TE Vwgh Beschluss 2020/7/3 Ro 2020/12/0005

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Veröffentlicht am 03.07.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
63/02 Gehaltsgesetz
67 Versorgungsrecht

Norm

GehG 1956 §23a idF 2018/I/060
GehG 1956 §23b Abs1 idF 2018/I/102
GehG 1956 §23b Abs1 Z1 idF 2018/I/102
GehG 1956 §23b Abs1 Z2 idF 2018/I/102
GehG 1956 §23b Abs4 idF 2018/I/102
GehG 1956 §23b idF 2018/I/102
GehG 1956 §83c
VwGG §34 Abs1
VwRallg
WHG 1992 §4
WHG 1992 §9
WHG 1992 §9 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der M H in W, vertreten durch Mag. Klaus Heintzinger, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Berggasse 4/1/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Jänner 2020, Zl. W244 2221587-1/3E, betreffend besondere Hilfeleistungen nach §§ 23a und 23b GehG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin steht als Exekutivbeamtin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2        Mit Eingabe vom 6. März 2019 beantragte sie die Gewährung besonderer Hilfeleistungen gemäß §§ 23a und 23b Gehaltsgesetz 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54. Sie machte einen Verdienstentgang in der Höhe von € 3.347,19 brutto sowie Schmerzengeld in der Höhe von € 8.360,--, jeweils zuzüglich 4 % Zinsen seit 5. Juli 2018, geltend und führte dazu aus, dass sie am 4. Juli 2018 im Rahmen einer polizeilichen Amtshandlung einen Dienstunfall erlitten habe. Sie habe sich im Zuge einer Ortsveränderung hinter einer Tretgittersperre beim Herabsteigen vom Gehsteig auf die Fahrbahn eine Bänderzerrung am rechten Knöchel zugezogen. Sie sei 69 Tage im Krankenstand gewesen. § 23a GehG setze im Gegensatz zu § 23b GehG, der einen Vorschuss auf vorläufige Ansprüche vorsehe, keine Fremdeinwirkung voraus. Gemäß § 23a GehG sei die vorläufige Übernahme von Ansprüchen unter den dort genannten Voraussetzungen zu erbringen. Das Schmerzengeld werde im vorliegenden Fall vom Bund, der zwar nicht der Schädiger sei, verlangt. Ginge man davon aus, dass einer Beamtin, die sich im Dienst, jedoch ohne Fremdverschulden verletze, kein Ersatz für „entgangenes“ Schmerzengeld zustünde, würde man dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen.

3        Mit Bescheid vom 11. Juni 2019 wies die Landespolizeidirektion Wien den Antrag der Revisionswerberin ab. Begründend verwies die Behörde auf den Wortlaut des § 23b GehG sowie auf den Umstand, dass fallbezogen unstrittig keine Fremdeinwirkung vorliege.

4        Die Revisionswerberin erhob Beschwerde.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für zulässig.

6        Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass die Revisionswerberin am 4. Juli 2018 bei einem nicht durch Fremdeinwirkung verursachten Dienstunfall, nämlich als sie von einem Gehsteig auf die Fahrbahn gestiegen sei, eine Bänderzerrung am rechten Knöchel erlitten habe. Sie habe sich aus diesem Grund von 5. Juli 2018 bis 11. September 2018 im Krankenstand befunden.

7        Rechtlich hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Erläuternden Bemerkungen zur Dienstrechts-Novelle 2018, auf welche die in Rede stehenden Bestimmungen zurückgingen, klar hervorgehe, dass es für die Zuerkennung einer besonderen Hilfeleistung nach §§ 23a und 23b GehG des Vorliegens einer Fremdeinwirkung bedürfe. Es sei daher gemäß den genannten Bestimmungen Voraussetzung, dass der Schaden dem Beamten durch eine andere Person zugefügt worden sei. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. Die von der Revisionswerberin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung nicht.

8        Die Zulassung der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das Bundesverwaltungsgericht dahin, dass Rechtsprechung zu der mit der Dienstrechts-Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, erfolgten Neuregelung besonderer Hilfeleistungen gemäß §§ 23a ff GehG fehle.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit verbunden mit dem Antrag geltend gemacht wird, der Verwaltungsgerichtshof möge aus diesem Grund das angefochtene Erkenntnis abändern, hilfsweise aufheben.

