TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/18 L506 2144039-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2019
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Entscheidungsdatum

18.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §31
VwGVG §40

Spruch

L506 2144039-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch RA Dr. Rathbauer, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 10.06.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.05.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt."

II. Der Antrag auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers wird gemäß §§ 31 und 40 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger, der sunnitischen Religion und der Volksgruppe der Rai zugehörig, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der Erstbefragung am 15.09.2015 gab dieser als Grund für seine Ausreise aus Pakistan an, dass er als Gemüseverkäufer in Pakistan Schwierigkeiten mit unbekannten Personen bekommen habe, da diese von ihm 10.000 US Dollar erpresst hätten. Er habe keine Möglichkeit gehabt, die Summe zu bezahlen und seien die Leute in seine Wohnung gekommen und hätten seinen Vater und ihn mit dem Umbringen bedroht, weshalb er ausgereist sei.

Im Rückkehrfall werde er getötet werden, wenn er die Summe nicht bezahle.

2. Anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 16.03.06.2016 gab der BF zu seinem Ausreisegrund an, dass er in Pakistan wenige Tage, bevor er das Land am 14.08.2015 verlassen habe, die Polizeiinspektion XXXX aufgesucht und eine Anzeige gegen die Mafiagruppe XXXX erstattet habe, da diese Schutzgelder verlangt habe. Die Anzeige sei nicht angenommen worden, da er die genauen Namen der Mitglieder der genannten Gruppe nicht habe angeben können; man habe gesagt, dass er im nächsten Fall einer Bedrohung die Polizei informieren solle und diese werde vorbeikommen.

Er habe gemeinsam mit seinem Vater am Bazar bis Juni 2015 einen Gemüsestand betrieben und habe auch der Vater diese Arbeit beendet, jedoch würden Arbeiter seines Vaters den Stand weiterführen. In wirtschaftlicher Hinsicht sei es ihm und seinen Angehörigen gut gegangen. Eines Tages haben sein Vater und er einen Zettel erhalten, wonach sie 500.000 Rupien bezahlen sollen, was sie getan hätten, woraufhin sie einige Tage später zur Zahlung von 1 Mio. Rupien aufgefordert worden seien, jedoch hätten sie nicht so viel Geld gehabt, woraufhin sie mit dem Umbringen bedroht worden seien. Sie seien oft an den Stand gekommen und hätten den BF mit dem Umbringen bedroht, woraufhin er, nachdem er von der Polizei keinen Personenschutz erhalten habe, auf Anraten seines Vaters Pakistan verlassen habe. Er habe seinen Vater angerufen und habe ihm dieser erzählt, dass er seit kurzem wieder mit dem Umbringen bedroht werde und habe man ihm mitgeteilt, dass man nach dem BF suche und diesen töten werde. Sein Vater habe Anzeige erstattet und sei diese auch entgegengenommen worden.

Über Aufforderung, seine Angaben zu konkretisieren, erklärte der BF, diese Personen seien am 10.06.2015 bei ihnen am Stand gewesen und hätten 1 Mio. Rupien verlangt und ihnen eine Woche Zeit gegeben, die Forderung zu erfüllen. Danach seien sie fast täglich am Stand gewesen, weshalb er aufgehört habe zu arbeiten. Er sei bei der Polizei gewesen, man habe ihn nicht angehört, woraufhin er nicht mehr zur Arbeit gegangen sei und letztlich das Land verlassen habe.

Über weitere Aufforderung, seine Angaben zu detaillieren, gab der BF an, es sei eine mafiöse Gruppierung und kenne er die Namen der Personen nicht. Mehr könne er dazu nicht angeben. Es handle sich um eine in XXXX bekannte Gruppierung. Es seien viele Stände von derartigen Erpressungen bedroht gewesen und jene, die nicht bezahlt hätten, seien umgebracht worden. Es selbst wisse über diese mafiöse Gruppe garnichts. Auf dem Erpresserschreiben habe gestanden: "Gebt uns das Geld, ansonsten werdet ihr umgebracht"

Sie hätten jemanden an den Stand geschickt und sie hätten das Geld gegeben; mehr wisse er nicht, das sei alles.

Er habe nicht erwogen, sich in einen anderen Teil Pakistans zu begeben, da er diesfalls seine Familie immer wieder besucht hätte und ihn die Bedroher so gefunden hätten. Er hätte seine Familie nicht bei einem Umzug in Pakistan mitnehmen können, da die Kinder zur Schule gehen. Wenn es die Gruppe nicht mehr gebe, werde er zurückkehren. Sein Vater lebe nicht mehr zu Hause; wo dieser lebe, wisse er nicht. Dieser rufe ihn regelmäßig an und habe er zuletzt vor 6-7 Tagen Kontakt zu ihm gehabt. Die Polizei ermittle und fahnde in Bezug auf die Mafiagruppe.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.06.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Beweiswürdigend wurde seitens des BFA zusammengefasst ausgeführt, dass sich die Angaben des BF zu seinen Ausreisegründen lediglich auf abstrakte Behauptungen beschränkt hätten, ohne konkretere Angaben zu machen. Der BF habe auch über Aufforderung, seine Angaben zu konkretisieren, lediglich seine vagen Ausführungen wiederholt, ohne genauere Ausführungen wie zB zum Vorfallsort oder zum Vorfallszeitpunkt zu machen; auch habe der BF keine Details, Nebensächlichkeiten oder Belanglosigkeiten in sein Vorbringen einfließen lassen. Aufgrund der Art der Darlegung der Ausreisegründe sei davon auszgehen, dass das Gesamtvorbringen des BF jeglicher Realität entbehre. Ferner habe der BF keine substantiierten Angaben zu der jedermann bekannten Mafiaorganisation machen können.

