Index
E6JNorm
BVergG 2006 §318 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der M GmbH in W, vertreten durch die Huber Berchtold Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Getreidemarkt 14/13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 4. August 2017, Zl. 405-5/31/1/18-2017, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Salzburg, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 35, und 2. G GmbH in W, vertreten durch die Shamiyeh & Reiser Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Am Schillerpark, Rainerstraße 6-8), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Spruchpunkte I. und III. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, im Umfang des Spruchpunktes II. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Die erstmitbeteiligte Partei (Auftraggeberin) führte ein offenes Verfahren zur Vergabe der Lieferung von Schulmahlzeiten für Schülerinnen und Schüler in den städtischen Pflichtschulen in der Stadt Salzburg durch. Die Bekanntmachung der Ausschreibung erfolgte am 18. Jänner 2007 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union.
2 Mit Schreiben vom 28. Februar 2007 wurde den Bietern die Zuschlagsentscheidung an die zweitmitbeteiligte Partei mitgeteilt. Am 1. Juni 2007 erteilte die Auftraggeberin der zweitmitbeteiligten Partei den Zuschlag für den Lieferauftrag gemäß den Ausschreibungsunterlagen vom 15. Jänner 2007 samt Beilagen und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Auftraggeberin.
2. Die Revisionswerberin brachte am 19. Juni 2017 beim Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) einen Feststellungsantrag gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 Salzburger Vergabekontrollgesetz 2007 ein. Sie bekämpfe damit die rechtswidrige Beauftragung zur Lieferung von Schulmahlzeiten für Schüler und Schülerinnen der städtischen Pflichtschulen in der Stadt Salzburg, die mutmaßlich im Jahr 2007 erfolgt sei. Seitdem seien - so die Revisionswerberin - zwingend wesentliche Änderungen erfolgt, die eine Neuausschreibung mit europaweiter Bekanntmachung erforderlich gemacht hätten. Ein Nachprüfungsverfahren zur Wahrung der Rechte der Revisionswerberin habe mangels Durchführung eines öffentlichen Vergabeverfahrens nicht angestrengt werden können. Die Revisionswerberin erachte sich in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens verletzt. Ohne neuerliche Durchführung eines Vergabeverfahrens mit europaweiter Bekanntmachung handle es sich um eine rechtswidrige Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung (unzulässige Direktvergabe). Die für die Feststellung einer unzulässigen Direktvergabe zu entrichtende Pauschalgebühr von € 208,00 sei überwiesen worden.
3 3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. August 2017 wies das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den Feststellungsantrag der Revisionswerberin ab (Spruchpunkt I.). Der Revisionswerberin wurde aufgetragen, binnen 14 Tagen ab Zustellung des Erkenntnisses die Pauschalgebühr in Höhe von € 1.452,00 zur Anweisung zu bringen (Spruchpunkt II.). Den Antrag, der Auftraggeberin den Ersatz der entrichteten Kosten aufzuerlegen, wies das Verwaltungsgericht ab (Spruchpunkt III.). Die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig (Spruchpunkt IV.)
4 3.2. Nach Darstellung der Vorbringen der Verfahrensparteien stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Portionspreis im Rahmen der im Jahr 2007 erfolgten Zuschlagserteilung mit € 2,70 brutto (entsprechend dem Angebot der zweitmitbeteiligten Partei) festgelegt worden sei. Der Vertrag sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden, wobei man für die ersten beiden Jahre einen beiderseitigen Kündigungsverzicht vereinbart habe. Gemäß den Vertragsbestimmungen der Ausschreibungsunterlagen seien die im Leistungsverzeichnis angebotenen Preise als Festpreise für drei Jahre ab Vertragsbeginn vereinbart worden. Nach Ablauf dieser Zeit könnten Preise nur im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden. Die Preisänderung müsse bis 31. Mai des laufenden Jahres geltend für das Folgejahr schriftlich bekanntgegeben werden. Für alle Schulen sei ein einheitlicher Angebotspreis abzugeben. Da sich die Revisionswerberin (unter einer anderen Firmenbezeichnung) am Vergabeverfahren im Jahr 2007 beteiligt habe, kenne sie die gegenständlichen Ausschreibungsunterlagen. Diese seien unbekämpft geblieben und daher jedenfalls bestandfest geworden. Die Auftraggeberin und die zweitmitbeteiligte Partei hätten jährlich eine Preisanpassung in Höhe des Verbraucherpreisindex (VPI) vereinbart. Die erstmalige Preisanpassung sei mit Schreiben vom 19. Mai 2010 erfolgt. Danach sei ab Jänner 2012 jährlich entsprechend dem Verbraucherpreisindex angepasst worden. Weitere Preiserhöhungen habe man nicht vereinbart.
