TE Vwgh Erkenntnis 2020/6/15 Ra 2019/17/0064

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Veröffentlicht am 15.06.2020
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Index

34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
VStG §22 Abs2
VStG §25 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 1. April 2019, E 018/02/2018.018/005, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf; mitbeteiligte Partei: G S in T, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 30. April 2018 wurde der Mitbeteiligte der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt und wurden über ihn vier Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil er verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht habe, indem er die Veranstaltung von verbotenen Ausspielungen im Geschäftslokal einer näher bezeichneten Gesellschaft in Form des „Öffnens des Spiellokales“, des Einschaltens der Geräte und der Ausgabe von Spielerkarten ermöglicht habe.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Verwaltungsgericht) der dagegen erhobenen Beschwerde Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 erster Fall VStG ein. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Mitbeteiligte habe das von ihm betriebene Lokal von einem näher bezeichneten Eigentümer gepachtet. Dieses Lokal befinde sich in einer Einkaufspassage mit Innenhof innerhalb eines Vierkanthofes. Um den Hof herum hätten sich verschiedene Gewerbetreibende eingemietet, wie beispielsweise ein Frisör, ein Massagebetrieb sowie der Gastronomiebetrieb des Mitbeteiligten. Die Räumlichkeiten, in denen die Glücksspielgeräte aufgestellt gewesen seien, habe ein namentlich nicht näher bekannter (vermutlich) ungarischer Staatsangehöriger vom Eigentümer gemietet. Man gelange zu diesen Räumlichkeiten über einen Gang und eine versperrte Tür; diese seien unabhängig davon, ob man das Café des Mitbeteiligten besuche, zu betreten. Der Zutritt über diese Tür sei nur mittels Karten möglich gewesen, die „im Fall der Kontrolle“ der Mitbeteiligte ausgegeben habe. Der Mitbeteiligte habe vor ca. zwei Monaten 20 bis 30 Karten für den Raum erhalten, mit denen dieser betreten und auf die Geld aufgeladen werden könne. Er habe diese Karten teilweise selbst aufgeladen und ausgegeben. Außerdem habe er morgens mittels Fernbedienung den Glücksspielraum und die Glücksspielgeräte eingeschaltet. Der Mitbeteiligte habe nicht in Abrede gestellt, dass die Kellnerin seines Cafés in den Räumlichkeiten Getränke serviert habe.

4        Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Grenze des Tatbestandes des „unternehmerisch Beteiligens“ zu dem des „unternehmerischen Zugänglichmachens“ bereits überschritten sei, wenn nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der Mitbeteiligte in Wahrheit als „Veranstalter“ aufgetreten sei. Auf Grund dieser vorliegenden „non liquet“-Situation sei das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 erster Fall VStG einzustellen.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6        1.1. Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach etwa das Verhalten einer Person, die sich durch die Aufstellung von Glücksspielgeräten in ihrem Lokal eine Belebung ihrer Getränkeumsätze erhoffe, unter § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG zu subsumieren sei.

7        Bereits aufgrund dieses Vorbringens erweist sich die Revision als zulässig; sie ist auch begründet.

8        1.2. § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG stellt sowohl das Veranstalten als auch das unternehmerische Zugänglichmachen von zur Teilnahme vom Inland aus verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unter Strafe.

1.3. Als Täter, der im Sinne des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, kommt in Betracht, wer das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt (vgl. VwGH 17.7.2019, Ra 2019/17/0058, mwN).

9        1.4. Das unternehmerische Zugänglichmachen einer verbotenen Ausspielung iSd dritten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht hingegen eine Person, die etwa ein Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und damit Spielern die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen ermöglicht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirt die Aufstellung eines solchen Glücksspielgerätes durch einen Dritten duldet, weil er dafür Miete erhält oder sich zumindest durch das Vorhandensein dieses Gerätes in seinem Lokal eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft (vgl. VwGH 26.2.2020, Ra 2019/17/0098, mwN).

10       1.5. Geht die Behörde oder das Verwaltungsgericht sowohl von der Verwirklichung des unternehmerisch Zugänglichmachens von verbotenen Ausspielungen als auch des Veranstaltens aus, wird das gleichzeitig verwirklichte Tatbild des unternehmerisch Zugänglichmachens gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG durch jenes des Veranstaltens verbotener Ausspielungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG konsumiert. Das bedeutet, dass in einem Fall, in dem ein Lokalinhaber Glücksspielgeräte Spielern unternehmerisch zugänglich macht und überdies die Geräte auf eigene Rechnung und Gefahr betreibt, er lediglich iSd ersten Tatbilds leg. cit. und nicht zusätzlich iSd dritten Tatbildes leg. cit. zu bestrafen ist (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0474, 0475).

11       1.6. Im vorliegenden Fall vertritt das Verwaltungsgericht im Ergebnis die Rechtsauffassung, dass eine Strafbarkeit des Beschuldigten im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG nicht in Betracht kommt, wenn nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der Beschuldigte als Veranstalter aufgetreten ist und damit das erste Tatbild dieser Gesetzesbestimmung verwirklicht hat.

Mit dieser Beurteilung unterliegt das Verwaltungsgericht einem Rechtsirrtum:

Kann auf dem Boden des ermittelten Sachverhaltes (so etwa wegen Zweifel an der Täterschaft) dem Beschuldigten die Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG nicht angelastet werden, so entbindet dies - wie sich bereits aus dem gemäß § 38 VwGVG iVm § 25 Abs. 1 VStG auch im Beschwerdeverfahren zu beachtenden Grundsatz der Amtswegigkeit (vgl. dazu etwa VwGH 27.11.2018, Ra 2018/17/0157, mwN) ergibt - das Verwaltungsgericht (bzw. die Verwaltungsstrafbehörde) nicht davon, zu prüfen, ob das festgestellte Verhalten des Beschuldigten ein anderes Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 leg. cit. verwirklicht habe.

12       2.1. Das Verwaltungsgericht hätte sich daher im Revisionsfall nicht darauf beschränken dürfen, im Hinblick auf die Veranstaltereigenschaft des Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG eine von ihm so bezeichnete „non liquet“-Situation anzunehmen, sondern es hätte von der dargelegten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Tatbestandsmerkmal „unternehmerisch Zugänglichmachen“ und den von ihm erzielten Beweisergebnissen ausgehend prüfen müssen, ob der Mitbeteiligte allenfalls - wie von der belangten Behörde angelastet - § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG erfüllt hat.

13       2.2. Dadurch hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass das Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Es erübrigt sich daher, auf das weitere Revisionsvorbringen näher einzugehen.

Das Verwaltungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren weiters zu beachten haben, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) nur dann zulässig ist, wenn es nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. etwa VwGH 30.3.2020, Ra 2019/09/0057, mwN), wobei die belangte Behörde dem Mitbeteiligten das dritte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG angelastet hat.

Wien, am 15. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170064.L00

Im RIS seit

09.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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