Entscheidungsdatum
27.04.2020Norm
§5 VVGText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Steinschnack über die Beschwerde der M G, x, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 5.9.2018, GZ: BHFRBa-2018-426928/6-Gat, betreffend Zwangsstrafe nach § 5 VVG und Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht:
I. Aus Anlass der Beschwerde wird die Vollstreckung der Zwangsstrafe abgebrochen.
II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird für gegenstandslos erklärt.
III. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.
Entscheidungsgründe
1. Wesentlicher Verfahrensgang:
1.1. Mit Bescheid vom 28.1.2016, Zl.: 131-1/2016-Ha, untersagte der Bürgermeister der Gemeinde Pierbach der Beschwerdeführerin als Eigentümerin gemäß der Bestimmung des § 40 Abs. 8 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (Oö. ROG 1994) die Verwendung sämtlicher baulicher Anlagen für den Betrieb einer Hundepension auf der Liegenschaft x, x, Grundstücke Nr. x1, x2, KG P, und Grundstück Nr. x3, KG H. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Pierbach vom 27.6.2016 (nach Spruchergänzung) als unbegründet abgewiesen.
1.2. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid des Gemeinderates eine Beschwerde vom 28.7.2016. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gab der Beschwerde mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 15.5.2017, Zl. LVwG-151047/27/JS/CJ, hinsichtlich der Spruchergänzung teilweise statt (und hob diesen Spruchpunkt ersatzlos auf), wies aber im Übrigen die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Beschwerdeführerin als Eigentümerin „die Verwendung sämtlicher baulicher Anlagen auf dem Grundstück Nr. x1, Grundbuch x P, für den dem Oö. Raumordnungsgesetz 1994 nicht entsprechenden Betrieb einer Hundepension untersagt“ werde. Mit Beschluss vom 16.10.2017, Zl. Ra 2017/05/0112, wies der Verwaltungsgerichtshof die dagegen erhobene Revision der Beschwerdeführerin zurück. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 13.12.2017, Zl. E 4089/2017-6, die Behandlung der von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde gegen das Erkenntnis ab.
1.3. Mit Schreiben vom 27.2.2018 drohte die Bezirkshauptmannschaft Freistadt (in der Folge: belangte Behörde) der Beschwerdeführerin für den Fall eines weiteren Zuwiderhandelns eine Zwangsstrafe von drei Tagen Haft gemäß § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) an, da die Beschwerdeführerin den Bauauftrag nach § 40 Abs. 8 ROG 1994 nicht erfüllt habe. Es seien zumindest (zu im Bescheid näher angeführten Zeiträumen) zwischen Juli und November 2017 auf ihrem Anwesen (im Bescheid näher angeführte) Hunde untergebracht und betreut worden.
1.4. Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 5.9.2018 verhängte die belangte Behörde gemäß § 5 VVG die angedrohte Zwangsstrafe, da erneut zumindest ein nicht im Eigentum der Beschwerdeführerin stehender (im Bescheid näher angeführter) Hund in der Zeit vom 14.7.2018 bis 22.7.2018 auf dem Grundstück Nr. x1 untergebracht und betreut worden sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides eine weitere Zwangsstrafe von sechs Tagen für den Fall eines neuerlichen Zuwiderhandelns gegen die Verwendungsuntersagung angedroht.
1.5. Dagegen richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde, welche der belangten Behörde am 28.12.2018 zuging. Die Beschwerdeführerin begehrt damit (im Wesentlichen) die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Weiters beantragt sie, der Beschwerde eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
2.1. Die Beschwerdeführerin ist auf Grund des intabulierten Kaufvertrages vom November 2018 nicht mehr grundbücherliche Eigentümerin des Grundstückes Nr. x1, Grundbuch x P (Grundstücksadresse: x, x). Die Beschwerdeführerin ist seit Dezember 2019 auch nicht mehr an dieser Adresse wohnhaft, sondern ist ihr Wohnsitz nunmehr in H. Zumindest seit März 2020 betreibt sie auf dem Grundstück Nr. x1 weder eine Hundepension noch beaufsichtigt sie dort eigene oder fremde Hunde, etwa im Rahmen eines „Dog-Sharing“.
2.2. Die verhängte Haftstrafe wurde bislang noch nicht vollstreckt.
3. Beweiswürdigung:
Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde und in den hg. Akt zu LVwG-151047. Am 20.8.2019 fand – gemeinsam mit dem hg. Verfahren zu LVwG-100096 betreffend die verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung der vorgeworfenen Missachtung des Bauauftrages - eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Mit E-Mail vom 2.3.2020 informierte die belangte Behörde das Landesverwaltungsgericht wie folgt:
[...]“
Dazu hat das Landesverwaltungsgericht zum aktuellen Status in das Grundbuch und das zentrale Melderegister Einsicht genommen. Die Beschwerdeführerin bestätigte mit Schreiben vom 30.3.2020 dem Landesverwaltungsgericht, dass sie auf dem Grundstück Nr. x1 derzeit keine eigenen oder fremden Hunde beaufsichtigt, etwa im Rahmen eines „Dog-Sharing“. Der festgestellte Sachverhalt zu Punkt 2.1. basiert zwanglos auf diesen insoweit widerspruchsfrei vorliegenden Beweismitteln. Die Feststellung zu Punkt 2.2. gründet auf einer Mitteilung der belangten Behörde vom 23.4.2020.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beurteilt den festgestellten Sachverhalt rechtlich wie folgt:
4.1. Nach Artikel 132 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Nach den Bestimmungen der §§ 27 und 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) hat das Landesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen und die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidung und Anordnung des Landesverwaltungsgerichtes gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.
