TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/9 L521 2129854-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2019
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Entscheidungsdatum

09.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L521 2129854-2/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, Wattgasse 48, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2017, Zl. 105180904-170681757, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides anstelle der Wortfolge "§ 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" die Wortfolge "§ 9 Abs. 1 Z. 1 zweiter Fall AsylG 2005" tritt und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids zu lauten hat: "Ihr Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter vom 05.05.2017 wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 wird Ihre Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 12.02.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer an, den im Spruch angeführten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in Bagdad geboren und habe dort zuletzt auch im Bezirk XXXX gelebt, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung und ledig. Er habe in Bagdad die Grundschule und anschließend eine weiterführende Schule besucht sowie außerdem ein Universitätsstudium absolviert.

Zu den Gründen seiner Ausreise aus dem Heimatland befragt, führte der Beschwerdeführer aus, er habe für einen Fernsehsender gearbeitet und sei von Milizen aufgefordert worden, seinen Beruf aufzugeben. Dennoch habe er weitergearbeitet. Sein Bruder sei daraufhin entführt und getötet worden, weshalb er das Land verlassen habe.

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 28.01.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Zur Person befragt gab der Beschwerdeführer an, seine Eltern und seine Schwester würden nach wie vor in Bagdad leben. Seine Schwester sei verheiratet und seine Eltern wären in Pension. Er selbst habe bei seinen Eltern in einem zweistöckigen Haus in Bagdad gelebt.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates gab der Beschwerdeführer an, als Techniker für einen irakischen Fernsehsender gearbeitet zu haben. Die XXXX habe ihm am 02.07.2014 einen Drohbrief zukommen lassen, wonach er bei einem Fernsehsender für Ungläubige arbeiten würde und deshalb mit ihm "nach dem Recht abzurechnen" sei. Seine Mutter habe den Drohbrief zur Polizei gebracht. Schon am 01.07.2014 habe er einen Anruf mit unterdrückter Nummer erhalten und sei von einem Mitglied der genannten Miliz aufgefordert worden, seine Arbeit zu beenden.

Da er dennoch weitergearbeitet habe, sie sein Bruder ermordet worden. Sein Vater sie von Milizen entführt und erst gegen Bezahlung von USD 60.000,00 an Lösegeld wieder freigelassen worden. Aufgrund dieser Ereignisse habe er den Irak verlassen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016, Zl. 1051809404-150166445, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) sowie unter Anwendung des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.06.2017 erteilt (Spruchpunkt III).

4. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016, Zl. 1051809404-150166445, erhob der Beschwerdeführer am 02.07.2016 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.12.2017, L521 2129854-1/23E, wurde die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob dagegen weder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, noch Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

6. Am 05.05.2017 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte dem Beschwerdeführer daraufhin mit Note vom 09.06.2017 die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens zur Kenntnis und forderte den Beschwerdeführer auf, dazu und zu seinen Lebensumständen im Bundesgebiet eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

7. Der Beschwerdeführer übermittelte am 04.07.2019 im Wege der Caritas der Erzdiözese Wien eine Stellungnahme und brachte im Wesentlichen vor, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht wesentlich geändert habe. Er selbst sei zwar strafgerichtlich verurteilt worden, jedoch nur aufgrund eines Vergehens, sodass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht auf § 9 Abs. 2 Z. 3 AsylG 2005 berufen könne. Er stelle schließlich auch keine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich dar.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung der Status des subsidiär Schutzberechtigten würden somit nicht vorliegen.

8. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2017 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016, Zl. 1051809404-150166445, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und der Antrag vom 05.05.2017 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 4 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 betrage die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde nach den Feststellungen zu dessen Person aus, dem Beschwerdeführer sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund einer Gefahr für dessen körperliche Integrität bzw. sein Leben zuerkannt worden.

Obschon die Lage im Irak nach wie vor teilweise prekär sei, stehe einer sicheren Rückkehr in manche Gebiete nunmehr nichts entgegen. Eine Rückkehr in seine Heimat sei dem Beschwerdeführer zumutbar und möglich. Insbesondere drohe ihm im Falle seiner Rückkehr weder eine Gefährdung des Lebens oder seiner Sicherheit bzw. unmenschliche Behandlung oder Bestrafung, noch würde er in eine ausweglose Lage geraten.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dem Beschwerdeführer stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in der autonomen Region Kurdistan, in Bagdad oder in Mossul zur Verfügung, sodass gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen sei. Die Abweisung des Antrages auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung sei eine logische Konsequenz aus Spruchpunkt I. Dem Beschwerdeführer sei schließlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen und überwiege das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und dem geordneten Zuzug von Fremden das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.

9. Mit Verfahrensanordnung vom 10.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

10. Gegen den dem Beschwerdeführer am 14.07.2017 im Wege der Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die am 27.07.2019 per

E-Mail eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter Folge zu geben oder hilfsweise dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise die Abschiebung in den Irak für unzulässig zu erklären. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer nach neuerlicher Darlegung des aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhaltes vor, er verfüge im Bundesgebiet über mannigfache soziale Kontakte und habe die Prüfung auf dem Niveau B1 absolviert. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes erachte er sich als maßgeblich integriert.

Die Sicherheits- und Menschenrechtslage im Irak stelle sich nach wie vor als prekär dar und es sei die Zivilbevölkerung terroristischen Anschlägen und damit der realen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK ausgesetzt. Die militärischen Operationen gegen den Islamischen Staat hätten die politische Instabilität verschärft. Er verfügte außerdem über keine familiären Anknüpfungspunkte mehr, da seine Eltern den Irak verlassen hätten. Im Fall einer Rückkehr werde er als Sunnite Schikanen ausgesetzt sein. Schließlich erachte er sich aufgrund einer Zeugenaussage in einem Schlepperprozess im Bundesgebiet als gefährdet.

11. Die Beschwerdevorlage langte am 03.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

12. Mit Note vom 24.08.2017 brachte der Beschwerdeführer zwei Dokumente zu seiner Integration im Bundesgebiet in Vorlage.

13. Am 23.01.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, seine Befürchtungen im Hinblick auf die Lage im Rückkehrfall und die persönliche Situation im Bundesgebiet umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand in der mündlichen Verhandlung erörterter und dem Beschwerdeführer zur Abgabe eine Stellungnahme ausgefolgten Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Der Beschwerdeführer brachte im Gefolge der mündlichen Verhandlung neuerlich Dokumente zu seiner Integration im Bundesgebiet in Vorlage.

