TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 W199 2164829-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W199 2164829-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2017, Zl. 1093805102-151711757, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 6.11.2015 den Antrag, ihr internationalen Schutz zu gewähren (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet). Begründend gab sie dazu bei ihrer Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Stadtpolizeikommando XXXX , Polizeianhaltezentrum) am selben Tag und bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt; Regionaldirektion XXXX in XXXX ) am 13.4.2017 an, sie habe gegen die Regierung demonstriert und sei verhaftet worden.

Bei ihrer Befragung wurde ein syrischer Personalausweis sichergestellt. Bei ihrer Einvernahme legte sie einen syrischen Reisepass vor. Am 24.11.2016 bzw. am 8.5.2017 teilte die Landespolizeidirektion XXXX (Landeskriminalamt, Kriminalpol. Untersuchung, AB 08) dazu mit, dass es sich um Originaldokumente handle. Es hätten jeweils keine Abänderungen in den Ausfüllschriften bzw. keine Auswechslung des Lichtbildes festgestellt werden können.

2. Mit dem Bescheid, dessen Spruchpunkt I angefochten ist, wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, Art. 2 BG BGBl. I 100 (in der Folge: AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erkannte es der Beschwerdeführerin den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II), gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilte es ihr die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 7.6.2018 (Spruchpunkt III).

Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 12.6.2017 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt.

3. Gegen Spruchpunkt I dieses Bescheides richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde vom 10.7.2017.

4. Am 29.11.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der nur die Beschwerdeführerin als Partei teilnahm und der ein Dolmetscher für die arabische Sprache beigezogen wurde. Das Bundesamt hatte auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Das Bundesverwaltungsgericht erhob Beweis, indem es die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vernahm und - außer den Akten des Verfahrens - folgende Unterlagen einsah, die auch in der Verhandlung erörtert wurden:

* Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Syrien (18.5.2018)

* United States Department of State. Country Report on Human Rights Practices 2017 - Syria (20.4.2018)

* UNHCR, UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen. 5., aktualisierte Fassung (November 2017)

* UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria. "Illegal Exit" from Syria and Related Issues for Determining the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Syria (Feber 2017)

* Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (13.11.2018, Stand: November 2018)

(In der Niederschrift über die Verhandlung wurden irrtümlich zT veraltete Unterlagen genannt.) Der Beschwerdeführerin wurde in der Verhandlung eine Frist für eine Stellungnahme eingeräumt. Dazu wurde ihr mit Schreiben vom 3.12.2018 mitgeteilt, in der Niederschrift seien irrtümlich zT veraltete Unterlagen genannt worden, gleichzeitig wurden ihr die oben genannten Unterlagen übermittelt. Am 31.12.2018 gab sie eine Stellungnahme ab (su.).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Situation in Syrien wird festgestellt:

1.1.1. Politische Lage

Seit 2011 herrscht in Syrien Gewalt. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg mit unzähligen Milizen und Fronten geworden. Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen beherrschen verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten sie Regierungsstrukturen, auch irregulär aufgebaute Gerichte. Das Gebiet, das unter kurdischer Kontrolle steht, wird auf etwa ein Viertel des Staatsgebietes geschätzt. Russland, der Iran, die libanesische Hizbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Durch massive syrische und russische Luftangriffe und das Eingreifen Irans bzw. vom Iran unterstützter Milizen hat das Regime große Landesteile von der bewaffneten Opposition zurückerobert. Im Juli 2018 übernahm es die Kontrolle über das Gebiet einer zuvor von den USA, Russland und Jordanien verhandelten sog. Deeskalationszone im Südwesten Syriens.

Präsident Bashar al-Asad regiert die Arabische Republik Syrien seit 2000. 2014 wurde er wiedergewählt. Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere, jedoch relativ unbekannte Kandidaten. Die Wahl wurde nur in den von der Regierung beherrschten Gebieten abgehalten, sie wurde als undemokratisch bezeichnet.

Am 16.4.2016 fanden Parlamentswahlen statt. Die regierende Baath-Partei - die von der Verfassung als Regierungspartei vorgesehen ist - gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die Opposition bezeichnete auch diese Wahl, die auch nur in den von der Regierung beherrschten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" wurde gewählt. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen.

Im Norden Syriens stehen Gebiete unter kurdischer Kontrolle ("Rojava"). Die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) hielt die kurdische Bevölkerung davon ab, sich an der Revolution zu beteiligen. Auf diese Weise konnte sich die syrische Armee auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. Die PYD bezeichnet das in den kurdischen Gebieten etablierte System als "demokratische Autonomie" bzw. "demokratischen Konföderalismus". Tatsächlich liegt die Macht bei der militärischen Führung. In den kurdischen Gebieten haben die Bürger durch die PYD auch Zugang zu Leistungen, damit legitimiert die Partei ihre Macht. In Gebieten, in denen sie neben Behörden der Regierung besteht, haben sich viele Institutionen entwickelt, dadurch wurden Parallelstrukturen geschaffen. In Gebieten, in denen sie mehr Kontrolle hat, bleibt die Macht in ihrer Hand zentralisiert.

1.1.2. Sicherheitslage

Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die alle Städte und Regionen Syriens betrifft. Nahezu täglich werden landesweit Tote und Verletzte gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in vielen Orten zerfallen, das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch.

Präsident Asad hat mit russischer Unterstützung die Oberhand im syrischen Bürgerkrieg gewonnen. Teile des Landes, insbesondere an den Landesgrenzen, sind jedoch weiter in der Hand Aufständischer.

Nachdem die syrischen Truppen im Dezember 2016 Aleppo eingenommen hatten, zogen große Teile der regulären Armee ab; dadurch verschlechterte sich die Sicherheitslage, weil damit den Milizen freie Hand gelassen wurde. Im Juni 2017 unternahm die Regierung den Versuch, großflächig gegen die Milizen in Aleppo vorzugehen. Die Milizen sind ua. auch für eine steigende Zahl an Entführungen, damit Lösegelderpressungen, sowie für Morde verantwortlich.

Anfang November 2016 begann eine Offensive zur Rückeroberung der Stadt Raqqa, der syrischen Hochburg von Daesh (di. der Islamische Staat, IS, ISIS, ...). An der Offensive waren etwa 30.000 Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), einer von den USA unterstützten kurdisch-arabischen Rebellenallianz, beteiligt, von denen ein Großteil von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gestellt wird. Am 17.10.2017 erklärten die SDF den Sieg über Daesh in Raqqa. Das große Ausmaß an Zerstörung von Infrastruktur und Wohnungen führt zu schweren Mängeln in der Gesundheits- und Grundversorgung.

Seit August 2016 ist die Türkei im Rahmen der "Operation Euphrates Shield" in Syrien aktiv. Die Operation wurde gestartet, um gegen Daesh und auch gegen die kurdischen Einheiten vorzugehen, die entlang der syrisch-türkischen Grenze aktiv sind. Im März 2017 wurde die Operation für erfolgreich beendet erklärt. Im Oktober 2017 gab der türkische Präsident Erdogan eine neue Operation in der syrischen Provinz Idlib bekannt, deren Ziel es ist, die Ausbreitung von kurdischen und al-Qaida-Einheiten entlang der türkischen Grenze zu verhindern. Am 20.1.2018 begann eine Offensive der Türkei gegen die kurdisch kontrollierte Stadt Afrin. Erdogan kündigte außerdem an, auch Manbij angreifen zu wollen. Nach der zwei Monate andauernden "Operation Olivenzweig" eroberten im März 2018 von der Türkei unterstützte syrische Rebellengruppen die Stadt Afrin. Zuvor baten die Kurden die syrische Regierung um Unterstützung bei der Verteidigung Afrins, daraufhin zogen regierungstreue Einheiten, nicht jedoch die syrische Armee selbst, nach Afrin. Nach der Einnahme Afrins durch türkische Truppen kündigte die YPG den Beginn eines Guerilla-Kampfes gegen die Türkei und pro-türkische Kräfte an.