Ferner würden sich im Vorbringen des BF Widersprüche finden, zumal der BF in der Erstbefragung angegeben ahbe, von den Erpressern zu Hause aufgesucht worden und mit dem Tod bedroht worden zu sein. In der Einvernahme habe der BF jedoch in krassem Widerspruch dazu behauptet, von den Kriminellen fast täglich an der Arbeitsstelle aufgesucht worden zu sein .

Auch sei bei Wahrunterstellung der Angaben des BF davon auszugehen, dass er aus Furcht vor Kriminellen das Land verlassen habe und seien diese Angaben nicht geeignet, Asylrelevanz zu entfalten und habe der BF dazu auch angegeben, dass die Sicherheitsbehörden gegen die Übergriffe Dritter tätig geworden seien, da sein Vater erfolgreich eine Anzeige erstattet habe.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. wurde dargetan, warum diesem Vorbringen keine Asylrelevanz zukommen könne.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt III. hielt das Bundesamt fest, dass bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise gefunden werden könnten, welche den Schluss zuließen, dass durch die Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht des BF auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen werden würde.

In Spruchpunkt IV. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 13.06.2016 wurde dem BF mitgeteilt, dass er gemäß § 52a Abs 2 BFA-VG verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 13.06.2016 wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

7. Gegen diesen Bescheid stellte der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung und erhob der BF in einem mit Schriftsatz vom 27.10.2016 vollumfängliche Beschwerde.

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge

-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz Folge gegeben und diesem der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde;

-) allenfalls einen Verbesserungsauftrag zu erteilen und einen Verfahrenshelfer zu bestellen.

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat zuerkannt werde;

-) in eventu ffestzustellen, dass die gem. § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und in eventz die ordentliche Revision zuzulassen

In eventu möge die Rechtsmittelbehörde dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG erteilen;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur inhaltlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen sowie die gegen den BF ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen aufheben.

-) eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumen.

Darin wird zusammengefasst ausgeführt, dass das BFA ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich auf veraltete Länderfeststellungen gestützt habe, da die herangezogenen Berichte bereits älter als ein Jahr seien; ferner würden jegliche Länderfeststellungen zur Praxis der Schutzgelderpressung in Pakistan und insbesonders in XXXX fehlen und hätte die belangte Behörde diesbezüglich eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA richten müssen. Ferner würden den Länderfeststellungen zufolge Strafanzeigen erst garnicht aufgenommen und Ermittlungen verschleppt werden sowie Sicherheitskräfte regelmäßig Grundrechte verletzen. Auch beziehen sich die Feststellungen bzgl. der Sicherheitslage lediglich auf Ereignisse, die sich bis zum 25.06.2015 ereignet haben und reichen manche Berichte bis ins Jahr 2013 zurück. Weiter erfolgte eine chronologische Auflistung weiterer aktuellerer Anschläge und sei daraus abzuleiten, dass sich die Lage wieder zugespitzt habe und sei die Gefährdungslage in Pakistan als hoch zu bezeichnen und hätte die belangte Behörde dies in die Entscheidung miteinfließen lassen sollen. In Zusammenhang mit der Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wurde ausgeführt, dass diesbezüglich seitens des BFA keine näheren Ermittlungen erfolgt seien.

Ferner wurde darauf verwiesen, dass der BF seine kleinen Kinder alleine in Pakistan habe zurücklassen müssen, was ihn psychisch sehr belaste; der BF sei aus diesem Grund traumatisiert und psychisch erkrankt und hätte die Behörde diesbezüglich eine spezielle Ermittlungspflicht getroffen, da lt. höchstgerichtlicher Judikatur psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen seien. Auch sei der BF von den fluchtauslösenden Ereignsissen schwer traumatisiert und falle es dem BF aufgrund der Traumatisierung sichtlich schwer, die Verfolgungshandlungen detailliert und chronologisch zu schildern. Desweiteren habe der BF sehr wohl Details genannt und zB. konkrete Summen und Fristen benennen können.

Auch habe das Rechtsberatungsgespräch mehrmals unterbrochen werden müssen, da der BF zusammengebrochen sei und geweint habe.

Die Behörde habe zudem aktenwidrig festgestellt, dass der BF keine Kinder habe und ledig sei. Die Frau des BF sei mittlerweile leider verstorben.

Die Angaben des BF zu den Vorfallsörtlichkeiten seien nicht widersprüchlich und sei er am Bazar und zu Hause bedroht worden. In der Einvernahme sei der BF überdies garnicht dazu befragt worden, ob die Erpresser auch zu ihm nach Hause gekommen seien und sei dem BF auch nicht bewusst gewesen, dass die Vorfallsörtlichkeit für die Behörde wichtig sei und sei diese diesbezüglich ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Überdies sei der BF im Zuge der Erstbefragung gar nicht näher zu den Ausreisegründen zu befragen. Letztlich betreffen die dem BF angelasteten Widersprüche lediglich Details am Rande, welche nicht geeignet wären, dem Gesamtvorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen, da der BF die ausreisekausalen Vorkommnisse im Kern stets gleichbleibend geschildert habe.