4.2. Die Bestimmung des § 5 VVG (BGBl. Nr. 53/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 3/2008) lautet auszugsweise:
„[...]
b) Zwangsstrafen
§ 5. (1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen läßt, wird dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.
(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.
[...]“
4.3. Der Verwaltungsgerichtshof führt in seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2017/17/0255, zur Vollstreckung von Zwangstrafen nach § 5 VVG aus, dass unter Vollstreckung im Sinne des VVG die zwangsweise Durchsetzung der durch individuelle Normen begründeten Pflichten zu verstehen ist : „[...] Besteht die Verpflichtung in einem unvertretbaren Handeln (Dulden, Unterlassen [hier: Verwendungsuntersagung nach § 40 Abs. 8 ROG 1994]), erfolgt die Vollstreckung, indem der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen (im Sinne von Zwangsstrafen) oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird (vgl. § 5 Abs. 2 VVG). Zwangsstrafen sind keine Strafen für Übertretungen, sondern Beugemittel zur Erzwingung einer Leistung. [...] Zwangsstrafen sind nicht gleicher Natur wie andere Strafen, da sie einen anderen Zweck verfolgen. Ihre Aufgabe ist es, einen dem Willen der Behörde entgegenstehenden Willen einer Partei zu brechen. Ist dieser Zweck erreicht, bevor die verhängte Haft vollstreckt oder der als Zwangsstrafe auferlegte Betrag entrichtet worden ist, so wäre es zweckwidrig, auf den Vollzug der Haft oder die Entrichtung des Geldbetrages zu bestehen, weil hier jedes Moment eines Sühne- oder Besserungszwecks ausscheidet (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1805, mwN). [...] Der Vollstreckungsvorgang bei der Zwangsstrafe besteht aus der Androhung der Zwangsstrafe, deren bescheidmäßiger Verhängung ("Vollstreckungsverfügung") und der Vollstreckung als faktischer Amtshandlung (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1799). Nach § 5 Abs. 2 VVG ist das angedrohte Zwangsmittel u. a. beim ersten Zuwiderhandeln sofort zu vollziehen. Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsverfügung hat gemäß § 10 Abs. 2 VVG keine aufschiebende Wirkung. [...]“. Wegen des ausschließlichen Beugecharakters von Zwangsstrafen nach dem VVG ist deren Verhängung und Vollzug nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher unzulässig, sobald die Leistung erbracht oder die Erbringung der Leistung gegenstandslos geworden bzw. unmöglich ist, weil dann die Erreichung des mit der Zwangsstrafe letztlich verfolgten Zieles nicht mehr möglich oder nicht mehr verpflichtend ist (vgl. die zitierte Entscheidung des VwGH, mwN). Es darf sohin auch ein bereits verhängtes Zwangsmittel nicht mehr vollzogen werden, wenn das mit seiner Verhängung verfolgte Ziel erreicht ist (vgl. VwGH 28.4.2005, 2004/07/0196).
4.4. Im zu beurteilenden Beschwerdefall wurde durch den Verkauf des Grundstückes Nr. x1 durch die Beschwerdeführerin, durch ihren Wegzug aus der Gemeinde Pierbach (ins mehr als 100 km entfernte H) und insbesondere durch das Unterlassen der weiteren Beaufsichtigung von Hunden auf diesem Grundstück jedenfalls seit Anfang März 2020 (Datum der Benachrichtigung durch die belangte Behörde) jener Rechtszustand hergestellt, der sich aus dem verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis vom 15.5.2017 ergibt, nämlich dass die baulichen Anlagen auf diesem Grundstück nicht mehr für einen (dem Oö. ROG 1994 widersprechenden) Betrieb einer Hundepension verwendet werden.
4.5. Da die unvertretbare Handlung des Unterlassens dieser verpönten Verwendung jedenfalls nunmehr von der Beschwerdeführerin bewirkt ist, wird der Vollstreckungsvorgang, der – wie dargetan - neben der Androhung einer Zwangsstrafe (Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides) auch die Verhängung der Zwangsstrafe (Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides) und deren Vollziehung als faktische Amtshandlung umfasst, nach § 5 Abs. 2 letzter Satz VVG spruchgemäß abgebrochen (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1799; VwGH 9.10.2014, 2013/05/0110).
4.6. Aufgrund des Abbruchs des Vollstreckungsvorgangs ist auch der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses als Prozessvoraussetzung für gegenstandlos zu erklären (vgl. VwGH 28.1.2016, Ra 2015/11/0027; VwGH 19.11.2019, Ra 2019/09/0050).
5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen ist, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Zwangsstrafen nach § 5 VVG ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. die zitierte Judikatur des VwGH). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Zwangsstrafe; Vollstreckung; Abbruch wegen Herstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Verkauf des GrundstückesAnmerkung
Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2020:LVwG.190035.34.JS.FEZuletzt aktualisiert am
06.08.2020