In den ersten Monaten 2018 erlebte Ost-Ghouta, nahe Damaskus, die heftigste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkrieges. Ende Feber 2018 begann nach wochenlangen Bombardements die Bodenoffensive der Regierung auf Ost-Ghouta. Mitte April 2018 erklärten die russischen Behörden und die syrischen Streitkräfte die Militäroffensive der syrischen Armee auf die Rebellenenklave für beendet. Im April 2018 fand in Douma, in Ost-Ghouta, ein mutmaßlicher Giftgasangriff mit Dutzenden Todesopfern statt, für den die syrische Regierung verantwortlich gemacht wurde.

Im April 2018 griff die syrische Armee Yarmouk und Hajar al-Aswad, etwa acht Kilometer südlich von Damaskus, an. Das Gebiet wurde vor allem von Kämpfern des Daesh und der Nusra-Front beherrscht. Die Rebellen stimmten schon bald einem Evakuierungsabkommen zu, jedoch hielten die Luftschläge weiterhin an, und die bewaffneten Gruppen gaben ihr Gebiet zunächst trotz der Vereinbarungen nicht auf.

Die sog. Versöhnungsabkommen sind Vereinbarungen, die ein Gebiet, das zuvor unter der Kontrolle einer oppositionellen Gruppe stand, offiziell wieder unter die Kontrolle des Regimes bringen. Die Regierung bietet, meist nach schwerem Beschuss oder Belagerung, ein Versöhnungsabkommen an, das an verschiedene Bedingungen geknüpft ist, sie unterscheiden sich von Abkommen zu Abkommen.

Im Mai 2017 unterzeichneten Russland, der Iran und die Türkei ein Abkommen, das die Einrichtung sog. Deeskalationszonen vorsieht. Weder die Regierung noch die Opposition unterzeichneten das Abkommen. Die Gruppe Jabhat Fatah ash-Sham (ehemals Jabhat al-Nusra) und Daesh sind von den Vereinbarungen ausgenommen. Nachdem die Zonen beschlossen wurden, begannen in Ost-Damaskus Deeskalationsmaßnahmen, jedoch wurde in dieser Gegend gleichzeitig ein Versöhnungsabkommen geschlossen. Das Ausmaß der Kampfhandlungen in den Provinzen Hama, Homs und Idlib blieb vorerst gleich oder stieg sogar an.

Im November 2017 brachte die syrische Armee Deir ez-Zour, das zuvor von Daesh besetzt war, wieder unter ihre Kontrolle. Daesh verlor 2017 beinahe sein ganzes Territorium in Syrien und im Irak. Der russische Präsident Putin ordnete Mitte Dezember den Abzug eines "Großteils der russischen Truppen" aus Syrien an. Russland wird jedoch weiterhin eine ständige militärische Präsenz in Syrien unterhalten.

1.1.3. Rechtsschutz; Justizwesen

1.1.3.1. Gebiete unter der Kontrolle des Regimes

Das Justizsystem besteht aus mehreren Gerichtstypen, darunter sind Zivil-, Straf-, Militär-, Sicherheits- und religiöse Gerichte sowie ein Kassationsgericht. Die religiösen Gerichte behandeln das Familien- und Personenstandsrecht; Scharia-Gerichte sind für sunnitische und schiitische Muslime zuständig, Drusen, Christen und Juden haben ihre eigenen gerichtlichen Strukturen, in denen es auch eigene Berufungsgerichte gibt. Nach manchen Personenstandsgesetzen wird die Scharia unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Beteiligten angewandt. Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Behörden sind in der Praxis jedoch oft politischen Einflüssen ausgesetzt. Die Ergebnisse von Fällen mit politischem Kontext scheinen oft schon vorbestimmt zu sein.

Wenn Personen, von denen angenommen wird, dass sie Regierungsgegner sind, vor Gericht gebracht werden, so ist es wahrscheinlich, dass es sich dabei um das Anti-Terror-Gericht, das 2012 aufgebaut wurde, oder um ein Militärgericht handelt. Das Anti-Terror-Gericht hält sich in seiner Arbeitsweise nicht an grundlegende Bedingungen einer fairen Gerichtsverhandlung. Manchmal dauern die Verhandlungen nur wenige Minuten und "Geständnisse", die unter Folter gemacht wurden, werden als Beweismittel akzeptiert. Außerdem wird das Recht auf Rechtsberatung stark eingeschränkt. In Militärgerichten haben Angeklagte kein Recht auf einen Anwalt. Manchmal werden Angeklagte auch nicht über ihr Urteil informiert. In den ersten zweieinhalb Jahren seit seiner Errichtung soll das Anti-Terror-Gericht mehr als 80.000 Fälle behandelt haben.

1.1.3.2. Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes

In Gebieten, die oppositionelle Gruppen beherrschen, wurden unterschiedlich eingerichtete Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, die sich stark darin unterscheiden, wie sie organisiert sind und inwieweit sie sich an Rechtsnormen halten. Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere dem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, während wieder andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und von den dominanten bewaffneten Gruppen dieser Gebiete beeinflusst. Manchmal münden Gerichtsverhandlungen vor Gerichten der Opposition in öffentliche Hinrichtungen, ohne dass der Angeklagte hätte Berufung einlegen oder Besuch von seiner Familie erhalten können.

Daesh hat in den von ihm kontrollierten Gebieten seine strikte Auslegung des islamischen Rechts eingeführt. Es kommt dort häufig zu öffentlichen Hinrichtungen. Unter den Opfern sind Menschen, denen Abfall vom Glauben, Ehebruch, Schmuggel oder Diebstahl zur Last gelegt wird oder die wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung angeklagt wurden.

1.1.3.3. Gebiete unter kurdischer Kontrolle

In "Rojava" wurde die "Verfassung von Rojava" erstellt, die als "sozialer Vertrag" zwischen den Bürgern der kurdischen Gebiete beschrieben wird und eine parlamentarische Demokratie mit Pluralismus und gleichen Rechten für Männer und Frauen vorsieht. Es wurden Komitees gegründet, welche die Erhaltung des "sozialen Friedens" zum Ziel haben und Straftaten unter diesem Gesichtspunkt regeln. Die von der PYD geführte Verwaltung umfasst neben einer eigenen Polizei auch Gerichte, Gefängnisse, Ministerien und Gesetze. Für die Militärgerichtsbarkeit sind die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) verantwortlich. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung besteht, fordert die PYD die Bevölkerung dazu auf, sich bei den Institutionen der PYD zu registrieren, gleichzeitig müssen sich Bürger jedoch auch bei den örtlichen staatlichen Gerichten um offizielle Dokumente bemühen, da Dokumente der PYD vom syrischen Staat nicht anerkannt werden.

