TE Vwgh Erkenntnis 1978/5/29 2899/76

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Veröffentlicht am 29.05.1978
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Index

Baurecht - Wien
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82000 Bauordnung
L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Wr §60 Abs1 litc
BauRallg implizit
VStG §5 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann, Dr. Draxler und Dr. Onder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde der C I in W, vertreten durch Dr. Robert Hyrohs, Rechtsanwalt in Wien I, Kärntnerstraße 37, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Dezember 1975, Zl. MA 64-28/75/Str., betreffend die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung nach § 60 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Wiener Magistrates, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 8. Jänner 1975 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien eine Geldstrafe in Höhe von S 6.000,-- (Ersatzarreststrafe 12 Tage) verhängt, weil sie als Eigentümerin (Miteigentümerin) am 26. September 1974 in Wien 2., M-platz/4/70, bauliche Abänderungen, nämlich die Zusammenlegung von Wohnungen, durchgeführt habe, ohne im Besitz einer Baubewilligung zu sein und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 60 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien begangen habe. Zur Begründung wurde im wesentliche ausgeführt, der Tatbestand, nämlich das Vorliegen der im Spruch angeführten baulichen Veränderungen, sei von einem Organträger der Magistratsabteilung 36 (Baupolizei) auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung festgestellt worden. Die Beschwerdeführerin habe am 18. Dezember 1974 anläßlich ihrer Einvernahme keine Baubewilligung, sondern lediglich einen Plan des gegenständlichen Hauses vorlegen können, der jedoch in keinerlei Zusammenhang mit einer Baubewilligung habe gebracht werden können. Die angezeigten baulichen Abänderungen im Hause seien von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden. Bei der Strafbemessung sei als erschwerend nichts, als mildernd aber das Geständnis der Beschwerdeführerin gewertet worden, deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse mangels ihrer Mitwirkung an deren Feststellung nicht hätte berücksichtigt werden können.

In der dagegen erhobenen Berufung, in der sie auf den Inhalt der Berufung des L I in der gleichen Sache verwies, machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen die Gültigkeit des von ihr in Fotokopie beigeschlossenen Bescheides vom 23. Februar 1971, Zl. MA 36-II, M-platz/4/70, über die Bewilligung baulicher Abänderungen im genannten Hause gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) geltend. Es sei im Hinblick darauf, daß diese Baubewilligung am 4. März 1971 zugestellt und am 17. März 1971 rechtswirksam geworden sei, unwahrscheinlich, daß für dieses Bauvorhaben der Baubeginn bereits vorher (1. März 1971) angezeigt worden sein sollte. Der tatsächliche Arbeitsbeginn für diese Wohnungsverbesserungsarbeiten sei erst nach Erwerb der Liegenschaft (Vertrag vom 9. November 1972) und Besorgung der Geldmittel gemäß Wohnungsverbesserungsgesetz im November 1972 durch die Beschwerdeführerin veranlaßt und die Baufirma beauftragt worden, auch den Baubeginn entsprechend zu melden, wobei sie in diesem Zusammenhang auf ihre Berufung wegen Baueinstellung vom 7. Oktober 1974 zu MA 36 - II., M-platz/9/70, verweise. Die Verhängung einer Geldstrafe in exorbitanter Höhe sei daher unbegründet.

Mit dem Berufungsbescheid vom 23. Dezember 1975 bestätigte die Wiener Landesregierung das Straferkenntnis erster Instanz vom 5. Jänner 1975 in der Schuldfrage und hinsichtlich des Ausspruches der Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges, ermäßigte jedoch gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 die Strafe auf S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe 6 Tage); der Strafkostenbeitrag wurde entsprechend herabgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, es habe die Bauoberbehörde für Wien über die von der Beschwerdeführerin ausdrücklich ins Treffen geführte und ähnlich wie die nunmehrige Strafberufung begründete Berufung gegen den Baueinstellungsbescheid der Baupolizei vom 26. September 1974 in ihrer Sitzung vom 18. Juni 1975 einen abweisenden Berufungsbescheid erlassen. Der wesentliche Teil der auch in diesem Verfahren verwertbaren Begründung der der Beschwerdeführerin nachweislich zugestellten Entscheidung der Bauoberbehörde laute wie folgt:

