TE Vwgh Beschluss 2020/6/29 Ro 2019/11/0003

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

ÄrzteG 1998 §10 Abs8
ÄrzteG 1998 §117c Abs1
ÄrzteG 1998 §195f
B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art131 Abs2
B-VG Art133 Z4
B-VG Art140 Abs7
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer in Wien, vertreten durch die Schwarz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. November 2018, Zl. W170 2206225-1/2E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde wegen Unzuständigkeit i.A. ÄrzteG 1998 (mitbeteiligte Partei: K GmbH in W, vertreten durch Haslinger & Partner Rechtsanwälte in 4020 Linz, Zollamtstraße 7), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Revisionswerbers vom 19. Juli 2018 wurde die Anerkennung näher bezeichneter Krankenanstaltenabteilungen der mitbeteiligten Partei als Ausbildungsstätte für bestimmte Fachärzte gemäß § 10 Abs. 8 ÄrzteG 1998 zurückgenommen und die diesbezügliche Streichung aus dem Ausbildungsstättenverzeichnis verfügt. Weiters wurde der mitbeteiligten Partei nach § 1 der Bearbeitungsgebührenverordnung 2014 eine pauschale Bearbeitungsgebühr auferlegt.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hingewiesen.

2        Die dagegen von der mitbeteiligten Partei an das Bundesverwaltungsgericht erhobene Beschwerde wurde von diesem mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. November 2018 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

3        Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die gegenständliche Zurücknahme der Anerkennung als Ausbildungsstätte sei im Rahmen eines Verfahrens nach § 117c Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 erfolgt, falle somit unter den Kompetenztatbestand „Gesundheitswesen“ und zufolge Art. 102 B-VG in die mittelbare Bundesverwaltung, sodass gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG die Zuständigkeit des örtlich zuständigen Landesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über die genannte Beschwerde gegeben sei.

Die Frage der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts in Verfahren nach § 117c Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 sei zweifelhaft und nicht offenkundig, sodass diese Frage nicht bloß durch Weiterleitung der Beschwerde an das zuständige Landesverwaltungsgericht, sondern durch bekämpfbaren Beschluss zu entscheiden gewesen sei (Hinweis auf VwGH 24.6.2015, Ra 2015/04/0035) und zudem die Zulässigkeit der Revision begründe.

4        Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die zur Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte betreffend Beschwerden über gemäß § 117c Abs. 1 ÄrzteG 1998 im übertragenen Wirkungsbereich getroffene Entscheidungen der Österreichischen Ärztekammer, bei denen diese (gemäß § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998) dem Bundesminister für Gesundheit unterstellt sei.

5        Die mitbeteiligte Partei führte in der Revisionsbeantwortung aus, sie teile die Ansicht des Revisionswerbers über die gegebene Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in gegenständlicher Angelegenheit und habe deshalb gegen den angefochtenen Beschluss bereits Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

6        Aus Anlass der genannten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 4643/2018-12, einen näher umschriebenen Beschluss auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung gefasst.

7        Mit Erkenntnis vom 5. März 2020, G 157/2019 und V 54/2019, hat der Verfassungsgerichtshof einerseits die Wortfolge „von der Österreichischen Ärztekammer“ im ersten Satz sowie die Wortfolge „der Österreichischen Ärztekammer“ im letzten Satz des § 10 Abs. 8 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169, idF BGBl. I Nr. 25/2017, die Wort- und Zeichenfolge „und 10“ in § 13b Z 2 und die Zeichenfolge „10,“ in § 117c Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169, idF BGBl. I Nr. 82/2014 als verfassungswidrig aufgehoben sowie festgestellt, dass die Zeichenfolge „10,“ in § 117c Abs. 2 Z 1 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169, idF BGBl. I Nr. 82/2014 verfassungswidrig und andererseits festgestellt, dass die Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr für Angelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich (Bearbeitungsgebührenverordnung 2014 - übertragener Wirkungsbereich) idF der 1. Novelle, Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer Nr. 1/2017, veröffentlicht am 28. Juni 2017 auf der Website der Österreichischen Ärztekammer (www.aerztekammer.at) im Hinblick auf die Zeichenfolge „10,“ in § 1, die Zeichenfolge „, 10“ in § 4 und der Anhang der Verordnung im Hinblick auf die Zeichenfolge „§ 10 und“ in Punkt 3. gesetzwidrig waren.