1.1.4.1. Sicherheitsbehörden und regimetreue Milizen

Die Regierung erhält die Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte aufrecht, kann jedoch jene über paramilitärische, nicht-uniformierte Pro-Regime-Milizen, die oft autonom und ohne Aufsicht oder Führung der Regierung arbeiten, nicht immer gewährleisten. Straflosigkeit unter den Sicherheitsbehörden ist weit verbreitet. Das Generalkommando der Armee und der Streitkräfte kann einen Haftbefehl im Fall von Verbrechen durch Militäroffiziere, Mitglieder der internen Sicherheitskräfte oder Zollpolizeioffiziere (im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten) ausstellen. Solche Fälle müssen vor einem Militärgericht verhandelt werden. In der Praxis ist keine rechtliche Verfolgung oder Verurteilung von Polizei- und Sicherheitskräften hinsichtlich Missbrauchs und Korruption bekannt, die Sicherheitskräfte operieren unabhängig und generell außerhalb des Gesetzes. Es gab 2016 keine Berichte von Aktionen der Regierung zur Reform der Sicherheitskräfte oder der Polizei. Die Shabbiha bzw. die NDF und andere paramilitärische Gruppen mit Verbindung zum Regime sind an Menschenrechtsverletzungen beteiligt, darunter auch an Massakern, willkürlichen Tötungen, Entführungen von Zivilisten, willkürlichen Festnahmen und Vergewaltigungen als Kriegstaktik. Die Einheiten, die auf der Seite der Regierung kämpfen, sind sehr vielfältig. Manche gehören regulären Streitkräften an, andere verschiedenen Milizen. Manche bestehen aus nicht mehr als ein paar Dutzend Männern, andere halten Tausende Männer unter Waffen und besitzen ihre eigenen Trainingscamps und Netzwerke. Auch Russland, der Iran, die libanesische Hizbollah und der Irak unterstützen die syrische Regierung, auch mit Einsätzen an der Seite der syrischen Streitkräfte.

1.1.4.2. Streitkräfte

Die Streitkräfte bestehen aus der Armee, der Marine und der Luftwaffe. Sie sind für die Verteidigung des nationalen Territoriums und den Schutz des Staates vor internen Bedrohungen verantwortlich. Vor dem Konflikt soll die syrische Armee eine Mannstärke von etwa 295.000 Personen gehabt haben. Sie kann das gesamte syrische Staatsgebiet nicht mehr unabhängig sichern. Sechs Jahre mit Überläufen zu den Regimegegnern, Desertionen und Verlusten durch den Konflikt haben die Mannstärke aus den Vorkriegszeiten stark dezimiert, sie wird für 2014 und 2015 auf 100.000 bis 175.000 Mann geschätzt, großteils mangelhaft ausgerüstete und trainierte Wehrdiener.

Der Aufbau der syrischen Armee basiert auf dem sog. Quta'a-System. Dabei wird jeder Division ein bestimmtes Gebiet zugeteilt. Es verbindet jeden Sektor (quta'a) mit einer Division und somit Karriere und Leben eines Offiziers mit einer Armee-Division und dem dazugehörigen Gebiet. Im Zuge des Konfliktes hat das Regime jedoch loyale Einheiten in größere Einheiten eingebaut, um eine bessere Kontrolle auszuüben und ihre Effektivität im Kampf zu verbessern.

1.1.4.3. Zivile und militärische Sicherheits- und Nachrichtendienste

Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen. Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste. Der Militärische Nachrichtendienst, der Luftwaffennachrichtendienst und das Direktorat für Politische Sicherheit unterstehen dem Innenministerium. Das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat untersteht direkt dem Präsidenten. Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken Stimmen innerhalb Syriens, die vom Regime abweichen. Die größeren Organisationen haben ihre eigenen Gefängniszellen und Verhörzentren.

Die Sicherheitskräfte nutzen eine Reihe von Techniken, um Syrer einzuschüchtern oder sie dazu zu bringen, dass sie den Vorstellungen der Sicherheitskräfte entsprechend handeln. Dazu gehören Angebote von lukrativen und prestigeträchtigen Positionen oder anderen Belohnungen, jedoch auch Zwangsmaßnahmen wie Reiseverbote, Überwachung, Schikane von Einzelpersonen und/oder ihren Familienmitgliedern, die Androhung von Inhaftierung (ohne Anklage), Verhör und Haftstrafen nach langen Gerichtsverhandlungen. Die bürgerliche Gesellschaft und die Opposition in Syrien erhalten spezielle Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte, aber auch andere Gruppen und Einzelpersonen müssen mit dem Druck der Sicherheitsbehörden umgehen.

1.1.4.4. Polizei

Das Innenministerium kontrolliert vier verschiedene Abteilungen von Polizeikräften: Notrufpolizei, Verkehrspolizei, Nachbarschaftspolizei und Polizei gegen Unruhen.

1.1.4.5. Shabbiha-Milizen und Volkskomitees

Die Shabbiha sind bewaffnete Milizen, welche die regierende Baath-Partei unterstützen und der Asad-Familie treu sind. Sie kämpfen, um die Opposition zu unterdrücken und sich zu bereichern. Sie wurden in den 1970er Jahren in der Gegend von Latakia gegründet und bestanden aus einem Schmugglernetzwerk. 2000 wurden sie von Bashar al-Asad aufgelöst, 2011 nahmen sie ihre Tätigkeit wieder auf. Sie bestehen aus etwa 10.000 Mitgliedern und gehen skrupellos gegen die Opposition vor.

Zu Beginn des Konfliktes 2011 wurden außerdem die sogenannten Volkskomitees spontan gegründet oder von Nachrichtendiensten oder Pro-Asad-Geschäftsmännern als Gegenstück zur Mobilisierung oppositioneller Demonstranten rekrutiert. Die Volkskomitees, die anfangs nur ihre Wohngegenden nach Zeichen des Widerstandes überwachen und Demonstrationen auflösen sollten, entwickelten sich mit der Zeit zu lokalen Autoritäten und später zu bewaffneten Milizen, nachdem der Staat an Macht verlor und die Opposition militarisiert wurde. Diese Milizen wurden von der Opposition häufig als "Shabbiha" bezeichnet.

1.1.4.6. Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF)

Die Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF) sind eine Schirmorganisation für verschiedene Pro-Regime-Milizen und paramilitärische Gruppen, die sich erstmals 2013 organisierte. Sie wurden aus kriminellen Gruppen, Shabbiha und Volkskomitees, die lokal organisiert sind, gegründet und dienen dem Regime und der Armee. Der Iran und die libanesische Hizbollah spielten eine wichtige Rolle bei der Gründung der NDF nach dem Vorbild der iranischen paramilitärischen Basij-Einheiten. Diese Gruppen nehmen am bewaffneten Konflikt teil. Sie nehmen Personen fest, die sie der Unterstützung der Opposition verdächtigen, inhaftieren und foltern sie. Die Kämpfer der NDF gelten als regimetreuer als die wehrdienstleistenden Soldaten der syrischen Armee. Ihre Arbeit variiert je nach Gebiet, und manche Gruppen sind disziplinierter als andere. Es gibt Gruppen, die zu den NDF gehören und auf Religionszugehörigkeit basieren, zB christliche oder alawitische Gruppen. Als dezidiert Freiwillige sind Angehörige der NDF bei Rebellen verhasster als reguläre Soldaten, die unter Umständen zwangsrekrutiert worden sind, deshalb laufen NDF-Mitglieder noch größere Gefahr, bei Gefangennahme getötet zu werden.

Ihre genaue Mannstärke ist nicht bekannt, Schätzungen aus 2016 schwanken zwischen 60.000 und 100.000 Personen. Die NDF sind auf Grund aktueller Entwicklungen, darunter der Gründung des Fünften Korps der syrischen Streitkräfte, in einem Zustand der Zersplitterung und Fragmentierung. Die Gründung des Fünften Korps sollte ua. auch dazu dienen, eine einsatzfähige Einheit unter Kontrolle der syrischen Armee zu bilden und dabei die NDF aufzulösen, die dafür bekannt sind, zu plündern, die Bevölkerung zu terrorisieren und Schutzgelder zu erpressen. Die organisatorischen Strukturen zwischen NDF und der syrischen Armee und anderen regulär bewaffneten Gruppen sind schwer zu definieren. Manchen Berichten zufolge operieren die NDF unter dem Kommando der syrischen Armee, dabei erhalten sie Informationen und die taktische Führung von der Armee, in anderen Fällen können die Hizbollah und iranische Einheiten spezielle NDF-Kader trainieren und befehligen.