Der BF habe keinesfalls aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen und habe selbst vorgebracht, dass es ihm wirtschaftlich bis zur Schutzgelderpressung gut gegangen sei.

In rechtlicher Hinsicht wurde festgehalten, dass der BF aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie hinsichtlich seines Vaters, der Geschäftsinhaber war, und aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe jener Personen in Pakistan, von welchen seitens mafiöser Gruppierungen wie der Bhatta Schutzgeld erpresst werde, und vom pakistanischen Staat nicht ausreichend Schutz erhalten in Pakistan persönlich verfolgt sei. Diesbezüglich wurde einmal mehr auf die Länderfeststellungen verwiesen, wonach Strafanzeigen häufig erst garnicht aufgenommen und Ermittlungen verschleppt werden und Sicheheitskräfte regelmäßig Grundrechte verletzen und seien diese auch nicht in der Lage, umfassenden Schutz zu gewähren.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem BF nicht offen, da dieser außerhalb XXXX keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte habe und habe er fünf Kinder, für die er sorgen müsse und könne dieser mit fünf kleinen Kindern, für die er sorgen müsse, in keinen anderen Landesteil gehen; außerdem sei die Bhatta in ganz Pakistan gut vernetzt und könne schnell den neuen Aufenthaltsort des BF finden; letztlich würde der BF wahrscheinlich in Mittel- und Obdachlosigkeit getrieben, zumal er nicht mehr im Gemüsegeschäft seines Vaters arbeiten könne.

Aus den genannten Gründen sei dem BF zumindest Subsidiärschutz zu gewähren.

Abschließend wurde nochmals festgehalten, dass ihn das Zurücklassen der fünf Kinder in Pakistan sehr belaste und seine Frau und Mutter der Kinder bereits verstorben sei.

Zum Beweis der Integration des BF wurde die Zeugeneinvernahme der Unterkunftgeberin des BF sowie seines indischen Freundes sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Zum Inhalt der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

8. Am 09.11.2016 erfolgte eine weitere Einvernahme des BF und wurde mit Bescheid vom 14.12.2016 dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 71 Abs. 1 AVG stattgegeben.

9. Am 09.01.2017 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem bezug habenden Verwaltungsakt in der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

10. Am 01.03.2017 langte hg. die Kopie eines Schreibens ein, in dem die seitens des BF geschilderten Vorkommnisse bestätigt werden und wurde in einem beantragt, den Verfasser des Schreibens, eien Anwalt in Pakistan zeugenschaftlich zur Verfolgungssituation des BF einzuvernehmen.

11. Am 14.05.2019 fand vor dem erkennenden Gericht eine mündliche Verhandlung statt, zu der die Verfahrensparteien geladen wurden.

12. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

13. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde. Einsicht genommen wurde zudem in länderkundlichen Feststellungen zur Situation in Pakistan sowie durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.05.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen:

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger, er gehört der Volksgruppe der Rai an und ist moslemisch-sunnitischen Glaubens. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX in der Provinz Punjab.

In Pakistan hat der Beschwerdeführer acht Jahre lang die Schule besucht und zusammen mit seinem Vater ein Gemüsegeschäft betrieben. Er hat auch den Beruf eines Masseurs erlernt, jedoch nicht als solcher gearbeitet.

Der Vater, ein Bruder seine Frau und dessen fünf Kinder leben in Pakistan. Die Familie in Pakistan bestreitet den Unterhalt aus dem Gemüsegeschäft des Vaters des Beschwerdeführers.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Pakistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder pro futuro asylrelevanter Verfolgung in Pakistan ausgesetzt sein wird.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er leidet an einer leichten Intelligenzminderung.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten. Er hat Freunde und eine Bezugsperson, eine gesundheitlich beeinträchtigte und pensionierte österreichische Staatsbürgerin, bei der er lebt und welche er, ebenso wie deren Schwiegermutter, in ihrer alltäglichen Lebensführung unterstützt.

Der Beschwerdeführer lebt von der staatlichen Grundversorgung, er hat an mehreren Deutschkursen teilgenommen, keine Prüfung abgelegt und spricht gebrochen Deutsch.

Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Weitere maßgebliche Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

KI vom 6.3.2019: aktuelle Entwicklungen Kaschmir-Konflikt (betrifft: Abschnitt 3/Sicherheitslage);

Indien ist am 26.2.2019 zum ersten Mal seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum eingedrungen und flog als Vergeltung für den Selbstmordanschlag vom 14.2.2019 [Anm.: vgl. dazu KI im LIB Indien vom 20.2.2019] einen Angriff auf ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad außerhalb der Stadt Balakot (Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Pakistan). Dies liegt außerhalb der umkämpften Region Kaschmir (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019b, WP 26.2.2019). Indien ist überzeugt davon, dass der Selbstmordanschlag vom 14. Feber von Pakistan aus geplant und unterstützt wurde (NZZ 26.2.2019).

Über die Auswirkungen des Bombardementsgehen die Angaben auseinander: Während indische Behörden darüber berichten, dass fast 200 (CNN News 18 26.2.2019) Terroristen, Ausbilder, Kommandeure und Dschihadisten getötet und das Lager komplett zerstört wurden, bestätigt das pakistanische Militär zwar den Luftangriff (DW 26.2.2019), verlautbart jedoch, dass sich die indischen Flugzeuge ihrer Bombenlast nahe Balakot hastig im Notwurf entledigt hätten, um sofort aufgestiegenen pakistanischen Kampfjets zu entkommen. Nach pakistanischen Angaben gibt es weder eine große Anzahl an Opfern (Dawn 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019a), noch wäre Infrastruktur getroffen worden (DW 26.2.2019).

