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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M M M I K in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2020, I419 2217409-3/5E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste legal in Österreich ein und ist hier seit 11. August 2014 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er verfügte bis 15. März 2018 über Aufenthaltstitel für Studierende. Sein zuletzt gestellter Verlängerungsantrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Juni 2018 mangels Vorliegens der besonderen Erteilungsvoraussetzungen abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Versäumung der Beschwerdefrist wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 24. April 2019 abgewiesen; die dagegen erhobene Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien zog der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2019 zurück, woraufhin das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 2. August 2019 eingestellt wurde.
2 Bereits mit Bescheid vom 19. März 2019 hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ausgesprochen, dass dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt werde, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei, und gemäß § 55 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hatte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29. April 2019 als unbegründet abgewiesen, die außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. August 2019, Ra 2019/21/0178, zurückgewiesen.
4 Der Revisionswerber reiste nicht aus, sondern stellte am 23. August 2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. Dieser Antrag wurde vom BFA mit Bescheid vom 3. April 2020 abgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 10 Abs. 3 iVm § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Ägypten zulässig sei, gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren erlassen. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.
6 Es stellte den eingangs wiedergegebenen Verfahrensgang fest. Darüber hinaus stellte es zur Person des Revisionswerbers fest, dass er in Ägypten eine mehrjährige Schulbildung absolviert habe und im Fall seiner Rückkehr sein Studium fortsetzen oder am ägyptischen Arbeitsmarkt Fuß fassen könne. Seine Eltern und seine Schwester lebten in Ägypten, sein Bruder, der mit einer Österreicherin verheiratet sei, in Österreich. Der Revisionswerber erhalte Geld von diesem Bruder, ebenso von seinen Eltern; diese Zahlungen würden ohne eine Verpflichtung geleistet. Zur Höhe der Geldbeträge habe er unterschiedliche Angaben gemacht: Im Antrag von 23. August 2019 habe er „Freiwillige Unterstützung durch Familie (Bruder im Inland, Eltern im Ausland) € 833“ angegeben, bei seiner Einvernahme sei von „Unterstützung durch meinen Bruder und meine Eltern [...] rund € 500 - € 600 im Monat von beiden zusammen“ die Rede gewesen und schließlich in der Beschwerde von insgesamt rund € 900,-- monatlich.
7 Er besitze eine „Einstellungszusage“ vom Februar 2020 für eine Beschäftigung von 15 bis 20 Wochenstunden (ohne Gehaltsangabe). Er wohne nach seinen Angaben unentgeltlich bei einem Freund. Mit diesem zusammen wäre er bereit, ein Softwareunternehmen als Partner eines Registrierkassenanbieters zu gründen, wobei er ein Konzept ohne Finanzierungsplan vorgelegt habe. Er sei seit 1. Mai 2020 bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG versichert, scheine aber weder im Firmenbuch noch im Unternehmerverzeichnis der Wirtschaftskammer auf. Es könne nicht festgestellt werden, dass er eigene Einkünfte habe.
8 Hinsichtlich der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG verwies das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen auf sein Erkenntnis vom 29. April 2019, in dem bereits ausgeführt worden sei, dass der Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich zur Absolvierung seines Studiums und nicht zur dauerhaften Niederlassung im Bundesgebiet ausgelegt gewesen sei und in Österreich kein geschütztes Familienleben mit seinem Bruder vorliege. Für die seither vergangene Zeit ließen sich nur wenige neue Integrationsmerkmale - neben der verlängerten Aufenthaltsdauer ein Empfehlungsschreiben und die „Einstellungszusage“ - zugunsten eines Verbleibs des Revisionswerbers anführen; diesen stehe gegenüber, dass der Revisionswerber seine Anwesenheit entgegen der Ausreiseverpflichtung willkürlich verlängert habe. Auch eine neuerliche Interessenabwägung schlage somit zugunsten des öffentlichen Interesses an der Außerlandesbringung aus.