1.1.4.7. Ausländische Kämpfer bzw. Angehörige ausländischer Streitkräfte auf der Seite des Regimes

Zusätzlich zu den lokalen Pro-Regime-Milizen gibt es va. seit 2013 einen stetigen Zustrom ausländischer schiitisch-islamistischer Kämpfer, die vom Iran und den mit ihm verbündeten regionalen paramilitärischen Gruppen unterstützt und trainiert werden. Der Iran führt eine Koalition von beinahe 30.000 Kämpfern. Sie bestehen aus mindestens 7000 iranischen und etwa 20.000 ausländischen Kämpfern, darunter sind 6000 bis 8000 Mann der libanesischen Hizbollah, 4000 bis 5000 irakische schiitische Milizionäre und 2000 bis 4000 afghanische schiitische Kämpfer. Diese Zahlen enthalten jedoch nicht die lokalen paramilitärischen Gruppen, die vom Iran in Syrien unterstützt werden. Diese Koalition stellt einen unverhältnismäßigen Anteil der einsatzfähigen Infanterie, die in größeren Operationen zu Gunsten der Regierung eingesetzt wird. Der Iran hat eine hoch entwickelte Infrastruktur aufgebaut, um diese Einheiten zu trainieren, auszurüsten, zu verwalten und in der Region seinen eigenen strategischen Prioritäten entsprechend einzusetzen. Iranische Einheiten übernahmen wichtige Operationen, was zu "Säuberungen, Exekutionen und Versetzungen" von niedrigrangigen syrischen Offizieren führte und auch ranghöhere Offiziere betraf, die sich gegen die Ausweitung des iranischen Einflusses wehrten.

Russland zählt ebenfalls zu den Verbündeten Asads und unterstützt die syrische Regierung militärisch, so auch mit fortschrittlicher Waffentechnologie, Unterstützung der syrischen Luftwaffe und russischen Spezialeinheiten.

1.1.5. Folter und unmenschliche Behandlung

Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren. Folter und andere Misshandlungen nutzt das Regime schon seit Jahrzehnten, um Widerstand zu unterdrücken. Das Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch Minderjährigen sind weit verbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt. Manche Folteropfer werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Mitglieder bewaffneter Gruppen werden auch Opfer von Folter. Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar um die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern.

Rebellengruppen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von tatsächlich oder vermeintlich Andersdenkenden und Rivalen. Manche oppositionelle Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie seien Mitglieder regierungstreuer Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel. Auch Daesh misshandelt, foltert und bestraft Menschen brutal. Er bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, auch Kinder, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen.

Berichten zufolge begehen die Konfliktparteien Kriegsverbrechen und andere schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechte, einschließlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit, allerdings ist Straflosigkeit weit verbreitet, sodass die Zivilbevölkerung die Hauptlast des Konflikts zu tragen hat. Die Situation in Syrien ist als "Abschlachtung, kompletter Verlust jeglicher Menschlichkeit, Gipfel des Horrors" bezeichnet worden.

1.1.6. Korruption

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International lag Syrien 2015 auf Platz 173 von 176 untersuchten Ländern. Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für Korruption vor, die Regierung hat die Regelungen jedoch nicht effektiv durchgesetzt. Beamte üben regelmäßig korrupte Praktiken aus, ohne dafür bestraft zu werden. Korruption ist ein allgegenwärtiges Problem bei Polizei, Sicherheitskräften, Regierung und anderen Behörden. Milizen verlangen zB Bestechungsgelder für das Passieren von Straßensperren, die sie kontrollieren. In der syrischen Armee gibt es eine Tradition der Bestechung, und es ist möglich, durch Bestechung eine bessere Position oder einfachere Aufgaben zu erhalten. Korruption war bereits vor dem Bürgerkrieg weit verbreitet und beeinflusste das tägliche Leben der Syrer. Bürger müssen häufig Bestechungsgelder zahlen, um bürokratische Angelegenheiten abschließen zu können. Seit der Krieg ausgebrochen ist, vermeiden Syrer, die Verfolgung durch den Staat befürchten, den Kontakt zu offiziellen Institutionen. Stattdessen müssen sie - zB im Falle wichtiger Dokumente - auf den Schwarzmarkt zurückgreifen. Rebellen, Daesh und kurdische Einheiten erpressen ebenfalls Unternehmen und konfiszieren privates Eigentum in unterschiedlichem Ausmaß.

1.1.7. Allgemeine Menschenrechtslage

1.1.7.1. Es wird geschätzt, dass seit dem Beginn der Revolution 2011 bis Mitte 2017 etwa 475.000 Personen getötet worden sind. Regimeeinheiten führten weiterhin willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Folter an Häftlingen durch, von denen viele in Haft starben. Das Regime und seine Verbündeten führten willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten durch. Sie führten Angriffe mit Fassbomben, Artillerie und Mörsern und Luftangriffe auf zivile Wohngebiete, Schulen, Märkte und medizinische Einrichtungen durch, was zu zivilen Opfern führte. Die staatlichen Sicherheitskräfte halten Tausende Menschen ohne Anklageerhebung über lange Zeit in Untersuchungshaft. Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. - Lang anhaltende Belagerungen durch Regierungskräfte führen dazu, dass der eingeschlossenen Zivilbevölkerung Lebensmittel, ärztliche Betreuung und andere lebenswichtige Dinge vorenthalten werden. Außerdem werden Zivilisten beschossen bzw. angegriffen.

Auch aufständische Gruppen begehen schwere Menschenrechtsverletzungen wie Festnahmen, Folter und Exekutionen von Leuten, die als politisch Andersdenkende wahrgenommen werden, und an Rivalen. Daesh begeht systematische und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, die auch auf Zivilisten abzielen. Mädchen und Frauen werden zur Heirat mit Kämpfern gezwungen, Frauen und Mädchen, die Minderheiten angehören, werden sexuell versklavt. Frauen erleben willkürliche und schwere Bestrafungen, auch Hinrichtungen durch Steinigung. Frauen und Männer werden bestraft, wenn sie sich nicht den Vorstellungen des Daesh entsprechend kleiden.

Daesh-Kämpfer richten gefangengenommene Zivilpersonen, Regierungssoldaten, Angehörige rivalisierender bewaffneter Gruppen sowie Medienschaffende hin.

Syrische Kinder sind auch hinsichtlich Kinderehen gefährdet.

1.1.7.2. Todesstrafe

Die Todesstrafe ist für verschiedene Verbrechen in Kraft. Zahlreiche Todesurteile wurden durch das Anti-Terrorgericht und Militärgerichte oftmals in mangelhaften Gerichtsverfahren verhängt.

1.1.7.3. Religionsfreiheit

In Syrien gibt es keine offizielle Staatsreligion, die Verfassung sieht jedoch vor, dass der Präsident Muslim sein muss.

Die Religionszugehörigkeit einer Person wird nicht auf der Identitätskarte vermerkt, muss jedoch beim Zivilregister registriert werden. Es ist nicht möglich, "keine Religion" zu haben. Das Gesetz schränkt Missionierung und Konversionen ein. Es verbietet die Konversion vom Islam zu anderen Religionen, erkennt die Konversion zum Islam jedoch an. Das Strafgesetz verbietet auch "das Verursachen von Spannungen zwischen religiösen Gemeinschaften". Ein zum Islam konvertierter Erwachsener kann nicht zu seinem ursprünglichen Glauben zurück konvertieren.

