Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §44;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Richard S in V, vertreten durch Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in Wien I, Nibelungengasse 8/16, gegen den Bescheid des Disziplinarvorgesetzten und Korpskommandant beim Korpskommando I vom 31. Oktober 1996, Zl. 27.593-3170/17/96, betreffend Degradierung zum Oberwachtmeister, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Wehrpflichtiger des Milizstandes des österreichischen Bundesheeres. Das Militärkommando Kärnten gelangte durch die Anzeige eines anderen Angehörigen des Wehrpflichtigen des Milizstandes vom Verdacht gegen den Beschwerdeführer in Kenntnis, daß dieser den Dienstgrad eines Offizierstellvertreters ungerechtfertigt trage. Der Beschwerdeführer sei zuletzt im November 1994 zum Oberstabswachtmeister befördert worden. Ihm fehle der Stabsunteroffizierkurs, welcher notwendige Grundlage zur Beförderung zum Offizierstellvertreter sei. Er sei daher nicht befördert worden, habe den Dienstgrad Offizierstellvertreter jedoch bei mehreren Gelegenheiten unrechtmäßig getragen, was dem Ansehen des Bundesheeres und seiner Soldaten nicht dienlich sei.
Der Disziplinarvorgesetzte im Militärkommando Kärnten leitete unter anderem aufgrund dieses Vorwurfes mit Schreiben vom 12. März 1996 ein Disziplinarverfahren ein, teilte dies dem Beschwerdeführer mit und gewährte Parteiengehör.
Der Beschwerdeführer gab zu diesem Punkt folgende Stellungnahme ab:
"Der Beschuldigte erhielt im Jahre 1994 ein Schreiben von einer ihm unbekannten militärischen Dienststelle, aus welchem die Beförderung zum OStV zu ersehen war. Anläßlich einer Übung in der Khevenhüllerkaserne gab er das Wehrdienstbuch, das genannte Schreiben sowie ein Schreiben der Heereskraftfahrschule Baden ab und erhielt am nächsten Tag lediglich das Wehrdienstbuch zurück, nicht aber die beiden Schreiben.
Wo sich diese befanden bzw. zum gegenwärtigen Zeitpunkt befinden, ist ihm unbekannt.
Im zurückgegebenen Wehrdienstbuch wurde - dem Schreiben folgend - die Eintragung "Offizierstellvertreter" angeführt und mit Dienstsiegel und Unterschrift sowie dem Datum 1.12.1994, BMLV, versehen. Von einer widerrechtlichen Aneignung des Dienstgrades "Offizierstellvertreter" konnte daher im Zusammenhang mit dem Beschuldigten keine Rede sein."
Nach Durchführung von Ermittlungen erließ die Behörde erster Instanz ein Disziplinarerkenntnis, wonach der Beschwerdeführer im Jahr 1995, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein, den Dienstgrad Offizierstellvertreter getragen, somit gegen § 10 Wehrgesetz 1990 (WG 1990) verstoßen und eine Pflichtverletzung gemäß § 2 Heeresdisziplinargesetz 1994 (HDG 1994), BGBl. Nr. 522, begangen habe. Über ihn werde gemäß § 2 iVm § 56 HDG 1994 die Disziplinarstrafe der Degradierung zum Oberwachtmeister verhängt. Der Bescheid wurde wie folgt begründet:
"1. Aufgrund einer Anfrage eines OStv bei der zuständigen ErgAbt/MilKdo K wurde festgestellt, daß Sie im DERGIS mit dem Dienstgrad "OStv" - ernannt mit Wirkung vom 01 12 94 - gespeichert sind.
2. Dazu wird seitens des Ref C/ErgAbt/MilKdo K festgestellt, daß für Sie am 12 09 94 ein Antrag um Ernennung zum OStWm eingebracht, Sie mit BMLV vom 01 10 94, GZ.: 21.524/0078-2.8/94, zum OStWm ernannt wurden, und dieser Dienstgrad ordnungsgemäß gespeichert ist. Weiters wird festgestellt, daß Sie für die Speicherung des Dienstgrades OStv mit Wirkung vom 01 12 94 bis zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Voraussetzungen für die Erlangung dieses Dienstgrades (OStv) erfüllt haben.
3. Am 12 03 96 wurde gegen Sie ein Disziplinarverfahren eingeleitet und Ihnen die Möglichkeit zum Parteiengehör eingeräumt. In dem von Ihrem Verteidiger Rechtsanwalt Dr. M vom 06 05 96 vorgelegten Parteiengehör wird zum Ausdruck gebracht, daß Sie im Jahre 1994 von einer Ihnen unbekannten militärischen Dienststelle ein Schreiben, aus welchem die Beförderung zum OStv zugesichert war, erhalten haben.