8        Dies wurde in den Entscheidungsgründen (vgl. neben der dort wiedergegebenen, auch für das Revisionsverfahren maßgebenden, Rechtslage die Pkte. IV. 2.3. und 2.6.f) - hier auf das Wesentlichste zusammengefasst - damit begründet, dass die Bestimmungen über die Anerkennung bzw. Zurücknahme oder Einschränkung der Anerkennung als Ausbildungsstätte auf den Kompetenztatbestand „Gesundheitswesen“ des Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG gestützt und Angelegenheiten des „Gesundheitswesens“ nicht in Art. 102 Abs. 2 B-VG angeführt seien. Diese seien - da hier auch keine sonstige verfassungsgesetzliche Ermächtigung vorliegt - nicht in unmittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen, sondern in mittelbarer Bundesverwaltung (VfSlg 19.123/2010; VfGH 13.3.2019, G 242/2018 ua). Die Österreichische Ärztekammer werde gemäß § 117c Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 als Bundesbehörde tätig, die gemäß § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches - und um eine solche Zuständigkeit handelt es sich hier - ausnahmslos an die Weisungen des Bundesministers für Gesundheit gebunden sei. Ebenso obliege der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 117c Abs. 2 Z 1 ÄrzteG 1998 die Erlassung von Verordnungen über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr gemäß § 13b ÄrzteG 1998 unter anderem für die Angelegenheit des § 10 ÄrzteG 1998. Auch in diesem Fall bestehe gemäß § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 eine Weisungsbindung an den Bundesminister für Gesundheit. Da zur Übertragung der Aufgabe der Durchführung von Verfahren betreffend ärztliche Ausbildungsstätten gemäß § 10 Abs. 8 ÄrzteG 1998 an die Österreichische Ärztekammer sowie zur Erlassung von Verordnungen gemäß § 13b Z 2 ÄrzteG 1998 eine Zustimmung der Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG nicht erfolgt sei, sei dies verfassungswidrig (vgl. erneut VfGH 13.3.2019, G 242/2018 ua).

9        Mit Erkenntnis vom 10. März 2020, E 4643/2018-18, hat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen den angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. November 2018 abgewiesen und dies unter „II. Erwägungen“ (auszugsweise) wie folgt begründet:

„2.  Gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz sowie Art 139 Abs 6 zweiter Satz B-VG sind vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzes- bzw Verordnungsbestimmungen im Anlassfall nicht mehr anzuwenden; es ist daher so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

3.   Nach Lage des vorliegenden Falles ist es von vornherein ausgeschlossen, dass durch die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen eine für eine positive Erledigung der an das Bundesverwaltungsgericht gerichteten Beschwerde der beschwerdeführenden Partei erforderliche Rechtsgrundlage im ÄrzteG 1998 bestünde. Vor dem Hintergrund der Rechtslage nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. März 2020 zu G 157/2019 und V54/2019 ist es eindeutig, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Recht seine Zuständigkeit verneint und die Beschwerde zurückgewiesen hat.

...“

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt ist, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. aus vielen etwa VwGH 18.1.2019, Ra 2018/11/0248, mwN).

14       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

15       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 4. April 2019, Ro 2017/11/0003, mit Hinweis auf die Materialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (RV 1618 BlgNR 24. GP, 15), die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über eine Beschwerde in einer Angelegenheit des § 117c Abs. 1 ÄrzteG 1998 verneint, wenn eine in dieser Bestimmung aufgezählte Aufgabe der Österreichischen Ärztekammer - wie im vorliegenden Fall - infolge deren Beseitigung durch den Verfassungsgerichtshof und gegebener Anlassfallwirkung nicht mehr zum übertragenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer zählt und daher nicht als Tätigwerden in einer Angelegenheit der Vollziehung des Bundes, die iSd. Art. 131 Abs. 2 B-VG unmittelbar von einer Bundesbehörde besorgt wird, zu qualifizieren ist.

16       Da somit nicht mehr von einem Fehlen diesbezüglicher hg. Rechtsprechung auszugehen ist, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019110003.J00

Im RIS seit

12.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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