5 In seinen rechtlichen Erwägungen verwies das Verwaltungsgericht auf die bestandfest gewordenen Ausschreibungsunterlagen (insbesondere auf die Vertragsbestimmungen dazu), in denen festgelegt sei, dass nach Ablauf von drei Jahren der Angebotspreis angepasst werden könne. Dass man davon in Form der Preisanpassung in Anlehnung an den Verbraucherpreisindex Gebrauch gemacht habe, sei „jedenfalls handelsüblich, marktüblich und keinesfalls überzogen oder unterhalb einer notwendigen Preisanpassung“. Sofern die Regelungen der Preisanpassung in den Ausschreibungsunterlagen als unzureichend für eine Anpassung nach dem Verbraucherpreisindex moniert worden seien, werde diese Auffassung vom Verwaltungsgericht nicht geteilt.
6 Hinsichtlich der von der Revisionswerberin gerügten Fixierung der Standorte der zu beliefernden Schulen ergebe sich, dass im Jahr 2007 in den Ausschreibungsunterlagen 24 Standorte genannt worden seien und im Jahr 2017 22 Standorte beliefert würden. Die Änderung sei darauf zurückzuführen, dass man an zwei Schulstandorten die Speisenausgabe zusammengelegt habe. Mengenmäßig sei die Lieferung der Schulmahlzeiten unverändert geblieben. Die Zusammenlegung habe für die Lieferung des Auftragnehmers keinen etwaigen Vor- oder Nachteil mit sich gebracht und sei daraus eine Ausweitung oder wesentliche Änderung des Vertragsinhaltes bzw. des Lieferinhaltes im Vergleich zum Jahr 2007 nicht erfolgt.
7 Zusammengefasst könne die von der Revisionswerberin beantragte Feststellung, die Durchführung der Vergabe ohne vorherige Bekanntmachung sei rechtswidrig gewesen, nicht getroffen werden, weil keine substantiellen Änderungen der Bedingungen des Leistungsgegenstandes, die wesentlich andere Angebote oder einen stark veränderten Bewerber- oder Bieterkreis zur Folge gehabt hätten, vorgelegen seien und daher die geforderte Neuausschreibung des Lieferauftrages nicht geboten gewesen sei.
8 Die Revisionswerberin habe die Pauschalgebühren für eine Direktvergabe, also einen Betrag von € 208,00 überwiesen. Das gegenständliche Verfahren sei auf der Grundlage des Vergabeverfahrens im Jahr 2007 zu überprüfen gewesen, zumal die Revisionswerberin die damaligen Vertragsinhalte als Basis für die gerügte Veränderung vorgebracht habe. Daraus ergebe sich gemäß § 1 Z 6.2. der Salzburger Vergabekontrollgebühren-Verordnung eine Pauschalgebühr von € 1.660,00. Nach Abzug der geleisteten Pauschalgebühr von € 208,00 sei daher ein Betrag von € 1.452,00 zur Anweisung zu bringen.
9 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
10 Die Auftraggeberin und zweitmitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden ein Feststellungsantrag und ein damit zusammenhängender Antrag auf Pauschalgebührenersatz abgewiesen (Spruchpunkte I. und III.). Weiters hat das Verwaltungsgericht in einem - von den Spruchpunkten I. und III. trennbaren - Spruchpunkt II. der Revisionswerberin die Entrichtung einer näher bestimmten Pauschalgebühr aufgetragen. Liegen trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (siehe VwGH 8.8.2018, Ra 2017/04/0112; 29.10.2019, Ra 2019/09/0107, jeweils mwN).
