TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 I421 2226791-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2020
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Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I421 2226791-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX) XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2019, Zl. 1131990500-190589669/BMI-BFA_WIEN_AST_04, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., II. und III. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. und V. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 11.10.2016 vor Beamten der Polizeiinspektion Schwechat Wiener Straße seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner am darauffolgenden Tag stattfindenden Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass er nach dem Tod seiner Eltern 2007 gemeinsam mit seinem Onkel und seiner Tante gelebt habe. Nachdem auch die Tante verstorben war, nahm ihn der Onkel mit in dessen Heimatort Borno State. In Borno State habe es allerdings Probleme zwischen Moslems und Christen gegeben und er sei als Christ von den Moslems bedroht worden, weswegen er Nigeria verlassen habe.

Mit Bescheid des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 09.03.2017, Zl. 1131990500/161404134 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Artikel 13 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 22 Abs. 7 der Verordnung 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Italien zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, angeordnet und ausgesprochen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 2 FPG nach Italien zulässig sei.

Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Fax vom 22.03.2017 eingereichten Schriftsatz Beschwerde beim BFA.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.05.2017, Zl. W242 2151380-1/5E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 20.12.2013 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Anschließend ist der Beschwerdeführer im Bundesgebiet untergetaucht, woraufhin die Überstellungsfrist nach Italien am 10.11.2017 abgelaufen ist.

2. Der Beschwerdeführer stellte am 12.06.2019 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte er, dass es in Nigeria ein Problem zwischen Christen und Moslems gegeben habe. Zu dieser Zeit habe er sich bei seinem Onkel in Borno State, einem der Krisenzentren, aufgehalten. Er sei Christ, in Borno State habe er allerdings Angst gehabt die Kirche zu besuchen. Im Februar 2014 habe es einen Selbstmordanschlag in einer Kirche in Borno State gegeben. Er selbst sei nicht anwesend gewesen, aber sein Onkel, der den Anschlag zum Glück überlebt habe. Daraufhin habe man für die Kirchen freiwilliges Sicherheitspersonal gesucht und er und sein Onkel haben diese Aufgabe übernommen. Als die Moslems erfahren haben, dass es christliche Sicherheitskräfte gebe, haben sie erneut begonnen die Kirchen anzugreifen. Es habe dann einen zweiten Selbstmordanschlag in der Nähe einer Kirche gegeben, bei welchem er und sein Onkel anwesend gewesen seien. Sein Onkel sei bei diesem Anschlag ums Leben gekommen. Daraufhin habe er Nigeria verlassen, es sei ihm nämlich bewusstgeworden, dass diese Leute nicht nur die Kirchen zerstören, sondern alle Christen töten wollen. Ergänzend führte der Beschwerdeführer noch an, dass die Angreifer zu der terroristischen Gruppe der Boko Haram gehört haben. Bei einer Rückkehr befürchte er von den Moslems getötet zu werden.

In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 14.06.2019 wurde der Beschwerdeführer unter Heranziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache einvernommen. Er gab ergänzend an, dass die Angreifer der Gruppe Boko Haram, nachdem sie erfahren haben, dass die Kirchen geschützt werden, ganz gezielt die Sicherheitskräfte angegriffen haben. Zu diesem Zeitpunkt sei sein Leben als Sicherheitskraft gefährdeter gewesen als jenes der Kirchenbesucher. Beim zweiten Anschlag auf die Kirche, habe er gerade einen Rundgang um die Kirche gemacht und die Explosion gehört. Als er zur Kirche zurückgekehrt sei, seien die Angreifer bereits verschwunden gewesen und haben noch die umliegenden Häuser niedergebrannt.

Am 13.11.2019 wurde der Beschwerdeführer erneut durch das BFA einvernommen. Er erklärte, dass er aktuell eine in Bratislava lebende serbische Freundin habe, welche er drei bis vier Mal im Monat sehe. Er habe keine Kinder und sei ledig. An seinen Fluchtbegründen bzw. seinen Rückkehrbefürchtungen habe sich nichts geändert. Bei einer Rückkehr fürchte er aufgrund der Sicherheitsangelegenheiten von den Angreifern getötet zu werden.

Mit dem Bescheid vom 15.11.2019 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt V.).

Mit Schreiben vom 17.12.2019 erhob der Beschwerdeführer - durch seine Rechtsvertretung - gegen den Bescheid des BFA vom 15.11.2019 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

Mit Schriftsatz vom 18.12.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 20.12.2019, legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige, ledige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias. Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

Er ist Angehöriger der Volksgruppe Edo und bekennt sich zum christlichen Glauben.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit und ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer hat in Nigeria zehn Jahre lang die Schule besucht und eine Ausbildung zum Hairstylisten gemacht.

