TE Vwgh Beschluss 2020/6/29 Ra 2020/16/0074

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
61/01 Familienlastenausgleich

Norm

B-VG Art133 Abs4
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamts Waldviertel in 3500 Krems an der Donau, Rechte Kremszeile 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 17. März 2020, Zl. RV/7104994/2019, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen (mitbeteiligte Partei: K E K, Bakk., K), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 28. März 2019 forderte das Finanzamt von der Mitbeteiligten für deren 1999 geborene Tochter C für den Zeitraum Februar bis September 2018 bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zurück.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 8. August 2019 ab, weil sich die Tochter der Mitbeteiligten nach der Abmeldung vom Kolleg für Innenraumgestaltung im Jänner 2018 bis zur Aufnahme des Studiums der Pharmazie im Oktober 2018 nicht in Berufsausbildung befunden habe.

3        Mit Vorlageantrag vom 30. August 2019 beantragte die Mitbeteiligte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten hinsichtlich des Monats August 2018 Folge und wies die Beschwerde hinsichtlich der Monate Februar bis Juli 2018 und September 2018 ab. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

5        C habe im Juni 2017 die Reifeprüfung abgelegt und im September 2017 mit der Ausbildung an Tageskolleg für Innenraumgestaltung begonnen. Am 11. Jänner 2018 habe sich C vom Tageskolleg abgemeldet. Im Juli 2019 (gemeint offensichtlich: 2018) habe C einen Vorbereitungskurs für die Aufnahmeprüfung des Studiums der Pharmazie besucht. Am 30. August 2018 habe der Aufnahmetest stattgefunden. Da nicht alle Bewerber zum Test erschienen seien, hätten alle Testteilnehmer einen Studienplatz erhalten.

6        Auch die Vorbereitungszeit zur Ablegung einer Aufnahmeprüfung, welche Voraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung (eines Studiums) sei, könne bereits als Berufsausbildung angesehen werden. Voraussetzung dafür sei aber, dass sich der Prüfling ernsthaft und zielstrebig um den Studienfortgang bemühe und die Vorbereitungszeit auch in quantitativer Hinsicht seine volle Zeit in Anspruch nehme.

7        Gemessen an den Anforderungen des Aufnahmetests (2-stündige Dauer, Skriptum mit 83 Seiten, Beispiele, deutsche und englische Texte, Zahlenreihen udgl.) und dem mit 24 Kursstunden angesetzten Vorbereitungskurs sei das zeitliche Ausmaß der Vorbereitung der Tochter der Mitbeteiligten in den Monaten Februar bis Juli 2018 quantitativ viel zu gering gewesen, um den Erfordernissen einer Berufsausbildung iSd FLAG entsprechen zu können.

8        Aufgrund der beginnenden und schließlich intensiven Auseinandersetzung mit dem Lernstoff und den zu lösenden Beispielsaufgaben im Prüfungsmonat August sei davon auszugehen, dass der wöchentliche Lernaufwand der Tochter der Mitbeteiligten zumindest 30 Stunden wöchentlich betragen habe, sodass der für eine Anerkennung als Berufsausbildung erforderliche Zeitaufwand gegeben sei.

9        Mangels Lernaufwands im September 2018 bestehe für diesen Monat kein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag.

10       Das revisionswerbende Finanzamt bekämpft das angefochtene Erkenntnis mit seiner Anfechtungserklärung insoweit, als der Mitbeteiligten für ihre Tochter für den Monat August 2018 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gewährt wurden.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

13       In der Amtsrevision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, die hier zu lösende Rechtsfrage, ob die Vorbereitung auf eine verpflichtende Aufnahmeprüfung für eine bestimmte Berufsausbildung bereits selbst als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG zu qualifizieren sei, werde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet. Im Erkenntnis vom 26. Mai 2011, 2011/16/0057, VwSlg 8643/F, habe der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass einer tatsächlichen Ausbildung vorgehende Schritte einer Bewerbung einschließlich eines Tests und eines allfälligen Bewerbungsgesprächs noch keine Ausbildung darstellten. Hingegen stütze das Bundesfinanzgericht seine Ansicht auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2009, 2007/13/0125, wonach auch die Vorbereitungszeit für die Aufnahmeprüfung dem Grunde nach als Berufsausbildung anzusehen sei, wenn diese in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme.

14       Wie der Verwaltungsgerichthof im Erkenntnis vom 18. Mai 2020, Ra 2020/16/0017, mit näherer Begründung, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, kann auch eine nicht kursmäßige oder in einer Lehrveranstaltung erfolgte Vorbereitung auf eine Aufnahmeprüfung dem Grunde nach als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG angesehen werden. Dabei kommt es für die Qualifikation als Berufsausbildung neben dem ernstlichen und zielstrebigen Bemühen um den Studienfortgang auch darauf an, dass diese in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen muss (vgl. auch VwGH 15.12.2009, 2007/13/0125).

15       Aus dem von der Amtsrevision ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 2011, 2011/16/0057, VwSlg 8643/F, ergibt sich nichts anderes, war in jenem Fall lediglich der Umstand eines Tests und eines Bewerbungsgesprächs, nicht aber die Tätigkeit zur Vorbereitung darauf Gegenstand der Prüfung, ob damit bereits eine Berufsausbildung vorliege (vgl. nochmals VwGH 18.5.2020, Ra 2020/16/0017).

16       Die in der Amtsrevision aufgeworfene Rechtsfrage ist durch die einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet.

17       Die Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160074.L00

Im RIS seit

01.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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