Nach Schätzungen der US-Regierung stellen die Sunniten 74 % der Bevölkerung. Andere muslimische Gruppen, einschließlich Alawiten, Ismailiten und Schiiten, machen zusammen 13 % aus, die Drusen 3 %. Verschiedene christliche Gruppen bilden die verbleibenden 10 %. Vor dem Bürgerkrieg gab es in Syrien ungefähr 80.000 Jeziden. Diese Zahl könnte auf Grund des Zuzugs von Jeziden, die aus dem Irak nach Syrien geflüchtet sind, mittlerweile höher sein.

Am Beginn des Konfliktes waren Angriffe auf Minderheiten kein zentraler Bestandteil des Krieges. Die Handlungen des Regimes haben jedoch dazu beigetragen, dass die konfessionelle Dimension des Konfliktes eskaliert ist.

Die syrische Regierung und die mit ihr verbündeten schiitischen Milizen töten, verhaften und misshandeln Sunniten und Mitglieder bestimmter Minderheiten physisch, als Teil der Bemühungen, den bewaffneten Aufstand oppositioneller Gruppen niederzuschlagen. Das Regime wandte Taktiken an, die darauf abzielten, die extremsten Elemente der sunnitisch-islamistischen Opposition zu stärken, um den Konflikt dahingehend zu formen, dass er als ein solcher gesehen wird, in dem eine religiös moderate Regierung einer religiös extremistischen Opposition gegenübersteht. Die Revolution wurde somit mit der sunnitischen Bevölkerung assoziiert, die Regierung zielte auf Städte und Wohngegenden mit Belagerung, Beschuss und Luftangriffen auf Basis der Religionszugehörigkeit der Bewohner ab. Während sich Rebellen in Stellungnahmen und Veröffentlichungen ausdrücklich als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten identifizieren und eine Unterstützerbasis haben, die fast nur aus Sunniten besteht, und dadurch das Abzielen der Regierung konfessionell motiviert erscheint, merkten Beobachter jedoch an, dass es zweifellos auch andere Motivationen für die Gewalt gab. Experten argumentierten, dass Gewalt auf beiden Seiten oft religiös motiviert sei. Auch Daesh ist für Menschenrechtsverletzungen Sunniten gegenüber verantwortlich. Dies führte dazu, dass manche Mitglieder religiöser Minderheiten die Regierung Präsident Asads als ihren einzigen Beschützer gegen gewalttätige sunnitisch-arabische Extremisten sehen. Gleichzeitig sehen sunnitische Araber viele der syrischen Christen, Alawiten und Schiiten auf Grund ihrer fehlenden Unterstützung oder Neutralität gegenüber der syrischen Revolution als Verbündete der syrischen Regierung an. Die Minderheiten sind zwischen den konfessionellen Spannungen gefangen und in ihrer Loyalität gespalten. Viele entschieden sich dafür, das Regime zu unterstützen, da sie sich Schutz durch die syrische Regierung erhoffen, während andere Mitglieder von Minderheiten auf der Seite der Opposition stehen. Die alawitische Gemeinde, zu der Bashar al-Asad gehört, genießt einen privilegierten Status in der Regierung und dominiert auch den staatlichen Sicherheitsapparat und das Militär. Nichtsdestoweniger werden auch alawitische oppositionelle Aktivisten Opfer willkürlicher Verhaftungen, von Folter, Haft und Mord durch die Regierung. Alawitische Gemeinden und schiitische Minderheiten werden außerdem zu Opfern von Angriffen aufständischer extremistischer Gruppen.

Infolge des Aufstiegs und der Verbreitung extremistischer bewaffneter Gruppen seit 2014 werden Minderheiten vermehrt Menschenrechtsverletzungen durch deren Kämpfer ausgesetzt. Gruppen wie Daesh oder Jabhat Fatah al-Sham setzen Minderheiten Angriffen und Unterdrückung ihrer Religionsfreiheit aus und bestrafen jene hart, die gegen ihre Kontrolle sind. In Gebieten, die Daesh kontrolliert, wurden Christen gezwungen, eine Schutzsteuer zu zahlen oder zu konvertieren, oder sie liefen Gefahr, getötet zu werden. In Raqqa hielt Daesh Tausende jezidische Frauen und Mädchen gefangen, die im Irak entführt und nach Syrien verschleppt worden waren, um sie zu verkaufen oder an seine Kämpfer als Kriegsbeute zu verteilen.

Jabhat Fatah al-Sham und einige verbündete Rebellengruppen zielen im Norden des Landes mit Bomben und Selbstmordattentaten auf Drusen und Schiiten ab, laut Jabhat Fatah al-Sham eine Reaktion auf das "Massaker an Sunniten" durch die Regierung. Oppositionelle Gruppen entführen Mitglieder religiöser Minderheiten. Da sich die Motive politischer, ethnischer, konfessioneller und religiöser Gewalt überschneiden, ist es schwierig, Übergriffe als lediglich religiös motiviert zu kategorisieren.

1.1.8. Bewegungsfreiheit

Die steigende Anzahl an Checkpoints der verschiedenen bewaffneten Konfliktparteien, die schweren Kämpfe und die generell unsichere Lage im Land schränken die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung und den Transport lebensnotwendiger Güter stark ein. Das syrische Regime blockiert systematisch Regionen, die von den Rebellen beherrscht werden, die Rebellen und Daesh wenden dieselbe Taktik auf von der Regierung beherrschte Gebiete an. In Gebieten unter ihrer Herrschaft beschränken Daesh und andere Regierungsgegner die Bewegungsfreiheit von Unterstützern der Regierung bzw. von Personen, von denen dies angenommen wird. Dies gilt besonders für die alawitische und schiitische Bevölkerung.

Das syrische Regime setzt Scharfschützen ein, um Sperrstunden durchzusetzen oder Zivilisten an der Flucht aus belagerten Städten zu hindern.

Die syrische Regierung verweigert die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten auf Grund der politischen Einstellung einer Person, ihrer Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert. Das Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum. Über Menschenrechtsaktivisten oder andere Aktivisten der Zivilgesellschaft, deren Familien oder Bekannte werden häufig Ausreiseverbote verhängt. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt.

In Gebieten, die von der Opposition kontrolliert werden, funktionieren Institutionen, die Identitätsdokumente ausstellten, nicht mehr. In Gebieten, die von der Regierung beherrscht werden, gibt es diese Institutionen noch, für manche Syrer ist es jedoch unmöglich geworden, sie zu erreichen. So können manche Personen Geburten, Eheschließungen oder Todesfälle nicht mehr eintragen lassen und sich keine neuen Identitätsdokumente ausstellen lassen. Infolge des Bürgerkrieges sind auch die Kontrollmaßnahmen schwächer geworden. So werden "echte" Dokumente mit falschen Namen oder geänderten Informationen ausgestellt. Außerdem werden vermehrt gefälschte Dokumente benutzt.

1.1.9. Grundversorgung und Wirtschaft

Die syrische Wirtschaft verschlechtert sich weiterhin im Zuge des Konfliktes und schrumpfte zwischen 2010 und 2016 um mehr als 70 %.