Aufgrund des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung wurde im Anschluss an diese der Strafakt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu XXXX amtswegig beigeschafft.

14. Mit Eingabe vom 19.03.2018 zeigten die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und die Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe die Übernahme der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers an und übermittelten unter einem eine ausführliche Stellungnahme zu den dem Beschwerdeführer am 23.01.2018 ausgefolgten Länderdokumentationsunterlagen.

15. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.06.2018, L521 2129854-2/13Z, wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 38 zweiter Satz AVG 1991 bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichthofes vom 14.12.2017, EU 2017/0011-1 (Ra 2016/20/0038), ausgesetzt.

16. Mit Eingaben vom 27.08.2018 und vom 11.10.2018 übermittelte der Beschwerdeführer einen Arbeitsvertrag.

17. Zur Vorbereitung der für den 12.03.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2019 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur Lage im Herkunftsstaat zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist schriftlich Stellung zu nehmen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, einen aktuellen Gehaltsnachweis in Vorlage zu bringen.

Eine diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers wurde innerhalb der eingeräumten Frist nicht erstattet.

18. Am 12.03.2019 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Beschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung, eines Vertreters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und eines Dolmetschers für die arabische Sprache fortgesetzt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde die Lage im Herkunftsstaat in Anbetracht der jüngsten Lageänderung anhand der dem Beschwerdeführer im Vorfeld übermittelnden Länderdokumentationsunterlagen erörtert und dem Beschwerdeführer außerdem nochmals Gelegenheit zur Darlegung seiner persönlichen Situation im Bundesgebiet gegeben.

19. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2019 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer weitere aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur Sicherheitslage und zur sozioökonomischen Lage im Herkunftsstaat zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt. Eine Stellungnahme dazu langte innerhalb der eingeräumten Frist nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung, praktiziert seinen Glauben jedoch nicht. Er wurde am XXXX in Bagdad geboren und lebte dort zuletzt im Haus seiner Familie im Verwaltungsbezirk XXXX . Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer besuchte im Irak zwölf Jahre die Schule und legte die Matura ab. Im Anschluss daran studierte er an der technischen Universität Bagdad Informationstechnologie und schloss dieses Studium im Jahr 2011 ab. Zunächst war der Beschwerdeführer als Praktikant bei verschiedenen Fernsehsendern in Bagdad erwerbstätig. Im Jahr 2014 erlangte er eine Anstellung beim Fernsehsender XXXX und arbeitete dort bis zum 16.09.2014. Er erzielte dort eigenen Angaben zufolge ein hohes Einkommen von ca. USD 1.500,00 - 1.600,00.

Die Eltern des Beschwerdeführers lebten nach dessen Ausreise bis zum Monat Februar 2016 in Bagdad. Seither halten sie sich in der Türkei auf. Die Schwester des Beschwerdeführers ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in Bagdad. Ein Bruder des Beschwerdeführers wurde dessen Angaben zufolge ermordet.

1.2. Der Beschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

1.3. Am 12.10.2014 verließ der Beschwerdeführer den Irak legal mit dem Flugzeug von Bagdad ausgehend in die Türkei. Anschließend gelangte der Beschwerdeführer schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 12.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016, Zl. 1051809404-150166445, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt sowie unter Anwendung des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.06.2017 erteilt.

Hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten legte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in der Beweiswürdigung dieses Bescheides dar, die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ließen eine allgemein unsichere Lebenssituation erkennen, die alle im Irak lebenden Menschen unterschiedslos treffe. Auch wenn der Irak bemüht sei, diese Missstände zu beseitigen, könne gegenwärtig "nicht hinreichend sicher garantiert werden", dass der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten geschützt sei. Eine Zusammenschau aller Faktoren ergebe, dass "die Schwelle der Unzumutbarkeit im Sinn der einschlägigen Regelungen der EMRIK im Fall der Rückkehr überschritten" wäre.

In der rechtlichen Beurteilung wird dargelegt, dass einem Asylwerber der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Fremden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im Fall des Beschwerdeführers gehe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl "von einer realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus".

Zur Lage im Herkunftsstaat traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid vom 15.06.2016, Zl. 1051809404-150166445, nachstehende hier relevante Feststellungen

"Die letzten nationalen Wahlen, die im April 2014 stattfanden, gewann der ehemalige Premierminister Nouri al-Maliki. Da es auf Grund seines autoritären und pro-schiitischen Regierungsstils massive Widerstände gegen Maliki gab, trat er im August 2014 auf kurdischen, internationalen, aber auch auf innerparteilichen Druck hin zurück (GIZ 6.2015). Es wird ihm unter anderem vorgeworfen, mit seiner sunnitisch-feindlichen Politik (Ausgrenzung von sunnitischen Politikern, Niederschlagung sunnitischer Demonstrationen, etc.) deutlich zur Entstehung radikaler sunnitischer Gruppen wie dem IS beigetragen zu haben (Qantara 17.8.2015). Maliki's Nachfolger ist der ebenfalls schiitische Parteikollege Haidar al-Abadi (beide gehören der schiitischen Dawa-Partei an), der eine Mehrparteienkoalition anführt, und der mit dem Versprechen angetreten ist, das ethno-religiöse Spektrum der irakischen Bevölkerung wieder stärker abzudecken (GIZ 6.2015). Allerdings gelang es Abadi bislang nicht, politische Verbündete für seine Reformpläne (insbesondere die Abschaffung des konfessionell-ethnischen Proporzes) zu finden. Er hat mit dem besonders Iran-freundlichen Ex-Premier Maliki (nunmehr Vorsitzender der Dawa-Partei) einen starken Widersacher innerhalb seiner Partei. Ein Problem Abadis ist auch die Macht der schiitischen Milizen, von denen viele vom Iran aus gesteuert werden (s. Abschnitt 3.1.). Diese Milizen - eher lose an die irakische Armee angeschlossen - sind für Abadi einerseits unverzichtbar im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (Standard 5.1.2015), gleichzeitig wird deren Einsatz von der sunnitischen Bevölkerung aber als das "Austreiben des Teufels mit dem Beelzebub" gesehen. Die Sunniten fürchten das skrupellose Vorgehen dieser Milizen - einige betrachten den IS sogar als das geringere Übel und dulden die Extremisten daher in ihren Gebieten (ÖB Amman 5.2015). In der Tat unterscheiden sich einige der mit der Zentralregierung in Bagdad verbündeten schiitischen Milizen hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen kaum vom IS (Rohde 9.11.2015). Die US-Regierung (sowohl die Bush-, als auch die Obama-Regierung), die auch mit der Badr-Miliz zusammengearbeitet hat, hat vor den Gewaltexzessen der schiitischen Milizen gegenüber der sunnitische Bevölkerung die Augen verschlossen, und hat damit den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten angetrieben (Reuters 14.12.2015). Die aufgestaute Wut der Sunniten - auch darüber, dass sie niemanden mehr in der Regierung haben, der mit machvoller Stimme für sie sprechen könnte, trägt in Kombination mit dem Vorgehen der schiitischen Milizen dazu bei, dass sich viele Sunniten radikalisieren oder sich einfach aus Mangel an Alternativen unter die Kontrolle des IS begeben (Qantara 17.8.2015).