4. Anläßlich einer Übung in der Khevenhüllerkaserne gaben Sie Ihr Wehrdienstbuch, das genannte Schreiben sowie ein Schreiben der Heereskraftfahrschule in Baden ab und erhielten am nächsten Tag lediglich das Wehrdienstbuch zurück, nicht aber die beiden Schreiben. Im zurückgegebenen Wehrdienstbuch wurde die Eintragung OStv mit dem Datum 01 12 94 mit Dienstsiegel und Unterschrift vorgenommen. Wo sich die von Ihnen vorgelegten Schreiben zum gegenwärtigen Zeitpunkt befinden, ist Ihnen unbekannt. Da Sie nach Ihren Aussagen ordnungsgemäß zum OStv ernannt wurden, erhielten Sie auch eine mit diesem Dienstgrad verbundene finanzielle Abgeltung für die von Ihnen geleisteten Übungstage.
5. Mit Schreiben vom 20 05 96 wurde Ihnen die Möglichkeit zur ergänzenden Stellungnahme eingeräumt. Im Antwortschreiben, eingebracht von Ihrem Rechtsanwalt Dr. M, wird angeführt, daß diese von Ihnen erwähnten Schreiben Herrn Mjr R, JgR 7, von Ihnen überreicht wurden.
Auf die schriftlich vorgelegte Frage, welche Voraussetzungen Sie für die Ernennung zum OStv erfüllt hätten, wird in diesem Antwortschreiben Ihres Rechtsanwaltes angeführt, daß die bezugshabenden Daten bei der ErgAbt/MilKdo K aufliegen müßten.
6. Bei der am 12 07 96 durchgeführten mündlichen Verhandlung gaben Sie wiederholend jenen Inhalt der Stellungnahme (Parteiengehör), eingebracht von Ihrem Rechtsanwalt, vom 06 05 96 an und bekräftigten, daß nach Eintragung des Dienstgrades OStv in Ihr Wehrdienstbuch bei der
3. Kp/JgR 7 Sie mit gutem Glauben den Dienstgrad OStv getragen haben. Sie waren auch bei der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, irgendwelche Schriftstücke der Disziplinarbehörde vorzulegen, die die Erlangung und das Tragen des Dienstgrades OStv rechtfertigen bzw. eine Beförderung zum OStv abzuleiten wäre. Sie konnten auch das Wehrdienstbuch oder eine Kopie dessen der Disziplinarbehörde nicht zur Verfügung stellen, weil Sie es nach Ihren Aussagen nicht mit hatten, und Sie der Meinung waren, der Rechtsanwalt hätte ohnehin eine Kopie des Wehrdienstbuches der Disziplinarbehörde zur Verfügung gestellt.
Hiezu wird festgestellt:
Für die Disziplinarbehörde ist nachvollziehbar, daß Sie die Voraussetzungen für den Dienstgrad OStv nicht erfüllt haben und den Dienstgrad OStv unberechtigt tragen weil
* Sie gemäß Ihren Aussagen den StbUO-Kurs nicht absolviert
haben,
* eine Stellungnahme der ErgAbt/MilKdo K vom 08 03 96
vorliegt, aus der hervorgeht, daß Sie die Voraussetzungen zum OStv nicht erbracht haben,
* und Ihre Ernennung zum OStv in keinem Erlaß des Bundesministeriums für Landesverteidigung (VBl. II) oder sonstigen Befehlen aufscheint.
Andererseits sind Sie auch nicht in der Lage, trotz mehrmaliger Aufforderung jene Papiere, die Sie von einer unbekannten Dienststelle erhalten und der 3. Kp/JgR 7 zur Eintragung des Dienstgrades OStv mit Ihrem Wehrdienstbuch vorgelegt haben, der Dienstbehörde vorzuweisen, noch sonst einen glaubwürdigen nachvollziehbaren Beweis, aus dem eine Beförderung zum OStv abzuleiten wäre, vorzulegen. Nach Aussage des Mjr R haben Sie ihm keine diesbezüglichen Schreiben übergeben; auch liegen weder bei der 3. Kp/JgR 7 noch im Regiment, die von Ihnen erwähnten Schreiben auf. Die Eintragung des Dienstgrades OStv in Ihr Wehrdienstbuch durch Angehörige des JgR 7 ist kein Beweis, daß Sie die Voraussetzungen zur Erlangung des Dienstgrades OStv erfüllt haben.
