TE Vwgh Beschluss 1998/1/21 97/03/0356

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Veröffentlicht am 21.01.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über den Antrag des J, vertreten durch Sch, O, S und B, Rechtsanwälte, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 8. April 1997, Zl. 1/22-3/1996, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Beschluß vom 24. September 1997 wurde das Verfahren über die oben angeführte, zur Zl. 97/03/0135 protokollierte Beschwerde gemäß § 33 Abs. 1 zweiter Satz in Verbindung mit § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt, weil der Beschwerdeführer dem ihm erteilten Mängelbehebungsauftrag zur Vorlage einer weiteren Ausfertigung der Beschwerde insofern nicht nachgekommen war, als er lediglich einen nicht unterfertigten Schriftsatz der Beschwerde vorgelegt hatte.

Im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde vorgebracht, daß nach Zustellung des Mängelbehebungsauftrages an die Beschwerdevertreter am 21. Juli 1997 der Akt dem Rechtsanwalt S zur Bearbeitung vorgelegt worden sei. Dieser habe der Kanzleileiterin den Auftrag erteilt, eine weitere Ausfertigung der Beschwerde herzustellen und diese dem "Kollegen" Sch zur Unterschrift vorzulegen, da er selbst berufsbedingt die Kanzlei habe verlassen müssen und an diesen Tag auch nicht mehr in die Kanzlei habe zurückkehren können. Aus nicht mehr erklärbaren Gründen habe die Kanzleileiterin diesem Auftrag nicht entsprochen und die Beschwerde, ohne sie Sch zur Unterschrift vorzulegen, "für den Postversand abgefertigt". Die Kanzleileiterin sei eine überaus korrekte und über insgesamt 15 Jahre in der Kanzlei der Beschwerdevertreter tätige Kanzleikraft, die die ihr übertragenen Aufgaben selbständig und völlig korrekt ausführe. Da Rechtsanwalt S an diesem Tag aufgrund des auswärtigen Termines nicht mehr während der normalen Bürozeiten in die Kanzlei zurückgekehrt sei, habe er auch nicht mehr überprüfen können, ob die Kanzleileiterin seinem ausdrücklichen Auftrag zur Einholung der Unterschriftsleistung bei Sch entsprochen habe. Er habe dies aufgrund der sonst fehlerlosen Tätigkeit der Kanzleileiterin "fix" angenommen. Da Sch nicht selbst den Auftrag an die Kanzleileiterin erteilt habe, ihm nach Herstellung der Beschwerde diese zur Unterschrift vorzulegen, sei auch diesem die mangelnde Vorlage der Beschwerdeausfertigung nicht aufgefallen. Bei dem geschilderten Sachverhalt handle es sich um einen minderen Grad des Versehens, da die einschreitenden Vertreter aufgrund der klaren Auftragserteilung ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt hätten.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. den Beschluß vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0771) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen.

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Bei Anlegung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Vertreter des Beschwerdeführers S obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich von der ordnungsgemäßen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern. Dazu hätte er nach Rückkehr in die Kanzlei Gelegenheit gehabt. Da es sich bei der von der Kanzleileiterin vorzunehmenden Tätigkeit nicht bloß um den rein technischen Vorgang beim Abfertigen von Schriftstücken handelte, hätte sie auch einer verläßlichen Kanzleikraft nicht ohne nähere Beaufsichtigung überlassen werden dürfen (vgl. den schon zitierten hg. Beschluß vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0771).

Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Beschwerdevertreters zu werten.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997030356.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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