9 Zum Einreiseverbot führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass ein solches u.a. dann zu erlassen sei, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermöge. Dem Vorbringen des Revisionswerbers betreffend die Herkunft seiner Unterhaltsmittel sei nichts zu entnehmen gewesen, was zur Feststellung eines nachgewiesenen Unterhalts in diesem Sinn geführt hätte. Die unterschiedlichen Behauptungen zu den beiden familiären Geldquellen seien durch nichts bescheinigt gewesen. Demnach lägen die Voraussetzungen des Einreiseverbots vor. Auch die vom BFA verfügte Dauer sei nicht unangemessen, zumal die Wiedereinreise ohne Gefahr neuerlichen Fehlverhaltens erst gewährleistet erscheine, wenn der Revisionswerber sich materiell hinreichend stabilisiert habe, um sich auch bei Aufenthalten in anderen Staaten selbst erhalten zu können.
10 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
11 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
13 Unter diesem Gesichtspunkt rügt der Revisionswerber das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung. Deren Durchführung wäre erforderlich gewesen, um die Frage der Unterhaltsmittel des Revisionswerbers zu klären. Der Revisionswerber habe bis dato von den Zuwendungen eines Bruders und seiner Familie in Ägypten seinen Lebensunterhalt abgedeckt, sodass das Einreiseverbot wegen Mittellosigkeit unzulässig erscheine.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 53 Abs. 2 Z 6 FPG hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309, Rn. 27, mwN). Einen Rechtsanspruch auf die - als einzige konkrete Einnahmequelle genannten - Unterhaltsleistungen hatte der Revisionswerber aber nie behauptet, sondern ausdrücklich nur von freiwilliger Unterstützung durch seine Familie gesprochen. Angesichts dessen kam es auf die genaue Höhe dieser Zahlungen nicht an, und das Bundesverwaltungsgericht durfte insoweit von einem geklärten Sachverhalt ausgehen, der gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG zum Absehen von der Verhandlung berechtigte.
15 Soweit der Revisionswerber meint, ein Einreiseverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich hätte ausgereicht, ist darauf hinzuweisen, dass das Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 FPG von Gesetzes wegen die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen ist, „für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten“ (vgl. dazu auch VwGH 22.5.2013, 2013/18/0021). Eine Beschränkung der Maßnahme nur auf Österreich ist gesetzlich nicht vorgesehen.
16 Schließlich wird in der Revision (die im Übrigen kein nach Zulässigkeitsbegründung und Revisionsgründen getrenntes Vorbringen enthält) noch Folgendes erklärt:
„Der Revisionswerber legt ausdrücklich Wert darauf und hat den ausgewiesenen Vertreter auch ausdrücklich diesbezüglich beauftragt, vorzubringen, dass ihm der Bescheid des Amts der Wiener Landesregierung, MA 35 vom 13.6.2018 nicht zur Kenntnis gelangt ist und er diesbezüglich fristgerecht einen Antrag auf Wiedereinsetzung eingebracht hat. Es wird in diesem Zusammenhang auf das Verfahren MA35 ... verwiesen, welches Verfahren dem gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen ist.“
17 Dem erwähnten Wiedereinsetzungsantrag, dessen Abweisung durch den Landeshauptmann von Wien in Rechtskraft erwachsen ist, liegt jedoch zugrunde, dass dem Revisionswerber - so die Antragsbegründung - der Bescheid vom 13. Juni 2018 durch Hinterlegung zugestellt worden sei, er davon aber ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt habe. Auch mit dem nunmehrigen Vorbringen wird weder die wirksame Zustellung bestritten, noch wird dargelegt, inwieweit die behauptete mangelnde Kenntnisnahme vom im Verlängerungsverfahren ergangenen negativen Bescheid die Rechtswidrigkeit der nunmehr bekämpften zweiten Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) bedingen würde.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210257.L00Im RIS seit
01.09.2020Zuletzt aktualisiert am
01.09.2020