10       Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der die Abweisung der Revision beantragt wird.

11       Zur Begründung ihrer Zulässigkeit beruft sich die Revision auf die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts und verweist ergänzend darauf, dass die §§ 23a und 23b GehG erst mit der Dienstrechts-Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, „implementiert“ worden seien, weshalb „naturgemäß“ dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe.

Die Revision erweist sich als nicht zulässig:

12       Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG).

14       Auch bei Erhebung einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision hat eine revisionswerbende Partei von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern sie der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder sie eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen hinsichtlich jeder von ihr als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt (vgl. VwGH 2.10.2019, Ro 2018/12/0013, mwN).

15       Die Revisionswerberin schloss sich zur Frage der Zulässigkeit in ihrer Revision (nur) den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts an, wonach es an Rechtsprechung zu den Bestimmungen der §§ 23a und 23b GehG fehle. Damit wird indes eine konkrete Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, von deren Lösung eine Entscheidung über die Revision abhinge, nicht aufgezeigt.

16       Die maßgeblichen Bestimmungen des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54 (§ 23a in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2018; § 23b in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2018), lauten:

„Besondere Hilfeleistungen

§ 23a. Der Bund hat als besondere Hilfeleistung die vorläufige Übernahme von Ansprüchen zu erbringen, wenn

1.   eine Beamtin oder ein Beamter

a)   einen Dienstunfall gemäß § 90 Abs. 1 des Beamten-Kranken-und Unfallversicherungsgesetzes - B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, oder

b)   einen Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955,

in unmittelbarer Ausübung ihrer oder seiner dienstlichen Pflichten erleidet, und

2.   dieser Dienst- oder Arbeitsunfall eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatte und

3.   der Beamtin oder dem Beamten dadurch Heilungskosten erwachsen oder ihre oder seine Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch mindestens zehn Kalendertage gemindert ist.

Vorschuss zur besonderen Hilfeleistung

§ 23b. (1) Der Bund leistet als besondere Hilfeleistung einen Vorschuss (vorläufige Übernahme von Ansprüchen), wenn

1.   sich die Beamtin oder der Beamte im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne des § 23a Abs. 1 an einem Strafverfahren beteiligt, das nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten oder der Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder

2.   solche Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten im Zivilrechtsweg nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche rechtskräftig zugesprochen werden.

(2) Ein Vorschuss nach Abs. 1 Z 1 und Z 2 ist höchstens bis zum 27-fachen Referenzbetrag gemäß § 3 Abs. 4 für Heilungskosten, Schmerzengeld sowie für jenes Einkommen, das der Beamtin oder dem Beamten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, zu leisten.

(3) Das Schmerzengeld und das Einkommen gemäß Abs. 2 umfassen auch die jeweils bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche anfallenden Zinsen.

(4) Ist eine gerichtliche Entscheidung über die Ansprüche gemäß Abs. 2 unzulässig, kann diese nicht erfolgen oder ist diese ohne Prüfung des Bestandes der Ansprüche erfolgt, hat die Dienstbehörde nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche die Heilungskosten sowie jenes Einkommen, das der Beamtin oder dem Beamten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, zu ersetzen. Die Zahlung von Schmerzengeld ist nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche höchstens bis zum fünffachen Referenzbetrag gemäß § 3 Abs. 4 möglich. Die Gesamtkosten dürfen jedoch jene gemäß Abs. 2 nicht überschreiten.

(5) Die vorläufige Leistungspflicht des Bundes besteht nur insoweit, als die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung oder nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, BGBl. Nr. 288/1972, gedeckt sind.

(6) Die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten gegen die Täterin oder den Täter gehen, soweit sie vom Bund bezahlt werden, durch Legalzession auf den Bund über.“

17       In den Materialien zu §§ 23a und 23b GehG wird auszugsweise Folgendes ausgeführt (RV 196 BlgNR 26. GP, 9 f):

„Zu § 23a GehG, zu dem den § 25a betreffenden Eintrag des Inhaltsverzeichnisses und zu § 25a VBG:

Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken über die Rechtsnatur der bislang als Auslobung gestalteten rechtlichen Ansprüche bei Dienst- und Arbeitsunfällen erfolgt die Eingliederung der Kernbestimmungen des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes - WHG, BGBl. Nr. 177/1992, in das GehG. Unter einem erfolgt die Einarbeitung der Bestimmung des § 83c GehG.