In Nigeria verfügt der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner drei Cousins.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer hat seit einigen Monaten eine in Bratislava lebende serbische Freundin, welche er drei bis vier Mal im Monat sieht.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria von Mitgliedern der terroristischen Gruppierung Boko Haram verfolgt wird. Der Beschwerdeführer konnte folglich nicht glaubhaft machen, dass ihm in Nigeria Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Selbst wenn man sein Vorbringen als wahr unterstellen und daher annehmen würde, dass er von Boko Haram verfolgt werden würde, muss diesbezüglich festgestellt werden, dass sein Vorbringen keine Asylrelevanz entfalten würde (siehe rechtliche Würdigung).

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass er in Nigeria einer persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Für den Beschwerdeführer ergibt sich keine wesentliche Veränderung seiner Situation im Fall einer Rückkehr. Auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Nigeria vom 12.04.2019 werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Politische Lage:

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018; AA 9.2018a; GIZ 4.2019a) und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 12.10.2018; vgl. AA 9.2018a; GIZ 4.2019a). Sie verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 9.2018a).

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten - zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte - und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 10.12.2018; vgl. AA 9.2018a). Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 10.12.2018).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen, ethnischer Zugehörigkeit und vor allem strategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 10.12.2018).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 23.2.2019 wurde Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Amt bestätigt (GIZ 4.2019a). Er erhielt 15,1 Millionen Stimmen und siegte in 19 Bundesstaaten, vor allem im Norden und Südwesten der Landes. Sein Herausforderer, Atiku Abubakar, erhielt 11,3 Millionen Stimmen und gewann in 17 Bundesstaaten im Südosten, im Middle-Belt sowie in der Hauptstadt Abuja (GIZ 4.2019a; vgl. BBC 26.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag mit 36 Prozent deutlich niedriger als 2015. Überschattet wurden die Wahlen von gewaltsamen Zwischenfällen mit mindestens 53 Toten (GIZ 4.2019a).

Die Opposition sprach von Wahlmanipulation. Am 18.3.2019 focht Abubakar das Ergebnis aufgrund von Unregelmäßigkeiten vor dem Obersten Gerichtshof an. Das Verfahren muss gemäß der gesetzlichen Vorgaben innerhalb von 180 Tagen bis spätestens Mitte September abgeschlossen werden. Die Aussichten, dass die Beschwerde Erfolg hat, sind gering. So hatte Präsident Buhari nach den Wahlen von 2003, 2007 und 2011 als Oppositionskandidat ebenfalls vergleichbare Beschwerden eingelegt und diese verloren (GIZ 4.2019a).

Am 9.3.2019 wurden Wahlen für Regionalparlamente und Gouverneure in 29 Bundesstaaten durchgeführt. In den restlichen sieben Bundesstaaten hatten die Gouverneurswahlen bereits in den Monaten zuvor stattgefunden. Auch hier kam es zu Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 4.2019a). Kandidaten der APC von Präsident Buhari konnten 15 Gouverneursposten gewinnen, jene der oppositionellen PDP 14 (Stears 12.4.2019).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen - wenn auch weitgehend informellen - Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 9.2018a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844 , Zugriff 7.11.2018

- BBC News (26.2.2019): Nigeria Presidential Elections Results 2019, https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-f0b25208-4a1d-4068-a204-940cbe88d1d3, Zugriff 12.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 11.4.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

-Stears News (12.4.2019): Governorship Election Results, https://nigeriaelections.stearsng.com/governor/2019, Zugriff 12.4.2019

2. Sicherheitslage:

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 10.12.2018). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 10.12.2018; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, (EASO 11.2018a; vgl. AA 10.12.2018), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes ("Biafra") hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt (AA 10.12.2018).

In den nordöstlichen Bundesstaaten Adamawa, Borno, Gombe und Yobe kommt es häufig zu Selbstmordanschlägen (BMEIA 12.4.2019). Außenministerien warnen vor Reisen dorthin sowie in den Bundesstaat Bauchi (BMEIA 12.4.2019; vgl. AA 12.4.2019; UKFCO 12.4.2019). Vom deutschen Auswärtige Amt wird darüber hinaus von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten (AA 12.4.2019).

Zu Entführungen und Raubüberfällen kommt es im Nigerdelta und einigen nördlichen Bundesstaaten. Betroffen sind: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kogi, Nasarawa, Plateau, Rivers und Zamfara. Für die erwähnten nordöstlichen und nördlichen Bundesstaaten sowie jenen im Nigerdelta gelegenen gilt seitens des österreichischen Außenministeriums eine partielle Reisewarnung; Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) in den übrigen Landesteilen (BMEIA 12.4.2019).

Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in die Bundesstaaten Kaduna (insbesondere Süd-Kaduna), Plateau, Nasarawa, Benue, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insbesondere die Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom ab (AA 12.4.2019). Das britische Außenministerium warnt (neben den oben erwähnten nördlichen Staaten) vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zum Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers (UKFCO 29.11.2018).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist dauern diese Auseinandersetzungen nur wenige Tage und sind auf einzelne Orte bzw. einzelne Stadtteile begrenzt. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das Sokoto (Nordteil) und Plateau (Südteil) sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen (AA 12.4.2019).

