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E1PNorm
AVG §19Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision der P GmbH in S, vertreten durch Mag. Alexander Atzl, Rechtsanwalt in 6300 Wörgl, Peter Stöckl-Straße 8, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 9. Jänner 2019, LVwG-2018/31/0774-17, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer mündlichen Verhandlung in einer Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde St. Johann in Tirol; mitbeteiligte Parteien: 1. M S und 2. F W, beide vertreten durch Dr. Elisabeth Sammer-Resch, Rechtsanwältin in 6380 St. Johann in Tirol, Brauweg 1; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (in der Folge: LVwG) wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (in einer Bauangelegenheit) als unzulässig zurückgewiesen (1.). Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (2.).
5 Begründend führte das LVwG hierzu zusammengefasst aus, die Zustellung des Ladungsbeschlusses zur mündlichen Verhandlung vor dem LVwG vom 3. Oktober 2018 an die revisionswerbende Partei habe sich nicht hinreichend rekonstruieren lassen. Weder sei der diesbezügliche Rsb-Rückschein beim LVwG eingelangt, noch sei das Schriftstück mit dem Vermerk „Nicht behoben“ an das LVwG retourniert worden. Recherchen des LVwG beim Post-Kundenservice hätten ergeben, dass die tatsächliche Übernahme des Ladungsbeschlusses seitens der Post nicht habe festgestellt werden können. In Verbindung mit diesen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens seien die Erklärungen des vermeintlichen Empfängers des Ladungsbeschlusses (Geschäftsführer der revisionswerbenden Partei), wonach er diesen ebensowenig erhalten habe, wie eine diesbezügliche Hinterlegungsanzeige (Verweis auf dessen eidesstattliche Erklärung vom 30. November 2018), sowie, dass die revisionswerbende Partei erst mit Zustellung des die zugrundeliegende Bausache erledigenden Erkenntnisses am 21. November 2018 Kenntnis von der versäumten Verhandlung vom 23. Oktober 2018 erhalten habe, glaubwürdig und nachvollziehbar. Es sei daher davon auszugehen, dass hinsichtlich des Ladungsbeschlusses vom 3. Oktober 2018 ein Zustellmangel vorliege. Rechtlich führte das LVwG hierzu aus, nach gängiger Rechtsprechung sei eine Frist nur dann als „versäumt“ anzusehen, wenn der Lauf der Frist für eine Prozesshandlung durch den gesetzlich vorgesehenen Akt ausgelöst worden und die Frist ungenützt verstrichen sei. Sei der Fristenlauf gar nicht ausgelöst worden, etwa, weil eine Zustellung nicht rechtswirksam erfolgt sei, könne die Frist auch nicht versäumt werden, sodass „nach überwiegender Rechtsprechung und Lehre“ eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht komme. Sollte dennoch das Verfahren, wie im Gegenstandsfall durch Erkenntnis des LVwG vom 14. November 2018, beendet werden, liege diesbezüglich ein „Verfahrensmangel bzw. Nichtigkeit“ vor, welche mit Revision bekämpft werden könne (Verweis auf Liebhart, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung einer Verhandlung, ÖJZ 2013, 533); der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei in der gegenständlichen Fallkonstellation daher nicht zulässig, weshalb der Antrag der revisionswerbenden Partei als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
6 In den Zulässigkeitsgründen der gegen diesen Beschluss gerichteten außerordentlichen Revision bringt die revisionswerbende Partei zusammengefasst vor, das LVwG gehe selbst davon aus, dass zur Frage, ob ein Zustellmangel einen Wiedereinsetzungsgrund bilde, keine einheitliche Rechtsprechung vorliege. Außerdem habe das LVwG nicht dezidiert einen Zustellmangel angenommen, weshalb es eine Überprüfung dahingehend anzustellen gehabt hätte, ob die revisionswerbende Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2018 gehindert gewesen sei. Es liege eine „Abweichung zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 33 VwGVG (und § 71 AVG)“ vor (Verweis auf näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
7 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen wird eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für den Revisionsfall nicht dargelegt:
8 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 25.2.2020, Ra 2020/06/0065, mwN).
9 Mit ihrem bloßen Hinweis in der Zulässigkeitsbegründung der Revision, das LVwG gehe im Revisionsfall selbst davon aus, dass zur Frage, ob ein Zustellmangel einen Wiedereinsetzungsgrund bilde, „keine einheitliche Rechtsprechung“ vorliege, legt die revisionswerbende Partei schon nicht dar, dass und inwiefern sich diese aus dem angefochtenen Beschluss abgeleitete Aussage auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beziehen sollte (zur Anknüpfung von Art. 133 Abs. 4 B-VG allein auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vgl. etwa VwGH 14.2.2017, Ra 2017/17/0010 oder auch 28.5.2019, Ro 2019/10/0002). Dass keine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der in Rede stehenden Frage bestehen sollte, behauptet die revisionswerbende Partei selbst nicht (vgl. hierzu etwa VwGH 11.2.2016, Ra 2016/22/0012) und führt in diesem Zusammenhang auch keine Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen.
10 Abgesehen davon hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 etwa im Erkenntnis vom 26. Juni 2019, Ra 2019/20/0137, bereits ausgesprochen, dass die zu § 71 AVG ergangene Rechtsprechung infolge der gleichartigen Rechtslage auf die Bestimmung des § 33 VwGVG übertragbar ist und die Versäumung einer mündlichen Verhandlung nach § 71 Abs. 1 AVG dann nicht eintritt, wenn die Partei nicht oder nicht ordnungsgemäß geladen wurde (Verweis auf VwGH 26.9.2012, 2010/04/0095). Liegt eine ordnungsgemäße Ladung einer Partei für einen vom Verwaltungsgericht festgelegten Verhandlungstermin nicht vor, und führt dies zu einem Nichterscheinen dieser Partei bei der dennoch durchgeführten mündlichen Verhandlung, so ist dieser Fehler mit Revision gegen eine in der Folge in der Sache ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes bekämpfbar und vermag dies, jedenfalls im Anwendungsbereich der Art. 6 EMRK sowie Art. 47 GRC und wenn ein weiterer Verhandlungstermin unter Einbeziehung der betreffenden Partei nicht stattgefunden hat, die nachfolgende Entscheidung des Verwaltungsgerichtes mit einem wesentlichen Verfahrensfehler zu belasten (vgl. etwa VwGH 28.10.2019, Ra 2019/16/0129, 0130). Nicht jedoch tritt nach dem oben Gesagten die Versäumung einer Verhandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGVG ein, wenn die Partei, wie im vorliegenden Revisionsfall, nicht oder nicht ordnungsgemäß zur Verhandlung geladen wurde, weshalb in einer derartigen Fallkonstellation ein Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß der genannten Gesetzesbestimmung nicht in Betracht kommt (vgl. zu allem nochmals VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0137).
11 Ausgehend davon geht das Vorbringen der revisionswerbenden Partei, es liege gegenständlich eine „Abweichung zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 33 VwGVG (und § 71 AVG)“ vor - abgesehen davon, dass die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes jeweils andere Sachverhaltskonstellationen betrafen - ins Leere.
12 In der Revision werden damit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 3. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019060036.L00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020