Die Hilfeleistungen des Bundes sind von Amts wegen für alle Bundesbediensteten (Beamtinnen und Beamte sowie Vertragsbedienstete) gleichermaßen zu erbringen, weil in den vergangenen Jahren neben anderen Dienst- und Arbeitsunfällen vermehrt tätliche Übergriffe auf Bedienstete festzustellen sind, die nicht ausschließlich einer gefahrengeneigten Tätigkeit nachgehen und derartigen Angriffen schutzlos ausgesetzt sind. Dies zeigt nicht zuletzt die ansteigende Zahl an Übergriffen etwa auf Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher oder die tragische Ermordung einer Rechtspflegerin durch eine Partei. § 23a GehG enthält die Voraussetzungen, die für die Erbringung der besonderen Hilfeleistung durch den Bund vorliegen müssen.

...

Zu § 23b GehG:

Als besondere Hilfeleistungen für Bundesbedienstete ist die vorläufige Übernahme von Ansprüchen durch den Bund vorgesehen. Mit der Neuregelung übernimmt der Bund vorläufig einerseits Ansprüche, die im Zuge eines Straf- oder Zivilrechtsverfahrens nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche zuerkannt worden sind. Um weitere Streitigkeiten und mögliche finanzielle Nachteile hintanzuhalten, wird klargestellt, dass nur solche Entscheidungen Bindungswirkung entfalten, in denen der Bestand der geltend gemachten Ansprüche geprüft wurde. Darüber hinaus wird auch die Zahlung von Heilungskosten sowie jenes Einkommens, das der oder dem Bundesbediensteten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, wenn über die Zuerkennung solcher Ansprüche eine gerichtliche Entscheidung unzulässig ist oder nicht erfolgen kann, weil etwa der Täter unbekannt oder flüchtig ist, vom Bund bevorschusst. Damit wird auch dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, G 339/2015, vom 15.10.2016 Rechnung getragen. Gleichzeitig erfolgt neben einer Erweiterung des Anwendungsbereiches der Regelung auf alle Bundesbediensteten eine Implementierung des bisherigen § 83c.“

18       Die durch BGBl. I Nr. 60/2018 aufgehobenen Bestimmungen des Wachbediensteten-Hilfeleistungsgesetzes (WHG), BGBl. Nr. 177/1992, lauteten auszugsweise zuletzt:

„1. Abschnitt

HILFELEISTUNGEN

...

Art der Hilfeleistungen

§ 2. (1) Als besondere Hilfeleistung an Wachebedienstete ist die vorläufige Übernahme von Ansprüchen durch den Bund vorgesehen.

(2) Als besondere Hilfeleistungen an Hinterbliebene von Wachebediensteten sind vorgesehen:

1.   eine einmalige Geldleistung und

2.   eine vorläufige Übernahme von Ansprüchen durch den Bund.

...

Voraussetzungen für die Hilfeleistungen

§ 4. (1) Der Bund hat die besondere Hilfeleistung an Wachebedienstete zu erbringen, wenn

1.   ein Wachebediensteter

a)   einen Dienstunfall gemäß § 90 Abs. 1 B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, oder

b)   einen Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in unmittelbarer Ausübung seiner exekutivdienstlichen Pflichten erleidet, und

2.   dieser Dienst- oder Arbeitsunfall eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatte und

3.   dem Wachebediensteten dadurch Heilungskosten erwachsen oder seine Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch mindestens zehn Kalendertage gemindert ist. Z 3 ist nicht auf die Vorschussleistung von Schmerzensgeld nach § 9 Abs. 1a anzuwenden.

(2) Der Bund hat die besonderen Hilfeleistungen an Hinterbliebene zu erbringen, wenn

1.   ein Wachebediensteter einen Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne des Abs. 1 Z 1 erleidet und

2.   dieser Dienst- oder Arbeitsunfall den Tod des Wachebediensteten zur Folge hatte.

(3) Der Bund hat die besondere Hilfeleistung an Wachebedienstete oder Hinterbliebene auch zu erbringen, wenn der Wachebedienstete einen Dienst- oder Arbeitsunfall im Zuge einer Ausbildung erleidet, der er sich im Hinblick auf die Notwendigkeit unterzieht, im Rahmen seines Dienstes Gefahr aufzusuchen oder im Gefahrenbereich zu verbleiben (Abs. 1 Z 1).