In der Zeitspanne April 2018 bis April 2019 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.333), Zamfara (1.116), Kaduna (662), Benue (412), Adamawa (402), Plateau (391). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (2), Kebbi (3) und Osun (8) (CFR 2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_6 , Zugriff 12.4.2019

- BMEIA - Österreichisches Außenministerium (12.4.2019): Reiseinformationen - Nigeria, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/, Zugriff 12.4.2019

- CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

- EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 12.4.2019

- UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (12.4.2019): Foreign Travel Advice - Nigeria - summary, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 12.4.2019

3. Rechtsschutz / Justizwesen:

Die Verfassung unterscheidet zwischen Bundesgerichten, Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten (AA 10.12.2018). Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Daneben bestehen noch für jede der 774 LGAs eigene Bezirksgerichte (District Courts) (ÖB 10.2018). Bundesgerichte, die nur staatlich kodifiziertes Recht anwenden, sind der Federal High Court (Gesetzgebungsmaterie des Bundes, Steuer-, Körperschafts- und auch Verwaltungssachen), der Court of Appeal (Berufungssachen u.a. der State Court of Appeal und der State Sharia and Customary Court of Appeal) sowie der Supreme Court (Revisionssachen, Organklagen) (AA 10.12.2018). Für Militärangehörige gibt es eigene Militärgerichte (USDOS 13.3.2019).

Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten 2000/2001 haben die staatlichen Schariagerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten, während sie zuvor auf das islamische Personenstandsrecht beschränkt waren (AA 10.12.2018). Laut Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte seit 1999 betreffend das anzuwendende Rechtssystem ("Common Law" oder "Customary Law") durch Gesetze der Gliedstaaten festgestellt. Einzelne Bundesstaaten haben "Scharia-Gerichte" neben "Common Law"- und "Customary Courts" geschaffen. Mehrere Bundesstaaten, einschließlich die gemischt-konfessionellen Bundesstaaten Benue und Plateau, haben auch Scharia-Berufungsgerichte eingerichtet (ÖB 10.2018).

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 10.12.2018; vgl. FH 1.2019; ÖB 10.2018; USDOS 13.3.2019). In der Realität ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019; FH 1.2019). Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 13.3.2019). Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung sowie mangelnde Ausbildung behindern die Funktionsfähigkeit des Justizapparats und machen ihn chronisch korruptionsanfällig (AA 10.12.2018; vgl. FH 1.2019; USDOS 13.3.2019; ÖB 10.2018). Die Gehälter im Justizbereich sind niedrig, und es mangelt an Infrastruktur (ÖB 10.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Zusätzlich widersprechen sich die Rechtssysteme mitunter (ÖB 10.2018). Trotz allem hat die Justiz in der Praxis ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht (FH 1.2019).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o. ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken oder sich einen Rechtsbeistand leisten können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich (AA 10.12.2018). Gesetzlich vorgesehen sind prozessuale Rechte wie die Unschuldsvermutung, zeitnahe Information über die Anklagepunkte, das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren, das Recht auf einen Anwalt, das Recht auf ausreichende Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung, Zeugen zu befragen und das Recht auf Berufung. Diese Rechte werden jedoch nicht immer gewährleistet (USDOS 13.3.2019). Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 10.12.2018).

Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen. Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 10.12.2018). Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird zwar von der Verfassung garantiert, ist jedoch kaum gewährleistet. Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Entgegen gesetzlicher Vorgaben ist die Untersuchungshaft nicht selten länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils in Frage stehenden Delikts. Außerdem bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 10.12.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2018 - Nigeria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/nigeria, Zugriff 20.3.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

3.1. Scharia:

Mit der Wiedereinführung des Scharia-Strafrechts auf landesgesetzlicher Ebene in den zwölf mehrheitlich muslimisch bewohnten nördlichen Bundesstaaten erhielten erstinstanzliche Scharia-Gerichte auch strafrechtliche Befugnisse (z.B. Verhängung von Körperstrafen bis hin zu Todesurteilen wie Steinigung); dies gilt allerdings grundsätzlich nur für Muslime (AA 10.12.2018). Scharia- bzw. gewohnheitsrechtliche Gerichte können nur angerufen werden, wenn beide Parteien einwilligen (ÖB 10.2018). Während Muslime sich den Scharia-Gerichten unterwerfen müssen, steht es Christen, die in den zwölf Bundesstaaten leben, frei, sich einem Scharia- oder staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Oft werden Scharia-Gerichte gewählt, da diese schneller zu einem Urteil kommen als die Gerichte des staatlichen Justizsystems (AA 9.2018a).

