Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der MMag. L in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 2. November 1995, Zl. 1452/8-I/D/12/95, betreffend Festsetzung des Vorrückungsstichtages (Problem: Vollanrechnung eines Zweitstudiums), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Schriftsatzaufwand wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht als im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG rechtskundige Bedienstete in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; ihre Dienststelle war das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz. Vom 15. Juli 1991 bis zur Ernennung in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis mit 1. Juli 1995 war die Beschwerdeführerin Vertragsbedienstete.
Bereits vor ihrer Ernennung in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis beantragte die Beschwerdeführerin die Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung ihres Erststudiums "Pädagogik". Sie begründete dies im wesentlichen damit, daß sie mit Ausbildungsangelegenheiten der Gesundheitsberufe beschäftigt sei und dabei "neben den juristischen auch fachliche Fragen zu bearbeiten" habe.
Soweit den in Kopie vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens zu entnehmen ist, richtete die belangte Behörde daraufhin am 20. Juli 1995 im wesentlichen folgenden Antrag auf Zustimmung zur Ermittlung des Vorrückungsstichtages an das Bundeskanzleramt:
Das Aufgabengebiet der Organisationseinheit, in der die Beschwerdeführerin tätig ist, umfasse:
"Rechtliche Angelegenheiten der Sanitätspersonen und deren Ausbildung sowie ihrer Standesvertretungen einschließlich der Mitwirkung in Disziplinarangelegenheiten, soweit diese nicht ausdrücklich in den Wirkungsbereich einer anderen Abteilung fallen; rechtsübergreifende Fragen betreffend Medizin und Ethik; rechtliche Angelegenheiten des Mutter-Kind-Passes und des Fortpflanzungsmedizingesetzes; sonstige Rechtsangelegenheiten der Sektion II, sofern dies nicht in den Wirkungsbereich einer anderen Abteilung fällt; zusammenfassende Stellungnahmen zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen sowie sonstigen allgemeinen Anordnungen des Bundes oder anderer Gebietskörperschaften sowie in Verfahren nach Art. 97 und 98 B-VG im Sektionsbereich, soweit dies nicht ausdrücklich einer anderen Abteilung vorbehalten ist; Fragen der europäischen Integration im Zuständigkeitsbereich der Abteilung; Anerkennung von im Ausland erlangten Berufsberechtigungen zum praktischen Arzt und Facharzt, Erteilung von Beschäftigungsgenehmigungen an ausländische Ärzte; Gleichachtung von im Ausland erworbenen Urkunden über eine Ausbildung in einem gehobenen medizinisch-technischen Dienst oder als Hebamme; Zulassung zur Berufsausübung in den nichtärztlichen Gesundheitsberufen für EWR-Staatsangehörige, soweit diese nicht ausdrücklich in den Wirkungsbereich einer anderen Abteilung fallen; rechtliche Angelegenheiten der Schülerfreifahrten, der Studienförderung und der Schul- und Heimbeihilfen sowie Fahrtbeihilfen von SchülernInnen der im Krankenpflegegesetz, MTD-Gesetz und im Hebammengesetz geregelten Ausbildungseinrichtungen.
(Die Beschwerdeführerin) hat sowohl das Studium der Rechtswissenschaften als auch das Pädagogikstudium erfolgreich abgeschlossen, wobei das Studium der Rechtswissenschaften das Ernennungserfordernis ist.
(Die Beschwerdeführerin) ist insbesondere mit Ausbildungsangelegenheiten der Gesundheitsberufe beschäftigt, wobei neben den juristischen auch fachliche Fragen zu beantworten sind. So ist z.B. im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des neuen Hebammenrechts in weiterem Ausmaß auch die pädagogische Betreuung bei der Schaffung der neuen Rechtsgrundlagen erforderlich.
Weiters ist in der Ausbildung der im Altenpflegebereich angesiedelten Berufe sowie bei der Ausbildungsreform in der Krankenpflege, neben der juristischen auch die pädagogische Beurteilung der Problematik erforderlich.
Die Studienkombination Pädagogik/Rechtswissenschaften kann daher auf diesem Arbeitsplatz optimal eingesetzt werden.
Wir ersuchen daher um Anrechnung der genannten Ausbildungszeit gemäß § 26 Abs. 3 VBG 1948."