12 2.1. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit in Hinblick auf die Abweisung des Feststellungsantrages (Spruchpunkt I.) vor, das angefochtene Erkenntnis weiche hier in mehrfacher Hinsicht von der nationalen höchstgerichtlichen und europäischen Rechtsprechung ab. Das Verwaltungsgericht habe den Feststellungsantrag der Revisionswerberin abgewiesen und dabei völlig verkannt, dass es sich bei der Preisanpassung während der Vertragslaufzeit ohne Vereinbarung von bestimmten Preisanpassungsmechanismen in den Vertragsunterlagen um eine unzulässige wesentliche Vertragsänderung (unzulässige Direktvergabe) handle. Damit stehe das angefochtene Erkenntnis nicht nur in Widerspruch zu näher bezeichneter Rechtsprechung des EuGH; auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien Vertragsanpassungen auf Grund von Änderungsklauseln in den Ausschreibungsunterlagen unzulässig, wenn diese nicht die Anforderungen an Bestimmtheit und Transparenz erfüllten. Es fehle zudem Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine nachträgliche Preisanpassung ohne Vereinbarung von Preisanpassungsmechanismen zulässig sei.
13 In den Ausschreibungsunterlagen bzw. Vertragsunterlagen aus dem Jahr 2007 finde sich kein Preisanpassungsmechanismus. Es sei lediglich festgelegt worden, dass die Preise nach Ablauf der Festpreisperiode von drei Jahren „nur im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden“ könnten. Diese Vertragsbestimmung sei unbestimmt und lasse der Auftraggeberin jede Möglichkeit einer nachträglichen willkürlichen Preisanpassung offen. Die unbestimmte Klausel lasse es ebenso zu, das wirtschaftliche Gleichgewicht zugunsten der Auftragnehmerin zu verschieben, was letztlich auch erfolgt sei.
14 Dass die Auftraggeberin mit der zweitmitbeteiligten Partei die Anpassung nach dem Verbraucherpreisindex vereinbart habe, sei im vorangegangenen Vergabeverfahren nicht vereinbart bzw. nicht einmal angedacht gewesen. Eine „einvernehmliche“ nachträgliche Preisanpassung ohne Vereinbarung von Preisanpassungsmechanismen und dem Negieren der Festpreisperiode stelle nach der Rechtsprechung des EuGH eine unzulässige Änderung wesentlicher Vertragsbestimmungen dar und führe zwingend zu einer Neuausschreibung. Die Begründung des Verwaltungsgerichts widerspreche dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der daraus folgenden Transparenzpflicht einer nachträglichen Vertragsanpassung. Durch die nachträgliche Vereinbarung der Anwendung des Verbraucherpreisindex sei der ursprüngliche Vertrag zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei wesentlich verändert worden. Die erfolgte Preisanpassung habe zu einer Erhöhung des Preises pro Menü von den angebotenen € 2,45 netto auf (aktuell) € 3,13 netto geführt. Dies sei eine Preiserhöhung von knapp 28 %, die auch keine Deckung durch eine Preisanpassung nach dem Verbraucherpreisindex fände. Ebenso sei die Festpreisperiode von drei Jahren ab Vertragsbeginn außer Acht gelassen worden. Dadurch komme es zu einer Änderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts zugunsten der zweitmitbeteiligten Partei, weshalb eine unzulässige Vertragsänderung (unzulässige Direktvergabe) vollzogen worden sei.
15 Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse eine Vertragsklausel, die eine Befugnis zur nachträglichen Anpassung des abgeschlossenen Vertrages beinhalte, die anzupassenden Bedingungen entsprechend konkretisieren und in diesem Sinn eine Bestimmtheit aufweisen. Es würde nämlich den Grundsätzen des Vergaberechts krass widersprechen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber mit einer allgemein gehaltenen Vertragsklausel völlig unbeschränkt die Möglichkeit nachträglicher Änderungen einräumen könnte. Genau das sei aber im gegenständlichen Fall mit der Vertragsbestimmung zur Preisanpassung („nur im gegenseitigen Einvernehmen“) erfolgt. Diese sei zu unbestimmt, um den Bietern eine von vornherein klare Preisanpassung unter Maßgabe des Transparenzgrundsatzes zu gewährleisten. Die Auftraggeberin hätte den Auftrag daher zwingend neu ausschreiben müssen und nicht unzulässigerweise den Preis mit der zweitmitbeteiligten Partei nachträglich neu „ausverhandeln“ dürfen. Diese Vorgehensweise stelle eine unzulässige Direktvergabe dar.
16 2.2. Die Revision erweist sich in Hinblick darauf hinsichtlich der Spruchpunkte I. und III. (vgl. dazu, dass die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung in der Hauptsache auf die Entscheidung über den Pauschalgebührenersatz durchschlägt, VwGH 26.6.2019, Ra 2018/04/0161, 0177, Rn. 74, mwN) als zulässig und aus nachstehenden Erwägungen auch als begründet.