Den rigorosen Strafandrohungen der Scharia stehen ebenso rigorose Beweisanforderungen gegenüber, so dass bei prozedural einwandfreien Scharia-Verfahren ein für eine Verurteilung ausreichender Zeugenbeweis oft nicht zu führen ist. In der Vergangenheit ist es aufgrund der Komplexität des auch für viele Richter zunächst noch neuen islamischen Beweisrechts insbesondere in der Eingangsinstanz oft zu unbefriedigenden und mit Rechtsfehlern behafteten Urteilen gekommen. Allerdings erregten Ermittlungen und Anklagen wegen so genannter Hudud-Straftatbestände (z.B. außerehelicher Geschlechtsverkehr, Diebstahl, Straßenraub, Alkoholgenuss) in den letzten Jahren weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit als noch in den ersten Jahren nach der Wiedereinführung des islamischen Strafrechts (AA 10.12.2018). Durch eine bessere Ausbildung der Richterschaft und Entpolitisierung des strafrechtlichen Aspekts der Scharia sind spektakuläre Fälle in den letzten Jahren nicht mehr zu verzeichnen (AA 9.2018a).

Die Scharia-Berufungsgerichte wandeln konsistent Steinigungs- und Amputationsurteile in andere Strafen um. Es gab keine Berichte über durchgeführte Prügelstrafen im Jahr 2018 (USDOS 13.3.2019). Der Scharia-Instanzenzug endet auf der Ebene eines Landesberufungsgerichts, gegen dessen Urteile Rechtsmittel vor dem (säkularen) Bundesberufungsgericht in Abuja zulässig sind (AA 10.12.2018). Urteile von Scharia-Gerichten können somit auch im formalen Rechtssystem angefochten werden, die Umwandlung der Steinigungs- und Amputationsurteile erfolgt allerdings aus prozessualen und Beweisgründen, ein grundsätzlicher Verstoß gegen die Verfassung wird bis dato nicht hinterfragt (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844 , Zugriff 7.11.2018

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

4. Sicherheitsbehörden:

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken (Bundes-) Polizei (National Police Force - NPF), die dem Generalinspekteur der Polizei in Abuja untersteht (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Zusätzlich zu der üblichen polizeilichen Verantwortung zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in den Bundesstaaten und im Federal Capital Territory (FCT) unterstehen dem Generalinspekteur die Strafverfolgungsbehörden im ganzen Land, die in Grenzschutz, Terrorismusbekämpfung und Marineangelegenheiten (Navigation) involviert sind (USDOS 13.3.2019). Etwa 100.000 Polizisten sollen bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen als Sicherheitskräfte tätig sein (AA 10.12.2018).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 10.12.2018). Das Department of State Service (DSS), das via nationalem Sicherheitsberater dem Präsidenten unterstellt ist, ist ebenfalls für die innere Sicherheit zuständig. Polizei, DSS und Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch zeitweise außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 13.3.2019). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖB 10.2018).

Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, häufige Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖB 10.2018). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität umfassend zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 10.12.2018). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee (USDOS 13.3.2019). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 13.11.2018

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

5. Folter und unmenschliche Behandlung:

Durch Verfassung und Gesetze sind Folter und andere unmenschliche Behandlungen verboten. Seit Dezember 2017 sind gemäß Anti-Folter-Gesetz Strafen vorgesehen. Gesetzlich ist die Verwendung von unter Folter erlangten Geständnissen in Prozessen nicht erlaubt. Die Behörden respektieren diese Regelung jedoch nicht (USDOS 13.3.2019).

Die nigerianischen Sicherheitskräfte sehen sich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, schwerste Menschenrechtsverletzungen zu begehen: Allen glaubwürdigen Hinweisen zufolge gehören Folter, willkürliche Verhaftungen und extralegale Tötungen nach wie vor zum Handlungsrepertoire staatlicher Sicherheitsorgane (AA 10.12.2018; vgl. AI 22.2.2018; USDOS 13.3.2019), unter denen insbesondere die ärmeren Bevölkerungsschichten zu leiden haben (AA 10.12.2018). Neben der Polizei wird auch dem Militär vorgeworfen, extralegale Tötungen, Folter und andere Misshandlungen anzuwenden, unter anderem bei Operationen gegen Aufständische im Nordosten und gegen separatistische Bewegungen im Südosten (FH 1.2019). Als Reaktion auf Angriffe der Boko Haram und ISIS-WA begehen die Sicherheitskräfte außergerichtliche Hinrichtungen und wenden Folter, sexuelle Ausbeutung und Misshandlung, willkürliche Haft, Misshandlung von Gefangenen an. Es kommt auch zu Plünderungen und Zerstörung von Eigentum (USDOS 19.9.2018). Die Sicherheitskräfte bleiben bei Vergehen weitgehend straffrei (USDOS 13.3.2019). Das Vertrauen in den Sicherheitsapparat ist durch immer wieder gemeldete Fälle von widerrechtlichen Tötungen, Folter und unmenschlicher Behandlung in Polizeihaft unterentwickelt (ÖB 10.2018).