Zwölf Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 ist der Irak ein Staat ohne Gewaltmonopol, ohne Kontrolle über große Teile seines Territoriums oder seiner Grenzen, dessen Souveränität zunehmend vom Iran ausgehöhlt wird (Standard 4.12.2015). Nach 2003 ist der Irak (gemeinsam mit Syrien) zum Spiel- und Schlachtfeld konkurrierender regionaler und globaler Interessen zwischen Iran, Saudi-Arabien, der Türkei, den USA und neuerdings auch Russland geworden (Rohde 9.11.2015), wobei sich das Kräfteverhältnis der beiden wichtigsten Verbündeten der irakischen Regierung - die USA auf der einen Seite und der Iran auf der anderen - zunehmend zu Gunsten des Iran verschiebt. Der eher schwache Premierminister Abadi versucht es beiden Verbündeten recht zu machen: Damit die USA ihn aus der Luft unterstützen, muss er versuchen, die iranisch-assoziierten schiitischen Milizen vom Schlachtfeld fernzuhalten (Standard 4.12.2015).

Unter großem öffentlichem Druck und nach Demonstrationen tausender Menschen vor dem schwer bewachten Regierungsviertel in Bagdad hat Abadi Ende März 2016 angekündigt, sein altes Kabinett durch eine Regierung unabhängiger Technokraten zu ersetzen. Bisher waren alle Minister mit politischen Gruppen verbunden. Die neuen sollen nun laut Abadi auf Basis von Professionalität, Effizienz und Integrität ausgewählt werden (Spiegel 31.3.2016). Jedoch scheint das neue Kabinett zu zerbröckeln, bevor es überhaupt zur Abstimmung kommt. Die meisten Parteien stemmen sich gegen den drohenden Machtverlust (SK 8.4.2016).

...

Seit der US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 ist ein starker Anstieg der Todeszahlen zu beobachten, der sich insbesondere ab dem Jahr 2012 noch einmal verstärkt. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Todeszahlen im Irak (in Dunkelrot) bis zum Jahr 2014.

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(VOH 17.11.2015)

Im Jahr 2014 war der Konflikt im Irak der zweit-tödlichste (nach Syrien) weltweit. Es wurden laut der österreichischen Botschaft in Amman 21.073 Todesopfer verzeichnet. Damit haben sich die Opferzahlen im Irak verglichen zu 2013 (9.742 Todesopfer) mehr als verdoppelt. Auch die Anschlagskriminalität im Irak erreichte, vor allem durch die Taten des IS, 2014 einen Höhepunkt. Die Anzahl der IrakerInnen, die 2014 Opfer von Anschlägen wurden, erreichte ein Ausmaß wie zuvor nur in den berüchtigten Bürgerkriegsjahren 2006/2007: über 12.000 tote und 23.000 verletzte ZivilistInnen (ÖB Amman 5.2015).

Die folgende Grafik zeigt die Anzahl der getöteten Zivilisten im Irak (inkl. Zivilpolizisten) für die Monate Jänner bis Dezember 2015 sowie die Anzahl der getöteten Iraker insgesamt. Demnach wurden im Jahr 2015 12.740 Iraker getötet, 7.515 davon waren Zivilisten (inklusive Zivilpolizei). 14.855 Zivilisten (inkl. Zivilpolizei) wurden verletzt. UNIRAQ wurde bei der Erfassung der Opferzahlen behindert, die Zahlen sollten daher als Minimumangaben gesehen werden. Sofern man anhand dieser Zahlen auf die Sicherheitslage im Irak schließen kann, hat sich die diese im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr 2014 gebessert. Verglichen mit dem Jahr 2013 war die Sicherheitslage im Jahr 2015 schlechter. In der folgenden Grafik finden sich die Mindestzahlen für das Jahr 2015:

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Quelle: Daten: UNAMI (Jänner bis Dezember 2015), Grafik: Staatendokumentation

Für den Monat Februar 2016 berichtet UNAMI, dass zumindest 670 Iraker getötet und 1.290 verletzt wurden. Darunter waren 410 getötete Zivilisten (einschließlich Bundespolizei, Sahwa Zivilschutz, Leibwächter, Polizei für den Schutz von Gebäuden und Anlagen, sowie Feuerwehr) und 1.050 verletzte. Die Provinz Bagdad war (im Monat Februar 2016) mit zumindest 277 getöteten Zivilisten dabei am stärksten betroffen, ebenfalls stark betroffen waren Diyala (40 getötete Zivilisten), Nineweh (42 getötete Zivilisten) und Kirkuk (29 getötete Zivilisten). Auf Grund der unübersichtlichen und volatilen Sicherheitslage können laut UNAMI die zu Anbar dokumentierten Zahlen (4 getötete und 126 verletzte Zivilisten) besonders stark von den tatsächlichen Zahlen abweichen (UNAMI 2.2016). Im März 2016 wurden nach der Zählung von Iraq Body Count (IBC) 1.073 Zivilpersonen getötet. Nach der UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI) gab es 575 zivile Todesopfer und 1.196 Verletzte im März 2016. Weiter wurden 544 Mitglieder der irakischen Armee, Peshmerga-Kämpfer und andere Verbündete (ohne Opferzahlen der Anbar-Operationen) getötet und 365 verletzt. Die am stärksten betroffene Provinz war im März abermals Bagdad mit 1.029 (259 Tote, 770 Verletzte) zivilen Opfern. In der Provinz Nineweh gab es 133 Tote und 89 Verletzte, in der Provinz Babil 65 Tote und 141 Verletzte, in der Provinz Kirkuk 34 Tote und 57 Verletzte, in der Provinz Diyala elf Tote und in der Provinz Salahuddin sechs Tote und einen Verletzten (Mindestzahlen) (BAMF 4.4.2016).

Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren - ebenfalls vom IS verübten - Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (National 6.3.2016).

Die am meisten gefährdeten Personengruppen sind neben religiösen und ethnischen Minderheiten auch Berufsgruppen wie Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, Mitglieder des Sicherheitsapparats, sogenannte "Kollaborateure", aber auch Mitarbeiter von Ministerien (AA 18.2.2016, s. auch Abschnitt 8).

Insgesamt kann die Sicherheitslage im Irak im Jahr 2015 als weiterhin höchst instabil bezeichnet werden. Die Kampfhandlungen konzentrierten sich weitgehend auf die Provinzen Anbar, Ninewah und Salah al-Din. Die irakische Regierung und die KRG konzentrierten sich weiterhin darauf, territoriale Fortschritte gegen den IS zu machen (UN Security Council 26.10.2015).

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Der Aufstieg der zahlreichen konfessionellen Milizen und sonstigen bewaffneten Organisationen und Gruppen geht insbesondere auf den Bürgerkrieg von 2005 bis 2007 zurück. Heute stehen sich v.a. der aus Al-Qaida hervorgegangene "Islamische Staat", die schiitischen Milizen und die kurdischen Peschmerga gegenüber. Die schiitischen Milizen in ihrer Gesamtheit werden als militärisch stärker als die irakische Armee eingeschätzt (Standard 18.11.2015), und einige davon machen sich massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig (RSF 18.4.2015, vgl. HRW 20.9.2015, vgl. Rohde 9.11.2016). Neben deren gewaltsamen Übergriffen auf Teile der sunnitischen Bevölkerung gibt es auch schiitische Milizen, die - ähnlich wie islamistische sunnitische Gruppen - gegen (nach deren Definition) "un-islamisches" Verhalten vorgehen und z.B. Bordelle, Nachtclubs oder Alkoholgeschäfte attackieren (Washington Post 21.1.2016). Die Peschmerga kämpfen zwar an der Seite der Zentralregierung, beschränken sich jedoch auf die Verteidigung der kurdischen Gebiete gegen den IS (Rohde 9.11.2015), gleichzeitig befinden sie sich aber auch in einem gespannten Verhältnis zu den schiitischen Milizen (Deutschlandfunk 5.12.2015). All diese Akteure sind mit externen Mächten liiert, allen voran Iran, Saudi-Arabien, Türkei oder den USA (Rohde 9.11.2015). Die USA sind mit einigen tausend US-Soldaten im Irak präsent und haben vor, ihre Präsenz mit weiteren Bodentruppen auszubauen. (Spiegel 2.12.2015, vgl. FAZ 24.10.2015, vgl. Focus 9.3.2016). Die von den USA angeführte Koalition gegen den IS hat im Irak seit Beginn ihrer Luftangriffe im August 2014 mehr als 6.800 Luftschläge durchgeführt (auf der folgenden Karte in blau dargestellt).

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Laut einer Untersuchung des in den USA ansässigen Instituts IHS Jane's habe der IS im Jahr 2015 in Syrien und Irak insgesamt mehr Land eingebüßt als erobert. Insgesamt soll die Miliz etwa 14 Prozent ihres Territoriums eingebüßt haben. Zu den Verlusten im Irak zählten die Stadt Tikrit und die Raffinerie von Baiji. Zudem haben die Extremisten die Kontrolle über einen Teil einer Schnellstraße zwischen Raqqa in Syrien und Mossul im Irak verloren, was logistische Schwierigkeiten mit sich bringe. Erobert hat der IS im Irak die Provinz Anbar, sowie deren Hauptstadt Ramadi [letztere wurde in der Zwischenzeit wieder zurückerobert] (Standard 22.12.2015).

Im November 2015 eroberten die irakisch-kurdischen Peschmerga gemeinsam mit Einheiten der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihres syrischen Ablegers YPG und mit Unterstützung durch amerikanische Luftschläge die Stadt Sinjar vom IS zurück (NZZ 13.11.2015). (In der Folge dessen kam es dort zwischenzeitlich zu Zusammenstößen zwischen jesidischen Kämpfern und Einheiten der KDP-Peschmerga (Ekurd 26.11.2015).)

Den Kurden gelang es auch, den IS aus Dörfern in der Nähe von Kirkuk zu vertreiben (NTV 11.9.2015). Gleichzeitig benutzen die Kurden den Krieg gegen den IS aber auch, um in den ohnehin lange umstrittenen Gebieten kurdische Fakten zu schaffen (unter anderem auch mit der Übernahme der Stadt Kirkuk im Sommer 2014), Araber werden zum Teil vertrieben (20Minuten 8.2015, vgl. Deutschlandfunk 15.7.2015). Umgekehrt kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, wo Teile der sunnitischen Bevölkerung den vorrückenden Peshmerga in den Rücken fallen und mit dem IS zusammenarbeiten. Es herrscht Misstrauen auf beiden Seiten, bei den Kurden, sowie den Arabern (20Minuten 8.2015).

Im Dezember 2015 gab Abadi die Rückeroberung der Stadt Ramadis bekannt, die im Mai in die Hände des IS gefallen war. Für die Armee ist der Sieg in Ramadi ein wichtiger und lang ersehnter Erfolg (Standard 29.12.2015). In dem ein Jahr andauernden Kampf gegen den IS in Ramadi, wurde die Stadt völlig zerstört (Haaretz 18.1.2016).

Stammeskämpfer haben die am 19.02.16 begonnenen Gefechte gegen den IS in Falluja eingestellt, nachdem der IS Angaben der Armee zufolge mehr als 100 Bewohner der Stadt als Geiseln gefangen genommen hatte. Angaben des Verwaltungschefs zufolge soll es sich um rund 60 Gefangene handeln. Die Stämme befürchteten, dass die Geiseln hingerichtet würden (BAMF 22.2.2016). Ende März 2016 begannen irakische Truppen (mit Unterstützung durch US-Luftangriffe) mit einer Großoffensive auf die vom IS besetzte Großstadt Mossul, der zweitgrößten Stadt Iraks, die nach wie vor vom IS gehalten wird (Standard 24.3.2016).