Da Sie als UO der Miliz in Ihrer bisherigen Laufbahn mehrmals Beförderungen erlebt haben, wissen Sie, daß für die Erreichung eines höheren Dienstgrades im allgemeinen als Kriterien die Wartefrist, die geleisteten Übungstage, sowie das Ablegen von Kursen und Seminaren erforderlich sind. In Ihrem konkreten Fall wissen Sie, daß Sie zum OStv wohl die Anzahl der erforderlichen Übungstage geleistet haben, aber für diese Beförderung die Absolvierung des StbUO-Kurses erforderlich ist.
Darüber hinaus sind Sie im Jahr 1995 viermal jeweils als OStWm von der ErgAbt/MilKdo K zu Waffenübungen einberufen worden, haben aber ab der 2. Übung 10 07 bis 21 07 95 den Dienstgrad OStv getragen und sich die Übungstage mit der Dienstgradzulage eines OStv abfinden lassen.
Sie haben dem MobUO/JgR 7 versprochen, jene Papiere, aus der Sie die Berechtigung zum Tragen des Dienstgrades OStv ableiten wollen, zur Verfügung zu stellen, um dem MobUO glaubhaft zu beweisen, daß er die Speicherung des Dienstgrades berechtigt, rückwirkend mit 01 12 94 am 23 01 96 durchgeführt hat.
Ihre Rechtfertigung zu diesen Vorhaltungen war die, in dem Sie wiederholend erklärten, Sie haben Ihr Wehrdienstbuch mit Papieren einer unbekannten militärischen Dienststelle bei der
3. Kp/JgR 7 abgegeben, die die Eintragung des Dienstgrades OStv vorgenommen hat, und Sie aufgrund dieser Eintragung den Dienstgrad OStv mit gutem Glauben und zurecht getragen haben.
Für die Disziplinarbehörde ist diese Rechtfertigung nicht glaubhaft und auch nicht nachvollziehbar und erkennt, daß Sie mit Wissen und Wollen, also mit Vorsatz, sich den Dienstgrad OStv angeeignet und auch getragen haben. Sie haben somit schuldhaft gehandelt.
Erschwerend ist das Ausnützen einer Situation eines Truppenkörpers/Kp in einer Phase des Einrückens bzw. der Bearbeitung von vielen Wehrdienstbüchern von Milizsoldaten, in welcher die Dienstaufsicht, Kontrolle und Überprüfungen nicht immer optimal gegeben sind.
Da Sie im JgR 7 einen hohen Bekanntheitsgrad besitzen, und die Abläufe im Zusammenhang mit dem Einrücken von Milizsoldaten kennen, war es Ihnen möglich, eine Eintragung in Ihr Wehrdienstbuch und eine Speicherung des Dienstgrades OStv vornehmen zu lassen.
Dadurch haben Sie das Vertrauen Ihrer Kameraden des Präsenzstandes mißbraucht. Durch dieses Verhalten haben Sie auch das Ansehen des Milizkaders geschädigt. Es ist äußerst unkameradschaftlich, allen Kameraden gegenüber, die durch Ableistung der erforderlichen Kurse und Prüfungen sich redlich bemühen, einen höheren militärischen Dienstgrad zu erreichen.
Mildernd wird Ihr Engagement im Milizstand und Ihr bisheriges aktives Mitarbeiten im Mobverband gewertet.
Ihr Verhalten stellt somit einen Verstoß gegen § 10 WG 1990 (Wehrpflichtige, die zu UO befördert worden sind, führen die Ihrer Ernennung entsprechende Dienstgradabzeichen) dar. Sie haben dadurch eine Pflichtverletzung gemäß § 2 HDG 1994 begangen, welche es nicht zuläßt, Sie ohne Nachteil für den Dienst und damit für das Ansehen des Bundesheeres in Ihrem Dienstgrad zu belassen. Maßgeblich für diese Entscheidung war die Tatsache, daß Sie diese Pflichtverletzung mit Vorsatz begangen haben.
Die verhängte Strafe erscheint deshalb schuldangemessen und auch notwendig, um Sie und andere Soldaten von der Begehung derartiger Pflichtverletzungen abzuhalten."
In der dagegen erhobenen Berufung behauptete der Beschwerdeführer weiters, er habe Ende des Jahres 1994 "von einer militärischen Dienststelle" ein Schreiben erhalten, daß er zum Offizierstellvertreter ernannt worden sei. Die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz sei unrichtig. Zudem sei bei der Verhandlung vom 12. Juli 1996 kein Protokoll verfaßt worden.