Das Bundeskanzleramt vertrat dazu folgende Auffassung:
"Der beantragten Studienzeit (Post-Nr. 3) kann die vom Gesetz geforderte besondere Bedeutung und das öffentliche Interesse nicht beigemessen werden, weil sie vor der Erfüllung des Anstellungserfordernisses (5. Dezember 1989) liegt.
Für die Berücksichtigung von Zeiten, die vor der Erfüllung des Anstellungserfordernisses liegen, ist unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabes zu prüfen, etwa in die Richtung, ob und zutreffendenfalls diese Zeiten der Sache und dem Inhalt nach für die Anstellung unerläßlich waren. Diese Unerläßlichkeit ist im vorliegenden Fall, im Hinblick auf das Studium der Rechtswissenschaften, nicht anzunehmen. Es ist auch auszuschließen, daß der Erfolg der Verwendung ohne diese Studienzeit nur in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben wäre.
Außerdem wird darauf hingewiesen, daß bei der Berücksichtigung einer Studienzeit nach § 26 Abs. 3 VBG 1948 lediglich der tatsächliche Besuch der Hochschule bzw. Universität zu berücksichtigen ist."
Am 5. Oktober 1995 wurde die Beschwerdeführerin vom "Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1991 bezüglich der Ermittlung des Vorrückungsstichtages anläßlich der Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis" persönlich in der Weise informiert, daß ihr diese Auffassung des Bundeskanzleramtes zur Kenntnis gebracht und hierüber eine Niederschrift erstellt wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde dann gemäß § 12 des Gehaltsgesetzes 1956 (= GG) den 18. Juli 1986 als Vorrückungsstichtag für die Beschwerdeführerin fest.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei mit 1. Juli 1995 in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis aufgenommen worden. Gemäß § 12 Abs. 9 GG sei der Vorrückungsstichtag möglichst gleichzeitig mit der Ernennung des Beamten mit Bescheid festzustellen. Im Ermittlungsverfahren habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf gänzliche Berücksichtigung der Zeit ihres abgeschlossenen Studiums der Pädagogik gemäß § 12 Abs. 3 GG vorgelegt. Gemäß § 12 Abs. 3 GG könnten Zeiten, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben habe, mit Zustimmung des Bundeskanzlers zur Gänze für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages berücksichtigt werden. Mit Schreiben vom 19. Juli 1995 (nach den in Kopie vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ist der Zustimmungsantrag mit "20. Juli 1995" datiert) sei der Antrag zur Klärung der für diesen Bescheid maßgebenden Vorfrage an den Bundeskanzler weitergeleitet worden. Mit Schreiben vom 11. September 1995 habe der Bundeskanzler diesem Antrag nicht zugestimmt und dies wie folgt begründet:
"Für die Berücksichtigung von Zeiten, die vor der Erfüllung des Anstellungserfordernisses liegen, ist unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabes zu prüfen, etwa in die Richtung, ob und zutreffendenfalls diese Zeiten der Sache und dem Inhalt nach für die Anstellung unerläßlich waren. Die Unerläßlichkeit ist im vorliegenden Fall, im Hinblick auf das Studium der Rechtswissenschaften, nicht anzunehmen. Es ist auch auszuschließen, daß der Erfolg der Verwendung ohne diese Studienzeit nur in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben wäre."
Der nach Klärung der Vorfrage für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages maßgebende Sachverhalt sei dem Personalakt der Beschwerdeführerin entnommen worden. Über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei die Beschwerdeführerin am 5. Oktober 1995 anläßlich der aufgenommenen Niederschrift verständigt worden.
Für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - seien folgende Zeiten, die nach der Vollendung des 18. Lebensjahres und dem Tag der Anstellung gelegen seien, voranzusetzen:
Es folgt eine tabellarische Darstellung der zur Gänze bzw. zur Hälfte berücksichtigten Vordienstzeiten und die Feststellung, daß diese Zeiten gemäß § 12 Abs. 6 und Abs. 7 GG um vier Jahre zu verringern sind.