Extralegale Tötungen seitens der Sicherheitskräfte sind nach wie vor festzustellen, deren Zahl ist aber tendenziell rückläufig. 2012 waren es ca. 5.000 Fälle. Trotzdem gibt es immer noch eine hohe Zahl an extralegalen Tötungen durch die Polizei, manche NGOs schätzen die aktuelle Zahl sogar höher als jene aus 2012 (AA 10.12.2018). Die Special Anti-Robbery Squad (SARS) geht brutal gegen Verdächtige vor. Häufig kommt es zu Folter, erzwungenen Geständnissen oder Tötungen unter dem Vorwand, dass Häftlinge fliehen wollten (AA 10.12.2018; vgl. GIZ 4.2019a; USDOS 13.3.2019). Die nationale Menschenrechtskommission untersucht derzeit diese Polizeieinheit. Sie wurde bereits einer Umstrukturierung unterzogen, deren Auswirkungen noch nicht eingeschätzt werden können. Dabei handeln die Täter in der Gewissheit weitgehender Straflosigkeit, da es nur in den seltensten Fällen zu unabhängigen Untersuchungen, geschweige denn zu disziplinar- oder gar strafrechtlichen Konsequenzen kommt. Wenn Polizisten beschuldigt werden, an extralegalen Tötungen beteiligt zu sein, werden sie durch ihre Vorgesetzten gedeckt und oft bewusst in andere Regionen versetzt, um eine Klärung der Vorwürfe zu verhindern. Hauptbetroffene sind in der Regel Personen, die eines Gewaltverbrechens verdächtig sind; diese werden nach dem Ablegen eines (häufig durch Folter erlangten) Geständnisses oft noch im Polizeigewahrsam exekutiert (AA 10.12.2018). Berichten zufolge führten Folter und andere Misshandlungen in einigen Fällen zum Tod in Gewahrsam (AI 22.2.2018). Immer wieder kommt es auch vor, dass Sicherheitskräfte an von ihnen errichteten Straßensperren unvermittelt das Feuer eröffnen, etwa wenn sich jemand weigert, ein gefordertes Schmiergeld zu zahlen (AA 10.12.2018).

Es gibt Berichte über Verschwindenlassen (AI 22.2.2018). Gesicherte Erkenntnisse über systematisches Verschwindenlassen unliebsamer Personen durch staatliche Organe liegen nicht vor. Nigerianische Menschenrechtsgruppen werfen regelmäßig insbesondere der Polizei das Verschwindenlassen von Untersuchungshäftlingen und anderen in Polizeigewahrsam befindlichen Personen vor. Es wird von Fällen von Verschwindenlassen angeblicher Boko Haram-Mitglieder im Norden des Landes berichtet, dafür wird u.a. die Joint Task Force verantwortlich gemacht. Überhaupt gehen Polizei und Militär bei der Bekämpfung von Boko Haram häufig mit unverhältnismäßiger Härte vor (AA 10.12.2018).

Die Polizei versucht mittels Misshandlungen von Zivilisten von diesen Geld zu erpressen (USDOS 13.3.2019). Es kommt also trotz Folterverbots in der Verfassung oft zu teilweise schweren Misshandlungen von (willkürlich) Inhaftierten, Untersuchungshäftlingen, Gefängnisinsassen und anderen Personen im Gewahrsam der Sicherheitsorgane. Die Gründe für dieses Verhalten liegen zum einen in der nur schwach ausgeprägten Menschenrechtskultur der Sicherheitskräfte, zum anderen in der mangelhaften Ausrüstung, Ausbildung und Ausstattung insbesondere der Polizei, was sie in vielen Fällen zu dem illegalen Mittel der gewaltsamen Erpressung von Geständnissen als einzigem erfolgversprechenden Weg der "Beweisführung" greifen lässt. Die große Zahl glaubhafter und übereinstimmender Berichte über die Anwendung von Folter in Gefängnissen und Polizeistationen im ganzen Land, die von forensischen Befunden gestützt und von der Polizei teilweise zugegeben werden, bestätigen den Eindruck, die Anwendung von Folter sei ein integraler Bestandteil der Arbeit der Sicherheitsorgane (AA 10.12.2018).

Verfassung und Gesetze verbieten willkürliche Verhaftungen, dennoch praktizieren Polizei und Sicherheitskräfte diese Praktiken. Beim Kampf gegen Boko Haram wurden im Nordosten Nigerias seit 2013 tausende Personen willkürlich inhaftiert. Sie befinden sich in nicht überwachten militärischen Haftanstalten (USDOS 13.3.2019). Zahlreiche Kinder und Jugendliche wurden - ohne Anklageschrift oder Verurteilung - inhaftiert (AA 10.12.2018). Die Armee inhaftierte Hunderte von Frauen rechtswidrig und ohne Anklage, u. a. weil man annahm, sie seien mit Mitgliedern von Boko Haram verwandt. Unter den Inhaftierten waren auch Frauen und Mädchen, die angaben, Opfer von Boko Haram geworden zu sein (AI 22.2.2018).

Frauen und Kinder gerieten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend ins Visier von Boko Haram. Die Regierung des nordöstlichen Bundesstaats Borno schätzt die Zahl der von Boko Haram entführten Frauen und Mädchen auf insgesamt 3.000. Im Oktober 2016 und Mai 2017 sind über hundert der 2014 aus Chibok entführten Mädchen freigelassen worden. Im März 2018 wurden 110 Mädchen aus einer Schule in Dapchi entführt, die meisten kamen kurz darauf wieder frei. Boko Haram setzt außerdem Kinder gezielt als Lastenträger, in Kampfhandlungen und insbesondere Mädchen für Selbstmordattentate ein. Mädchen werden zudem häufig sexuell missbraucht und an Mitglieder der Boko Haram zwangsverheiratet (AA 10.12.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425079.html, Zugriff 8.11.2018

- FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2018 - Nigeria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/nigeria, Zugriff 20.3.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 11.4.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

-USDOS - U.S. Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Nigeria, https://www.refworld.org/docid/5bcf1f8e13.html, Zugriff 30.11.2018

6. Korruption:

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption vor (USDOS 13.3.2019). Trotzdem bleibt Korruption weit verbreitet (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019; GIZ 4.2019a) und damit ein wichtiges Entwicklungshindernis Nigerias (GIZ 4.2019a) - vor allem im Öl- und Sicherheitssektor (FH 1.2019). Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für das Jahr 2018, liegt Nigeria mit einer Bewertung von 27 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 144 von 180 untersuchten Ländern (TI 29.1.2019).

Die Regierung setzt die Gesetze gegen Korruption nicht effektiv um, und Beamte bleiben oft ungestraft. Die massive, weitverbreitete und tiefgreifende Korruption betrifft alle Ebenen in den Behörden und bei den Sicherheitskräften (USDOS 13.3.2019); sie ist bei der Polizei weit verbreitet; Gelderpressungen an Straßensperren sind an der Tagesordnung (AA 10.12.2019). Korruption herrscht auch in der Justiz (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018). Es gibt die weitverbreitete Auffassung, dass Richter leicht zu bestechen sind und Prozessparteien sich daher nicht auf Gerichte verlassen sollten, um ein unparteiisches Urteil zu erhalten. Bürger müssen sich auf lange Verzögerungen einstellen und berichten davon, dass Justizangestellte für eine Verfahrensbeschleunigung oder genehme Urteile Schmiergeld fordern (USDOS 13.3.2019).

Bei der Korruptionsbekämpfung sind seit 1999 nur wenige Erfolge zu verzeichnen (GIZ 4.2019a). Allerdings hat die Regierung diese zum Teil ihrer Wirtschaftspolitik erklärt (AA 9.2018c). Sie setzte 2018 ihren Kampf gegen Korruption und für mehr Transparenz fort (FH 1.2019). Die Independent Corrupt Practices and Other Related Offenses Commission (ICPC) hält ein breites Mandat bezüglich der Verfolgung fast aller Formen von Korruption, während die Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) auf Finanzdelikte beschränkt ist. Obwohl die Bemühungen der EFCC und der ICPC sich auf Regierungsbeamte mit niedrigem und mittlerem Rang konzentrieren, haben beide Organisationen mit Ermittlungen und Anklagen gegen verschiedene hochrangige Regierungsbeamte begonnen (USDOS 13.3.2019). Die beiden Kommissionen eröffneten im Jahr 2018 neue Untersuchungen gegen hochrangige und ehemalige Beamte (FH 1.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205790 , Zugriff 9.11.2018

- FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2018 - Nigeria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/nigeria, Zugriff 20.3.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 11.4.2019

- TI - Transparency International (29.1.2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 21.3.2019

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

7. NGOs und Menschenrechtsaktivisten:

Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Rund 42.000 nationale und internationale NGOs sind in Nigeria registriert; sie sind keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen (ÖB 10.2018). Die NGOs sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv (AA 10.12.2019).

NGOs beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (ÖB 10.2018; vgl. USDOS 13.3.2019), aber beachten diese üblicherweise nicht, sondern bedrohen einzelne NGOs (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

8. Ombudsmann:

Die Aufgabe der National Human Rights Commission (NHRC) ist die Förderung und der Schutz der Menschenrechte (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019) sowie die Menschenrechtserziehung (AA 10.12.2019) und die Beobachtung der Menschenrechtslage (USDOS 13.3.2019). Derzeit konzentriert sich die NHRC u.a. auf Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte, Diskriminierung im Wirtschaftsleben, Gewalt gegen Frauen sowie Menschenrechtsbildung und -aufklärung (AA 10.12.2018). Die NHRC verfügt über Niederlassungen in den sechs politischen Zonen des Landes. Sie veröffentlicht periodische Berichte über spezifische Menschenrechtsverletzungen (u.a. Folter oder Haftbedingungen) (USDOS 13.3.2019). Die Arbeit der Kommission wurde dadurch eingeschränkt, dass ihre Leitung über zwei Jahre nicht besetzt wurde. Seit April 2018 ist allerdings ein neuer Leiter im Amt, der sich insbesondere dem Thema menschenrechtlich relevanter

Übergriffe von Militär und Polizei widmen möchte (AA 10.12.2018). In der Praxis spielt die NHRC mehr eine beratende, ausbildende und Lobbyismus betreibende Rolle. Im Jahr 2018 gab es keine Berichte über Untersuchungen der Kommission, die Rechtsfolgen gehabt hätten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

9. Allgemeine Menschenrechtslage:

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der zahlreich eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen weiterhin deutlich hinter internationalen Standards zurück. Zudem wurden völkerrechtliche Verpflichtungen zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Bundesstaaten, welche grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist die Durchsetzung garantierter Rechte häufig nicht gewährleistet (AA 10.12.2018).

Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert (AA 9.2018a; vgl. GIZ 4.2019a), vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit (GIZ 4.2019a). Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden (AA 9.2018a). Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Polizisten und Soldaten sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen (GIZ 4.2019a).

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019).

Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv (GIZ 4.2019a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844 , Zugriff 7.11.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 11.4.2019

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

10. Meinungs- und Pressefreiheit:

Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die Verfassung von 1999 garantiert und finden sich auch in der Verfassungswirklichkeit grundsätzlich wieder (AA 10.12.2018). Diese Rechte werden jedoch von Gesetzen gegen Aufruhr, kriminelle Diffamierung und Veröffentlichung falscher Nachrichten eingeschränkt (FH 1.2019).

Die nigerianische Presse kann weitgehend frei agieren (HRW 17.1.2019). Die Medienlandschaft ist vielfältig und äußerst aktiv (AA 9.2018b) und ist durch eine Fülle privater Tageszeitungen und Wochenmagazine, Radiostationen und auch Fernsehsender geprägt, die insgesamt breit gefächert und relativ frei zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen berichten (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Sie tragen wesentlich dazu bei, dass alle politischen Fragen des Landes offen und kritisch diskutiert werden können. Das Radio ist das wichtigste Medium in Nigeria, da es auch in den ländlichen Regionen empfangen werden kann. Qualität und Wirkungskreis von Presse und Medien werden allerdings durch schwierige Rahmenbedingungen beeinträchtigt (AA 9.2018b).

Allerdings kommt es zu Fällen der Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit durch die Regierung (USDOS 13.3.2019). Diese erfolgen in Form von öffentlicher Kritik an sowie Belästigung und Verhaftung von Journalisten durch Beamte (FH 1.2019; vgl. USDOS 20.4.2018; HRW 17.1.2019), besonders wenn diese über Korruptionsskandale, Menschenrechtsverletzungen, oder separatistische und kommunale Gewalt oder andere politisch sensible Themen berichten (FH 1.2019). Kritiker berichten davon, Drohungen, Einschüchterungen und manchmal Gewalt ausgesetzt zu sein. Journalisten praktizieren Selbstzensur (USDOS 13.3.2019).

Das Gesetz zur Informationsfreiheit garantiert jeder Person das Recht, auf Antrag Zugang zu amtlichen Informationen durch die Behörden zu erhalten. Die mit diesem Gesetz verbundenen Hoffnungen auf eine offenere Informationspolitik der Regierung haben sich aber bisher nicht erfüllt (AA 10.12.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018b): Nigeria - Kultur und Bildung, Medien, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205846 , Zugriff 9.11.2018

- FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2018 - Nigeria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/nigeria, Zugriff 20.3.2019

- HRW - Human Rigths Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2002184.html, Zugriff 11.4.2019

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

11. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:

Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Allerdings wird sie bisweilen durch das Eingreifen der Sicherheitsorgane gegen politisch unliebsame Versammlungen eingeschränkt (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019; FH 1.2019). Die Regierung verbietet z.B. Versammlungen, welche ihrer Ansicht nach zu Unruhen führen könnten. In Gebieten mit Gewaltausbrüchen entscheiden Polizei und Sicherheitskräfte über die Genehmigung von öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen von Fall zu Fall. Bei der Auflösung von Demonstrationen wenden Sicherheitskräfte übermäßige Gewalt an, welche mitunter auch zu Todesopfern und Verletzten führt (USDOS 13.3.2019).

Verfassung und Gesetze gewährleisten Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert dieses Recht auch weitgehend in der Praxis (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019; ÖB 10.2018). Dies hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahllosen NGOs geführt (AA 10.12.2018; vgl. FH 1.2019, ÖB 10.2028). Nur gelegentlich wird das Recht in Bezug auf bestimmte Organisationen eingeschränkt (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2018 - Nigeria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/nigeria, Zugriff 20.3.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

12. Haftbedingungen:

Die Haftbedingungen in den mangelhaft ausgestatteten, oft chronisch überbelegten und zum großen Teil noch aus der Kolonialzeit stammenden Gefängnissen sind äußerst schlecht (AA 10.12.2018). Die Bedingungen bleiben hart und lebensbedrohlich. Die Gefangenen, von denen viele noch gar nicht verurteilt wurden (etwa 68 Prozent sind Untersuchungshäftlinge), sind Folter, Überbelegung, Nahrungs- und Wasserengpässen, inadäquater medizinischer Versorgung sowie unangemessenen sanitären Bedingungen ausgesetzt (USDOS 13.3.2019). Aufgrund dieser Verhältnisse kommt es auch zu Todesfällen (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018). Die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten muss über Angehörige und karitative Einrichtungen sichergestellt werden (AA 10.12.2018). Das schlecht bezahlte Gefängnis- und Wachpersonal nutzt seine Stellung aus, um von den Gefangenen Geld zu erpressen (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Zumindest in einigen Gefängnissen sind Männer, Frauen und Minderjährige zusammen inhaftiert (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Weibliche Gefangene sind der Gefahr einer Vergewaltigung ausgesetzt (USDOS 13.3.2019).