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Bagdad ist fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten. Bei vielen der verübten Anschläge sind religiöse oder politische Motive zu vermuten. Einer der tödlichsten Anschläge des Jahres 2015 fand am 13. August statt, bei dem eine Bombe auf einem Markt in der Gegend um Jameela im Osten Bagdads detonierte, zumindest 45 Zivilisten in den Tod riss und 72 weitere verletzte (UN Security Council 26.10.2015). Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren - ebenfalls vom IS verübten - Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (NG 6.3.2016).

Es gab in Bagdad Entführungen und erzwungene Vertreibungen, die von bewaffneten - mit der Regierung verbundenen - Gruppen verübt wurden, sowie Zusammenstöße zwischen den ISF und nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, beziehungsweise zwischen bewaffneten schiitischen Gruppen selbst. Nach einer Stellungnahme, die von sunnitischen Lehrern herausgegeben wurde, haben Regierungstruppen und schiitische Milizen in vielen Vierteln Bagdads Sunniten gewaltsam vertrieben (UK Home Office 11.2015). Laut Human Rights Watch sprachen v.a. in den Provinzen Bagdad und Diyalah kriminelle Banden, die laut sunnitischen Opfern mit den irakischen Sicherheitskräften und den schiitischen Milizen verbunden sind, Drohungen aus und verübten Morde, die nicht untersucht wurden (HRW 27.1.2016). Die für Menschenrechtsverletzungen bekannte schiitische Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq hat in Bagdad großen Einfluss, insbesondere in den Vierteln/Bezirken Kadhimiya, Rusafa, Yarmouk, A'amel, 9 Nissan, Dora und Sha'ab. Zum Teil ist die Miliz in Bagdad einflussreicher als die örtliche Polizei. Übergriffe auf benachbarte sunnitische Viertel kommen vor (ISW 12.2012, vgl. FIS 29.4.2015).

Die vielen nach Bagdad strömenden Binnenflüchtlinge verschärfen die Spannungen in Bagdad noch zusätzlich. Es kommt zu Vertreibungen von Binnenflüchtlingen, sowie zu Drohungen, Morden und Entführungen (UNAMI 13.6.2015). Iraks Hauptstadt ist in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitische Viertel geteilt, wobei die schiitisch dominierten Viertel stark zunehmen.

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Im Jahr 2015 gab es in der Region Bagdad 12.909 Gewalt-Opfer unter der Zivilbevölkerung, davon kamen 3.736 Personen ums Leben und 9.173 wurden verletzt. Die Region Bagdad war diesbezüglich zahlenmäßig - verglichen mit den übrigen Provinzen Iraks - am stärksten betroffen. Dies gilt auch für die ersten beiden Monate des Jahres 2016, in denen in der Region Bagdad zumindest 576 Zivilisten getötet und 1.623 Zivilisten verletzt (UNIRAQ 1.-12.2015).

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Folter und unmenschliche Behandlung werden von der irakischen Verfassung in Art. 37 ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die "Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman and Degrading Treatment or Punishment (CAT)" unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren eingesetzt. Es kommt immer wieder zu systematischer Anwendung von Folter bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Laut Informationen von UNAMI sollen u.a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören. Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz überwiesen, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (AA 18.2.2016).

Vernehmungsbeamte folterten Häftlinge, um Informationen zu erpressen und "Geständnisse" zu erzwingen, die später vor Gericht gegen sie verwendet wurden. Einige Häftlinge sollen infolge der Folter gestorben sein. Im April 2015 bestätigte ein Mitglied des parlamentarischen Menschenrechtsausschusses, dass nach wie vor Häftlinge gefoltert und erpresste "Geständnisse" vor Gericht verwendet würden. Der UN-Ausschuss gegen Folter warf der Regierung vor, Foltervorwürfe nicht zu untersuchen, und forderte bessere Schutzmaßnahmen gegen Folter (AI 24.2.2016). Auch die Bertelsmann-Stiftung berichtet davon, dass Beamten des irakischen Innenministeriums Gefangene (straffrei) zu Tode folterte. Unter der Regierung von Ex-Premierminister Maliki hatte es eine Untersuchung des irakischen "Ministerium für Menschenrechte" [seit August 2015 abgeschafft], die ergeben hatte, dass in der ersten Hälfte des Jahres 2013 20 von 117 Todesfällen in Haft die Folge von Folter waren (BI 2016).

Nach glaubwürdigen Berichten von Human Rights Watch kommt es in Gefängnissen der Asayisch (kurdische Geheimpolizei) in der Region Kurdistan-Irak zur Anwendung von Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige, z. B. durch Schläge mit Kabeln, Wasserschläuchen, Holzstöcken und Metallstangen, durch das Halten von Gefangenen in Stresspositionen über längere Zeiträume, tagelanges Fesseln und Verbinden der Augen sowie ausgedehnte Einzelhaft. Die Haftbedingungen sind insgesamt sehr schlecht (AA 18.2.2016).

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Staatliche Stellen sind nach wie vor für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und trotz erkennbarem Willen der Regierung Abadi nicht in der Lage oder bereit, die in der Verfassung verankerten Rechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten. Derzeit ist es staatlichen Stellen zudem nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Dies geht nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen sowie den Vereinten Nationen einher mit Repressionen, mitunter auch extralegalen Tötungen sowie Vertreibungen von Angehörigen der jeweils anderen Konfession (AA 18.2.2016).

Auch laut Amnesty International sind sowohl Sicherheitskräfte der Regierung, regierungstreue Milizen, als auch die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Regierungstruppen waren für wahllose Angriffe auf Gebiete unter IS-Kontrolle verantwortlich und verübten außergerichtliche Hinrichtungen. Die Menschenrechtslage habe sich im Jahr 2015 weiter verschlechtert. Alle Konfliktparteien begingen Kriegsverbrechen sowie andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverstöße. Berichten zufolge setzten sowohl die "Einheiten der Volksmobilisierung" (al-Hashd al-Shaabi) (v.a. bestehend aus von der Regierung legitimierten schiitischen Milizen) als auch der "Islamische Staat" Kindersoldaten ein.

Im Juli und August 2015 beteiligten sich in Bagdad, Basra und anderen Städten tausende Menschen an Straßenprotesten gegen staatliche Korruption, Engpässe in der Strom- und Wasserversorgung und die Unfähigkeit der Behörden, grundlegende Versorgungsleistungen sicherzustellen. Mindestens fünf Personen wurden getötet, als die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt einsetzten, um die Demonstrationen aufzulösen. In den darauffolgenden Wochen wurden mehrere Anführer der Proteste in Bagdad, Nassiriya und Basra von Unbekannten getötet. Der Innenminister behauptete, die Tötungen stünden nicht in Zusammenhang mit den Demonstrationen. Es blieb jedoch unklar, ob die Behörden die Vorfälle gründlich untersuchten.