17 2.3. Zur Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit nachträglicher Vertragsänderungen hat sich der EuGH bereits mehrfach geäußert. In dem von der Revision ins Treffen geführten Urteil vom 7. September 2016 in der Rechtssache C-549/14, Finn Frogne, fasst der Gerichtshof seine bisher dazu ergangene Rechtsprechung zusammen und hält fest, dass es mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der daraus folgenden Transparenzpflicht nicht vereinbar ist, wenn der öffentliche Auftraggeber und der Zuschlagsempfänger nach der Vergabe eines öffentlichen Auftrags dessen Bestimmungen so verändern, dass sie sich von den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags wesentlich unterscheiden. Dies ist der Fall, wenn die beabsichtigten Änderungen den Auftrag in großem Umfang um ursprünglich nicht vorgesehene Bestandteile erweitern, wenn sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags zugunsten des Auftragnehmers ändern oder wenn sie Anlass zu Zweifeln an der Auftragsvergabe geben, und zwar in dem Sinn, dass, wenn diese Änderungen in den Unterlagen des ursprünglichen Vergabeverfahrens enthalten gewesen wären, entweder ein anderes Angebot den Zuschlag erhalten hätte oder andere Bieter hätten zugelassen werden können (vgl. bereits EuGH 19.6.2008, pressetext Nachrichtenagentur, C-454/06). Grundsätzlich darf eine wesentliche Änderung eines öffentlichen Auftrags nach dessen Vergabe nicht freihändig von dem öffentlichen Auftraggeber und dem Zuschlagsempfänger vorgenommen werden, sondern sie muss zu einem neuen Vergabeverfahren über den so geänderten Auftrag führen (vgl. EuGH 13.4.2010, Wall, C-91/08). Etwas anderes kann nur gelten, wenn diese Änderung in den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags eingeplant war. Der EuGH hat es im Urteil Finn Frogne für maßgeblich erachtet, ob die Auftragsunterlagen (die Bedingungen des bereits geschlossenen Vertrages) die Befugnis des öffentlichen Auftraggebers vorsehen, bestimmte Bedingungen nach der Auftragsvergabe anzupassen, und auch die Modalitäten regeln, nach denen von dieser Befugnis Gebrauch gemacht wird. Der EuGH verlangt in diesem Zusammenhang, dass solche Vertragsklauseln eine Bestimmtheit aufweisen und transparent sein müssen (vgl. dazu auch das in der Revision zitierte Erkenntnis VwGH 15.3.2017, Ra 2016/04/0064).
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat - anknüpfend an diese Rechtsprechung des EuGH - ebenso ausgesprochen, dass Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrages während seiner Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrags anzusehen sind, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrages erkennen lassen. Als wesentlich gilt die Änderung dann, wenn sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären. Folglich kommt es auf die Wettbewerbsrelevanz der nachträglichen Vertragsänderung an. Für die vergaberechtliche Beurteilung ist daher entscheidend, ob die Änderung den Wettbewerb zwischen den potenziellen Interessenten verfälschen und den Auftragnehmer gegenüber anderen Unternehmern bevorzugen könnte (vgl. VwGH 8.8.2018, Ra 2015/04/0013, mwN).
19 2.4. Im vorliegenden Fall besteht die von der Revisionswerberin gerügte nachträgliche Vertragsänderung in einer Preisanpassung. So wurde der mit erfolgter Zuschlagserteilung im Jahr 2007 festgelegte Portionspreis von € 2,70 brutto „in Anlehnung an den Verbraucherpreisindex“ angehoben. Die Preisanpassung stützte sich auf die Bestimmung in den Ausschreibungsunterlagen, wonach der Preis nach Ablauf der Festpreisperiode von drei Jahren im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden könne.