Aktuelle Wirtschaftsdaten sind praktisch nicht verfügbar oder sehr mit Vorsicht zu beurteilen. Der fehlende Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Unterkunft und Nahrung verschärfte die Auswirkungen des Konfliktes weiter und drängte Millionen Menschen in die Arbeitslosigkeit und Armut. Die Hauptursachen der Armut sind der Verlust von Eigentum und Arbeitsplatz, der Verlust des Zugangs zu grundlegenden Leistungen, einschließlich solchen des Gesundheitswesens, und zu sauberem Wasser sowie steigende Lebensmittelpreise. 2015 lebten 83,4 % der Syrer unter der Armutsgrenze, 50 % in extremer Armut. 13,5 Mio. Menschen sind in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Das Bildungssystem wurde durch die Beschädigung von Einrichtungen und die Nutzung von Schulen als militärische Einrichtungen stark beeinträchtigt. Fast 1,75 Mio. Kinder erhalten keine Schulbildung, 7400 Schulen, also etwa ein Drittel der Schulen landesweit, wurden beschädigt, zerstört oder anderweitig unzugänglich.

1.1.10. Medizinische Versorgung

Die Gesundheitsversorgung hat sich in Syrien durch den andauernden Konflikt dramatisch verschlechtert. Eine ausreichende Versorgung kann nur in einigen vom Regime gehaltenen Gebieten sichergestellt werden, doch auch hier kann es zu gravierenden Einschränkungen kommen.

1.1.11. Frauen

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander: von extremer Diskriminierung, sexueller Versklavung und erdrückenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Gebieten des Daesh bis zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter der PYD, wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt und Frauen in der Politik und im Militärdienst gut vertreten sind.

Vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte. Die Situation von Frauen verschlechtert sich durch den andauernden Konflikt dramatisch. In oppositionellen Gebieten, die von radikal-islamistischen Gruppen beherrscht werden (zB in Idlib), sind Frauen besonders eingeschränkt. Extremistische Gruppen wie Daesh oder Jabhat Fatah ash-Sham setzen Frauen diskriminierenden Beschränkungen aus.

Vergewaltigungen sind weit verbreitet, die Regierung und ihre Verbündeten setzten sie gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder ein, die als der Opposition zugehörig gelten, um sie zu terrorisieren oder zu bestrafen. Das tatsächliche Ausmaß sexueller Gewalt lässt sich nur schwer einschätzen, weil viele Vergehen nicht angezeigt werden. Frauen und Mädchen sind besonders im Kontext von Hausdurchsuchungen, an Checkpoints, in Haftanstalten, an Grenzübergängen und nach einer Entführung durch regierungstreue Einheiten von sexueller Gewalt betroffen, während Männer und Burschen va. während Verhören in Haftanstalten der Regierung von sexueller Gewalt betroffen sind.

Vergewaltigung außerhalb der Ehe ist zwar laut Gesetz strafbar, die Regierung vollzieht dieses Gesetz jedoch nicht. Außerdem kann der Täter Straffreiheit erlangen, wenn er das Opfer heiratet. Die gesellschaftliche Tabuisierung sexueller Gewalt führt zu einer Stigmatisierung von Frauen, die in Haft waren, zur Erniedrigung von Opfern, Familien und Gemeinschaften und zu einer hohen Dunkelziffer bezüglich der Fälle sexueller Gewalt. Eltern oder Ehemänner verstoßen oft Frauen, die während der Haft vergewaltigt wurden, auch wenn dies nur vermutet wird.

Alleinstehende Frauen sind auf Grund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, jedoch hängt dies von der sozialen Schicht und der Position der Frau bzw. ihrer Familie ab.

1.2. Die Beschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige, gehört der ethnischen Gruppe der Araber an und ist orthodoxe Christin; ihre Muttersprache ist Arabisch. Sie hält sich seit November 2015 in Österreich auf.

Sie stammt aus XXXX in Syrien und verließ dieses Land wegen der Folgen des Krieges und wegen der allgemeinen Sicherheitslage.

Die Fluchtgründe, die sie vorgebracht hat, werden den Feststellungen nicht zugrundegelegt: dass sie nämlich an Demonstrationen teilgenommen habe und deshalb vom syrischen Regime verfolgt werde.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

2.1.1. Die Feststellungen zur Lage in Syrien beruhen auf dem Bericht des Bundesamtes (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation) und auf den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (November 2017). Auf den "Erwägungen" beruhen ua. die Feststellungen über Verbrechen der syrischen Konfliktparteien (letzter Absatz des Abschnitts über "Folter und unmenschliche Behandlung"; S 16 f. der "Erwägungen"). Der Bericht des United States Department of State 2017 stützt diese Feststellungen.

Die Feststellungen zur "Rückkehr" beruhen - neben dem Bericht des Bundesamtes - auf den "Erwägungen" des Flüchtlingshochkommissärs (S 28; zweiter Absatz des Abschnitts) und auf seiner Information (UNHCR, Relevant Country of Origin Information ..., S 3 f.; vorletzter Absatz des Abschnitts).

Der Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 13.11.2018 stützt diese Feststellungen, auf ihm beruhen Feststellungen über die jüngste Entwicklung.

Alle zitierten Unterlagen, auf denen diese Feststellungen beruhen, stammen von angesehenen Einrichtungen, sodass keine Bedenken dagegen bestehen, sich darauf zu stützen; sie stützen sich ihrerseits auf die Berichte zahlreicher anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen.

2.1.2.1. In ihrer Stellungnahme vom 31.12.2018 erklärt die Beschwerdeführerin zunächst, ihre deutschen Sprachkenntnisse seien nicht so gut, dass sie die Berichte verstehen könnte. Sie habe versucht, Organisationen zu finden, die ihr dabei helfen könnten, dies sei ihr aber nicht gelungen. Sie habe keine Zeit, den Bericht zu lesen und zu übersetzen, und nicht genügend politische oder juristische Kenntnisse, um ihn zu beantworten. Sie habe auch kein Geld, um einen Anwalt oder einen privaten Dolmetscher zu beauftragen. Dem fügte sie eine Stellungnahme zur aktuellen Situation in Syrien in arabischer Sprache an.

Das Bundesverwaltungsgericht merkt an, dass das Bundesamt der Beschwerdeführerin mit Verfahrensanordnung vom 8.6.2017 von Amts wegen eine Organisation als Rechtsberater zur Seite gestellt hat, und zwar die " XXXX ". Am 29.6.2017 übernahm die Beschwerdeführerin diese Verfahrensanordnung. Am 5.7.2017 erteilte sie den juristischen Personen " XXXX " und " XXXX " als Mitgliedern der " XXXX " Vollmacht. Die XXXX verfasste für sie auch die Beschwerde.

Gemäß § 52 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge: BFA-VG; Art. 2 Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz BGBl. I 87/2012) idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 unterstützen und beraten Rechtsberater ua. Asylwerber im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie bei der "Beischaffung" eines Dolmetschers. Auf ihr Ersuchen haben sie die Asylwerber auch im Verfahren einschließlich einer mündlichen Verhandlung zu vertreten. Da die Beschwerdeführerin der XXXX Vollmacht erteilt hatte, wurde ihr die Ladung auch zu deren Handen zugestellt. Die Ladung enthält den Hinweis, dass sie, sollte sie eine Teilnahme dieses Rechtsberaters an der Beschwerdeverhandlung wünschen, ehestmöglich Kontakt mit ihm aufnehmen möge. Es stand der Beschwerdeführerin somit frei, sich an den Rechtsberater zu wenden, um sich bei der Stellungnahme beraten zu lassen; sie hatte ihm überdies Vollmacht erteilt.