„Auf Grund des Berufungsvorbringens wurde die Baubehörde erster Instanz zunächst ersucht, zu diesem Stellung zu nehmen und insbesondere die in der Begründung ihres Bescheides vom 8. Oktober 1974, Zl. MA 36/2-M-platz/12/74, erwähnte Baubeginnsanzeige vorzulegen. Mit dem zuletzt zitierten Bescheid war ein Ansuchen der Berufungswerber um Verlängerung der Ausführungsfrist für die mit Bescheid vom 23. Februar 1971 bewilligten baulichen Abänderungen gemäß § 74 der Bauordnung für Wien abgewiesen worden. Die erste Instanz legte die erwähnte Baubeginnsanzeige vor und führte im übrigen aus, der Beginn der Arbeiten dürfte tatsächlich zu diesem Zeitpunkt (1. März 1971) erfolgt sein, denn bei einer Erhebung am 20. Oktober 1971 seien einige der genehmigten Arbeiten schon ausgeführt gewesen. Den Berufungswerbern wurde dieses Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht, wobei insbesondere darauf hingewiesen wurde, daß die in der Baubeginnsanzeige enthaltene Angabe ‚4/70‘ einen Bezug zum Bescheid der Magistratsabteilung 36 vom 23. Februar 1971, Zl. MA 36/II-M-platz/4/70, herstellte. Die Berufungswerber erklärten hiezu in einer schriftlichen Gegenäußerung, die Firma J L. habe vom Vorbesitzer bzw. dessen Hausverwaltung seinerzeit den Auftrag erhalten, die von der Firma O F begonnenen Renovierungsarbeiten nach § 7 des Mietengesetzes fertigzustellen. Gleichzeitig sei der Firma L (als Planverfasser) mitgeteilt worden, daß nach Kreditgenehmigung und Zuweisung auch die Wohnungsverbesserungsarbeiten begonnen werden könnten. Die Berufungswerber wiederholen dann ihre bereits in der Berufung enthaltenen Ausführungen über die Krediteinverleibung und den Übergang des Besitzes an dem Haus M-platz. Sie meinen, sie hätten den Auftrag zur Adaptierung des Hauses erst danach erteilen können. Naturgemäß seien jedoch schon früher die Baustelleneinrichtung und Vorarbeiten im Rahmen der Arbeiten nach § 7 des Mietengesetzes und der Dachausbauten erfolgt. Diese Maßnahmen hätten für die nachfolgenden Wohnungsverbesserungsarbeiten weiter dienen können. Bei einem Gesamtbauvolumen der Verbesserungsarbeiten von S 4,200.000,--habe es sich bei den bereits ausgeführten (nicht genehmigungspflichtigen) Vorarbeiten um eine verschwindende Menge gehandelt. Nach Rücksprache mit der Firma L sei den Berufungswerbern mitgeteilt worden, daß die Baubeginnsanzeige eigentlich als Bauführerwechsel gedacht gewesen sei, ohne auf die künftigen Wohnungsverbesserungsarbeiten Bedacht zu nehmen. Das Vorbringen der Berufungswerber vermag eine im wesentlichen anderslautende Entscheidung nicht herbeiführen. Selbst wenn im einzelnen nicht mehr feststellbar ist, welche der mit Bescheid vom 23. Februar 1971 bewilligten Adaptierungsarbeiten bei der baubehördlichen Erhebung am 20. Oktober 1971 bereits ausgeführt waren, muß aus der Erinnerung der baubehördlichen Organe im Zusammenhalt mit der deutlichen Bezugnahme der Baubeginnsanzeige der Firma J L auf den Bescheid 2.-M-platz/4/70 der Schluß gezogen werden, daß mit den in Frage stehenden Arbeiten tatsächlich bereits am 1. März 1971 begonnen wurde. Demnach war die Baubeginnsfrist (gemeint offenbar: die Bauvollendungsfrist) im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides längst abgelaufen, und die Arbeiten wurden, wie die Erstinstanz richtig festgestellt hat, ohne Baubewilligung ausgeführt.“

Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides weiter aus, eine Übertretung des § 60 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien sei ein Ungehorsamsdelikt, da zum Tatbestand dieser Übertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehöre und die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimme. Für ein solches Ungehorsamsdelikt treffe gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 den Täter die Beweislast dafür, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdeführerin einen solchen Entlastungsbeweis nicht angetreten, geschweige denn erbracht, sodaß neben dem Tatsächlichen der Tat, das im Hinblick auf die oben angeführte Berufungsentscheidung der Bauoberbehörde für Wien erwiesen sei, auch das Verschulden gegeben sei. Angesichts der relativen Kürze der inkriminierten Tatzeit, der erst im Berufungsverfahren hervorgekommenen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführer und des Fehlens erschwerender Umstände sei der Berufungsbehörde eine Herabsetzung des Strafausmaßes trotz des gesetzlichen Strafrahmens von S 30.000,-- gerechtfertigt erschienen, wobei eine Bedachtnahme auf die Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführer mangels deren Mitwirkung an der diesbezüglichen Sachverhaltsdarstellung nicht möglich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorbringt, es habe, da die Baubewilligung am 17. März 1971 rechtswirksam geworden sei, die Zweijahresfrist frühestens im März 1973 geendet. Die Beschwerdeführerin habe lediglich den Bauführer unmittelbar nach grundbücherlicher Übertragung des Eigentumsrechtes (9. November 1972), also zu einem Zeitpunkt, als die Baubewilligung noch gültig gewesen sei, mit der Durchführung von Arbeiten beauftragt, während die tatsächliche Bauführung in der Folge durch den Bauführer erfolgt sei, der daher der einzig Verantwortliche für alle eingetretenen Beanstandungen sei. Die belangte Behörde habe sich überhaupt nicht mit der Frage beschäftigt, ob am 26. September 1974 tatsächlich von der Beschwerdeführerin Bauarbeiten durchgeführt wurden. Sie habe den Auftrag an die Firma D im Jahre 1972, also eindeutig vor Ablauf der Gültigkeitsfrist und somit in Erfüllung eines behördlich zugestandenen Rechtes, erteilt. Es komme lediglich darauf an, wann der Bauwerber den Bauführer beauftragt habe, da mit der Erteilung des Bauauftrages eine Verpflichtung des Bauwerbers abgeschlossen sei und ab da an alle übrigen Verpflichtungen und somit auch die Verantwortlichkeit für den Fall, daß Bauarbeiten ohne gültige Baubewilligung durchgeführt würden, nicht den Bauwerber, sondern den Bauführer träfen. Dieser sei auch dafür verantwortlich, daß Bauarbeiten ohne gültige Baubewilligung durchgeführt werden, sofern die Baubewilligung in einem Zeitpunkt ablaufe, in welchem der Bauauftrag seitens des Bauwerbers bereits erteilt gewesen sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 23. März 1971, Zl. MA 36-11., M-platz/4/70, bauliche Abänderungen im genannten Hause gemäß § 70 der Bauordnung für Wien bewilligt wurden und der Behörde mit Anzeige vom 9. März 1971 mitgeteilt wurde, daß mit diesen Bauarbeiten bereits am 1. März 1971 begonnen worden sei. Am 20. Oktober 1971 sind - wie eine behördliche Kontrolle ergab - einige der genehmigten Arbeiten bereits ausgeführt gewesen. Am 26. September 1974 wurde durch ein Organ des Magistrates der Stadt Wien, MA 36 Baupolizei, festgestellt, daß an diesem Tage bauliche Abänderungen ohne Baubewilligung durchgeführt wurden. Ferner hat die belangte Behörde in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides ausreichend dargelegt, warum sie davon ausgehen konnte, daß die in Rede stehenden und am 26. September 1974 festgestellten Arbeiten ohne Vorliegen einer gültigen Baubewilligung ausgeführt worden waren. Da die Beschwerdeführerin den Bau (die Bauarbeiten) nicht innerhalb von zwei Jahren ab Kenntnisnahme der Baubeginnsanzeige (9. März 1971) vollendet und auch vor Ablauf dieser Frist nicht um eine Nachfrist angesucht hatte, war die seinerzeit mit Bescheid vom 23. Februar 1971 für diese Bauarbeiten erteilte Baubewilligung im Grunde der Bestimmung des § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien jedenfalls im Tatzeitpunkt (26. September 1974) erloschen und es ist der belangten Behörde kein Fehler unterlaufen, wenn sie in ihrer Entscheidung davon ausgegangen ist. Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus in der Beschwerde selbst zugestanden, daß auch der neue Erwerber einer Liegenschaft - dies trifft in ihrem Falle zu - an die oben erwähnte zweijährige Bauvollendungsfrist gebunden ist. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, es sei mit der Erteilung des Bauauftrages an den Bauführer ihre Verpflichtung hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen der Bauordnung für Wien auf den Bauführer übergegangen, ist entgegenzuhalten, daß bei einer Verwaltungsübertretung nach § 60 Abs. 1 der Bauordnung für Wien Täter der Bauherr ist. Da im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin als Liegenschaftsmiteigentümerin auch Bauherr war, ist sohin die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin für die Durchführung von Bauarbeiten im Tatzeitpunkt auf ihrer Liegenschaft auch verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist. Ihrem weiteren Vorbringen aber, der Bauführer habe abweichend oder entgegen dem erteilten Auftrag die Arbeiten zeitlich über die Gültigkeitsdauer der Baubewilligung ausgedehnt und die Beschwerdeführerin sei auch aus diesem Grunde schuldlos im Sinne des § 5 VStG 1950, steht das Neuerungsverbot nach § 41 Abs. 1 VwGG 1965 entgegen, da eine diesbezügliche Behauptung im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren nicht aufgestellt wurde. Dies trifft ebenso auf die Behauptung zu, es seien am 26. September 1974 unbefugte Bauführungen überhaupt nicht vorgenommen worden.

Da sich die Beschwerde aus den dargelegten Erwägungen als unbegründet erwies, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmung der §§ 47 ff VwGG 1965, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGB1. Nr. 542/1977.

Wien, am 29. Mai 1978

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Baurecht Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1978:1976002899.X00

Im RIS seit

10.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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