20 Der Verbrauchpreisindex ist Maßstab für die allgemeine Preisentwicklung (Inflationsindikator) und wird für die Wertsicherung von Geldbeträgen verwendet. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht vorliegend eine Anpassung an den Verbraucherpreisindex nicht als eine wesentliche Änderung der Bestimmungen des öffentlichen Auftrages im Sinn der oben dargelegten Rechtsprechung angesehen hat und insofern nicht von einer Neuvergabe des Auftrags ausgegangen ist. Im Fall einer Preisanpassung, die lediglich der allgemeinen Preisentwicklung Rechnung trägt und damit der Wertsicherung dient, ist nicht anzunehmen, dass die Änderung zu einer Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den potenziellen Interessenten und zu einer Bevorzugung des Auftragnehmers gegenüber anderen Unternehmern führt. Bei einer bloß unwesentlichen Änderung der Bestimmungen des öffentlichen Auftrages kommt es auch auf die vom EuGH im Urteil Finn Frogne geforderte Bestimmtheit und Transparenz der ihr zugrunde liegenden Änderungsklausel nicht an.
21 Das Verwaltungsgericht traf im vorliegenden Fall jedoch keine Feststellungen zum tatsächlichen Ausmaß der vorgenommenen Preisanpassung. Es führte zwar aus, dass eine Preisanpassung „in Höhe des Verbraucherpreisindex (VPI 2006)“ vereinbart worden sei und eine solche erstmals im September 2010 und danach ab Jänner 2012 jährlich stattgefunden habe. Dem angefochtenen Erkenntnis fehlen jedoch Feststellungen dazu, um welchen konkreten Betrag der ursprünglich festgelegte Portionspreis von € 2,70 zwischen 2010 und 2017 tatsächlich angehoben wurde. Feststellungen dazu hätte es schon deshalb bedurft, weil bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht von der Revisionswerberin in Zweifel gezogen wurde, dass eine Preisanpassung nach dem Verbraucherpreisindex die (von der Auftraggeberin in ihrem Schriftsatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angegebene) tatsächlich erfolgte Anhebung des Preises auf € 3,44 brutto rechtfertige. Auch die Revision bringt vor, dass die erfolgte Preiserhöhung von 28 % die von der Statistik Austria angegebene Veränderungsrate von 21,9 % (zwischen Februar 2007 und Mai 2017) übersteige. Dem angefochtenen Erkenntnis lässt sich jedoch nicht entnehmen, welche konkreten Beträge das Verwaltungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt hat.
22 Dem Verwaltungsgerichtshof ist es daher nicht möglich, das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Annahme zu überprüfen, ob die vorgenommene Preisanpassung tatsächlich entsprechend dem Verbraucherpreisindex erfolgte und somit als nicht wesentliche Änderung der Bestimmungen des öffentlichen Auftrages qualifiziert werden kann (vgl. zum Erfordernis einer mängelfreien Begründung etwa VwGH 5.3.2020, Ra 2018/19/0686, mwN).
23 Da das Verwaltungsgericht im Fall einer mängelfreien Begründung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis im Umfang seiner Spruchpunkte I. und III. gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
24 Zudem wird das Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren zu klären bzw. die Revisionswerberin zu einer entsprechenden Präzisierung ihres Antrags aufzufordern haben, ob sich dieser - ausgehend von den seiner Beurteilung zugrunde gelegten Zeitpunkten der Vertragsänderungen (siehe Rn. 21) - auf den zuletzt festgestellten Änderungszeitpunkt vor Antragseinbringung im Jänner 2017 (oder allenfalls auf einen anderen Zeitpunkt oder mehrere Vertragsänderungen) bezieht (vgl. grundsätzlich zum Konkretisierungsgebot auch bei Feststellungsanträgen VwGH 16. Juni 2020, Ro 2018/04/0015).
25 3. Die Revision ist auch in Hinblick auf das Vorbringen zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses zulässig und berechtigt.
26 3.1. Die Revision bringt vor, das Verwaltungsgericht habe die zu entrichtende Pauschalgebühr nicht am Begehren der Revisionswerberin, sondern anhand der Verantwortung durch die Auftraggeberin bemessen. Das Verwaltungsgericht stütze sich auf eine näher bezeichnete Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, die auf den gegenständlichen Sachverhalt jedoch nicht anwendbar sei. Die Revisionswerberin begehre die Feststellung einer unzulässigen Direktvergabe, womit eine Pauschalgebühr in der Höhe von € 208,00 zu entrichten sei. Die Auftraggeberin habe sich zum Vorwurf der unzulässigen Direktvergabe mit einem Dienst- und Lieferauftrag im Oberschwellenbereich aus dem Jahr 2007, der nach der (aktuellen) Vergabekontrollgebühren-Verordnung eine Pauschalgebühr von € 1.660,00 nach sich ziehen würde, verantwortet. Es widerspreche der Rechtssicherheit, wenn ein Antragsteller ein Vergabekontrollverfahren mit einem bestimmten Begehren anstrenge, jedoch die Höhe der zu entrichtenden Pauschalgebühr trotz eindeutiger Gebührenverordnung nicht einmal abschätzen könne.