Beobachter zeigten sich skeptisch, dass bei diesem Militärschlag tatsächlich eine große Anzahl an Terroristen an einem Ort getroffen worden sein könnte. Anwohner des Ortes Balakot berichteten der Nachrichtenagentur Reuters, sie seien am frühen Morgen durch laute Explosionen aufgeschreckt worden. Sie sagten, dass nur ein Mensch verletzt und niemand getötet worden sei. Außerdem erklärten sie, dass es in der Vergangenheit tatsächlich ein Terrorlager in dem Gebiet gegeben habe. Dieses sei aber mittlerweile in eine Koranschule umgewandelt worden (FAZ 26.2.2019b).

Die pakistanischen Streitkräfte haben am 27.2.2019 eigenen Angaben zufolge zwei indische Kampfflugzeuge über Pakistan abgeschossen und bestätigten die Festnahme eines Piloten. Ein Sprecher der indische Regierung bestätige den Abschuss einer MiG-21 (Standard 27.2.2019). Der indische Pilot wurde den indischen Behörden am 1.3.2019 am Grenzübergang Wagah übergeben. Der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan bezeichnete die Freilassung als eine "Geste des Friedens" (Zeit 1.3.2019).

Pakistan hat am 27.2.2019 seinen Luftraum vollständig gesperrt (Flightradar24 27.2.2019) und am 1.3.2019 für Flüge von/nach Karatschi, Islamabad, Peschawar und Quetta (am 2.3. auch XXXX ) wieder geöffnet (Flightradar24 27.2./1.3./2.3.2019; vgl. AAN 1.3.2019). Der komplette Luftraum wurde - mit Einschränkungen - am 4.3. freigegeben (Dawn 6.3.2019; vgl. Dawn 4.3.2019b).

Am 2.3.2019 wurde gemeldet, dass bei Feuergefechten im Grenzgebiet von Kaschmir mindestens sieben Menschen getötet und zehn weitere verletzt worden waren. Gemäß indischen Medienberichten seien im indischen Teil der Konfliktregion eine 24 Jahre alte Frau und ihre beiden Kinder durch Artilleriebeschuss ums Leben gekommen sowie acht weitere Personen verletzt worden. Nach Angaben der pakistanischen Sicherheitskräfte wurden im pakistanischen Teil Kaschmirs ein Bub und ein weiterer Zivilist sowie zwei Soldaten getötet und zwei weitere Menschen verletzt. Die Armeen der verfeindeten Nachbarn hatten seit 1.3.2019 immer wieder an verschiedenen Stellen über die de-facto-Grenze zwischen den von Pakistan und Indien kontrollierten Teilen Kaschmirs geschossen (Presse 2.3.2019). Am 3.3.2019 meldeten beide Seiten, dass die Lage entlang der "Line of Control" wieder relativ ruhig sei (Reuters 3.3.2019)

Der pakistanische Informationsminister bestätige am 3.3.2019, dass eine entscheidende Aktion gegen die extremistischen und militanten Organisationen Jaish-e-Mohammad (JeM) sowie Jamaatud Dawa (JuD) mit ihrem Wohltätigkeitsflügel Falah-i-Insaniat Foundation (FIF) unmittelbar bevorstehe. Dieses Vorgehen würde in Übereinkunft mit dem National Action Plan (NAP) stehen. Der Beschluss dazu sei bereits lange vor dem Anschlag auf indische Sicherheitskräfte am 14.2. gefallen und erst jetzt veröffentlicht worden. Die Entscheidung sei nicht auf Druck Indiens getroffen worden (Dawn 4.3.2019a).

Quellen:

- AAN - Austrian Aviation Network (1.3.2019): Pakistan öffnet den Luftraum wieder teilweise, http://www.austrianaviation.net/detail/pakistan-oeffnet-den-luftraum-wieder-teilweise/, Zugriff 4.3.2019

- CNN News 18 (26.2.2019): Surgical Strikes 2.0: '200-300 Terrorist Dead', https://www.news18.com/videos/india/surgical-strikes-2-0-200-300-terrorist-dead-2048827.html, Zugriff 26.2.2019

- Dawn (26.2.2019): Indian aircraft violate LoC, scramble back after PAF's timely response: ISPR, https://www.dawn.com/news/1466038, Zugriff 26.2.2019

- Dawn (4.3.2019a): Govt plans decisive crackdown on militant outfits, https://www.dawn.com/news/1467524/govt-plans-decisive-crackdown-on-militant-outfits, Zugriff 4.3.2019

- Dawn (4.3.2019b): Pakistan airspace fully reopened, says aviation authority, https://www.dawn.com/news/1467600, Zugriff 6.3.2019

- Dawn (6.3.2019): Airlines avoiding Pakistan's eastern airspace, making flights longer, https://www.dawn.com/news/1467798/airlines-avoiding-pakistans-eastern-airspace-making-flights-longer, Zugriff 6.3.2019

- DW - Deutsche Welle (26.2.2019): Indische Jets fliegen Luftangriff in Pakistan, https://www.dw.com/de/indische-jets-fliegen-luftangriff-in-pakistan/a-47688997, Zugriff 26.2.2019

- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019a): Indien fliegt Luftangriffe in Pakistan, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-fliegt-angriffe-gegen-mutmassliche-islamisten-in-pakistan-16060732.html, Zugriff 4.3.2019

- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019b): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaffe-verletzt-den-pakistanischen-luftraum-16061769.html, Zugriff 4.3.2019

- Flightradar24 (27.2.2019; Ergänzungen am 1.3.2019 und 2.3.2019): Tensions between India and Pakistan affect air traffic, https://www.flightradar24.com/blog/tensions-between-india-and-pakistan-affect-air-traffic/, Zugriff 4.3.2019

- NZZ - Neue Züricher Zeitung (26.2.2019): Die Spirale der Eskalation dreht, https://www.nzz.ch/meinung/indien-bombardiert-pakistan-spirale-der-eskalation-dreht-ld.1462893, Zugriff 26.2.2019

- Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019

- Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019

- Reuters (4.3.2019): Pakistan adds flights, delays reopening of commercial airspace, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-airports/pakistan-adds-flights-delays-reopening-of-commercial-airspace-idUSKCN1QL0SH, Zugriff 5.3.2019

- Standard, der (27.2.2019): Pakistan schießt indische Kampfjets ab, Premier warnt vor "großem Krieg", https://derstandard.at/2000098654825/Drei-Tote-bei-Absturz-von-indischem-Militaerflugzeug-in-Kaschmir, Zugriff 4.3.2019

- SZ- Süddeutsche Zeitung (26.2.2019): Indien bombardiert pakistanischen Teil Kaschmirs, https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-pakistan-luftangriff-1.4345509, Zugriff 26.2.2019

- WP - The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-indian-fighter-jets-crossed-into-its-territory-and-carried-out-limited-airstrike/2019/02/25/901f3000-3979-11e9-a06c-3ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709, Zugriff 26.2.2019

- Zeit, die (1.3.2019): Pakistan lässt indischen Piloten frei, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/kaschmir-konflikt-pakistan-indischer-pilot, Zugriff 4.3.2019

KI vom 15.11.2018: Proteste nach Freispruch in Blasphemiefall Asia Bibi (betrifft: Abschnitte 2/Politische Lage; 4/Rechtsschutz/Justizwesen; 15/Todesstrafe; 16/Religionsfreiheit, insb. 16.3/Christen und 16.5/Blasphemiegesetze)

Der Oberste Gerichtshof Pakistans hat am 31.10.2018 das Todesurteil gegen Asia Bibi wegen Gotteslästerung aufgehoben und sie von allen Vorwürfen freigesprochen (Standard 3.11.2018, vgl. Guardian 31.10.2018), nachdem Bibis Berufung gegen das Todesurteil des XXXX High Court zuletzt im Oktober 2016 ohne Anhörung vom Obersten Gericht in Islamabad vertagt wurde, da sich einer der Richter weigerte, den Fall zu verhandeln (Dawn 8.10.2018). Die Urteilsverkündung, wodurch Bibi nach neun Jahren Haft im Todestrakt freigelassen werden soll (Guardian 31.10.2018), wurde ab 8.10.2018 drei Wochen lang vorgehalten (Dawn 8.10.2018; vgl. Guardian 31.10.2018), da Befürworter der Blasphemiegesetze drohten, das Land lahmzulegen und die Richter zu töten, falls Bibis Todesurteil nicht aufrecht erhalten werde (Guardian 31.10.2018).

Nach Bekanntwerden des Urteils kam es landesweit zu tagelangen Protesten durch Islamisten (Standard 3.11.2018; vgl. Dawn 3.11.2018a). Paramilitärische Sicherheitskräfte wurden in der Hauptstadt Islamabad eingesetzt, um den Obersten Gerichtshof, die Diplomatenviertel und die Wohnsiedlung der Richter zu schützen (Guardian 31.10.2018; vgl. Dawn 30.10.2018). Nach einer Einigung mit der Regierung erklärte die Islamistenpartei Tehreek-e-Labaik (TLP) die Massenproteste am 3.11.2018 für beendet (Standard 3.11.2018; vgl. ORF 4.11.2018). Die Demonstranten entfernten die Barrikaden in den großen Städten; Karachi, XXXX und Islamabad kehrten zur Normalität zurück. Geschäfte und Schulen waren wieder geöffnet (ORF 4.11.2018).

Nach dem Freispruch gab es Bestrebungen, Bibi so schnell wie möglich außer Landes zu bringen (Guardian 31.10.2018). Ein zwischen TLP und Regierung unterzeichnetes Fünf-Punkte-Papier sieht vor, dass sich die Regierung einem am 1.11.2018 eingebrachten Überprüfungsantrag zum Urteil (Review Petition) durch die TLP nicht entgegenstellt und Bibi die Ausreise aus Pakistan untersagt wird (Standard 3.11.2018; vgl. Zeit 3.11.2018, Express Tribune 1.11.2018, BBC 8.11.2018).

Zum derzeitigen Aufenthaltsort von Asia Bibi gab es keine offiziellen Angaben (Zeit 3.11.2018). Sie wurde am 7. November 2018 aus dem Gefängnis entlassen und befindet sich nun in Pakistan an einem geheimen Ort (BBC 8.11.2018). Pakistanische Medien haben seit dem Freispruch gemutmaßt, sie könne das Land bereits verlassen haben (BBC 8.11.2018; vgl. Tagesanzeiger 4.11.2018). Journalisten, die dies ohne offizielle Bestätigung berichteten, wurden von Informationsminister Fawad Hussein als "äußerst verantwortungslos" bezeichnet (BBC 8.11.2018).