Es kommt weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren.

Im Zuge der Rückeroberung von Gebieten, die der IS im Jahr 2014 erobert hatte, kommt es auch zu Repressionen durch kurdische Peschmerga, durch schiitische und auch sunnitische Milizen insbesondere gegen Angehörige (anderer) sunnitischer Stämme, die der Kollaboration mit dem IS bezichtigt werden (AA 18.2.2016).

Journalisten mussten 2015 weiterhin unter extrem gefährlichen Bedingungen arbeiten. Sie waren Drohungen und tätlichen Angriffen durch Sicherheitskräfte ausgesetzt und mussten befürchten, vom IS und anderen bewaffneten Gruppen verschleppt und getötet zu werden. Im April 2015 erklärte der Innenminister, die negative Berichterstattung der Medien über die Sicherheitskräfte behindere den Kampf gegen den IS (AI 24.2.2016).

Auf dem Weltpressefreiheitsindex 2014 belegt der Irak Platz 153 von 180 und liegt damit nur unwesentlich besser als am absoluten Tiefpunkt von Platz 158 im Jahr 2008. Zudem war der Irak im Jahr 2014 das viert-tödlichste Land für Journalisten - was insbesondere mit Gewaltakten an Journalisten durch den IS zusammenhängt (ÖB Amman 5.2015).

Abgesehen von Journalisten gibt es eine Reihe anderer Personengruppen, die besonders gefährdet sind: Besonders gefährdete gesellschaftliche Gruppen sind Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sowie sogenannte "Kollaborateure" sind besonders gefährdet. Auch Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten. Neben Autobomben kommen dabei häufig schallgedämpfte Waffen zum Einsatz. Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (meist Angehörige von Minderheiten), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, Friseure und medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Anschlägen. Eine Vielzahl von ehemaligen Mitgliedern der seit 2003 verbotenen Baath-Partei Saddam Husseins ist, soweit nicht ins Ausland geflüchtet [oder im Dienst des IS - s. Abschnitt 2.2.], häufig auf Grund der Anschuldigung terroristischer Aktivitäten in Haft. Laut der UN-Mission haben viele von ihnen weder Zugang zu Anwälten noch Kontakt zu ihren Familien (AA 18.2.2016).

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Die laut Human Rights Watch außer Kontrolle geratenen schiitischen Milizen (HRW 20.9.2015) begehen breit angelegte und systematische Menschenrechtsverletzungen (AI 24.2.2016, HRW 27.1.2016). Es werden Zivilisten werden aus ihren Häusern vertrieben, gekidnappt, willkürlich verhaftet, gefoltert und in einigen Fällen in Massenexekutionen getötet. Insbesondere in jenen Gebieten, die die Milizen vom IS zurückerobern, wird die sunnitische Bevölkerung pauschal schikaniert. V.a. die Miliz Asa'ib Ahl Al Haqq ist hier besonders hervorzuheben (HRW 15.2.2015, vgl. BTI 2016). Von den schiitischen Milizen wurden ganze Dörfer systematisch zerstört, sie wurden geplündert, niedergebrannt, oder gesprengt (HRW 27.1.2016). Von April bis Dezember 2015 sind alleine in der Provinz Salah al-Din zumindest 718 Sunniten von Kämpfern schiitischer Milizen entführt worden (Reuters 14.12.2015). Es werden sogar Stimmen laut, die meinen, dass sich einige der schiitischen Milizen teilweise hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen, kritischen JournalistInnen und Menschen mit anderer sexueller Orientierung kaum vom IS unterscheiden (Rohde 9.11.2015). Auch die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) selbst verübten Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.).

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Das Verhängen der Todesstrafe, deren Vollzug, allgemeiner Missbrauch, Vergewaltigung und Folter sind im Irak sehr häufig. Der irakische Staat hat seit Ende 2013 in etwa 240 Personen exekutiert, 1.700 Personen verbleiben in der Todeszelle (Stand 5.11.2015). Der irakische Staat verhängt auch Todesstrafen aufgrund von Geständnissen, die durch Folter erzwungen wurden (RFE/RL 5.11.2015). Im September 2015 verurteilte ein Gericht in Bagdad die drei Brüder Ali, Shakir und Abdel-Wehab Mahmoud Hameed al-'Akla wegen Terrorismus zum Tode, weil sie 2010 einen Mann enthauptet haben sollen. Alle drei Angeklagten gaben an, Sicherheitskräfte hätten sie während ihrer monatelangen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gefoltert und dazu gezwungen, die Tötung ihnen unbekannter Personen zu "gestehen". Die meisten Todesurteile ergingen gegen sunnitische Männer, die wegen Verstößen gegen das Antiterrorgesetz von 2005 schuldig gesprochen worden waren. Im Juni 2015 stimmte das Kabinett einer Änderung der Strafprozessordnung zu, wonach der Justizminister künftig Hinrichtungsbefehle unterzeichnen kann, wenn der Präsident nicht innerhalb von 30 Tagen darüber befindet. Im darauffolgenden Monat unterzeichnete Präsident Masum mindestens 21 Todesurteile (AI 24.2.2016).

In der Region Kurdistan-Irak wurde nach dem Fall des Regimes Saddam Hussein die Todesstrafe abgeschafft, später aber zur Bekämpfung des Terrorismus wieder eingeführt. Am 12. August 2015 wurden erstmals seit 2008 wieder drei Menschen hingerichtet (AA 18.2.2016).

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Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht stetig und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrien. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über vier Millionen Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die 2015 aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt wurden. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" gleichen die Lebensbedingungen von 57 Prozent der städtischen Bevölkerung im Irak denen von "Slums". Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die UN-Mission ermittelte schon im Juni 2013, dass vier Millionen Iraker unterernährt sind. Etwa ein Viertel der 36 Mio. Iraker lebt unterhalb der Armutsgrenze (2 US-Dollar/Tag).

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. Seit dem Spätsommer 2015 hat Irak mit einem Cholera-Ausbruch zu kämpfen (laut Zahlen der Vereinten Nationen 1.600 Erkrankte Ende Oktober 2015) (AA 18.2.2016).

Berichten des UNHCR zufolge sollen in der vom IS kontrollierten Stadt Falluja (Provinz Anbar), rund 70 Kilometer westlich von Bagdad, mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung, ungeeigneter, giftiger Nahrung und fehlender Medikamente gestorben sein (BAMF 22.2.2016).