...

2. Abschnitt

EINMALIGE GELDLEISTUNG

...

3. Abschnitt

VORLÄUFIGE ÜBERNAHME VON ANSPRÜCHEN DURCH DEN BUND

Voraussetzungen

§ 9. (1) Der Bund leistet als Träger von Privatrechten an den Wachebediensteten oder an seine Hinterbliebenen einen Vorschuß, wenn

1.   sich der Wachebedienstete oder seine Hinterbliebenen im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne dieses Bundesgesetzes an einem Strafverfahren beteiligen, das mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder

2.   solche Ersatzansprüche dem Wachebediensteten oder seinen Hinterbliebenen im Zivilrechtsweg rechtskräftig zugesprochen werden.

(1a) Ein Vorschuss nach Abs. 1 ist nur für Heilungskosten, Bestattungskosten, Schmerzengeld sowie für jenes Einkommen, das dem Wachebediensteten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder durch den Tod den Hinterbliebenen entgangen ist oder künftig entgeht, zu leisten. Dieser Vorschuß ist höchstens bis zum 60fachen Betrag des jeweiligen, für die Gewährung von Ausgleichszulagen gemäß § 293 Abs. 1 lit. B ASVG maßgebenden Richtsatzes zu leisten.

(1b) Das Schmerzengeld und das Einkommen gemäß Abs. 1a umfassen auch die jeweils bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche anfallenden Zinsen.

(2) Ist eine gerichtliche Entscheidung über Ersatzansprüche unzulässig oder kann sie nicht erfolgen, so leistet der Bund ausgenommen beim Schmerzengeld an den Wachebediensteten oder an seine Hinterbliebenen einen den persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen angemessenen Vorschuss. Dieser Vorschuß ist höchstens bis zum 60fachen Betrag des jeweiligen, für die Gewährung von Ausgleichszulagen gemäß § 293 Abs. 1 lit. b ASVG maßgebenden Richtsatzes zu leisten.

(3) Die vorläufige Leistungspflicht des Bundes nach Abs. 1 und 2 besteht nur insoweit, als die Ansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung oder nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, BGBl. Nr. 288/1972, gedeckt sind.

Übergang der Ansprüche

§ 10. Die Ansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen gegen den Täter gehen, soweit sie vom Bund zu bevorschussen sind, durch Legalzession auf den Bund über.“

19       § 83c GehG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 60/2018 lautete:

„Ausgleichsmaßnahme für entgangenes Schmerzensgeld

§ 83c. Dem Beamten des Exekutivdienstes, der die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z 1 und 2 des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes, BGBl. Nr. 177/1992, erfüllt, kann, wenn eine gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Schmerzensgeldbetrag nicht zulässig ist oder nicht erfolgen kann, eine einmalige Geldaushilfe bis zur Höhe des fünffachen Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4 gewährt werden. Abweichend von § 1 gilt dies auch für im Exekutivdienst verwendete Vertragsbedienstete.“

20       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergangen ist (siehe etwa VwGH 9.9.2016, Ra 2016/12/0062).

21       Wie sich aus §§ 23a und 23b GehG ohne Zweifel ergibt, liegen im Revisionsfall die Voraussetzungen für die vorläufige Übernahme von Ansprüchen (Vorschuss) durch den Bund nicht vor.

22       Zunächst erhellt sich aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmungen, dass - entgegen der Darstellung der Revision - der in § 23b GehG genannte „Vorschuss“ der in § 23a GehG (ohne jegliche betragsmäßige Determinierung) als besondere Hilfeleistung angeführten „vorläufigen Übernahme von Ansprüchen“ entspricht (vgl. dazu die Wortfolge „als besondere Hilfeleistung“ sowie den Klammerausdruck im Einleitungssatz des § 23b Abs. 1 GehG). Demnach werden die näheren Voraussetzungen für die Gewährung einer besonderen Hilfeleistung im Sinn von § 23a GehG (d.h. für die vorläufige Übernahme von Ansprüchen bzw. für die Gewährung eines Vorschusses) in § 23b GehG geregelt.