2.1.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht ließ die persönliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin ins Deutsche übersetzen. Sie schildert zunächst die Entwicklung der bewaffneten Auseinandersetzungen in Syrien seit März 2011. Es sei zu einer Auseinandersetzung zwischen der Regierung und den Oppositionsbewegungen gekommen. 2011 hätten in Homs Demonstrationen stattgefunden, an denen alle Volksschichten teilgenommen hätten. Mehrere Studenten seien verhaftet worden und hätten ihr Studium nicht fortsetzen dürfen. Die Hälfte der Studenten habe ihr Studium wegen der Barrikaden und der Gewalttaten abgebrochen. Unter den Studentinnen hätten Spitzel das Regime unterstützt; die Aktivitäten der Studenten seien festgehalten und weitergeleitet worden, daher seien Hunderte Studenten verhaftet worden. Da der Streit nicht beigelegt worden sei, hätten sich viele den Oppositionsbewegungen, islamischen oder nationalen Milizen, angeschlossen und Waffen getragen. Andere hätten Syrien verlassen. Es sei zu einer Aufteilung Syriens gekommen. Von 34 christlichen Dörfern "in meiner Stadt XXXX " (es handelt sich offenbar nicht um die Heimatstadt der Beschwerdeführerin, sondern sie bezieht sich dabei auf eine Internet-Quelle) sei nur ein bewohntes Dorf geblieben. Die ältesten Bezirke von Damaskus, in denen Christen die überwiegende Mehrheit der Einwohner seien, und die Sehenswürdigkeiten dieser Stadt seien verändert worden. Es seien schiitische Symbole eingerichtet worden. Diese Bezirke seien an das geistliche Regime im Iran "verkauft" worden. Dieses Regime habe durch seine Milizen die Struktur der Einwohner von Damaskus zu verwüsten begonnen. Es habe die Aufständischen vertrieben und einige Drusen und christliche Jugendliche gelockt, den schiitischen Milizen beizutreten. Die Kirche in Syrien sei heute dem Druck und den Repressalien des Regimes ausgesetzt. Unter dem Vorwand, Daesh zu bekämpfen und die Christen zu schützen, übe der Iran Einfluss aus, um sie auszulöschen. Die Kirche verhalte sich so, dass sie die Feinde des Regimes bekämpfe und seine Freunde schätze. Die Russische Föderation, der Iran, die USA und die Türkei bemühten sich, ihre Einflussgebiete auszuweiten und zu festigen. Die USA wollten eine Armee aus 30.000 Soldaten bilden, die aus den Milizen der Arbeiterpartei PYD käme. Diese Armee werde an den Grenzen zur Türkei, zum Irak und am östlichen Ufer des Flusses (gemeint: des Euphrat) stationiert. Die syrische Küste von Latakia bis Homs und Damaskus stehe unter der Kontrolle Russlands. Die Strecke von Teheran über Bagdad und Damaskus nach Beirut stehe unter iranischem Einfluss. In Syrien gebe es mehr als 70.000 Söldner, die aus libanesischen, irakischen und afghanischen Milizen bestünden, zudem Offiziere und Soldaten aus der iranischen Revolutionsgarde. Die Aufteilung Syriens in kleine Staaten sei eine reale Tatsache geworden. Es sei nicht vorstellbar, dass es wieder wie früher aufgebaut werde.

2.1.2.3. Diese Stellungnahme stellt die Feststellungen auf Grund der oben erwähnten Berichte nicht in Frage.

2.2.1. Die Feststellungen zur ethnischen Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin und zu ihrer Religion stützen sich auf ihre insoweit glaubwürdigen Angaben.

2.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht folgt den Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen nicht, und zwar aus folgenden Gründen:

2.2.2.1.1. Die Beschwerdeführerin gab bei ihrer Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 6.11.2015 an, sie stamme aus XXXX in Syrien und habe dieses Land verlassen, weil sie auf Grund des Krieges ihre Unterkunft verloren und kein Haus gehabt habe. In Syrien habe es keine Zukunft mehr gegeben und auch nicht die Möglichkeit eines Studiums. Sie habe gegen die Regierung demonstriert und sei für eine Woche verhaftet worden. Danach habe sich ihre Familie um sie Sorgen gemacht. Deswegen habe sie ihr geraten, aus Syrien auszureisen. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien habe sie große Angst vor den islamischen Extremisten, weil sie Christin sei. Überdies seien die Christen zur Zeit in Syrien ein "unbeliebtes Völkerteil" (offenbar gemeint: Volksgruppe bzw. Religionsgemeinschaft).

2.2.2.1.2. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 13.4.2017 legte die Beschwerdeführerin ihren syrischen Reisepass und ihr Taufzeugnis vor, machte Angaben zu ihrem Lebenslauf und gab an, sie sei Araberin und orthodoxe Christin. In Syrien sei sie einmal drei Tage lang in Haft gewesen. Die Frage, ob sie politisch tätig gewesen sei, bejahte sie und gab an, sie habe demonstriert. Mitglied einer politischen Partei sei sie nicht gewesen. Die Frage nach Problemen wegen ihres Religionsbekenntnisses oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bejahte die Beschwerdeführerin; sie habe Probleme wegen ihrer Religion gehabt. Auf die Frage nach ihrem Fluchgrund nannte sie den Krieg und ihre Teilnahme an Demonstrationen. Die Regierung habe verlangt, dass sie Mitglied der "Abas-Partei" (es dürfte sich um einen Hör- oder Übertragungsfehler handeln; in der Verhandlung gab die Beschwerdeführerin dazu an, dass damit die Baath-Partei gemeint sei) werde, das habe sie jedoch nicht gewollt. Sie habe versprochen, nicht mehr demonstrieren zu gehen, "sie" hätten ihr das aber nicht geglaubt, sondern gesagt, entweder sei sie für oder gegen sie. Die Beschwerdeführerin habe sich auf keine Seite stellen wollen und nicht gewollt, dass weitere Menschen stürben. Ihr Dorf sei von Al Nusra attackiert worden. Deshalb habe sie aufhören müssen zu arbeiten, die Nusra-Leute hätten von ihr verlangt, ein Kopftuch zu tragen und sich wie eine muslimische Frau zu verhalten. Ihre Familie in Syrien habe dieselben Probleme auf Grund ihrer Religion, eine ihrer Schwestern unterrichte neben ihrem Wohnhaus, damit sie nicht weggehen müsse.

Die Beschwerdeführerin gab an, sie habe Anfang 2012 in XXXX auf der Universität demonstriert, Beweise dafür habe sie keine. Als sie zum zweiten Mal - ungefähr im Juni 2012 - demonstriert habe, sei sie von den Behörden festgenommen, für zwei Tage eingesperrt und am dritten Tag freigelassen worden. Es seien vierzig Personen verhaftet worden. Sie - es seien nur Frauen beteiligt gewesen - hätten dafür demonstriert, dass die Gefangenen freigelassen würden. Ein Priester habe ihr dann geholfen, in den Libanon zu kommen. Sie habe damals noch keinen Reisepass gehabt. Als die Behörden im Libanon sie zurück nach Syrien geschickt hätten, habe sie zu ihren Eltern gewollt. Die syrischen Behörden hätten dies nicht zulassen wollen, da sie ihr unterstellt hätten, wieder demonstrieren zu wollen. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien habe sie Angst vor der Regierung, sie würden sie nicht in Ruhe leben lassen, sondern sie wieder zwingen, Mitglied der "Abas-Partei" (also der Baath-Partei) zu werden.

