TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/3 I422 2229060-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.03.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs3
FPG §70 Abs3
StGB §217 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2229060-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. am XXXX, StA. Spanien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfang BLASCHITZ, Walfischgasse 11/10, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2020, Zl. 1171069707/180644778, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird insoweit mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf zehn (10) Jahre herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgegenstand:

Verfahrensgegenstand ist die Beschwerde über das mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.01.2020, Zl. 1171069707/180644778 verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), die Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II.) und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III.). Die Beschwerdeführerin begründete dies im Wesentlichen damit, dass das unbefristet erteilte Aufenthaltsverbot von der der Entscheidung zu Grunde gelegten Rechtsgrundlage nicht gedeckt sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist spanische Staatsangehörige und somit EWR-Bürgerin bzw. Unionsbürgerin im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.

Die Beschwerdeführerin reiste im Jänner 2017 erstmals nach Österreich ein und ist seit 03.07.2017 in Österreich gemeldet, wobei sie von 03.07.2017 bis 25.03.2019 mit Hauptwohnsitz und seit 08.06.2018 mit einem Nebenwohnsitz in einer österreichischen Justizanstalt erfasst ist.

Die Beschwerdeführerin ist mit einem ebenfalls in einer österreichischen Justizanstalt aufhältigen venezolanischen Staatsangehörigen verheiratet. Sie verfügt somit im Bundesgebiet über familiäre Anknüpfungspunkte. Berücksichtigungswürdige sprachliche, private und soziale oder berufliche Anbindungen der Beschwerdeführerin liegen im Bundesgebiet nicht vor.

Die Beschwerdeführerin wurde am 07.06.2018 im Bundesgebiet festgenommen. Das Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilte die Beschwerdeführerin mit Urteil vom 09.04.2019, 151 Hv 122/18w wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 104a Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall StGB und des Verbrechens der grenzüberschreitenden Prostitution nach § 217 Abs. 1 zweiter Fall StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von fünf Jahren. Gegenwärtig verbüßt die Haftstrafe in einer österreichischen Justizanstalt.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 27.01.2020 wurde gegen die Beschwerdeführerin ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, ihr kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen das über sie verhängte Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides und der Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Sozialversicherungsträgers und des Strafregisters eingeholt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellung zur Person der Beschwerdeführerin, insbesondere ihrer Identität ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Durch eine sich dort einliegende Kopie ihres Reisepasses und ihres Personalausweises ist die Identität der Beschwerdeführerin belegt.

Aus der Einsichtnahme in das ZMR gründen die Feststellungen über die Einreise und den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet.

Dass die Beschwerdeführerin mit einem ebenfalls in einer österreichischen Justizanstalt aufhältigen venezolanischen Staatsangehörigen verheiratet ist und sie somit im Bundesgebiet über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, ergibt sich aus dem Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Aus dem Verwaltungsakt und der Einsichtnahme in den Auszug des Sozialversicherungsträgers ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet berücksichtigungswürdige sprachliche, private und soziale oder berufliche Anbindungen erfahren hat und wurde dies in der Beschwerde auch nicht bestritten.

Die rechtskräftige Verurteilung der Beschwerdeführerin durch ein österreichisches Strafgericht gründet einerseits aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Beschwerdeführerin sowie aus dem sich im Verwaltungsakt befindlichen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 09.04.2019, zu 151 Hv 122/18w. Die rechtskräftige Verurteilung der Beschwerdeführerin wurde in der Beschwerde ebenfalls nicht moniert.

Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 27.01.2020, Zl. 1171069707/180644778 liegt im Verwaltungsakt ein und leitet sich daraus die Feststellung zu dem in Österreich geführten Verfahren ab.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur teilweisen Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Zur Befristung des Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides)

3.1.1. Zur Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Dabei kann dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 Z 1 FPG auch unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.1.2. Zur Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Das Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilte die Beschwerdeführerin mit Urteil vom 09.04.2019, 151 Hv 122/18w wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 104a Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall StGB und des Verbrechens der grenzüberschreitenden Prostitution nach § 217 Abs. 1 zweiter Fall StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von fünf Jahren.

Infolge dieser rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung erließ die belangte Behörde auf der zuvor zitierten rechtlichen Grundlage ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Das von der belangten Behörde angeordnete Aufenthaltsverbot erweist sich auf Grundlage des § 67 Abs. 3 Z 1 FPG dem Grunde nach als zulässig. Insbesondere deshalb, weil das von der Beschwerdeführerin gezeigte Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet, zumal an der Bekämpfung des Menschenhandels - einer besonderen Art grenzüberschreitender Kriminalität - ein großes öffentliches Interesse besteht. Zudem stellen die von der Beschwerdeführerin verwirklichten Delikte nach den Gesetzesmaterialien ein "besonders gefährliche(s) und schamlose(s) Verbrechen" darstellen, das "in einen Kriminalitätsbereich fällt, den die Rechtsprechung als Ansatz organisierten Verbrechertums perhorresziert" und dem eine ausgesprochen zynische Missachtung der Menschenwürde innewohnt und die Bestimmung des § 217 StGB mehreren internationalen Abkommen zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels entspricht, denen Österreich beigetreten ist (vgl. zuletzt VwGH 16.01.2007, 2006/18/0353; ).

Wie die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall allerdings vollkommen richtig aufzeigt, erweist sich die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Aufenthaltsverbots als nicht angemessen. Dies aus folgenden Überlegungen:

Das dargestellte Verhalten der Beschwerdeführerin ist unbestritten den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massiv zuwidergelaufen, was von der Beschwerdeführerin als solches auch nicht bestritten wird. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots nach den Bestimmungen des § 67 Abs. 3 Z 1 FPG eine rechtskräftige Verurteilung von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von "mehr als" fünf Jahren erfordert. Dieses Erfordernis ist im gegenständlichen Fall durch die rechtkräftige Verurteilung von "exakt" fünf Jahren nicht erfüllt.

Unter diesen Prämissen ist das von der belangten Behörde verhängte Aufenthaltsverbot mit unbefristeter Dauer nicht rechtmäßig und war sie gemäß den Bestimmungen des § 67 Abs. 2 FPG mit zehn Jahren zu befristen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher mit der Maßgabe abzuweisen, als die Dauer des Aufenhaltsverbotes gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG auf zehn (10) Jahre befristet wird.

3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, geht von der Beschwerdeführerin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass ihre sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden und wurden diese in der Beschwerde auch nicht moniert, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und die zu entscheidenden Fragen lediglich rechtliche Fragen umfassten, die keiner mündlichen Verhandlung bedurften (VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066; 17.10.2019, Ra 2016/08/0010; ua.).

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik der Zulässigkeit der Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes auseinander. Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Durchsetzungsaufschub Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Menschenhandel öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2229060.1.00

Im RIS seit

06.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten