Norm
BDG 1979 §118 Abs1 Z4Schlagworte
Manipulation bei der Zeiterfassung, Verstoß gegen Zustellvorschriften, Ergänzende Erhebungen, Nicht-Einleitungsbeschluss, mangelnde Strafwürdigkeit der TatText
N i c h t e i n l e i t u n g s b e s c h l u s s
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen hat durch MR Mag. Friedrich Paul als Senatsvorsitzenden sowie MR Mag. Felix Kollmann und ADir Veronika Schmidt als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates IV in der am 4. Mai 2020 durchgeführten nichtöffentlichen Sitzung beschlossen, in der Disziplinarsache gegen
NN
Zusteller in der Zustellbasis X,
vertreten durch RÄ Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer
hinsichtlich der in der Disziplinarverfügung vom 7. März 2019 erhobenen Vorwürfe,
a) am 27. September 2018 bereits um 15:06 in die Zustellbasis zurückgekehrt zu sein, die „Dienstende Buchung“ aber erst um 15:36 Uhr vorgenommen zu haben, wodurch ein zusätzlicher ungerechtfertigter Zeitaufwand von 30 Minuten ausgewiesen worden wäre,
b) am 2. Oktober 2018 bereits um 14:28 in die Zustellbasis zurückgekehrt zu sein, die „Dienstende Buchung“ aber erst um 14:59 Uhr vorgenommen zu haben, wodurch ein zusätzlicher ungerechtfertigter Zeitaufwand von 31 Minuten ausgewiesen worden wäre und
c) am 11. Oktober 2018 bereits um 15:24 in die Zustellbasis zurückgekehrt zu sein, die „Dienstende Buchung“ aber erst um 15:42 Uhr vorgenommen zu haben, wodurch ein zusätzlicher ungerechtfertigter Zeitaufwand von 18 Minuten ausgewiesen worden wäre
nach § 118 Abs 1 Z 4 iVm § 123 Abs 1 BDG 1979
k e i n D i s z i p l i n a r v e r f a h r e n e i n z u l e i t e n.
B e g r ü n d u n g
Mit Disziplinarverfügung vom 7. März 2019 wurde über NN eine Geldbuße in der Höhe von Euro 1.300,-- verhängt.
Im Spruch wurde ausgeführt:
Sie habe an mehreren Tagen die Zeiterfassung im Handheld/MDE-Gerät vorschriftswidrig
durchgeführt, wodurch es zum Aufbau von ungerechtfertigten Mehrleistungsstunden gekommen ist. Hierdurch haben Sie gegen die in § 43 Absatz 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) normierte Pflicht des Beamten, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, sowie gegen die in § 44 Absatz 1 BDG 1979 normierte Pflicht, seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen, verstoßen. Sie haben dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen…
In der Begründung wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass bei NN, der bei der Zustellbasis X als Zusteller in einem Gleitzeitdurchrechnungsmodell eingesetzt wird, die Korridorstunden im September 2018 eine Höhe von 155,94 Stunden erreicht haben, weshalb bei ihm durch Mitarbeiter der Organisationseinheit, Qualitätsmanagement Mitte, an mehreren Tagen Outdoorkontrollen durchgeführt wurden. Dabei wären die im Spruch dargestellten Unregelmäßigkeiten festgestellt worden.
Niederschriftlich dazu am 29. Oktober 2018 einvernommen, rechtfertigte sich NN damit, dass er die Dienstgangsende-Buchung im Handheld verspätet durchgeführt habe, da er noch mit der Vorsortierung von Sendungen für den nächsten Tag beschäftigt gewesen wäre.
Dagegen führte die Dienstbehörde an, dass die als generelle Weisung erlassene Dienstanweisung vom 12. Dezember 2012 vorsehe, dass die Diensteingangsbuchung „DE“ (Dienstende) unmittelbar nach der Ankunft in der Zustellbasis durchzuführen ist und der Beschuldigte bei Übertritt in das Gleitzeitmodell nachweislich diesbezüglich geschult wurde.
Dazu wird vom erkennenden Senat angemerkt, dass es aus vergleichbaren Fällen amtsbekannt ist, dass in den einschlägigen Zustellvorschriften ein Vorarbeiten für den nächsten Tag nicht vorgesehen ist.
Mit dem im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung innerhalb offener Frist erhobenen Einspruch vom 25. März 2019 setzte der Beschuldigte die Disziplinarverfügung außer Kraft und brachte im wesentlichen vor:
.) Es liege kein disziplinarwidriges Verhalten vor, da der Beschuldigte in den vorgeworfenen Zeitspannen Arbeitsleistungen für das Unternehmen erbracht habe,
.) Die fälschlich als Mitarbeitergespräch bezeichnete Niederschrift dürfe wegen Aushöhlung der Personalvertretungsrechte nicht verwertet werden,
.) Die Disziplinarstrafe wäre falsch bemessen, es wäre mit einem Schuldspruch ohne Strafe oder einem Verweis vorzugehen gewesen,
.) Es wäre keinesfalls eine disziplinäre Verfolgungshandlung zu setzen gewesen, da der Beschuldigte disziplinär unbescholten wäre und eine gute Arbeitsleistung erbringen würde.
In der Folge legte die Dientsbehörde den Akt der Disziplinarkommission zur Entscheidung vor.
In der von der Disziplinarkommission eingeholten Dienstbeurteilung führte Herr K. mit E-Mail vom 29. Mai 2019 in seiner Eigenschaft als dienstvorgesetzter Gebietsleiter aus:
…Ich kann nur positives Feedback geben.
Auf Grund der Tatsache, dass es sich bei NN um keine schweren Vergehen handelte, wurde von Herrn H. (Anmerkung: Mitarbeiter Qualitätsmanagement) und mir, von einer Niederschrift abgesehen und „nur“ ein Mitarbeitergespräch durchgeführt.
Der Grund dafür war, dass NN nicht vorsätzlich betrogen hat.
Herr NN ist in der ZB (Anmerkung: Zustellbasis) X der MA (Anmerkung: Mitarbeiter), der am wenigsten Krankenstände aufweist. Er ist sehr zuverlässig und ist der 1. MA der bei Dienstzusammenziehungen mithilft, obwohl er bereits 60 Jahre alt ist. Er arbeitet zügig und ist immer der Erste, der die ZB verlässt.
NN verzichtet oder verschiebt seine Urlaube, sofern es dienstlich erforderlich ist. Ich kenne NN dienstlich über viele Jahre hinweg und hatte noch nie Schwierigkeiten mit ihm.
Kurz gesagt: Engagiert, motiviert und zuverlässig.
Auch gegenüber seinen Vorgesetzten verhält er sich sehr vorbildlich.
In der Folge wurde die Dienstbehörde mit Schreiben vom 14. April 2020 gemäß § 123 Abs 1 BDG 1979 um folgende ergänzende Erhebungen ersucht:
…, ob
1. ) das „Vorarbeiten" ineffizient war samt Bemessung des daraus resultierenden Zeitverlustes oder
2. ) das „Vorarbeiten" der Grund war, dass NN laut Vorgesetztenbeurteilung immer der erste Zusteller war, der die Zustellbasis verlassen hat,
3. ) ob ein/e Dienstvorgesetzte/r gewusst bzw. beobachtet hat, dass NN offensichtlich regelmäßig „Vorarbeiten" für den nächsten Tag geleistet hat, und dies geduldet hat,
4. ) in Abhängigkeit zur Frage 3., ob das „Vorarbeiten" durch das Befüllen des Zustellertisches nicht auffallen hätte müssen,
5. ) ob NN das „Vorarbeiten" auch mit individueller Weisung untersagt wurde,
6. ) ob die Rayonsgröße des Zustellbezirkes auffällig ist (etwa, wenn Zusteller, die diesen Bezirk vertretungsweise besorgen, ebenfalls mehr Zeit benötigen), bzw. wie sich die Rayonsgröße bei den letzten Verschneidungen verändert hat.
7. ) ob es entgegen den Ausführungen in der Vorgesetztenbeurteilung Anhaltspunkte gibt, dass NN besonders langsam arbeiten würde oder gehaltene Pausen nicht ins Handheld einpflegen würde,
8. ) ob der Ersatz des „Zeitschadens", so einer entstanden ist (Punkt 1.), dem Mitarbeiter vorgeschrieben (§ 13aGG) wurde.
In Beantwortung der ergänzenden Erhebungen wurde mit E-Mail vom 28. April 2020 durch den zuständigen Bereichsleiter sinngemäß ausgeführt, dass
ad 1.) NN im Korridor nicht auffällig geworden wäre, wenn er prozesskonform gearbeitet hätte. Das Vorarbeiten hätte zu einem Mehraufwand geführt.
(Anmerkung: Der Mehraufwand wurde in der Fragebeantwortung zeitlich nicht bemessen!)
ad 2.) das Vorarbeiten sicher mit ein Grund wäre, dass er als erster die Zustellbasis verlassen habe. Vermutlich hätte er den Dienst auch vor dem formellen Dienstbeginn angetreten.
ad 3.) der Vorgesetzte K. nicht beobachtet habe, dass der Beschuldigte vorgearbeitet habe.
ad 4.) das Vorarbeiten, nach Menge und Größe der Sendungen auffallen hätte müssen.
Ad 5.) Vorarbeiten im Zuge von Prozessschulungen untersagt worden wären.
(Anmerkung: Auf die Frage einer diesbezüglichen zusätzlich zur generellen erteilten individuellen Weisung an den Beschuldigten wurde nicht eingegangen!)
Ad. 6) Springer auf den unterschiedlichsten Touren Probleme hätten, so auch beim Rayon des Beschuldigten.
Ad. 7) der Beschuldigte altersgemäß durchschnittlich schnell arbeite.
(Anmerkung: Auf eine allfällige Pausenproblematik wurde nicht Bezug genommen!)
Ad. 8) es hinsichtlich des behaupteten Zeitschadens keine Rückforderungen gegeben habe.
Weiters wurde abschließend in der von dem Regionenverantwortlichen Distribution Mitte abgegebenen Stellungnahme mitgeteilt, dass er den Gebietsleiter des Beschuldigten zu sich bitten werde, um ihn über diverse Prozessabläufe und deren Kontrollen zu schulen!
Der Senat hat dazu erwogen:
§ 132 BDG 1979 lautet, der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt können gegen die Disziplinarverfügung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch erheben. Der rechtzeitige Einspruch setzt die Disziplinarverfügung außer Kraft; die Disziplinarkommission hat zu entscheiden, ob ein Verfahren einzuleiten ist.
§ 123 Abs 1 BDG 1979 lautet, der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.
Die von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführenden Ermittlungen (§ 123 Abs 1 zweiter Satz BDG) sollen klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegeben sind. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügend Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, die die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Die Disziplinarkommission hat in dem der Einleitung vorausgehenden Verfahren nicht positiv zu prüfen, ob eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung begangen wurde, sondern - negativ - zu erheben, ob nicht ein Grund für die Einstellung des Verfahrens vorliegt. (vgl. z.B. VwGH 15.12.1989, 89/09/0113.)
§ 118 Abs 1 BDG 1979 lautet, das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
Der erkennende Senat kommt in diesem Fall zu den in der Disziplinarverfügung erhobenen Vorwürfen unter Würdigung der von der Dienstbehörde vorgenommenen ergänzenden Erhebungen und der eingeholten Dienstbeurteilung gemäß dem Grundsatz in dubio pro reo zu folgenden Sachverhaltsfeststellungen:
1.) Der Beschuldigte hat an den im Spruch vorgeworfenen Tagen entgegen den einschlägigen Zustellvorschriften die Dienstgang-Ende-Buchung verspätet vorgenommen, um Vorarbeiten (Sortierleistungen) für den nächsten Arbeitstag durchzuführen, die zwar zu den Aufgaben seines Arbeitsplatzes gehören, aber aus Effizienzgründen erst am Folgetag vorzunehmen gewesen wären.
2.) Ob dies der Grund für die beim Beschuldigten ausgewiesenen hohen Korridorstunden ist, konnte nicht erwiesen werden, da keine Zeitverluste für die durch Abgehen von den vorgesehenen Routineabläufen bekanntgegeben wurden bzw. werden konnten. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass das Vorarbeiten dazu geführt habe, dass der Beschuldigte als erster Zusteller die Zustellbasis verlassen und zügig, zumindest aber in einer durchschnittlichen, seinem Lebensalter entsprechenden Geschwindigkeit seine Dienstverrichtungen vorgenommen hat. Es gibt keinerlei Hinweise auf nicht gebuchte Pausenzeiten. Bei Zusteller/innen, die vertretungsweise den Rayon des Beschuldigten besorgt haben, sind ebenfalls Probleme aufgetreten.
3.) Seitens der Dienstbehörde/ des Fachbereiches wurden keinerlei Schadensforderungen an den Beschuldigten gestellt.
4.) Der Bedienstete ist bei seiner Arbeitsverreichtung laut Dienstbeurteilung engagiert, motiviert und zuverlässig.
5.) Die vom Bediensteten gesetzten Verstöße gegen die Zustellvorschriften fanden nicht wie so oft außerhalb der Zustellbasis statt, mussten daher von Dienstvorgesetzten wahrgenommen worden sein und hätten mittels -nochmaliger (Unter-)Weisung abgestellt werden können.
6.) Seitens des Regionenverantwortlichen werden bereits Maßnahmen hinsichtlich Prozessabläufen/Schulungen gesetzt.
Aus diesen Gründen war laut dem erkennenden Disziplinarsenat das Disziplinarverfahren gemäß § 118 Abs 1 Z 4 BDG 1979 einzustellen, da die Schuld wegen der fehlenden Anleitung der Vorgesetzten als gering einzustufen ist, die Tat einen Schaden nach sich gezogen hat, der nicht einmal zeitlich bemessen wurde/werden konnte und überdies eine Bestrafung aufgrund der sehr positiven Dienstbeurteilung nicht geboten ist, um den Beschuldigten künftig von der Verletzung von Dienstpflichten abzuhalten. In generalpräventiver Hinsicht ist davon auszugehen, dass die angekündigten Schulungsmaßnahmen des Regionenverantwortlichen dazu führen werden, dass Fallkonstellationen wie diese nicht mehr entstehen werden.
Der erkennende Senat ist sich dabei bewusst, dass es laut VwGH bei der Einhaltung der Dienstzeit und wohl auch bei den Arbeitszeitaufzeichnungen keine Toleranzgrenze gibt.
Generell wird bei Anhaltspunkten auf Arbeitsverzögerungen (nicht gebuchten Pausen), vorsätzlich langsamer Arbeitsweise oder falschen Zeitdokumentationen, um Arbeitsleistungen vorzutäuschen, auch in Hinkunft mit strengen Strafen zu rechnen sein.
Sollte der Bedienstete in Hinkunft neuerlich gegen individuelle oder generelle Weisungen verstoßen, muss er jedenfalls nicht nur in spezialpräventiver, sondern auch in generalpräventiver Hinsicht mit disziplinären Konsequenzen rechnen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
10.08.2020