Nach Durchführung weiterer Ermittlungen und Einräumung des Parteiengehörs, im Zuge dessen der Beschwerdeführer ausdrücklich als Verfahrensmangel die Nichterstellung eines Verhandlungsprotokolles im Rahmen der mündlichen Verhandlung rügte, erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit welchem sie der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gab und das angefochtene Disziplinarerkenntnis bestätigte. Die belangte Behörde begründete - nach Wiedergabe des Inhaltes des Berufungsverfahrens - ihren Bescheid folgendermaßen:
"1. Gemäß § 8 Wehrgesetz 1990 obliegt die Beförderung von Unteroffizieren dem Bundesminister für Landesverteidigung. Dies gilt auch für Unteroffiziere, die nicht dem Präsenzstand angehören, was für Sie zutrifft. Die Beförderung erfolgt mittels eines vom BMLV erstellten Dekretes. Da Sie bereits einige Beförderungen im Unteroffiziersstand - bis zum Dienstgrad "Oberstabswachtmeister" - erlebten, geht die entscheidende Disziplinarbehörde davon aus, daß Sie wissen mußten, wie ein Schreiben, das Sie zum nächsthöheren Dienstgrad befördert, dem Aussehen und Inhalt nach hätte beschaffen sein müssen. Selbst wenn Sie nun am Ende des Jahres 1994 ein Schreiben einer "militärischen Dienststelle" erhielten, in dem festgehalten war, daß Sie zum Offizierstellvertreter ernannt werden sollen oder werden, mußte es für Sie daher ein Leichtes gewesen sein, zu erkennen, daß durch gegenständliches Schreiben eine Beförderung nicht erfolgte, wobei festzuhalten ist, daß es Ihnen nicht möglich ist, ein derartiges Schreiben nachzureichen.
2. Die Erhebungen ergaben, daß weder durch das BMLV noch durch eine diesem nachgeordnete militärische Dienststelle ein Ihre Beförderung zum Offizierstellvertreter betreffendes Schreiben Ende des Jahres 1994 erlassen wurde.
3. Die für die Eintragung im Wehrdienstbuch zuständigen Angehörigen der 3. Kp/JgR 7, Vzlt F sowie Wm J, bestätigen, daß die Eintragung des Dienstgrades OStv mit Wirkung vom 01 12 94 in Ihr Wehrdienstbuch sowie der Rundsiegelabdruck nicht von diesen vorgenommen wurde, sodaß davon ausgegangen wird, daß die Eintragung durch Sie erwirkt und von einer unzuständigen Person, selbst wenn diese der 3. Kp/JgR 7 angehörte, vorgenommen wurde.
4. Zur ungerechtfertigten Speicherung Ihrer Beförderung gab der durchführende Vzlt O mit Datum vom 07 03 96 schriftlich an, daß Sie am 20 09 95 zur vKÜ/JgB 26 bereits als OStv einrückten. Durch Vzlt O befragt, gaben Sie an, die Unterlagen über Ihre Beförderung nachzureichen. Vzlt O vertraute Ihnen aus dem Grund, weil Sie ihm als geschäftsführender Präsident des Milizverbandes K bekannt waren und Ihr Engagement sowohl bei BWÜ als auch bei fWÜ sowie Ihre Milizarbeit von ihm als für das Bundesheer besonders positiv beurteilt wurde. Er sah keine Veranlassung, Ihren Angaben zu mißtrauen.
Zur BWÜ vom 07 11 bis 18 11 95 sind Sie wieder als OStv eingerückt und aufgrund der Eintragung im Personaldatenausdruck vom 07 09 95, wonach Sie mit 01 12 94 zum Offizierstellvertreter befördert worden seien, nahm Vzlt O an, daß Sie bei der StbKp/JgR 7 Ihr Beförderungsdekret vorgewiesen hatten.
Wer diese Eintragung im Datenblatt vorgenommen hat, ist im nachhinein nicht mehr feststellbar.
Sie haben die Unterlagen Ihrer Beförderung jedoch weder nachgereicht noch Vzlt O mitgeteilt, daß Sie derartige Unterlagen nicht bzw. nicht mehr besitzen.