Der Pakistanische Informationsminister Fawad Chaudhry erklärte, von der Regierung würden alle notwendigen Schritte gesetzt, um Bibis Sicherheit zu gewährleisten (BBC 3.11.2018). Bibis Ehemann und ihre Töchter wechseln ständig ihren Aufenthaltsort (ORF 4.11.2018) und bitten in anderen Staaten um Asyl (BBC 8.11.2018, vgl. Tagesanzeiger 4.11.2018). Der Anwalt von Asia Bibi hat aus Sorge um die eigene Sicherheit wie auch dem Wohlergehen seiner Familie das Land verlassen (Standard 3.11.2018; vgl. Zeit 3.11.2018, ORF 4.11.2018, BBC 8.11.2018).

Menschenrechtler kritisierten die Vereinbarung zwischen der Regierung und den Islamisten als Bankrotterklärung des Rechtsstaates (Zeit 3.11.2018), während Fawad Chaudhry erklärte, die Übereinkunft wurde getroffen, um die Proteste ohne Gewaltausübung zu beenden (BBC 3.11.2018).

Nachdem am 8.10.2018 das Urteil gegen Bibi vorgehalten wurde, wurden die Medien angehalten, über diesen Fall nicht zu berichten (Dawn 8.10.2018; vgl. Guardian 31.10.2018, Express Tribune 31.10.2018). Auch wurde eine Berichterstattung über die Proteste nach dem Freispruch von Medien vermieden (Guardian 31.10.2018). In Folge der Proteste, die teilweise von Vandalismus und Brandstiftung begleitet waren, wurden in der Provinz Punjab ca. 1.100 Personen festgenommen (Daily Pakistan 5.11.2018).

Die Spannungen in Pakistan wurden durch die Nachricht von der Ermordung des bedeutenden pakistanischen Religionsführers Sami ul-Haq verschärft, der am 2.11.2018 in seinem Haus in Rawalpindi von Unbekannten niedergestochen wurde. Ul-Haq, der auch als "Vater der Taliban" bekannt war, war ein Verbündeter der regierenden Tehreek-e-Insaf-Partei von Premierminister Imran Khan. Dieser verurteilte die Ermordung und ordnete eine Untersuchung an. Die afghanischen Taliban sprachen in einer Erklärung von "einem großen Verlust für die gesamte islamische Nation". In Ul-Haqs Koranschulen wurden spätere Taliban-Größen wie Mullah Omar und Jalaluddin Haqqani ausgebildet (Standard 3.11.2018; vgl. ORF 4.11.2018).

Quellen:

- BBC (3.11.2018): Asia Bibi: Deal to end Pakistan protests over blasphemy case, https://www.bbc.com/news/world-asia-46080067, Zugriff 5.11.2018

- Dawn (3.11.2018): Live blog: Protests on Asia Bibi's acquittal, https://www.dawn.com/live-blog/, Zugriff 5.11.2018

- Dawn (30.10.2018): Supreme Court acquits Asia Bibi, orders immediate release, https://www.dawn.com/news/1442396, Zugriff 5.11.2018

- Dawn (8.10.2018): Supreme Court reserves verdict on Asia Bibi's final appeal against execution, https://www.dawn.com/news/1437605/supreme-court-reserves-verdict-on-asia-bibis-final-appeal-against-execution, Zugriff 5.11.2018

- Express Tribune, the (1.11.2018): Review petition filed against SC verdict, https://tribune.com.pk/story/1838656/1-review-petition-filed-aasia-bibis-acquittal/, Zugriff 5.11.2018

- Express Tribune, the (31.10.2018): Aasia Bibi acquitted by Supreme Court, https://tribune.com.pk/story/1837746/1-security-beefed-sc-prepares-announce-aasia-bibi-verdict/, Zugriff 5.11.2018

- Guardian (31.10.2018): Asia Bibi: Pakistan court overturns blasphemy death sentence, https://www.theguardian.com/world/2018/oct/31/asia-bibi-verdict-pakistan-court-overturns-blasphemy-death-sentence, Zugriff 5.11.2018

- ORF (4.11.2018): Pakistan: Zukunft von Christin Asia Bibi weiter unsicher, https://religion.orf.at/stories/2945335/, Zugriff 5.11.2018

- Standard, der (3.11.2018): Anwalt von freigesprochener Christin verließ Pakistan, https://derstandard.at/2000090586614/Anwalt-von-freigesprochener-Christin-verliess-Pakistan, Zugriff 5.11.2018

- Zeit (3.11.2018): : Islamisten erzwingen mögliche Berufung im Fall Bibi, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-11/pakistan-asia-bibi-christin-freispruch-proteste-gotteslaesterung-islam, Zugriff 5.11.2018

- Tagesanzeiger (4.11.2018): Ehemann von freigesprochener Christin bittet um Asyl, https://www.tagesanzeiger.ch/news/standard/ehemann-von-freigesprochener-christin-bittet-um-asyl/story/17378032, Zugriff 5.11.2018

- DW - Deutsche Welle (3.11.2018): Nach Blasphemie-Freispruch: Asia Bibi immer noch in Haft, https://www.dw.com/de/nach-blasphemie-freispruch-asia-bibi-immer-noch-in-haft/a-46140621, Zugriff 5.11.2018