23       Schon daraus ergibt sich, dass - anders als die Revisionswerberin meint - die in § 23a GehG angesprochene vorläufige Übernahme von Ansprüchen nur bei Vorliegen der weiteren in § 23b GehG normierten Voraussetzungen (vgl. insbesondere § 23b Abs. 1 Z 1 und Z 2 sowie Abs. 4 GehG) zu erbringen ist.

24       Im Übrigen folgt bereits aus der in § 23a GehG gewählten Terminologie („vorläufige Übernahme von Ansprüchen“), dass es sich bei den vom Bund vorläufig übernommenen Ansprüchen notwendiger Weise um Ansprüche der Beamtin oder des Beamten gegenüber Dritten handelt.

25       Auch die Gesetzesmaterialien zu den hier maßgeblichen Bestimmungen machen deutlich, dass im Revisionsfall, in dem mangels Fremdeinwirkung Ansprüche gegenüber Dritten ebenso wenig wie ein straf- oder zivilgerichtliches Verfahren im Sinn von § 23b Abs. 1 Z 1 oder 2 GehG in Rede stehen, auch kein Anspruch auf die in §§ 23a und 23b GehG genannten Leistungen besteht.

26       Schließlich erklärt sich der unauflösbare systematische Zusammenhang zwischen § 23a und § 23b GehG daraus, dass der Gesetzgeber - wie in den oben zitierten Materialien dargelegt - eine „Eingliederung der Kernbestimmungen des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz - WHG, BGBl. Nr. 177/1992“ in das GehG vorgenommen hat und dabei der Aufbau der Bestimmungen der §§ 23a und 23b GehG offensichtlich in Anlehnung an die Regelungsabfolge der §§ 4 und 9 WHG gewählt wurde. So entspricht die Normierung „allgemeiner“ Voraussetzungen in § 23a GehG den vormals in § 4 WHG getroffenen „Einstiegsvoraussetzungen“ (für eine einmalige Geldleistung sowie für die vorläufige Übernahme von Ansprüchen) und folgt die Regelungstechnik des § 23b GehG der Festlegung der in § 9 WHG (dort ebenfalls für die vorläufige Übernahme von Ansprüchen durch den Bund/Vorschuss) vorgesehenen „näheren“ Anspruchsvoraussetzungen (rechtskräftige Entscheidung über Ersatzansprüche gegen den Täter im Strafverfahren, rechtskräftiger Zuspruch solcher Ersatzansprüche im Zivilrechtsweg).

27       Sofern sich die Revisionswerberin auf § 23b Abs. 4 GehG beruft, genügt es auf die zu § 83c GehG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 60/2018 ergangene, auf § 23b Abs. 4 GehG übertragbare hg. Judikatur zu verweisen (siehe VwGH 13.11.2014, 2011/12/0037, unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 83c GehG sowie unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 WHG, der gegen den Täter gerichtete Ersatzansprüche betraf). Demnach stellte die Wendung „wenn eine gerichtliche Entscheidung ... nicht zulässig ist oder nicht erfolgen kann“ in der in den Materialien erwähnten Bestimmung des § 83c GehG - ebenso wie dies für § 23b Abs. 4 GehG anzunehmen ist - darauf ab, dass eine gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Geldbetrag gegen den Täter (vgl. dazu vormals § 9 Abs. 1 WHG sowie nunmehr § 23b Abs. 1 GehG) nicht zulässig ist oder nicht erfolgen kann, weshalb ein Anspruch auf eine Ausgleichsmaßnahme gemäß § 83c GehG (wie auch nach § 23b Abs. 4 GehG) nicht bestand (besteht), wenn eine Schadenszufügung ohne Fremdeinwirkung erfolgte.

28       Es kann daher den hier anzuwendenden Vorschriften eindeutig entnommen werden, dass im gegenständlichen Fall, in dem sich die Revisionswerberin, wie sie selbst vorbringt, ohne Fremdeinwirkung verletzte und von Vornherein keine Ansprüche gegenüber Dritten in Betracht kommen, Ansprüche nach §§ 23a und 23b GehG nicht bestehen (vgl. in diesem Sinn auch bereits VwGH 27.4.2020, Ro 2019/12/0004, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG verwiesen wird).

29       Da im vorliegenden Verfahren somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

30       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 3. Juli 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020120005.J00

Im RIS seit

08.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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