Das Ausmaß der dem Tag der "Anstellung" der Beschwerdeführerin gemäß § 12 GG voranzusetzenden Zeiten betrage daher 8 Jahre, 11 Monate und 13 Tage. Der sich daraus ergebende Vorrückungsstichtag sei somit der 18. Juli 1986.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat Kopien des Verwaltungsaktes vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt. In der Gegenschrift bezieht sich die belangte Behörde insbesondere auf die seinerzeitigen Ausschreibungsbedingungen für die von der Beschwerdeführerin innegehabte Planstelle der Entlohnungsgruppe a, in der kein Ansatz für die Notwendigkeit eines pädagogischen Studiums zu finden sei, und verweist weiters darauf, daß die Beschwerdeführerin die Anrechnung ihres Zweitstudiums nicht nach § 26 Abs. 3 VBG geltend gemacht habe und daß der Vorrückungsstichtag seine unmittelbare besoldungsrechtliche Relevanz durch die erfolgte Ernennung nach § 118 Abs. 9 GG (- Voraussetzung dafür sind "besondere dienstliche Rücksichten" -) in eine höhere Dienstklasse verloren habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf gänzliche Berücksichtigung der Zeit ihres abgeschlossenen Studiums der Pädagogik bei der Berechnung des Vorrückungsstichtages gemäß § 12 Abs. 3 GG durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung und die Bescheidbegründung verletzt.
Im Beschwerdefall ist strittig, ob das Zweitstudium der Beschwerdeführerin im Hinblick auf eine allfällige besondere Bedeutung für ihr öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis gemäß § 12 Abs. 3 GG zu berücksichtigen ist oder nicht.
Nach § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, im wesentlichen in der Fassung BGBl. Nr. 447/1990, können Zeiten gemäß Abs. 1 lit. b (Anm.: das waren sonstige Zeiten), in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, mit Zustimmung des Bundeskanzlers im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist. Solche Zeiten sind jedoch ohne Zustimmung des Bundeskanzlers zur Gänze zu berücksichtigen, soweit sie bereits im unmittelbar vorangegangenen Bundesdienstverhältnis nach dem ersten Satz, nach § 26 Abs. 3 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 oder nach einer gleichartigen Bestimmung einer anderen Rechtsvorschrift zur Gänze berücksichtigt worden sind und der Beamte bei Beginn des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nach wie vor die hiefür maßgebende Verwendung ausübt.
Wenn Vordienstzeiten bereits im Vertragsbedienstetenverhältnis voll angerechnet worden sind, dann ist hinsichtlich solcher Zeiten für die Vollanrechnung im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eine (eingeschränkte) gesetzliche Bindungswirkung mit BGBl. Nr. 447/1990 statuiert worden. Umgekehrt ist aus der Tatsache der Nichtanrechnung von Vordienstzeiten im privatrechtlichen Dienstverhältnis aber kein Ausschluß dieser Möglichkeit für die Anrechnung im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vorgesehen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1993, Zl. 92/12/0107). Es ist also jedenfalls geboten, in einem Verfahren nach § 12 Abs. 3 GG 1956 - selbst wenn vorher nach § 26 Abs. 3 VBG hinsichtlich der Vollanrechnung negativ entschieden worden sein sollte - neuerlich ein entsprechendes Verwaltungsverfahren durchzuführen, das aber mangels Konkretisierung des Tatbestandes des § 12 Abs. 3 GG nicht vor dem Beginn des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses des Beamten erfolgen kann (vgl. auch Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1981, Zl. 383/80, und vom 22. Oktober 1997, Zl. 96/12/0218).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf, wenn eine Behörde als Dienstbehörde im Einvernehmen mit anderen Behörden zu entscheiden hat, die Entscheidung nur der Dienstbehörde zugerechnet werden (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 1970, Slg. N. F. Nr. 7849/A). Die erforderliche Zustimmung zur Vordienstzeitenanrechnung stellt lediglich ein Tatbestandserfordernis für die Entscheidung der Dienstbehörde dar, die ihrerseits bei Beschwerde der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt. Im Falle der Vordienstzeitenanrechnung obliegt ausschließlich der Dienstbehörde und nicht der Behörde, mit der das Einvernehmen herzustellen ist, die bescheidmäßige Entscheidung über die Vordienstzeitenanrechnung (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1987, Zl. 87/12/0084).