- Daily Pakistan (5.11.2018): Hundreds arrested for vandalism during protests against Asia Bibi's acquittal, https://en.dailypakistan.com.pk/headline/hundreds-arrested-for-vandalism-during-protests-against-asia-bibis-acquittal/, Zugriff 5.11.2018

- BBC (8.11.2018): Pakistan blasphemy case: Asia Bibi freed from jail, https://www.bbc.com/news/world-asia-46130189, Zugriff 14.11.2018

Kommentar:

Blasphemie wird laut pakistanischem Strafgesetzbuch mit dem Tode bestraft. Bisher wurde noch kein Mensch in Pakistan wegen Blasphemie hingerichtet (Guardian 31.10.2018; vgl. LIB Pakistan, Abschnitt 16.5). Jedoch wurden seit 1990 mindestens 65 Personen, die der Blasphemie bezichtigt wurden, bei Aktionen der Selbstjustiz getötet (Guardian 31.10.2018).

Der Fall gegen Bibi demonstriert, wie in Pakistan Beschuldigungen der Blasphemie verwendet werden, um persönliche Streitigkeiten auszutragen und wie Entscheidungen am Beginn des gerichtlichen Instanzenweges Angeklagte aus Angst um deren Leben nicht freisprechen möchten (Guardian 31.10.2018). Im Jahr 2011 wurden der Gouverneur der Provinz Punjab, Salmaan Taseer, sowie der Minister für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, ermordet, nachdem sie öffentlich Asia Bibi verteidigt hatten und sich für eine Reform der Blasphemiegesetze ausgesprochen hatten (Guardian 31.10.2018; vgl. LIB Pakistan, Abschnitt 16.5).

KI vom 18.7.2018: Anschläge und Proteste im Vorfeld der Wahlen am 25.7.2018 (betrifft: Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Im Vorfeld der Wahlen am 25. Juli 2018 kam es zu zahlreichen Anschlägen mit Todesopfern (Dawn 13.7.2018a).

Am 13. Juli sind bei einem Selbstmordanschlag in Mastung, Provinz Belutschistan, nach offiziellen Angaben 149 Menschen ums Leben gekommen und über 200 Menschen verletzt worden (CNN 16.7.2018). Das Attentat hatte einer Veranstaltung der Baluchistan Awami Partei gegolten (Dawn 13.7.2018a; vgl. ORF 13.7.2018, CNN 16.7.2018). Es ist der schwerste Anschlag in Pakistan seit vielen Jahren - ähnlich viele Tote gab es zuletzt beim Angriff der Taliban auf die Armeeschule in Peschawar im Dezember 2014 mit ca. 150 Toten (Standard 14.7.2018) - und der Terrorangriff mit den zweitmeisten Todesopfern in der Geschichte Pakistans (CNN 16.7.2018). Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (ORF 13.7.2018; vgl. CNN 16.7.2018, Standard 14.7.2018), ebenso wie die Ghazi-Gruppe der radikalislamischen Taliban (Standard 14.7.2018). In Folge des Anschlages wurden die Wahlen im Wahlkreis PB-35 (Mastung) verschoben (Nation 14.7.2018).

Ebenfalls am 13. Juli wurden in Bannu [Provinz Khyber Pakhtunkhwa, nahe der Grenze zu den ehem. Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA)] bei einem Anschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung des Chief Minister der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Akram Khan Durrani, vier Menschen getötet und 32 Menschen verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vgl. News 13.7.2018). Durrani wurde bei dem Anschlag nicht verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vgl. Dawn 13.7.2018b). Durrani tritt im Wahlkreis NA-35 (Bannu) als Kandidat der Partei Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) an (Dawn 13.7.2018b; vgl News 13.7.2018). Ebenfalls in Bannu wurden wenige Tage zuvor am 7.7. bei einem Bombenangriff auf einen Konvoi des Kandidaten der Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) für den Wahlkreis PK-89, Sherin Malik, sieben Personen, darunter der Kandidat, verletzt (Dawn 7.7.2018).

Am 10. Juli wurden bei einem Selbstmordanschlag in Peschawar, Hauptstadt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, 22 Menschen getötet und 63 Personen verletzt (CNN 11.7.2018; vgl. Nation 11.7.2018). Unter den Toten befindet sich Haroom Bilour, Provinzvorsitzender der Awami National Party (ANP) (Dawn 10.7.2018a) und Kandidat für den Wahlkreis Peschawar PK-78 (Nation 11.7.2018; vgl. Dawn 10.7.2018a). Die Pakistanischen Taliban haben sich zu dem Anschlag bekannt (Dawn 10.7.2018a; vgl. CNN 11.7.2018). Die ANP war bereits im Vorfeld der Wahlen 2013 ein Hauptziel der Taliban (Nation 11.7.2018). Gemäß Angaben der Taliban wurde der Angriff auf Bilour aufgrund deren "anti-islamischen Politik" durchgeführt (Dawn 10.7.2018a; vgl. CNN 11.7.2018). Die Behörden gaben an, dass der Bombenanschlag ein gezieltes Attentat auf Haroom Biloor gewesen sei. Als Folge des Angriffes wurden die Wahlen im Wahlkreis PK-78 verschoben (Dawn 10.7.2018a).