5. Seit Ihrer Beförderung zum Oberstabswachtmeister mit Wirkung vom 01 10 94 wurden Ihnen sämtliche Briefsendungen des MilKdo K/ErgAbt unter Anführung dieses Dienstgrades zugestellt. Obwohl Sie bereits nach Ihren Angaben mit 01 12 94 zum Offizierstellvertreter ernannt worden waren, haben Sie die ErgAbt auf ihren vermeintlichen Fehler nicht aufmerksam gemacht.
6. Aus den vorangeführten Gründen vertritt die berufungsentscheidende Disziplinarbehörde die Auffassung, daß Sie sich bewußt den Dienstgrad eines Offizierstellvertreters widerrechtlich angeeignet sowie getragen und somit die Ihnen gemäß § 2 Abs. 2 HDG angelastete Pflichtverletzung mit Vorsatz begangen haben.
Die verhängte Disziplinarstrafe erscheint aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung und infolge der Notwendigkeit, Sie und andere von der Begehung einer derartigen Pflichtverletzung abzuhalten, tat- und schuldangemessen.
7. Zur Durchführung des Disziplinarverfahrens im Kommandantenverfahren wird auf die Bestimmungen des § 61 HDG 1994 hingewiesen. Die Verfassung eines Protokolls über den Verhandlungsverlauf sieht das HDG für derartige Verfahren nicht vor und wurde vom Beschuldigten auch nicht verlangt.
§ 73 HDG ist im konkreten Fall nicht anzuwenden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer rügt einerseits eine Verletzung des "§ 71 Abs. 9 HDG, da in dieser Gesetzesstelle kategorisch gefordert wird, über die mündliche Verhandlung ein Protokoll aufzunehmen", und wendet sich des weiteren mit folgendem Vorbringen gegen die Schlüssigkeit der Erwägungen der belangten Behörde:
"Weder dem Militärkommando Kärnten noch dem Korpskommando I war es offensichtlich möglich, festzustellen, wer die Eintragungen im Wehrdienstbuch vorgenommen hatte. Fest stand bzw. steht jedenfalls, daß diese Eintragung unter Berücksichtigung der beim Bundesheer bestehenden Organisation keineswegs vom Beschwerdeführer vorgenommen hatte werden können. Der Beschwerdeführer erhielt vielmehr ein Schreiben, in welchem festgehalten war, daß er zum OStV ernannt wurde. Dieses legte er im Jahre 1995 anläßlich einer Übung beim Jägerregiment 7 gemeinsam mit seinem Wehrdienstbuch vor, was dann zur Folge hatte, daß er letzteres zurückerstattet hielt, wobei diese Urkunde die Eintragung "neuer Dienstgrad OStV ab 1.12.1994 gemäß amtlicher Verfügung des BMLV" samt Rundsiegel enthielt. Anschließend wurde dieser Dienstgrad im DERGIS mit Wirkung 1.12.1994 gespeichert. Mangels Mitwirkungsmöglichkeiten an diesen Ereignissen konnte selbstverständlich dem Beschwerdeführer kein wie auch immer geartetes Verschulden angelastet werden. Auch im nachhinein fiel dem Beschuldigten keineswegs auf, daß ihm die in dem Brief erwähnte Beförderung nicht zugestanden wäre, da er die einzelnen Beförderungsrichtlinien - selbstverständlich - nicht kannte. Wären diese im Detail allen beim Bundesheer tätigen Personen tatsächlich bekannt, so hätte es ja auch nie zu einer Eintragung im Wehrdienstbuch bzw. zur Speicherung im DERGIS kommen können, da ja weder die beim Militärkommando Kärnten noch die beim Korpskommando I damit befaßten und ermittelnden Personen aufgrund der vorhandenen Personalakte das Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen kennen und daher die Eintragungen nicht treffen dürfen. Ab Übergabe des Wehrdienstbuches mit der Eintragung des Dienstgrades OStV konnte der Beschwerdeführer im Vertrauen darauf davon ausgehen, daß er nunmehr den Rang des OStV bekleidete. Mit der Verwendung desselben setzte er kein wie auch immer geartetes Verschulden.
Der Beschwerdeführer verwirklichte somit durch seine Verhaltensweise nicht das für den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Zif. 3 HDG erforderliche innere Tatbild des § 2 Abs. 4 HDG, da er in keiner Weise schuldhaft handelte. Selbstverständlich wurde dem Beschwerdeführer weder vom Militärkommando Kärnten noch vom Korpskommando I ein solches Verschulden nachgewiesen.
Mangels erforderlichen inneren Tatbildes fielen somit sowohl das Disziplinarerkenntnis des Militärkommandos Kärnten als auch die Berufungsentscheidung des Korpskommandos I rechtswidrig aus."
