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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §69 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Senatspräsidentin Dr. Bayjones, die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des C D in R, vertreten durch Dr. Andrea Herbeck, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Maderstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 15. März 2017, KLVwG-1697/8/2016, betreffend einen Wiederaufnahmeantrag in einem Bauverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde Spittal an der Drau; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadtgemeinde Spittal an der Drau hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist grundbücherlicher Eigentümer der Parzellen Nr. X/7 und X/8, KG M, die im Südwesten an die im Eigentum der Stadtgemeinde S. stehende Parzelle Nr. Y, KG M, angrenzen. Diese Parzelle ist Teil des mit Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde S. vom 24. Mai 2011 (Einreihungsverordnung), mit welcher die Straßen und Wege der Stadtgemeinde S. als Gemeindestraßen und Verbindungsstraßen erklärt werden, als Verbindungsstraße gewidmeten S-Weges.
2 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde S. (Bürgermeister) vom 29. April 2013 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Einfriedung auf der Süd- und Westseite der Parzellen Nr. X/7 und X/8, KG M, gemäß § 15 Abs. 1 Kärntner Bauordnung 1996 - K-BO 1996 abgewiesen. Zur Begründung führte der Bürgermeister aus, im Zuge des Vorprüfungsverfahrens habe sich herausgestellt, dass das Bauvorhaben nicht dem textlichen Bebauungsplan und § 47 Kärntner Straßengesetz (K-StrG) entspreche. Aus den Bezug habenden Verordnungen bzw. dem K-StrG gehe hervor, dass Mindestbreiten von Straßen und Wegen für ein Funktionieren des Verkehrs vorzusehen seien. Dem Bauwerber sei Gelegenheit gegeben worden, das Bauvorhaben entsprechend abzuändern, was jedoch nicht erfolgt sei.
3 Der Stadtrat der Stadtgemeinde S. (Stadtrat) wies mit Bescheid vom 20. November 2013 die gegen den Bescheid des Bürgermeisters erhobene Berufung des Revisionswerbers als unbegründet ab. Begründend führte der Stadtrat aus, für die als Bauland gewidmeten Parzellen, auf denen die Einfriedung errichtet werden solle, kämen die Bestimmungen des (näher bezeichneten) textlichen Bebauungsplanes der Stadtgemeinde S. zur Anwendung. Dessen § 6 A) 1) e) sehe für Stichstraßen eine Mindestbreite von 5,00 m bis maximal 6,00 m vor und müssten diese darüber hinaus einen für den zu erwartenden Fahrzeugverkehr ausreichenden Wendeplatz aufweisen. § 7 Z 6 normiere (u.a.), dass die Einfriedungen bis zu 1,00 m von der Straßengrundstücksgrenze zurückversetzt zu situieren seien, sollten die Breiten der Aufschließungsstraßen (Wege) den Verkehrsrücksichten (Leichtigkeit, Flüssigkeit, Sicherheit) nicht entsprechen.
4 Die im Südwesten an den Bauparzellen vorbeiführende Parzelle Nr. Y sei eine Straßenverkehrsanlage, die sich als öffentliches Gut im Eigentum der Stadtgemeinde S. befinde und eine digital gemessene Breite von 2,50 m bis 2,70 m aufweise. Am Ende der Parzelle Nr. X/8 bestehe eine Umkehrmöglichkeit. Die Wegparzelle Nr. Y münde in einen im öffentlichen Gut stehenden Waldweg, der als Wanderweg und Zufahrt zu den Waldflächen genutzt werde. Die Wegparzelle sei demgemäß als Stichstraße zu bezeichnen, die von untergeordneter Bedeutung sei. Es sei derzeit nicht absehbar, dass seitens der Stadtgemeinde S. eine Verbreiterung der Straße durchgeführt werde. § 6 A) 1) e) des textlichen Bebauungsplanes sei demgemäß nicht anwendbar.
