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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
IPRG §6Rechtssatz
Die Ansicht, es sei ausreichend, dass zunächst abstrakt geprüft werden müsse, ob das fremde Recht in seiner Gesamtheit gegen Grundwertungen des österreichischen Rechts verstoße, und nur bei Bejahung dieser Frage könnte das konkrete Ergebnis der Anwendung als ordre-public-widrig angesehen werden, ist verfehlt. Maßgebend ist allein das Ergebnis der Anwendung des fremden Rechts im konkreten Fall, nicht dessen abstrakter Inhalt. Denn Zweck der Vorbehaltsklausel ist allein die Verhinderung eines materiell untragbaren Ergebnisses im Einzelfall. Weder führt daher die Unvereinbarkeit der fremden Gesamtregelung eines Rechtsgebiets mit eigenen Grundwertungen zwingend zur Unanwendbarkeit eines Teils dieser Regelung im konkreten Fall, noch ist sie notwendige Voraussetzung dafür (vgl. auch dazu OGH 29.1.2019, 2 Ob 170/18s). In diesem Sinn hat auch der VfGH in seiner Rechtsprechung darauf verwiesen, dass die Ansicht, wonach "jedweder Verweis auf eine nach Sharia-Recht geschlossene Ehe ins Leere gehen" müsse, weil "das gesamte Eherecht der Sharia [...] in toto dem ordre public widersprechend zu betrachten" sei, mit dem Gesetz nicht im Einklang steht. Zudem würde diese Auffassung darauf hinauslaufen, dass eine nach islamischem Recht geschlossene Ehe unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalles niemals anzuerkennen wäre (VfGH 10.10.2019, E 1805/2018 u.a.). Dem entspricht auch die Judikatur des VwGH (vgl. VwGH 4.10.2018, Ra 2018/18/0149; 6.9.2018, Ra 2018/18/0094).
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140006.L05Im RIS seit
09.08.2020Zuletzt aktualisiert am
09.08.2020