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im gegenständlichen Fall ist das HDG 1994 anzuwenden. Insofern der Beschwerdeführer "§ 71 Abs. 9 HDG" zitiert, ist ihm zu entgegnen, daß eine solche Gesetzesstelle im HDG 1994 nicht enthalten ist. Doch auch inhaltlich ist die Rüge des Verfahrensmangels unberechtigt. Das HDG 1994 regelt im zweiten Hauptstück seines besonderen Teiles "Besondere Verfahrensbestimmungen", erster Abschnitt, das Kommandantenverfahren. Gemäß § 58 Z. 3 HDG 1994 ist im Kommandantenverfahren über Pflichtverletzungen von Wehrpflichtigen des Miliz- und Reservestandes zu entscheiden.
§ 73 Abs. 7 HDG 1994, welcher die Aufnahme eines Protokolls über die mündliche Verhandlung fordert, befindet sich jedoch im zweiten Abschnitt des zweiten Hauptstückes, welcher das Kommissionsverfahren betrifft. Der Beschwerdeführer gehört nicht zu den Personen, die in § 67 Abs. 1 HDG 1994 genannt sind, weshalb das Kommissionsverfahren auf ihn nicht anzuwenden ist.
Im Kommandantenverfahren regelt § 61 Abs. 1, daß im ordentlichen Verfahren eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhaltes notwendig oder zweckmäßig erscheint. Über die Protokollierung des Verhandlungsganges enthält das Gesetz keine Vorschriften. Gemäß § 23 HDG 1994 ist das AVG, soweit im HDG 1994 nicht anderes bestimmt ist, nur hinsichtlich der ausdrücklich aufgezählten Bestimmungen anzuwenden. § 44 AVG (Aufnahme einer Verhandlungsschrift über jede mündliche Verhandlung) ist darin nicht enthalten.
Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt demnach nicht vor.
Insoweit sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Beweiswürdigung ein Denkprozeß ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Nur die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 549 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen. Vor allem überzeugen die Argumente der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer aufgrund bereits erfolgter mehrfacher Beförderungen im Unteroffizierstand wissen mußte, wie ein Schreiben, das ihn zum nächsthöheren Dienstgrad befördert, beschaffen hätte sein müssen, sodaß der Beschwerdeführer keinesfalls auf ein Schreiben einer - vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht näher bezeichneten - "militärischen Dienststelle", das er zudem im Verfahren nicht vorgelegt habe, nicht als Grundlage einer rechtsgültigen Beförderung hätte ansehen dürfen. Vor allem aber ist es - selbst einem militärischen Laien - leicht nachvollziehbar, daß eine Beförderung bereits zwei Monate nach der Beförderung zum Oberstabswachtmeister (diese erfolgte mit Wirkung vom 1. Oktober 1994) zum nächsthöheren Unteroffiziersdienstgrad fragwürdig ist. Umso mehr trifft dies auf den Beschwerdeführer zu, von dem aufgrund seines bis dahin erlangten Dienstgrades Oberstabswachtmeister zumindest grundlegende Kenntnisse darüber verlangt werden müssen, welche Ausbildung für die Beförderung zum Offizierstellvertreter erforderlich ist. Daß er den für die Erlangung des Dienstgrades Offizierstellvertreter notwendigen Stabsunteroffizierskurs mit Erfolg besucht hätte, behauptet der Beschwerdeführer nicht.
Der belangten Behörde ist dahingehend zu folgen, daß sich der Beschwerdeführer in einer nicht mehr klärbaren Weise die Eintragung des Dienstgrades Offizierstellvertreter mit Wirkung vom 1. Oktober 1994 im Bewußtsein der Unrichtigkeit erwirkt hat und daß er trotzdem in der Folge unter dem Dienstgrad Offizierstellvertreter auftrat.
Da gemäß § 10 Abs. 2 WehrG Militärpersonen und Berufsoffiziere als Dienstgradbezeichnung ihre dienstrechtlich vorgesehenen Amtstitel oder Verwendungsbezeichnungen führen, ist der belangten Behörde auch dahingehend zu folgen, daß sie die Handlungen des Beschwerdeführers als Pflichtverletzung nach § 2 Abs. 2 HDG 1994 angesehen hat und deshalb die gemäß § 56 Abs. 1 HDG 1994 für Angehörige des Milizstandes ausschließlich vorgesehene Disziplinarstrafe der Degradierung verhängt hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 2 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996090385.X00Im RIS seit
20.11.2000