2.2.2.1.3. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte die Beschwerdeführerin ihre Fluchtgründe im Gespräch mit dem erkennenden Richter wie folgt:

"Der Krieg hat viele Probleme verursacht. Es gab politische Probleme in Syrien. Das Volk hat unter diesem Unrecht gelitten. Ich habe an Demonstrationen teilgenommen, die an den Universitäten und Instituten stattgefunden haben. Anfangs waren sie friedlich. Dann kam es zur Gewaltanwendungen und Tötungen. Ich wurde mit mehreren Studienkolleginnen und Freundinnen von den syrischen Sicherheitskräften verhaftet, und zwar wegen der Teilnahme an den Demonstrationen und auch wegen Posts auf Facebook. Nachdem eine Studentin verhaftet wurde, hat sie die anderen Studentinnen verraten. Ich habe die Unterstützung der Kirche und meiner Familie bekommen. Ich habe mich bei den Behörden verpflichten müssen, nicht mehr an den Demonstrationen teilzunehmen. Ich habe versucht, die Beweise dafür mitzunehmen. Mein Vater hat gesagt, dass es unmöglich sei, ein Beweismittel zu bekommen. Er hatte Angst, zu den syrischen Sicherheitsbehörden zu gehen und solche Beweismittel zu verlangen. Die syrischen Sicherheitskräfte haben die Mobiltelefone und alles, was man damit dokumentieren könnte, abgenommen. Sie haben auch die Demonstranten geschlagen. Ich habe Sachen auf Facebook geschrieben. Nachdem ein Mädchen verhaftet wurde, habe ich mich nicht mehr getraut, an den Demonstrationen teilzunehmen. Ich hatte Angst vor einer Vergewaltigung. Solche Dinge sind auch tatsächlich passiert. Anfangs haben wir demonstriert. Die Demonstranten wurden mit Wasserwerfern verjagt und auseinandergetrieben. Es war nicht so gefährlich, dass man im Gefängnis bis zum Tode gefoltert worden wäre. Die Situation hat sich aber nur noch verschlimmert. Jeder wurde verhaftet, der sich gegen das Regime geäußert hat. Es ist nicht möglich zu sagen, dass man für oder gegen das Regime ist, man muss dafür sein, man muss zum Regime loyal sein. Ich bin bis heute gegen diese Gewalt und gegen die Folter. Es sind bewaffnete Gruppen gekommen, es sind auch die islamischen Gruppen gekommen. Ich wurde auch in der Stadt XXXX mit meinen Freundinnen für zwei Tage eingesperrt. Dies war wegen der Teilnahme an Demonstrationen. Nachdem wir uns dazu verpflichtet haben, nichts mehr gegen das Regime zu unternehmen, wurden wir alle freigelassen. Die Leute, die an den Demonstrationen teilgenommen haben, hatten alle Angst, weil die Telefone überwacht werden. Ich habe bis heute Angst, am Telefon über ein politisches Thema zu sprechen. Mein Onkel war Kommunist, er wurde deshalb vom Regime verhaftet und gefoltert. Dadurch wurde er dann getötet. Trotz mehrerer Aufforderungen, der Baath-Partei beizutreten, habe ich das abgelehnt. Ich habe mich zu diesen Themen geäußert; ich habe das nicht unterlassen können." - "Sie haben erzählt, dass Sie für zwei Tage eingesperrt worden sind. Wer hat Sie eingesperrt?" - "Geheimdienstleute in XXXX . Sie sind mit Autos gekommen und haben dann jeden, den sie auf der Straße erwischt haben, mitgenommen und eingesperrt. Sie haben nicht einfach jeden festgenommen, sondern jeden, der an Versammlungen und Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen hatte. Es gab auch Studenten und Professoren, die für den Geheimdienst gearbeitet haben, sie haben das aber nicht zugegeben." - "Sie haben islamische Gruppen in XXXX erwähnt. In welchem Zusammenhang steht das mit Ihrer Fluchtgeschichte?" - "Diese islamischen Gruppen haben dasselbe wie das Regime gemacht. Ich persönlich glaube, dass sie mit dem Regime zusammengearbeitet haben. Diese bewaffneten Gruppen haben auch Leute geschlagen und getötet." - "Haben Sie mit diesen Gruppen zu tun gehabt?" - "Nein. Als das alles begonnen hat, habe ich aus Angst um mein Leben Syrien verlassen." - "Sie haben also mit diesen islamischen Gruppen keinen Kontakt gehabt?" - "Nein." - "Sie haben von ihrem Onkel erzählt. Wann ist er gestorben?" - "Das war 1987." - [...] "Bei Ihrer Befragung vor der Polizei [...] haben Sie angegeben, Sie hätten gegen die Regierung demonstriert und seien für eine Woche verhaftet worden [...]. Dagegen haben Sie bei Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt [...] angegeben, Sie seien drei Tage lang in Haft gewesen [...] bzw. Sie seien am dritten Tag freigelassen worden [...]." - "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich vor der Polizei so etwas gesagt hätte." - "An wie vielen Demonstrationen haben Sie teilgenommen?" - "An drei Demonstrationen." - "Nach welcher Demonstration sind Sie festgenommen worden?" - "Ich wurde nach der dritten Demonstration festgenommen." - "Wann waren diese Demonstrationen?" - "Anfang 2012. Es war innerhalb kurzer Zeit, den genauen Zeitraum kann ich nicht sagen." - "Wissen Sie ungefähr, wann die dritte Demonstration war?" - "Im Mai, nach dem Muttertag. In Syrien feiert man den Muttertag am 21.3." - "Wann war die dritte Demonstration?" - "Sie war nach dem Muttertag, den genauen Tag kann ich nicht sagen." - "War die dritte Demonstration im März oder im Mai?" - "Es war im Frühling. Die Demonstration war entweder im vierten oder im fünften Monat." - "Wie lange nach dem Muttertag war die Demonstration?" - "Sie war etwa anderthalb Monate nach dem Muttertag. Der Muttertag ist am 21. März." - "Beim Bundesamt haben Sie angegeben, dass eine Demonstration Anfang 2012 und eine zweite ungefähr im Juni 2012 stattgefunden habe [...]." - "Es kann sein, dass ich das gesagt habe, dann habe ich mich aber geirrt. Ich kann mich kaum noch an die Daten erinnern, gerade noch an mein Geburtsdatum und an den Muttertag." - "Wie viele Leute sind mit Ihnen gemeinsam festgenommen worden?" - "Wir waren Studenten aus zwei Klassen, wir waren etwa 35 bis 40 Personen." - "Waren Männer und Frauen beteiligt?" - "Es waren nur Frauen beteiligt. Wenn die Polizei nur Frauen sieht, dann hält sie sich mehr zurück. Das war der Grund dafür." - "Sie haben beim Bundesamt angegeben, die Nusra-Front habe von Ihnen verlangt, ein Kopftuch zu tragen und sich wie eine muslimische Frau zu verhalten [...]." - "Ja, das habe ich gesagt. Das war aber nur der Fall, wenn man auf der Straße unterwegs war. Sie sind nicht zu uns nach Hause gekommen." - "Haben Sie mit Nusra-Leuten zu tun gehabt?" - "Nein, ich habe Angst." - "In welcher Form hat die Nusra-Front von Ihnen verlangt, sich wie eine islamische Frau zu verhalten?" - "Sie haben das an der Straßensperre verlangt. Von meinem Dorf nach XXXX braucht man etwa 16 Minuten. Wenn ich nach XXXX gefahren wäre, hätte ich ein Kopftuch anlegen müssen. Die Asad-Leute verlangen, dass man kein Kopftuch trage. Wir haben immer einen Schal mitgehabt, um ihn anlegen zu können. Von der Forderung der Nusra-Front weiß ich von anderen Leuten, ich bin selbst nicht persönlich dazu aufgefordert worden." - "Können Sie bitte die Demonstrationen, von denen Sie gesprochen haben, ausführlicher schildern?" - "Ich habe mit den Studentinnen an den Demonstrationen teilgenommen. Es gab ein Mädchen, das verhaftet und vergewaltigt wurde. Man weiß nichts mehr über sie. Wir haben demonstriert und verlangt zu erfahren, was mit dem Mädchen geschehen sei. Anfangs haben die Demonstrationen an der Universität stattgefunden. Die Universitätsprofessore

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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