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1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.12.2017, L521 2129854-1/23E, wurde die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016, Zl. 1051809404-150166445, erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte in dieser rechtskräftigen und unangefochten gebliebenen Entscheidung, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat vor der Ausreise von Anhängern der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq, der Miliz Legan Al Kassas oder der al-Haschd asch-Scha?bi bedroht wurde. Eine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers vor der Ausreise oder ihm wiederfahrende psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte konnte ebensowenig festgestellt werden, wie dass er im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Die Beschwerde wurde daher abgewiesen.

Der Beschwerdeführer stellte bis zum Entscheidungszeitpunkt - trotz in der mündlichen Verhandlung erfolgter Belehrung über die Notwendigkeit einer neuerlichen Antragstellung bei geänderten Verhältnissen - keinen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

1.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak und dort insbesondere in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, Bagdad.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat der Gefahr von Übergriffen schiitischer Milizen oder von psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seines sunnitischen Religionsbekenntnisses mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Auch sonst kann zum Entscheidungszeitpunkt nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt wäre.

1.6. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit hervorragender Ausbildung in der Schule, einem abgeschlossenen Universitätsstudium sowie mit im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung als Techniker bei einem Rundfunkunternehmen, wo er eigenen Angaben zufolge ein hervorragendes Einkommen von USD 1.500,00 monatlich erzielte.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsregion. Dem Beschwerdeführer ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.

1.7. Der Beschwerdeführer hält sich seit dem 12.12.2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016, Zl. 1051809404-150166445, insoweit stattgegeben, als dem Beschwerdeführer rechtskräftig der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.06.2017 erteilt wurde. Der Beschwerdeführer hält sich seither rechtmäßig als subsidiär Schutzberechtigter im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer bezog zunächst von der Antragstellung an bis zum 22.06.2016 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber des Landes Salzburg und war in Unterkünften für Asylwerber in XXXX untergebracht. Seit dem 24.06.2016 bezieht der Beschwerdeführer Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber des Landes Wien und lebt dort in Privatquartieren, die er mehrmals wechselte. Mit 09.10.2017 wurde der Bezug von Grundversorgungsleistungen eingestellt, da der Beschwerdeführer an einer Maßnahme des Arbeitsmarktservice teilnahm. Mit 20.03.2018 wurden dem Beschwerdeführer neuerlich und bis zum 19.08.2018 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber gewährt. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde der Leistungsbezug am 19.10.2018 wieder aufgenommen und dauert bis zum heutigen Tag fort (wobei der Beschwerdeführer über die Grundversorgung die Krankenversicherung und ein monatliches Verpflegungsgeld von EUR 215,00 bezieht). Der Beschwerdeführer bezieht eigenen Angaben zufolge außerdem Leistungen der Mindestsicherung im Betrag von EUR 863,00 monatlich.

Der Beschwerdeführer ist derzeit nicht legal erwerbstätig und es wurde ihm auch keine bestimmte Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt in verbindlicher Weise durch Abschluss eines (bedingten) Dienstvertrages zugesichert. Er war vom 22.05.2018 bis zum 23.05.2018 bei der XXXX und vom 20.08.2018 bis zum 16.10.2018 bei der XXXX als Arbeiter beschäftigt. Eigenen Angaben zufolge nimmt er Termine beim Arbeitsmarktservice wahr und bewirbt sich regelmäßig auf Stellen, erhalte jedoch nur Schwarzarbeit angeboten.

Er absolvierte vom 07.08.2017 bis zum 08.09.2017 die Maßnahme "Kompetenzcheck berufliche Integration - junge Männer". Vom 10.10.2017 bis zum 16.03.2018 nahm der Beschwerdeführer an einer Ausbildung zum Software Developer Java (Diplomlehrgang) des Wirtschaftsförderungsinstitutes teil. Die Kurskosten von EUR 3.990,00 wurden vom Arbeitsmarktservice getragen. Der Beschwerdeführer erlangte keinen Abschluss, da seine Deutschkenntnisse nicht ausreichend für das Abschlussprojekt waren. Während der Kursdauer bezog er Arbeitslosengeld. Ein Masterstudium an der Technischen Universität Wien brach der Beschwerdeführer ab. Er absolvierte vom 24.4.2017 bis zum 28.07.2017 einen Deutschkurs und legte bereits am 24.01.2017 die Prüfung auf dem Niveau B1 erfolgreich ab.

Der Beschwerdeführer ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. Er hat in Österreich keine Verwandten und pflegt im Übrigen normale soziale Kontakte zu Personen aus dem arabischen Kulturkreis und auch zu österreichischen Staatsangehörigen. Er gehört dem Verein " XXXX " an und besucht einen Fitnessklub. Eine Unterstützerin attestiert dem Beschwerdeführer beste soziale Integration und ein rasches Knüpfen von Kontakten aufgrund seiner offenen Art. Am 18.08.2017 absolvierte der Beschwerdeführer einen Werte- und Orientierungskurs.

Zuletzt ging der Beschwerdeführer im Februar 2019 eine Beziehung mit der chinesischen Staatsangehörigen XXXX , ein. XXXX hält sich aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung als Studierende rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Vom 13.03.2019 bis zum 03.04.2019 unterhielt der Beschwerdeführer einen Wohnsitz in der Wohnung seiner Lebensgefährtin. Seit dem 03.04.2019 unterhält er seinen Wohnsitz allerdings in XXXX , während seine Freundin weiterhin in XXXX , gemeldet ist. Der Beschwerdeführerin lehnt eine Eheschließung ab, da er eine Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen bevorzugt.

1.8. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.9. Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 11.03.2016 des Vergehens der gefährlichen Drohung schuldig erkannt und gemäß § 107 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Am 09.09.2015 tätigte der Beschwerdeführer vor der Polizeiinspektion Radstadt eine Zeugenaussage und bezichtigte irakische Mitbewohner seiner Asylunterkunft der Schlepperei, der Begehung von Drogendelikten und der Nähe zum Islamischen Staat. Am 07.02.2017 wiederholte der Beschwerdeführer gegenüber dem Landeskriminalamt Wien seine Angaben.

