TE Vwgh Erkenntnis 2020/6/26 Ra 2019/17/0073

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

GSpG 1989 §50 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z5
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der G K in S, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10/4. OG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 11. Juni 2019, LVwG-S-652/001-2019, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 10. Jänner 2019 wurde die Revisionswerberin wegen der Verletzung einer Duldungs- und Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000 (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil sie anlässlich einer Kontrolle nach dem GSpG am 19. Juli 2018 in einem näher bezeichneten und von einer näher genannten Gesellschaft betriebenen Geschäftslokal als Person, die Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten habe, den Organen der Finanzpolizei die Durchführung von Testspielen nicht ermöglicht habe, weil die Stromzufuhr zu den sieben Glücksspielgeräten unterbrochen gewesen sei.

2        Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) der dagegen erhobenen Beschwerde mit der Maßgabe keine Folge, dass es den Spruch dahingehend modifizierte, dass die Revisionswerberin gegen ihre Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 GSpG verstoßen habe, indem sie als Person, die in einem näher bezeichneten Lokal Glücksspieleinrichtungen für eine näher bezeichnete Gesellschaft bereitgehalten habe, bei der am 19. Juli 2018 durchgeführten Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei die Durchführung von Testspielen dadurch nicht ermöglicht habe, „dass die Stromzufuhr zu allen sieben zu kontrollierenden Glücksspielgeräten unterbrochen wurde“. Im Übrigen verpflichtete das Verwaltungsgericht die Revisionswerberin zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        In rechtlicher Hinsicht vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, die Revisionswerberin habe als Person, die Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten habe, „den Organen der Finanzpolizei die Durchführung von Testspielen nicht ermöglicht [...], da die Stromzufuhr zu allen sieben gegenständlichen Glücksspielgeräten unterbrochen war.“ Da die Geräte zum Tatzeitpunkt bereits heruntergefahren gewesen seien und eine „Probebespielung“ nicht möglich gewesen sei, sei der objektive Tatbestand des § 50 Abs. 4 GSpG verwirklicht. Die Revisionswerberin habe die angelastete Verwaltungsübertretung nicht bestritten, sodass von vorsätzlicher Tatbegehung auszugehen sei.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5        1.1. Die Revision erweist sich bereits im Hinblick auf die - in der Zulässigkeitsbegründung gerügte - Mangelhaftigkeit des Spruches des angefochtenen Erkenntnisses als zulässig; sie ist insoweit auch begründet.

6        1.2. § 44a VStG regelt, welche Bestandteile der Spruch eines Straferkenntnisses zu enthalten hat. Dazu zählen unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0661, mwN).

7        1.3. Gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit bis zu EUR 20.000 zu bestrafen, wer gegen eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG verstößt.

8        1.4. Gemäß § 50 Abs. 4 GSpG sind u.a. die Organe der öffentlichen Aufsicht zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung u.a. diesen Organen umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber den Kontrollorganen nachkommt.

9        Mit den in § 50 Abs. 4 GSpG enthaltenen Duldungs- und Mitwirkungspflichten wollte der Gesetzgeber dem Versuch der Glücksspielanbieter begegnen, durch mangelnde Kooperation die Behörden an der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente zu hindern und so bereits im Ansatz die Einleitung von Strafverfahren zu vereiteln. Nicht nur, dass den Kontrollorganen Testspiele unentgeltlich ermöglicht werden sollten, es sollten sich die Verpflichteten auch nicht durch mangelnde Vorkehrungen ihrer Mitwirkungspflicht entziehen können (vgl. ErläutRV 1960 BlgNR 24. GP 51 zu § 50 Abs. 4 zweiter Satz GSpG). Ohne diese Pflichten wäre es den Behörden nicht oder nur mit unangemessen hohem Aufwand möglich, Verstöße gegen das GSpG festzustellen und entsprechend zu ahnden (vgl. VwGH 22.5.2019, Ra 2018/09/0171, mwN).

10       1.5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Zusammenhang mit § 50 Abs. 4 GSpG bereits ausgesprochen, dass § 52 Abs. 1 Z 5 iVm § 50 Abs. 4 GSpG nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut mehrere Tatbegehungsvarianten beinhaltet. Dies bedeutet aber nicht, dass die einzelnen Tatbegehungsvarianten ohne entsprechend auf den konkreten Sachverhalt bezogenen Vorwurf beliebig angelastet werden dürften. Es reicht nicht aus, die verba legalia zu wiederholen, ohne konkret anzugeben, durch welches Handeln der Beschuldigten es zur Verletzung der herangezogenen Strafbestimmung gekommen ist. Darüber hinaus kann bei Fehlen von Angaben, worauf die Annahme der Verwirklichung des Tatbestandes gestützt wird, auch nicht geprüft werden, ob es zu einem Austausch des Tatvorwurfes gekommen ist (vgl. VwGH 12.6.2019, Ra 2019/17/0034, mwN).

11       1.6. Im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses wird der Revisionswerberin vorgeworfen, sie habe bei einer Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei die Durchführung von Testspielen dadurch nicht ermöglicht, „dass die Stromzufuhr zu allen sieben zu kontrollierenden Glücksspielgeräten unterbrochen wurde“. Aus dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses geht damit nicht mit der erforderlichen Sicherheit hervor, dass die Revisionswerberin die Unterbrechung der Stromzufuhr bewirkt oder veranlasst habe. Bloß aus dem Umstand allein, dass die Stromzufuhr bei der Kontrolle unterbrochen war, lässt sich eine strafbare Verletzung einer Duldungs- und/oder Mitwirkungspflicht durch die Revisionswerberin nicht ableiten (vgl. wiederum VwGH 22.5.2019, Ra 2018/09/0171).

12       1.7. Da der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG nicht gerecht wird, ist das Erkenntnis schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen war.

13       2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

14       3. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 26. Juni 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170073.L00

Im RIS seit

09.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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