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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AVG §38Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des L A in W, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. April 2019, L507 2168333-4/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-18/20 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2019, EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), vorgelegten Fragen ausgesetzt.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist irakischer Staatsangehöriger und stellte am 23. September 2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er unter anderem damit begründete, dass er den Irak aufgrund des Bürgerkrieges verlassen habe. Mit Bescheid vom 7. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ eine Rückkehrentscheidung samt rechtlich davon abhängenden Aussprüchen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 4. September 2017 als unbegründet ab.
2 Am 19. April 2018 stellte der Revisionswerber einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und gab als Fluchtgrund an, seine Familie werde durch eine näher bezeichnete Miliz verfolgt. Mit Bescheid vom 5. November 2018 wies das BFA diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel und erließ eine Rückkehrentscheidung samt rechtlich davon abhängenden Aussprüchen. Das Verfahren über die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers stellte das BVwG mit Beschluss vom 28. Jänner 2019 wegen Zurückziehung der Beschwerde ein.
3 Am 11. Februar 2019 stellte der Revisionswerber einen dritten Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen u.a. damit, dass er „vor ca. acht Monaten einen Mann kennen und lieben gelernt“ habe und seit dieser Zeit eine homosexuelle Beziehung mit diesem führe. Das BFA wies diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel und erließ eine Rückkehrentscheidung samt rechtlich davon abhängenden Aussprüchen sowie ein befristetes Einreiseverbot.
Das BVwG wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 5. April 2019 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Zur Begründung stützte sich das BVwG - soweit hier relevant - darauf, dass sich der Revisionswerber, der angegeben habe, seit Beginn seines Aufenthalts in Österreich homosexuell zu sein, ausschließlich auf Gründe beziehe, die bereits im Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren vorgelegen seien. Einer inhaltlichen Entscheidung stehe die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegen.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet hat.
5 Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom 18. Dezember 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1. Erfassen die in Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im Weiteren: Verfahrensrichtlinie, enthaltenen Wendungen ‚neue Elemente oder Erkenntnisse‘, die ‚zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind‘, auch solche Umstände, die bereits vor rechtskräftigem Abschluss des früheren Asylverfahrens vorhanden waren?
Falls Frage 1. bejaht wird:
2. Ist es in jenem Fall, in dem neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im früheren Verfahren ohne Verschulden des Fremden nicht geltend gemacht werden konnten, ausreichend, dass es einem Asylwerber ermöglicht wird, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens verlangen zu können?
3. Darf die Behörde, wenn den Asylwerber ein Verschulden daran trifft, dass er das Vorbringen zu den neu geltend gemachten Gründen nicht bereits im früheren Asylverfahren erstattet hat, die inhaltliche Prüfung eines Folgeantrages infolge einer nationalen Norm, die einen im Verwaltungsverfahren allgemein geltenden Grundsatz festlegt, ablehnen, obwohl der Mitgliedstaat mangels Erlassung von Sondernormen die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolge dessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat?“
6 Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt für die Behandlung der vorliegenden Revision ebenfalls Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war (vgl. VwGH 15.3.2018, Ro 2018/20/0001, mwN).
Wien, am 22. Juni 2020
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200248.L00Im RIS seit
01.12.2020Zuletzt aktualisiert am
08.11.2021