Die beschuldigten Personen stritten die erhobenen Anschuldigungen bei Einvernahmen am 06.03.2017, am 07.03.2017 und am 03.05.2017 ab. Die Staatsanwaltschaft Wien erhob in der Folge mit Strafantrag vom 27.05.2017 Anklage gegen den irakischen Staatsanagehörigen XXXX , wegen des Vergehens der Schlepperin. Hinsichtlich der weiteren Verdächtigen wurde das Strafverfahren eingestellt.

Der Beschwerdeführer wurde als Zeuge zur Hauptverhandlung im Verfahren XXXX des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 11.07.2017 geladen und dort auf sein Verlangen in Abwesenheit des Angeklagten als Zeugen vernommen. Nach der Aussage des Beschwerdeführers wurde die Hauptverhandlung vertagt. Da ein weiterer Zeuge aufgrund der zwischenzeitlichen freiwilligen Rückkehr in den Irak nicht mehr einvernommen werden konnte, wurde XXXX von der wider ihn erhobenen Anklage mangels Schuldbeweises rechtskräftig freigesprochen.

1.10. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Bagdad werden folgende Feststellungen getroffen:

Das Gouvernement Bagdad ist das mit ca. 4.555 km² flächenmäßig kleinste Gouvernement des Landes und beherbergt die gleichnamige irakische Hauptstadt Bagdad. In Bagdad lebten 2018 offiziell schätzungsweise 8,1 Millionen Menschen. Obwohl Bagdad das kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Einwohnerzahl von allen Gouvernements. 87% der Bevölkerung des Gouvernements leben in der Stadt Bagdad selbst. Die Hauptstadt ist das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes und beherbergt die stark geschützte grüne Zone.

Die Stadt Bagdad ist in neun Verwaltungsbezirke gegliedert: Adhamiyah, Karkh, Karada, Khadimiyah, Mansour, Sadr City, Al Rashid, Rasafa und 9 Nissan ('new Baghdad'). Die restliche Fläche des Gouvernements beherbergt die Verwaltungsbezirke Al Madain, Taji, Tarmiyah, Mahmudiyah und Abu Ghraib, die den sogenannten "Bagdad Belt" bilden und die Vororte beherbergen.

Gouvernement und Stadt Bagdad weisen eine gemischte Bevölkerung aus Schiiten und Sunniten mit einer geringeren Anzahl christlicher Gemeinschaften auf. Während die meisten Stadtteile in Bagdad in der Vergangenheit von einer Mischung aus Sunniten und Schiiten bewohnt waren, führte die gewaltsame Säuberung im Zuge der konfessionellen Konflikte insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 dazu, dass die Stadt viel stärker religiös geteilt und von den Schiiten dominiert zu sein scheint (siehe dazu im Detail unten 1.10 "Lage von sunnitischen Arabern in Bagdad").

Die Einheiten der irakischen Armee in Bagdad unterstehen Führung des Baghdad Operations Command (BOC), das in zwei Gebiete unterteilt ist, das Karkh Area Command und das Rusafa Area Command. Die Special Forces Division (SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der grünen Zone und den Schutz des Premierministers verantwortlich und kann vom Verteidigungsministerium, dem BOC, dem Joint Operations Command (JOC) sowie dem Premierminister selbst eingesetzt werden. Die SDF wird auch für Sicherungsaufgaben in Bagdad herangezogen, insbesondere während der schiitischen Pilgerreisen.

Dem Karkh Area Command untersteht die 6. irakische Armeedivision mit verschiedenen Brigaden, die in und außerhalb der Stadt stationiert sind. Die dem Rusafa Area Command unterstehende 9. Irakische Armeedivision ist derzeit nicht in Bagdad stationiert. Die Bundespolizei des irakischen Innenministeriums ist in Bagdad durch drei Bundespolizeidivisionen vertreten. Die 1. Federal Police Division sichert die südwestliche, westliche und südöstliche Kanalzone von Bagdad. Die 2. Federal Police Division, die einzige mechanisierte Division der Bundespolizei in Bagdad, wird hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung in Bagdad und den Bagdad-Belts, zur Sicherung von Pilgerwegen und zu Aufgaben in Zusammenhang mit der Strafverfolgung herangezogen. Die 4. Federal Police Division deckte das südliche Bagdad und Gebiete südlich der Hauptstadt ab und betreibt das Gefängnis in Karkh. Ergänzend steht westlich von Bagdad die 3. Brigade der Emergency Response Division (ERD) zur Verfügung. Die Stadt Bagdad und die Vororte werden grundsätzlich von den irakischen Behörden kontrolliert. In der Praxis teilen sich die Behörden jedoch die Verteidigungs- und Strafverfolgungsaufgaben mit den schiitisch dominierten Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), was zu einer "unvollständigen" oder überlappenden Kontrolle mit diesen Milizen führt. Für die Jahre 2014 und 2015 liegen Berichte vor, wonach Einheiten der PMF an Misshandlungen und Morden an Zivilisten und Sunniten im Zusammenhang mit Operationen gegen den Islamischen Staat in den Bagdad-Belts beteiligt waren.

Seit dem Eintritt der militärischen Niederlage des Islamischen Staates im Dezember 2017 gibt es in Bagdad und anderen Landesteilen weniger Angriffe des Islamischen Staates mit großer Breitenwirkung. Der Islamische Staat verfügt weiterhin über aktive Zellen im nördlichen und westlichen Bagdad-Belt, diese befinden sich jedoch erheblichen Verlusten im Jahr 2017 in einem inaktiven Zustand. Seit dem Jahr 2018 sind Bagdad und die Bagdad-Belts kein prioritäres Operationsgebiet des Islamischen Staates mehr und ist der Islamische Staat nicht mehr für den überwiegenden Teil der Gewalttätigkeiten in der irakischen Hauptstadt verantwortlich. Die Möglichkeit, Anschläge auch im Zentrum der irakischen Hauptstadt zu verüben, dürfte nach wie vor gegeben sein, allerdings befindet sich die verbliebenen Anhänger des Islamischen Staates in einer Phase der Neuaufstellung.

Wenn der Islamische Staat die Verantwortung für Angriffe übernimmt, werden die Opfer entweder als "Abtrünnige" oder "Rafida" (eine abfällige Bezeichnung für schiitische Muslime) oder als bewaffnete Akteure bezeichnet, obwohl die Opfer möglicherweise Zivilisten sind. Der Islamische Staat übertreibt das häufig die Verluste, die seine Anschläge nach sich ziehen.

Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten in Bagdad in den Jahren 2017 und 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist und wieder das Niveau vor dem Erstarkten des Islamischen Staates erreicht hat (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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