27 3.2. Gemäß § 1 der Salzburger Vergabekontrollgebühren-Verordnung, LGBl. Nr. 53/2010 in der Fassung LGBl. Nr. 24/2014, hat der Antragsteller für näher bezeichnete Anträge nach dem Salzburger Vergabekontrollgesetzes 2007 je nach Art des Vergabeverfahrens und des Auftragsgegenstandes jeweils eine bestimmte Pauschalgebühr zu entrichten, unter anderem für „Direktvergaben“ € 208,00 (Z 1.) und für „Sonstige Verfahren im Oberschwellenbereich/Liefer- und Dienstleistungsaufträge“ € 1.660,00 (Z 6.2.).
28 Das Verwaltungsgericht stützte den in Spruchpunkt II. erteilten Auftrag, die Revisionswerberin habe die Pauschalgebühr in Höhe von € 1.452,00 zu entrichten, auf das - ebenfalls zum Salzburger Vergabekontrollgesetz 2007 (S.VKG 2007) bzw. zur Salzburger Vergabekontrollgebühren-VO ergangene - Erkenntnis des VwGH vom 11. Mai 2017, Ra 2016/04/0048. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass sich der Grundlage für die Gebührenverordnung in § 19 Z 1 S.VKG 2007 entnehmen lässt, dass die Festsetzung der Gebührensätze entsprechend dem bewirkten Verfahrensaufwand und dem zu erzielenden Nutzen erfolgen soll. Soweit daher die Art des durchgeführten Verfahrens als objektives Merkmal für die Staffelung herangezogen wird (siehe dazu die Erläuterungen zur [damaligen] bundesgesetzlichen Regelung des § 318 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006, RV 127 BlgNR 23. GP 16, der die landesgesetzliche Regelung des S.VKG 2007 nach den Erläuterungen dazu, RV 171 BlgLT 13. GP 27, nachempfunden ist), kann für die Bemessung der zu entrichtenden Pauschalgebühr nicht allein darauf abgestellt werden, welche Verfahrensart der Antragsteller in seinem Antrag angeführt hat, sondern es ist vielmehr maßgeblich, worauf der Antrag inhaltlich gerichtet war, weil sich danach der Verfahrensaufwand und der mögliche Nutzen bestimmt.
29 Anders als im vorliegenden Fall lag im Verfahren Ra 2016/04/0048 der Leistungsvergabe ein Aufruf zum Wettbewerb auf Basis einer Rahmenvereinbarung zugrunde, weshalb dort auch keine Direktvergabe gegenständlich war und das Verwaltungsgericht daher zu Recht auf den höheren Pauschalgebührensatz der Z 6.2. der Salzburger Vergabekontrollgebühren-Verordnung (Sonstige Verfahren im Oberschwellenbereich/Liefer- und Dienstleistungsaufträge) abstellte. Im vorliegenden Fall lag der Preisanpassung jedoch kein solcher Verfahrensschritt der Auftraggeberin zugrunde. Das im Jahr 2007 durchgeführte Vergabeverfahren hatte die ursprüngliche Vergabe des Lieferauftrages zum Gegenstand und nicht die hier gegenständliche Preisanpassung. Dementsprechend richtete sich der Feststellungsantrag der Revisionswerberin auch auf eine rechtswidrige Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung, also eine unzulässige Direktvergabe. Folglich ist eine Pauschalgebühr von € 208,00 (Z 1. der Salzburger Vergabekontrollgebühren-Verordnung) und nicht - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - von € 1.660,00 (Z 6.2. der Salzburger Vergabekontrollgebühren-Verordnung) zu entrichten.
30 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seines Spruchpunktes II., mit dem der Revisionswerberin die Entrichtung des Differenzbetrages aufgetragen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
31 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. Juni 2020
Gerichtsentscheidung
EuGH 62006CJ0454 Pressetext Nachrichtenagentur VORABSchlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017040125.L00Im RIS seit
10.08.2020Zuletzt aktualisiert am
10.08.2020