Am 13. Juli kehrten der ehemalige Premierminister Nawaz Sharif und seine Tochter Maryam aus Großbritannien nach Pakistan zurück. Sie wurden bei ihrer angekündigten Ankunft am Flughafen XXXX verhaftet, nachdem sie eine Woche zuvor wegen Korruption in Abwesenheit zu zehn bzw. sieben Jahren Haft verurteilt wurden (CNN 13.7.2018; vgl. New York Times 13.7.2018). In XXXX kam es zu Protesten von Anhängern der Partei Pakistani Muslim League-Nawaz (PML-N), die vom ehemaligen Chief Minister der Provinz Punjab und derzeitigem Parteiführer der PML-N Shahbaz Sharif - Bruder des ehemaligen Premierministers - angeführt wurden (CNN 13.7.2018). Im Vorfeld der angekündigten Proteste wurden etwa 500 Mitglieder der PML-N von den Sicherheitskräften verhaftet (CNN 13.7.2018).

Am 9. Juli veröffentlichte die Nationale Behörde für Terrorismusbekämpfung (National Counter Terrorism Authority - NACTA) die Namen von sechs Persönlichkeiten, für die besondere Gefahr durch terroristische Angriffe bestünde: Imran Khan, Vorsitzender der Pakistan Tehreek-i-Insaf; Asfandyar Wali und Ameer Haider Hoti, Vorsitzende der Awami National Party; Aftab Sherpao, Vorsitzender der Qaumi Watan Party; Akram Khan Durrani, Vorsitzender der Jamiat Ulema-i-Islam-Fazl; und Talha Saeed, Sohn von Hafiz Saeed. Weitere Bedrohungen bestünden gegen die Führungsebenen der Pakistan Peoples Party und der Pakistan Muslim League-Nawaz. Das Innenministerium wurde angewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen für die Parteiführungen zu erhöhen (Dawn 10.7.2018b). Für den Wahltag am 25.7. werden etwa 372.000 Sicherheitskräfte eingeteilt, um einen sicheren Ablauf der Wahl zu gewährleisten (CNN 11.7.2018; vgl. Nation 14.7.2018).

Quellen:

* CNN (11.7.2018): Pakistani Taliban claims responsibility for deadly election suicide attack, https://edition.cnn.com/2018/07/11/asia/pakistan-peshawar-taliban-suicide-attack-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* CNN (13.7.2018): Former Pakistani Prime Minister Nawaz Sharif arrested after return, https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/nawaz-maryam-sharif-return-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* CNN (16.7.2018): At least 149 killed in Pakistan terror strike targeting political rally, https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/pakistan-suicide-attack-balochistan-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (10.7.2018a): TTP claims responsibility for Peshawar blast; ANP's Haroon Bilour laid to rest, https://www.dawn.com/news/1419202, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (10.7.2018b): Nacta names six politicians under threat from terrorists, https://www.dawn.com/news/1419042, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (13.7.2018): Mastung bombing: 128 dead, over 200 injured in deadliest attack since APS, IS claims responsibility, https://www.dawn.com/news/1419812, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (13.7.2018b): Blast targets convoy of JUI-F leader Akram Khan Durrani in Bannu, 4 killed, https://www.dawn.com/news/1419792/blast-targets-convoy-of-jui-f-leader-akram-khan-durrani-4-killed, Zugriff 17.7.2018

* Dawn (7.7.2018): 7 including MMA candidate injured in Bannu blast, https://www.dawn.com/news/1418562, Zugriff 17.7.2018

* Express Tribune, the (13.7.2018): Four die as blast targets Durrani, https://tribune.com.pk/story/1756834/1-least-four-killed-16-injured-akram-durranis-convoy-comes-attack/, Zugriff 17.7.2018

* Nation, the (11.7.2018): Peshawar attack: death toll rises to 22, https://nation.com.pk/11-Jul-2018/peshawar-attack-death-toll-increase-to-20, Zugriff 17.7.2018

* Nation, the (14.7.2018): BAP candidate among 128 killed in Mastung blast, https://nation.com.pk/14-Jul-2018/bap-candidate-among-128-killed-in-mastung-blast?show=preview/, Zugriff 17.7.2018

* News, the (13.7.2018): Four killed in bomb attack on Akram Durrani's rally in Bannu, https://www.thenews.com.pk/latest/341264-several-injured-in-bomb-attack-near-convoy-of-ex-kp-cm-akram-durrani, Zugriff 17.7.2018

* ORF (13.7.2018): Anschlag in Pakistan: Zahl der Opfer steigt auf 128, http://www.orf.at//stories/2446861/, Zugriff 17.7.2018

* Standard, der (14.7.2018): Nach Selbstmordanschlag: Zahl der Toten steigt auf 140, https://derstandard.at/2000083427458/Zwei-Bomben-im-pakistanischen-Wahlkampf-mindestens-20-Tote, Zugriff 17.7.2018

1. Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10.2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon XXXX die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2017a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2017a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2017a).

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10.2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10.2017a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2017a).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon XXXX zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. XXXX löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10.2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/-/205010, Zugriff 8.3.2018

- AJ - Al Jazeera (13.4.2018): Pakistani court bans ex-PM Nawaz Sharif from parliament for life, https://www.aljazeera.com/news/2018/04/pakistani-court-bans-pm-nawaz-sharif-parliament-life-180413072707795.html, Zugriff 14.5.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (23.2.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 8.3.2017

- Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

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2. Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, XXXX und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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