5 Der Weg sei von Land- und Forstgrundbesitzern, Fußgängern, Reitern und Radfahrern und seit dem Jahr 1988 vom Revisionswerber als Garagenzufahrt problemlos benützt worden und werde dies auch heute noch. Im Bereich des Wohnhauses des Revisionswerbers auf der Parzelle Nr. X/7 und dem Nebengebäude auf der Parzelle Nr. Z gebe es eine Engstelle, bei der ein Passieren mit einem Traktor sehr schwer, jedoch möglich sei. Das weitere Befahren der Wegparzelle Nr. Y sei mit einem Traktor oder Fahrzeug der Straßenverwaltung oder ähnlichem möglich. Auf Grund der geringen Breite der Wegparzelle Nr. Y von (in der Natur) ca. 2,50 m bis 2,70 m müsse verstärkt Augenmerk auf die Verkehrsrücksichten der Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs gerichtet werden, insbesondere auf eine reibungslose Durchführung der wirtschaftlichen und technischen Pflege durch die Stadtgemeinde S. als Wegerhalter. Nicht zuletzt müssten die Nutzungsrechte der angrenzenden Wald- und Grundstücksbesitzer beachtet werden.
6 Der vorliegend maßgebliche § 7 Z 6 des textlichen Bebauungsplanes räume der Behörde bei der Situierung von Einfriedungen ein Ermessen ein. Diese seien bis zu 1,00 m von der Straßengrundstücksgrenze zurückversetzt zu situieren. Nach den Bauplänen sei die Errichtung der Einfriedung entlang der Grundstückgrenze geplant. In Anbetracht der geringen Breite der angrenzenden Wegparzelle Nr. Y, unter Abwägung der Interessen des Revisionswerbers und jener der nutzungsberechtigten Land- und Fortwirte sowie im Hinblick auf die Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs, insbesondere im Hinblick auf eine problemlose Durchführung der technischen und wirtschaftlichen Pflege des Weges, könne das geplante Bauvorhaben des Revisionswerbers nicht bewilligt werden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
7 Mit Eingabe vom 23. Dezember 2014 beantragte der Revisionswerber die Wiederaufnahme des mit dem vorgenannten Bescheid des Stadtrates abgeschlossenen Bauverfahrens und brachte vor, die Bescheide der Baubehörden beruhten auf der angeblichen Erklärung der Parzelle Nr. Y, KG M, als öffentliche Straße und Einreihung als Verbindungsstraße. Tatsächlich sei diese Parzelle jedoch nicht als öffentliche Straße gewidmet. Er sei davon ausgegangen, dass die planliche Darstellung im KAGIS [KAGIS - Geoinformation Land Kärnten], auf die im Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes als Bestandteil der Einreihungsverordnung verwiesen werde, dem Beschluss des Gemeinderates entspreche. Dem Beschluss des Gemeinderates sei jedoch eine andere planliche Darstellung des S-Weges zu Grunde gelegen, in der der eingezeichnete Verlauf nicht über die Parzelle Nr. Y führe. Im Protokoll der Gemeinderatssitzung werde diesbezüglich auch auf eine Beilage./D verwiesen, nicht aber auf ein digitales System, insbesondere nicht auf das KAGIS, was auch bestätige, dass die im KAGIS zu diesem Zeitpunkt bereits eingegebenen Straßenverläufe nicht Beschlussgegenstand gewesen seien.
8 Der Stadtrat der Stadtgemeinde S. wies mit Bescheid vom 21. Juni 2016 den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab und führte dazu (zusammengefasst) aus, die vom Revisionswerber angeführte Beilage./D sei die eigentliche Einreihungsverordnung gewesen, die der Beschlussempfehlung beigelegen sei. Entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers werde im Verordnungstext ausdrücklich auf das KAGIS verwiesen. Die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte planliche Darstellung werde zum integrierenden Bestandteil der Verordnung erklärt und sei ident mit der Darstellung im KAGIS. Beschlussgegenstand des Gemeinderates sei sohin Beilage./D gewesen, welche die eigentliche Verordnung darstelle. Das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG sei sohin zu verneinen.
9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab (Spruchpunkt I.), das Kostenbegehren zurück (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (Spruchpunkt III.).
