TE Vwgh Beschluss 2020/7/15 Ra 2020/11/0089

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.2020
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein
E6J
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

AVG §68 Abs1
EURallg
LSD-BG 2016 §31
VwRallg
62000CJ0453 Kuehne Heitz VORAB
62017CJ0234 XC ua VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des D R in G (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 12. Dezember 2019, Zl. LVwG 33.29-2277/2019-3, betreffend Übertretung nach dem LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leoben), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber - in Bestätigung eines Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 5. August 2019 - schuldig erkannt, er habe es als gemäß § 9 VStG Verantwortlicher einer näher genannten Gesellschaft mit Sitz in Slowenien zu verantworten, dass diese Gesellschaft jene Tätigkeiten in Österreich erbracht habe, welche ihr mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark vom 18. Juli 2018 für die Dauer von zwei Jahren untersagt worden seien. Er habe dadurch gegen § 31 Abs. 1 und 4 LSD-BG verstoßen, weswegen über ihn eine Geldstrafe verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben werde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht Niederösterreich aus, dass die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zulässig sei.

2        Das Verwaltungsgericht stellte fest, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark vom 18. Juli 2018 sei der Revisionswerber in zwei Fällen wegen Übertretung des § 7i Abs. 5 AVRAG bestraft und der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft gemäß § 7k Abs. 1 Z 2 AVRAG die Erbringung von Dienstleistungen in Österreich für die Dauer von zwei Jahren untersagt worden. Dieser Bescheid sei rechtskräftig geworden.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, die Beschwerde behaupte lediglich die Unionsrechtswidrigkeit des § 31 Abs. 1 LSD-BG, der Nachfolgebestimmung des § 7k Abs. 1 AVRAG, und gehe im Hinblick auf die Rechtskraft des Untersagungsbescheides ins Leere. Eine Unionsrechtswidrigkeit des § 31 Abs. 1 LSD-BG könne das Verwaltungsgericht nicht erblicken.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, „zu den Bestimmungen des LSD-BG bzw. seiner Vorgängerregelung, des AVRAG, bestehe mittlerweile Judikatur des EuGH“ (Verweis auf EuGH 13.11.2018, C-33/17, Cepelnik d.o.o.; 12.9.2019, C-64/18 ua, Maksimovic ua,), in welcher der EuGH zum Ergebnis gekommen sei, dass die Regelungen des LSD-BG (bzw. des AVRAG) betreffend Sicherheitsleistung und Höhe der Sanktionsbestimmung dem Unionsrecht widersprechen würden. Im gegenständlichen Fall der Verhängung einer Geldstrafe wegen der Verletzung des zuvor ausgesprochenen Verbotes der Ausübung von Dienstleistungen erfolge ein „sehr viel weitergehender Eingriff“ in die Dienstleistungsfreiheit als durch die Auferlegung einer Sicherheitsleistung oder die Verhängung von hohen Sanktionen. „Auch diese Bestimmungen widersprechen … daher Art. 56 AEUV.“ Das Verwaltungsgericht hätte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH richten müssen, ob das Verbot der Ausübung von Dienstleistungen mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

9        Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt:

10       Die Revision macht keine Fehler bei der Anwendung des § 31 LSD-BG in der vorliegenden Strafsache geltend, sondern bringt zu ihrer Zulässigkeit ausschließlich vor, die Untersagung der Dienstleistung gegenüber der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft (und die Bestrafung wegen einer Übertretung dieses Verbotes) sei nicht mit Unionsrecht vereinbar, was zur Folge hätte, dass diese Bestimmung im Revisionsfall auf Grund des Vorranges des Unionsrechts nicht angewendet werden dürfte.

11       Mit diesem Vorbringen könnte die Revision nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzeigen, wenn das Verwaltungsgericht im Hinblick auf dieses unionsrechtliche Vorbringen im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht an die - auch in der Revision nicht bestrittene - rechtskräftige Untersagung der Dienstleistung gebunden gewesen wäre. Dies ist aber auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten nicht der Fall:

12       Auch der EuGH hat die Bedeutung der Rechtskraft betont und die Auffassung vertreten, dass das Unionsrecht dem Grundsatz der Rechtssicherheit entsprechend nicht verlangt, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet sei, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtsweges bestandskräftig geworden ist, sofern nicht bestimmte Voraussetzungen vorliegen (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0089, unter Hinweis auf VwGH 21.12.2012, 2012/17/0465, 0466, und die dort zit Judikatur, die vom Urteil des EuGH vom 13. Jänner 2004, C-453/00, Kühne & Heitz, ihren Ausgang nahm; vgl. auch EuGH 24.10.2018, C-234/17, XC ua, Rn 53, wonach das Unionsrecht ein nationales Gericht nicht verpflichtet, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Gerichtsentscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, selbst wenn dadurch einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Situation abgeholfen werden könnte).

13       Die in der Rechtsprechung des EuGH genannten Erfordernisse für die Durchbrechung der Rechtskraft einer nationalen Entscheidung sind im vorliegenden Fall schon deshalb nicht gegeben, weil der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark vom 18. Juli 2018 von der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft nicht in Beschwerde gezogen und demzufolge auch nicht vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts angefochten wurde und weil im Zeitpunkt der nunmehr angefochtenen Bestrafung wegen Übertretung der Untersagung der Dienstleistung noch gar keine Entscheidung des EuGH vorlag (und auch bislang nicht vorliegt), aufgrund derer sich erweist, dass die Untersagung der Dienstleistung auf einer unrichtigen Auslegung des Unionsrechts beruht.

14       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Juli 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62000CJ0453 Kuehne Heitz VORAB
EuGH 62017CJ0234 XC ua VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110089.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten