eine Amnestie gewährt (LIFOS 3.7.2019, S.24).

Puntland: Es kann davon ausgegangen werden, dass sich der staatliche Schutz in Puntland besser darstellt als in Süd-/Zentralsomalia (ÖB 9.2016, S.19). Auch das Justizsystem in Puntland ist eine Mischung aus Xeer, Scharia und formellem Recht. Die meisten Fälle werden durch Clanälteste im Xeer abgehandelt (EASO 2.2016, S.27; vgl. USDOS 13.3.2019, S.10). Ins formelle Justizsystem gelangen vor allem jene Fälle, wo keine Clan-Repräsentation gegeben ist (USDOS 13.3.2019, S.9f).

Puntland hat ein unabhängiges und hierarchisch strukturiertes Gerichtswesen geschaffen (BS 2018, S.18), die Gerichte werden als funktionierend bezeichnet (USDOS 13.3.2019, S.9; vgl. EASO 2.2018, S.27). Es gilt die Unschuldsvermutung, das Recht auf ein öffentliches Verfahren, auf einen Anwalt und auf Berufung. Die Gerichte können aber nicht gewährleisten, dass vor dem Recht alle gleich sind (USDOS 13.3.2019, S.9f).

Das puntländische Gerichtssystem wird unterstützt - etwa mit einem Programm für sogenannte mobile courts. Zusätzlich besteht ein Programm zum Aufbau subsidiärer Strukturen. Damit konnten Bezirksräte und -Verwaltungen eingerichtet werden (BFA 8.2017, S.113). Die mobile courts bieten in entlegenen Gebieten einen kostenlosen Zugang zur formellen Justiz, sie werden u.a. von der EU finanziert (UNDP 28.7.2017). Das UNDP unterstützt seit Jahren die universitäre Ausbildung von Juristen in Puntland, um dem Mangel an Personal - Richter, (Staats-)Anwälte - entgegenzutreten (UNDP 7.4.2019).

Zu den weder von der Regierung noch von al Shabaab kontrollierten Gebieten gibt es kaum Informationen. Es ist aber davon auszugehen, dass Rechtsetzung, -Sprechung und Durchsetzung zumeist in den Händen von v.a. Clanältesten liegen. Von einer Gewaltenteilung ist dort nicht auszugehen (AA 4.3.2019, S.6f). Urteile werden hier häufig gemäß Xeer von Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur den relativ eng begrenzten Bereich eines bestimmten Clans. Sind mehrere Clans betroffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden (Sippenhaft) spielen dabei eine wichtige Rolle (AA 4.3.2019, S.12).

Allgemeine Menschenrechtslage

In der somalischen Verfassung ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert, wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 4.3.2019, S.17).

Extralegale Tötungen stellen bei den Sicherheitskräften kein strukturelles Problem dar. Allerdings wäre in solchen Fällen aufgrund des dysfunktionalen Justizsystems in der Regel von Straflosigkeit auszugehen (AA 4.3.2019, S.19). Es liegen keine Berichte vor, wonach Behörden für Entführungen oder Verschwindenlassen verantwortlich wären (USDOS 13.3.2019, S.3; vgl. AA 4.3.2019, S.19). Al Shabaab entführt Menschen (USDOS 13.3.2019, S.3); 2018 sind mindestens 260 der Gruppe zugeschriebene Entführungen dokumentiert (UNSC 21.12.2018, S.13).

Bei Kämpfen unter Beteiligung von AMISOM, Regierung, Milizen und al Shabaab kommt es zur Tötung, Verletzung und Vertreibung von Zivilisten (USDOS 13.3.2019, S.1/11f). [Anm.: Siehe Abschnitt 3. Sicherheitslage]

Zivile Behörden sind nur eingeschränkt in der Lage, der Gesellschaft den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. Die schwersten Menschenrechtsverletzungen sind: Tötung von Zivilisten durch al Shabaab, somalische Kräfte, Clanmilizen und unbekannte Angreifer (USDOS 13.3.2019, S.1); Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter Vergewaltigungen (USDOS 13.3.2019, S.1; vgl. SRSG 13.9.2018, S.2); gefährliche traditionelle Rituale; willkürliche Verhaftungen (SRSG 13.9.2018, S.2). In Süd-/Zentralsomalia werden extralegale Tötungen in der Regel von der al Shabaab in von ihr kontrollierten Gebieten durchgeführt, zunehmend auch in Form von gezielten Attentaten in Gebieten unter staatlicher Kontrolle (AA 4.3.2019, S.19).