10 Begründend führte das LVwG aus, die Einreihungsverordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde S. habe bereits vor dem Verwaltungsverfahren, dessen Wiederaufnahme nunmehr beantragt worden sei, dem Rechtsbestand angehört. Auch wenn man davon ausginge, dass die verfahrensgegenständliche Wegparzelle zu Unrecht als Verbindungsstraße und somit von der Einreihungsverordnung mitumfasst bewertet worden sei, stelle dieser Umstand keinen Wiederaufnahmegrund dar, zumal auch eine allenfalls unrichtige rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen seitens der Behörde keine Tatsache sei, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen vermöge (Hinweis auf VwGH 23.4.1998, 95/15/0108). Auch ein allfälliger Verfahrensmangel im abgeschlossenen Verfahren stelle keinen Wiederaufnahmegrund dar (Hinweis auf VwGH 16.11.2004, [richtig:] 2000/17/0022). Zudem diene die Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nicht dazu, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren (durch Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels) zu sanieren (Hinweis auf VwGH 27.7.2001, 2000/07/0240). Gerade weil der Revisionswerber von Anfang an der Auffassung gewesen sei, die Parzelle Nr. Y sei zu Unrecht als Verbindungsstraße qualifiziert worden, wäre er verpflichtet gewesen, bereits im Zuge des behördlichen Bauverfahrens entsprechende Recherchen zu tätigen bzw. auch gegen den das Bauansuchen abweisenden Berufungsbescheid ein weiteres Rechtsmittel zu erheben. Das Vorbringen des Revisionswerbers, die Wegparzelle Nr. Y sei nicht von der Einreihungsverordnung des Gemeinderates erfasst, sei jedenfalls nicht dazu geeignet, einen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG darzutun. Er könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens davon Kenntnis erlangt zu haben, dass die Wegparzelle Nr. Y nicht als Verbindungsstraße zu qualifizieren sei, die von der Einreihungsverordnung umfasst sei. Da der Wiederaufnahmegrund nicht vorliege, seien die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und mangels gesetzlicher Grundlage im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz der Kostenersatzanspruch des Revisionswerbers zurückzuweisen gewesen.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, der Verwaltungsgerichtshof möge kostenpflichtig in der Sache selbst entscheiden, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
12 Die Revision ist im Hinblick auf das mit dem Vorbringen zum nachträglichen Hervorkommen einer Abweichung des kundgemachten Inhalts der Verordnung vom Beschluss des Gemeinderats im Ergebnis aufgezeigte Abweichen von der hg. Rechtsprechung zum Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG zulässig. Sie erweist sich damit auch als berechtigt.
13 Die Baubehörden haben die Versagung der Baubewilligung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Baugrundstücke an die als Stichstraße zu qualifizierende Wegparzelle Nr. Y angrenzten und die Situierung der geplanten Einfriedung an der Grundstücksgrenze im Hinblick auf die Breite dieser Wegparzelle dem textlichen Bebauungsplan der Stadtgemeinde S. widerspreche. Die Baubehörden gingen dabei übereinstimmend davon aus, dass die Wegparzelle Teil des laut der Einreihungsverordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde S. vom 24. Mai 2011 als Verbindungsstraße gewidmeten S-Weges sei. Das LVwG hat sich im angefochtenen Erkenntnis dieser Auffassung angeschlossen und die Bestätigung der Abweisung des Wiederaufnahmeantrags ausschließlich auf die nach dem kundgemachten Inhalt der Einreichungsverordnung gegebene Eigenschaft des Wegstücks als „Verbindungsstraße“ gestützt.
14 Der Revisionswerber stellt nicht in Abrede, dass die Wegparzelle Nr. Y nach dem kundgemachten Inhalt der Einreihungsverordnung Teil des S-Weges ist. Er bringt jedoch vor, dass der kundgemachte Inhalt der Einreihungsverordnung nicht dem entspreche, was vom Gemeinderat der Stadtgemeinde S. beschlossen worden sei, und dass die genannte Wegparzelle nach der dem Kollegialorgan bei Beschlussfassung vorliegenden Unterlage bewusst nicht als Verbindungsstraße kategorisiert worden und demnach in Wahrheit nicht von der Einreihungsverordnung erfasst sei. Entgegen der Ansicht der Baubehörden grenzten daher seine Grundstücke nicht an eine öffentliche Straße an und seien daher die Bestimmungen des textlichen Bebauungsplanes für die Beurteilung des vorliegenden Bauansuchens nicht maßgeblich.