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29. November 1988, Zl. 86/12/0174, und vom 22. Februar 1991, Zl. 90/12/0221) ist eine Vortätigkeit oder ein Studium dann von besonderer Bedeutung, wenn der durch die Vortätigkeit bzw. das Studium verursachte Erfolg der Verwendung als Beamter ohne die Vortätigkeit nur in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben wäre. Die Prüfung ist auf den Zeitpunkt der Anstellung als Beamter und die Tätigkeit abzustellen, die dieser auf Grund einer Anstellung bei Antritt des Dienstes auszuüben hat, und nicht auf sonstige vorübergehende oder zukünftige Verwendungen oder auf Tätigkeiten, die der Beamte in dem dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vorangegangenen vertraglichen Dienstverhältnis ausgeübt hat. Der Beurteilung der Frage der besonderen Bedeutung für die erfolgreiche Verwendung ist grundsätzlich nicht mehr als der Zeitraum eines halben Jahres nach Beginn des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zugrunde zu legen. Die Frage, ob die Vollanrechnung einer Zeit gemäß § 12 Abs. 3 GG in Betracht kommt, kann, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls in ständiger Rechtsprechung erkennt, nur gelöst werden, wenn alle für die Beurteilung im Sinne der oben angeführten Gesetzesstelle maßgebenden Kriterien festgestellt wurden. Daher ist in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen, welche tatsächlichen Verrichtungen während der Vortätigkeit besorgt wurden, in welchem Ausmaß dies geschehen ist und welche Kenntnisse und Fähigkeiten hiebei (bzw. in einem auf seine Vollanrechnung zu prüfenden Studium) erworben wurden. Andererseits ist festzustellen, welche tatsächlichen Tätigkeiten der Beamte zu Beginn seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses auf Grund seiner Anstellung zu verrichten hat, mit welchem Erfolg er diese Tätigkeiten besorgt hat, ob und inwieweit sein Verwendungserfolg über dem von Beamten ohne ähnliche Vortätigkeit liegt bzw. das Studium für den Verwendungserfolg als Beamter ursächlich ist. Trifft dies zu und wäre der durch die Vortätigkeit (Studium) verursachte Verwendungserfolg ohne diese Vortätigkeit (Studium) nur in einem beträchtlich geringeren Maße gegeben gewesen, dann ist die Vortätigkeit (Studium) für die erfolgreiche Verwendung als Beamter von besonderer Bedeutung im Sinne des § 12 Abs. 3 GG (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1981, Zl. 383/80, vom 14. Mai 1984, Zl. 83/12/0049, und vom 22. Februar 1991, Zl. 90/12/0221, sowie vom 10. Juni 1991, Zl. 86/12/0122).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde zwar in ihrem Antrag an das Bundeskanzleramt - der § 26 Abs. 3 VBG als Rechtsgrundlage nennt, aber wenige Tage nach der Ernennung der Beschwerdeführerin in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis gestellt wurde - das Aufgabengebiet der Organisationseinheit, in der die Beschwerdeführerin eingesetzt war, kompetenzmäßig dargestellt, nicht aber die konkreten Tätigkeiten der Beschwerdeführerin angegeben. Sie führte lediglich aus, daß die Beschwerdeführerin insbesondere mit Ausbildungsangelegenheiten befaßt sei und hiefür die Studienkombination Pädagogik/Rechtswissenschaft optimal eingesetzt werden könne. Die belangte Behörde teilte damals die Auffassung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der besonderen Bedeutung ihres Zweitstudiums.
Dementgegen vertrat das Bundeskanzleramt die Auffassung, der beantragten Studienzeit könne die vom Gesetz geforderte besondere Bedeutung und das öffentliche Interesse nicht beigemessen werden, weil sie "vor der Erfüllung des Anstellungserfordernisses" liege. Diese Rechtsaussage findet weder im § 26 Abs. 3 VBG noch im § 12 Abs. 3 GG eine Deckung, weil diesen Bestimmungen hinsichtlich der anzurechnenden Zeiten grundsätzlich keine Unterscheidung dahingehend zu entnehmen ist, ob die Zeiten vor oder nach der Erfüllung der Anstellungserfordernisse liegen.
Die belangte Behörde hat diese unrichtige Rechtsauffassung des Bundeskanzleramtes dem angefochtenen Bescheid aber nicht ausdrücklich zugrunde gelegt, sondern nur den zweiten Absatz der Stellungnahme des Bundeskanzleramtes in ihren Bescheid als Zitat übernommen. Demnach wäre unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabes zu prüfen, ob diese Zeiten für die "Anstellung" unerläßlich gewesen seien. Diese Unerläßlichkeit wurde - vom Bundeskanzleramt - im Hinblick auf das Studium der Rechtswissenschaften "nicht angenommen" und daran anschließend als "ausgeschlossen" bezeichnet, daß der Erfolg der Verwendung ohne diese Studienzeit nur in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben wäre.