Weitere Menschenrechtsverletzungen sind Verschwindenlassen (durch al Shabaab); Folter und andere grausame Behandlung; harte Haftbedingungen; willkürliche und politisch motivierte Verhaftungen; Delogierung und sexueller Missbrauch von IDPs; Verwendung von Kindersoldaten. Al Shabaab ist für die Mehrheit der schweren Menschenrechtsverletzungen verantwortlich (USDOS 13.3.2019, S.1ff). Generell ist Straflosigkeit die Norm. Die Regierung ergreift nur minimale Schritte, um öffentlich Bedienstete strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 13.3.2019, S.1ff; NLMBZ 3.2019, S.34). Im Zeitraum Jänner-Oktober 2018 wurden somalischen Sicherheitskräften insgesamt 238 tote und verletzte Zivilisten zugeschrieben; AMISOM 8; al Shabaab 611; und anderen Milizen 77. Insgesamt gab es in diesem Zeitraum 1.117 zivile Todesopfer und Verletzte (USDOS 13.3.2019, S.12f). Einer anderen Quelle zufolge gab es im Zeitraum Jänner-Oktober 2018 982 zivile Opfer, mehr als die Hälfte durch al Shabaab (HRW 17.1.2019). 176 Personen wurden zwischen Jänner und August 2018 entführt, die Mehrheit von al Shabaab (USDOS 13.3.2019, S.12f). Für das gesamte Jahr 2018 sind 1.384 zivile Todesopfer und Verletzte dokumentiert, davon werden 60% al Shabaab angelastet (SRSG 3.1.2019, S.5). Im Zeitraum 14.12.2018 bis 4.5.2019 berichtet die UN von 757 getöteten und verletzten Zivilisten, für 72% dieser Opfer wird al Shabaab verantwortlich gemacht, für 9% staatliche Sicherheitskräfte (UNSC 31.5.2019; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.55). Bis 21.7.2019 kamen 322 weitere Opfer hinzu; 76% davon wurden al Shabaab zugerechnet (UNSC 15.8.2019, Abs.46).

Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen durch Bundes- und Regionalbehörden, darunter Personen denen Aktivitäten oder Unterstützung für die al Shabaab vorgeworfen wird (USDOS 13.3.2019, S.6f). V.a. die NISA ist dafür verantwortlich (HRW 17.1.2019). Im Zeitraum JännerAugust 2018 gab es bei der Zahl willkürlicher Festnahmen eine Zunahme. Insgesamt wurden 218 Personen verhaftet. Die meisten davon wurden verdächtigt, der al Shabaab anzugehören. Andere hatten Steuern nicht bezahlt oder waren Familienmitglieder desertierter Angehöriger der Sicherheitskräfte. Auch alliierte Milizen, Clanmilizen und al Shabaab verhaften willkürlich Personen (USDOS 13.3.2019, S.6f).

Generell begeht al Shabaab in den Gebieten unter ihrer Kontrolle systematisch Menschenrechtsverletzungen (BS 2018, S.20). Al Shabaab verübt terroristische Anschläge gegen Zivilisten; begeht Morde und Attentate; entführt Menschen, begeht Vergewaltigungen und vollzieht grausame Bestrafungen; Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschränkt. Die Gruppe rekrutiert Kindersoldaten (USDOS 13.3.2019, S.2; vgl. HRW 17.1.2019). Al Shabaab verhängt in Gebieten unter ihrer Kontrolle unmenschliche und degradierende Strafen gegen Zivilisten, darunter Amputation, Auspeitschung, Enthauptung und öffentliche Exekution (SEMG 9.11.2018, S.38; vgl. BS 2018, S.11). Außerdem richtet al Shabaab regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen hin, denen Kooperation mit Regierung, internationalen Organisation oder westlichen Hilfsorganisation vorgeworfen wird (AA 4.3.2019, S.12). Moralgesetze gebieten u.a. strenge Kleidungsvorschriften für Männer und Frauen (BS 2018, S.11).

Minderheiten und Clans

Recht: Die somalische Verfassung bekennt sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 4.3.2019, S.9). Weder das traditionelle Recht (Xeer) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S.42). Im Xeer sind Minderheiten insofern benachteiligt, alsdass große Clans Kompensationszahlungen eher durchsetzen können (NLMBZ 3.2019, S.38). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S.11).

Politik: Regierung und Parlament sind entlang der sogenannten 4.5-Formel organisiert. Dies bedeutet, dass die Vertreter der vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze zustehen (USDOS 13.3.2019, S.26; vgl. FH 5.6.2019b, B4). Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 5.6.2019b, B4). Aktuell sind im Parlament 31 von 275 Sitze von Minderheitsangehörigen besetzt, elf davon durch Bantu (NLMBZ 3.2019, S.42). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren (ÖB 9.2016, S.4f). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017, S.35f).

Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.3.2019, S.34; vgl. AA 4.3.2019, S.12; FH 5.6.2019b, F4; NLMBZ 3.2019, S.41). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 4.3.2019, S.12).

Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans (USDOS 13.3.2019, S.34). Generell sind Angehörige von nicht dominanten Clans und Gruppen zwar potenziell gegenüber Verbrechen vulnerabler als andere; allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass sie etwa in Mogadischu systematisch Gewalt ausgesetzt wären (LI 15.5.2018, S.3).

Al Shabaab: Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014, S.91). Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt und zwangsrekrutiert (BS 2018, S.10). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz - etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019, S.7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, S.11).

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017, S.8). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 5.3.2019b). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S.8). Es gibt keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, S.9).

Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S.5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, "noble" Clanfamilien sind meist Nomaden: · Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent. · Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss. · Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia). · Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet. · Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle werden als weitere Clanfamilie gesehen (SEM 31.5.2017, S.55; vgl. AA 5.3.2019b).

Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil-Mirifle stellen je ca. 20-25% der Bevölkerung, die Dir deutlich weniger (AA 5.3.2019b). Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten - nicht aber die berufsständischen Gruppen - haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u.a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, S.25).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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