TE Vwgh Beschluss 2020/6/26 Ra 2019/17/0010

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Index

E1E
E1P
E6J
E6O
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren
59/04 EU - EWR

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §14 Abs3
GSpG 1989 §19
GSpG 1989 §4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §44a Z1
VStG §44a Z3
VStG §9
VwGG §34 Abs1
12010E049 AEUV Art49
12010E056 AEUV Art56
12010E267 AEUV Art267
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
62015CJ0685 Online Games VORAB
62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
62017CO0079 Gmalieva VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Mag. Berger und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des T M in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 5. November 2018, LVwG-S-1469/004-2015, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 2. April 2015 wurde der Revisionswerber als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 letzter Fall iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz - GSpG in drei Fällen schuldig erkannt und wurden über ihn drei Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Die von ihm vertretene Gesellschaft habe sich als Eigentümerin von drei bestimmt bezeichneten Glücksspielgeräten, mit denen vom Inland aus verbotene virtuelle Ausspielungen durchgeführt worden seien, von 1. Jänner 2014 bis 6. November 2014 an diesen Ausspielungen unternehmerisch beteiligt, indem sie diese Geräte bereitgestellt habe.

2        Mit Erkenntnis vom 30. Jänner 2017 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde ab und setzte die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit EUR 6.000,-- fest. Dieses Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30. August 2018, Ra 2017/17/0815, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

3        Mit dem nun angefochtenen (Ersatz)Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde insoweit Folge, als es den Tatzeitraum auf „01.03.2014 bis 06.11.2014“ einschränkte, die Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 GSpG im Spruch ergänzte und die Geldstrafen auf jeweils EUR 8.000,-- (sowie die Ersatzfreiheitstrafen auf jeweils 11 Tage) herabsetzte. Weiters setzte es die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens neu fest und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht begründend u.a. aus, dass „eine Herabsetzung der Strafen auf die Mindeststrafe [...] aus spezial- und generalpräventiven Gedanken nicht möglich“ gewesen sei.

4        Gegen dieses (Ersatz)Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        1.1. Zum unionsrechtlichen Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

9        Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff).

10       1.2. Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers steht das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

11       1.3. Anders als der Revisionswerber vertritt, kann sich das GSpG selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre - etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung - nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0459, 0460, sowie 16.11.2018, Ra 2017/17/0947). Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen.

12       2.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 3 VStG, weil, obwohl das Verwaltungsgericht in Abänderung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses als Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GspG herangezogen habe, nicht ersichtlich sei, welchen Strafrahmen es bei der Strafbemessung herangezogen habe. Entgegen diesem Vorbringen wurde durch die Anführung der Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 GSpG im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses den Anforderungen des § 44a Z 3 VStG Genüge getan. Der vom Verwaltungsgericht herangezogene Strafrahmen - nämlich der erste Strafsatz von § 52 Abs. 2 GSpG - ergibt sich ausgehend von der festgestellten Übertretung mit drei Glücksspielgeräten überdies hinreichend deutlich aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, gelangte das Verwaltungsgericht doch wie bereits oben erwähnt unter vorheriger Bezugnahme auf § 52 Abs. 2 GSpG und insbesondere mangels Erwähnung einer Vortat zur Rechtsansicht, dass „[E]ine Herabsetzung der Strafen jeweils auf die Mindeststrafe [...] nicht möglich“ gewesen sei. Darüber hinaus ergeben sich auch aus dem erstinstanzlichen Straferkenntnis, das im Schuldausspruch - sieht man von der Tatzeit ab - insoweit mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigt wurde, keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Revisionswerber eine Wiederholung der Übertretungen zur Last gelegt wurde. Daran, dass mit dem vorgenannten Begründungsteil des angefochtenen Erkenntnisses die nach dem ersten Strafsatz vorgesehene Mindeststrafe von § 52 Abs. 2 GSpG gemeint ist, kann somit kein Zweifel bestehen.

13       2.2. Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit weiters aus, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG, wonach der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein müsse, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolge. Dem angefochtenen Erkenntnis sei nicht zu entnehmen, welche konkrete Tathandlung dem Revisionswerber vorgeworfen werde, weil ihm unterschiedliche Tathandlungen vorgeworfen würden. Eine Feststellung des Verwaltungsgerichtes laufe auf eine Veranstaltereigenschaft der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft hinaus.

14       Mit dem vierten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ist eine Person gemeint, die nicht Veranstalter ist, sondern sich nur in irgendeiner Weise an der Veranstaltung unternehmerisch im Sinn des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt (vgl. VwGH 13.2.2020, Ra 2019/17/0116). Angesichts der für die Beurteilung der vorgeworfenen unternehmerischen Beteiligung nach § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG ausreichenden und insbesondere auch im Einklang mit dem Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde stehenden Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis, nämlich vor allem des Umstands, dass die vom Revisionswerber vertretene Gesellschaft die revisionsgegenständlichen drei Glücksspielgeräte bereitgestellt habe, wird jedoch diesbezüglich nicht konkret dargelegt, dass die Tatumschreibung nicht so präzise gewesen wäre, dass der Revisionswerber seine Verteidigungsrechte nicht hätte wahrnehmen können oder er der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/09/0175; sowie weiters 21.9.2018, Ra 2017/17/0213, mwN; 7.1.2019, Ra 2018/17/0131, jeweils mwN). Im Übrigen wurde im erstinstanzlichen Straferkenntnis, mit dem dem Revisionswerber die Übertretung des „52 Abs. 1 Z 1 letzter Fall“ GSpG angelastet wurde, ausdrücklich festgehalten, dass der Einwand, „nicht Veranstalter zu sein“, ins Leere gehe, weil ein derartiger Vorwurf nicht erhoben worden sei, und es ist auch in dem diesen Schuldspruch bestätigenden angefochtenen Erkenntnis keine Rede davon, dass dem Revisionswerber die Verwirklichung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG angelastet wurde.

15       3. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
EuGH 62012CJ0390 Pfleger VORAB
EuGH 62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
EuGH 62015CJ0685 Online Games VORAB
EuGH 62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
EuGH 62017CO0079 Gmalieva VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170010.L00

Im RIS seit

09.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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