Die Wiedergabe dieser Wertung des Bundeskanzleramtes, der es - im übrigen auch - an entsprechenden sachverhaltsmäßigen Feststellungen mangelt, befreit die Dienstbehörde nicht von der Verpflichtung einer entsprechend begründeten bescheidmäßigen Entscheidung. Da die erforderliche Zustimmung des Bundeskanzleramtes zur Vordienstzeitenanrechnung aber lediglich ein Tatbestandserfordernis für die Entscheidung der Dienstbehörde darstellt, wäre es ungeachtet der Stellungnahme des Bundeskanzleramtes Aufgabe der Dienstbehörde gewesen, auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter Einbindung der Beschwerdeführerin die erforderlichen sachverhaltsmäßigen Feststellungen zu treffen und daran die rechtliche Wertung zu knüpfen. Dies ist im Beschwerdefall jedenfalls nicht erfolgt. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides meinte die belangte Behörde nämlich offenbar, daß es sich bei der Versagung der Zustimmung des Bundeskanzleramtes zur Vollanrechnung um eine bindende Vorfragenentscheidung handelt. Diese Rechtsauffassung ist aber, wie bereits die vorher wiedergegebene Vorjudikatur zeigt, unzutreffend.
Weiters bleibt im Beschwerdefall insbesondere unklar, welche konkrete Tätigkeit die Beschwerdeführerin in den ersten sechs Monaten ihres öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses erbracht hat. Darüberhinaus ist aus objektiv-rechtlichen Gründen zu bemängeln, daß im Antrag der belangten Behörde an das Bundeskanzleramt, wie auch in der Versagung der Zustimmung durch das Bundeskanzleramt als Rechtsgrundlage § 26 Abs. 3 VBG und nicht § 12 Abs. 3 GG genannt ist, auf dessen Grundlage dann aber der angefochtene Bescheid ergangen ist.
Es kann der belangten Behörde im Hinblick auf die vorher wiedergegebene Rechtsprechung - von der abzugehen kein Ansatz gesehen wird - auch nicht gefolgt werden, wenn sie sich zur Stützung ihrer Entscheidung in der Gegenschrift darauf beruft, daß die Beschwerdeführerin bei Abschluß ihres Dienstvertrages damit einverstanden gewesen sei, daß nur ein Hochschulstudium der Berechnung des Vorrückungsstichtages zugrunde gelegt worden sei und dies während ihrer Vertragsbedienstetenzeit nach § 26 Abs. 3 VBG "weder außergerichtlich noch im Zivilrechtsweg thematisiert" worden sei. Selbst wenn der Vorrückungsstichtag nach der Gegenschrift "seine unmittelbare besoldungsrechtliche Relevanz" durch die für die Beschwerdeführerin günstige Ernennung verloren haben sollte, ändert dies nichts an der gesetzlichen Verpflichtung der belangten Behörde über den Vorrückungsstichtag nach § 12 Abs. 3 GG abzusprechen. In der für die Beschwerdeführerin günstigeren Ernennung ist vielmehr - allenfalls - sogar ein Indiz für das öffentliche Interesse im Sinne des § 12 Abs. 3 GG zu sehen.
Was den verfahrensrechtlichen Einwand der belangten Behörde betrifft, die Beschwerdeführerin habe das Ergebnis der Beweisaufnahme durch Unterfertigung der Niederschrift (- am 5. Oktober 1995 -) "ohne Replik" zur Kenntnis genommen, ist dem entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführerin hiebei gar nicht über das Ergebnis einer Beweisaufnahme, sondern über die Rechtsauffassung des Bundeskanzleramtes informiert wurde. Davon ausgehend kann aber schon deshalb nicht gesagt werden, daß die Beschwerdeführerin dadurch eine ihr zukommende Mitwirkungsverpflichtung im Verfahren nicht entsprochen habe.
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, daß die belangte Behörde offenbar ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung in mehreren Punkten auch nicht die erforderlichen Erhebungen vorgenommen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid getroffen hat. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Nach § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 gebührt ein Schriftsatzaufwand nur dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war.
Schlagworte
Zustimmungserfordernissachliche ZuständigkeitAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996120001.X00Im RIS seit
28.02.2002Zuletzt aktualisiert am
17.05.2011