15 Zunächst ist festzuhalten, dass es anders, als das LVwG vermeint, im Revisionsfall nicht darum geht, ob die Wegparzelle Nr. Y zu Unrecht in die Einreihungsverordnung aufgenommen wurde und ob diese unrichtige rechtliche Beurteilung einen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstellen könne. Das Vorbringen des Revisionswerbers geht nämlich im Ergebnis dahin, dass im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren eine vermeintliche Verordnung angewendet worden sei, die jedoch im Hinblick auf die fehlende Deckung in einem Beschluss des Gemeinderates gesetzwidrig kundgemacht sei. Träfe dieses Vorbringen zu, wäre das LVwG gehalten gewesen, gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der durch die Kundmachung grundsätzlich der Rechtsordnung angehörenden und somit von den Verwaltungsbehörden und Gerichten zu befolgenden Verordnung zu beantragen oder die Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage zu stützen. Insoweit der Verfassungsgerichtshof in diesem Fall die Verordnung aufgehoben hätte, wäre dem Wiederaufnahmeantrag des Revisionswerbers stattzugeben gewesen, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 AVG gegeben wären.
16 Nach dem im vorliegenden Fall maßgeblichen § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
17 Zutreffend ist, wie das LVwG ausgeführt hat, dass das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck hat, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels im Wege über eine Wiederaufnahme eines Verfahrens zu sanieren (vgl. etwa VwGH 12.8.2010, 2008/10/0185, mwN). Hat die Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht, obwohl ihr dies bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit möglich gewesen wäre, liegt ein ihr zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (siehe die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 38, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
18 Die nachträglich bekannt gewordenen Umstände beziehen sich vorliegend, wie dargestellt, auf die Kundmachung der angewendeten Norm. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem Revisionswerber möglich gewesen wäre, bei gehöriger Aufmerksamkeit die Diskrepanz zwischen Beschlussfassung und Kundmachung der Norm zu erkennen und diese im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Auch die vom LVwG zur Begründung der Recherchepflicht herangezogenen, vom Revisionswerber im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen lassen einen derartigen Schluss nicht zu. Von einem die Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließenden Verschulden des Revisionswerbers an der Nichtgeltendmachung im Verwaltungsverfahren kann daher nicht gesprochen werden. Welche Unterlage einem Kollegialorgan bei der Beschlussfassung vorgelegen ist und auf welche Unterlage sich der Beschluss bezieht, ist für den Rechtsunterworfenen ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die vorliegend nicht zu ersehen sind, nicht derart leicht nachvollziehbar, dass eine nachträgliche Berufung auf diese Diskrepanz ausgeschlossen wäre. Die vom LVwG im Zusammenhang mit der Auslegung des Kriteriums der unverschuldet erfolgten Nichtgeltendmachung der relevanten Beweise zugrunde gelegte Auffassung steht daher mit der hg. Rechtsprechung nicht im Einklang.
19 Nach dem Vorgesagten hat das LVwG demnach die Rechtslage verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
20 Zur Anregung des Revisionswerbers an den Verwaltungsgerichtshof, in Bezug auf die Einreihungsverordnung einen Antrag auf Verordnungsprüfung an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, ist auszuführen, dass diese Antragstellung bei der gegebenen Verfahrenslage nicht durch den Verwaltungsgerichtshof im Verfahren betreffend die Wiederaufnahme möglich ist. In diesem Verfahren ist nur zu prüfen, ob die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages zu Recht erfolgt ist. Hiefür ist nach dem Vorgesagten zwar unter anderem ausschlaggebend, ob die Aufhebung der Verordnung tatsächlich von Einfluss auf das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens sein kann. Dies bedeutet aber noch nicht, dass es tatsächlich im fortgesetzten Verfahren zwingend zu einer Antragstellung kommen muss, zumal nicht feststeht, ob und inwieweit das LVwG etwa zu einer alternativen Begründung der Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers (ohne Rückgriff auf die bislang allein herangezogene Einreihungsverordnung) oder umgekehrt zu einer aus anderen Gründen erfolgenden Stattgabe der Beschwerde kommt. Eine Befassung des Verfassungsgerichtshofes mit der Frage der Kundmachungsdivergenz im Stadium des vorliegenden Revisionsverfahrens ist daher (noch) nicht geboten.
21 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 1. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017060102.L00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020