Es gibt nur eine eingeschränkte Möglichkeit zur unabhängigen Überprüfung von Gefängnissen durch Beobachter. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat Zugang zu polizeilichen Haftanstalten und Einrichtungen des Nigerian Prison Service sowie einigen militärischen Haftanstalten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

13. Todesstrafe:

An der Todesstrafe hält Nigeria weiter fest (AA 10.12.2018; vgl. AA 9.2018; AI 22.2.2018). Sie kann durch ordentliche Gerichte und erstinstanzliche Scharia-Gerichte für bestimmte Tatbestände (Mord, Hochverrat, Verrat, Quälerei mit Todesfolge, schwerer Raub) verhängt werden (AA 10.12.2018; vgl. AA 9.2018a). Gegenwärtig ist in einigen südlichen Bundesstaaten der Trend zu beobachten, den Anwendungsbereich der Todesstrafe auf weitere Straftatbestände (v.a. Entführung) auszuweiten. Auch der 2012 überarbeitete Terrorism (Prevention) Act 2011 sieht die Todesstrafe für terroristische Verbrechen vor (AA 10.12.2018).

Ein seit 2006 faktisches Vollstreckungsmoratorium, das zuletzt im Februar 2009 durch den Außenminister gegenüber dem UN-Menschenrechtsrat bestätigt worden war, wurde vom Bundesstaat Edo im Juni 2013 mit vier Hinrichtungen und im Dezember 2016 mit drei Hinrichtungen durchbrochen (AA 10.12.2018). 2017 gab es keine Berichte über Hinrichtungen (AI 22.2.2018). Auch im Jahr 2018 hat es keine Exekutionen gegeben (AI 10.4.2019; vgl. CLS 20.12.2018), allerdings wurden mindestens 46 Todesurteile verhängt (AI 10.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844 , Zugriff 7.11.2018

- AI - Amnesty International (10.4.2019): Death Sentences and Executions 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006174/ACT5098702019ENGLISH.PDF, Zugriff 12.4.2019

-AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425079.html, Zugriff 8.11.2018

- CLS - Cornell Law School (20.12.2018): Death Penalty Database - Nigeria - Annual Number of Reported Executions, https://www.deathpenaltyworldwide.org/country-search-post.cfm?141-9chk=on&hideinfo=on, Zugriff 22.3.2019

14. Religionsfreiheit:

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (GIZ 4.2019b; vgl. ÖB 10.2018; AA 10.12.2018) und Freiheit der Religionsausübung (ÖB 10.2018). Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und hat jeder die Freiheit seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 20.5.2018). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z.B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 10.12.2018).

Die Regierung achtet Religionsfreiheit in der Praxis, obwohl von lokalen politischen Akteuren geschürte Gewalt in der Regel straflos bleibt. Die Verfassung verbietet es, ethnischen oder religiösen Gruppen Vorrechte einzuräumen. In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten jedoch die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion (ÖB 10.2018). Manche Gesetze der Landes- und Lokalregierung diskriminieren Mitglieder religiöser Minderheiten (USDOS 20.5.2018). Außerdem gestaltet sich die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit in der Praxis aufgrund religiöser Spannungen schwierig (GIZ 4.2019b).

Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist auf lokaler Ebene und in der Bevölkerung teilweise nur unzureichend ausgeprägt. Eine Ausnahme sind die Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen seit Generationen auch Mischehen zwischen Moslems und Christen verbreitet sind. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch, insbesondere im Middle-Belt, wo der Kampf um Land und Lebensraum zunehmend religiös aufgeladen wird (AA 10.12.2018). Es gibt Berichte über Gewalt bis hin zu Tötungen bei Konflikten zwischen religiösen Gruppen, namentlich zwischen christlichen Bauern und muslimischen Nomaden und vorwiegend im Middle-Belt (USDOS 20.5.2018).

Auch die Lage zwischen den Moslems der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit ist teilweise stark angespannt. Versammlungen und Märsche der schiitischen Minderheit gelten als Provokation, in einigen Landesteilen kam es sogar zu einem Verbot der schiitischen Gruppe Islamic Movement of Nigeria (IMN). Diesbezüglich kam es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen (AA 10.12.2018). Die islamistisch-terroristischen Organisationen Boko Haram und Islamischer Staat in Westafrika sind weiterhin aktiv und führen zahlreiche Angriffe durch [Anm. Siehe Abschnitt 3. Sicherheitslage] (USDOS 20.5.2018).

Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 8.2016b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nig

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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